Während sich im geschichtlichen Rückblick eine Vielzahl von revolutionären Bewegungen, aber auch ganze Staaten beispielsweise auf die sozialistische Idee berufen, sind parallele Entwicklungen in Bezug auf den Anarchismus nur schwer auszumachen. Trotz einer breiten, theoretischen Untermauerung kann die anarchistische Bewegung nur auf wenige realtypische Beispiele zurückblicken. Klammert man die, als phasenhaft zu bezeichnenden Ausprägungen der Pariser Kommune, sowie die Rätebewegung im Zuge der russischen Revolution in den Jahren 1918 bis 1922 aus, kann das Spanien der Vorbürgerkriegsjahre sicherlich als der entscheidende Repräsentant gewertet werden. Die Sonderrolle, die dem spanischen Anarchismus des beginnenden 20. Jahrhunderts zukommt, setzt sich auch in seiner zeitlichen Einordnung fort. Während die zuvor genannten Realtypen überwiegend in die Hochphase des weltweiten Anarchismus fallen, die vor dem I. Weltkrieg zu verorten ist, kann sich aufgrund der spezifisch landestypischen Eigenheiten im Spanien vor Beginn des Bürgerkriegs diese Entwicklung erst mit einer zeitlichen Verzögerung von nahezu zwei Jahrzehnten vollziehen.
In der folgenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, den spanischen Anarchismus und seine Rolle im Spanischen Bürgerkrieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts näher zu beleuchten. Dabei werden zunächst die Bedingungsfaktoren näher betrachtet, die die Existenz dieses Realtypus verständlich machen. Anschließend erfolgt die Vorstellung der konkreten Umsetzung des Anarchismus in der spanischen Gesellschaft, sowohl im industriell, als auch im agrarisch geprägten Landesteil. Abschließend wird die Phase seines Niedergangs analysiert, welche sich bereits im Zuge einer immer stärkeren Militarisierung in Gesellschaft und Wirtschaft abzuzeichnen beginnt, sowie eine finale Bewertung vorgenommen.
Inhaltsverzeichnis
- I.: Die Sonderstellung des spanischen Anarchismus
- II.: Anarchismus zwischen Bürgerkrieg und gelebter Utopie
- 1. Bedingungsfaktoren im Hinblick auf die Entstehung des Anarchismus in Spanien.
- 2. Die praktische Ausprägung der anarchistischen Bewegung...
- 2.1. Agrarische Kommunen und industrieller Syndikalismus.
- 2.2. Militarisierung und Niedergang der Bewegung.
- III. Der Anarchismus in Spanien – Bewertung eines gesellschaftlichen Experiments.
- IV.: Literaturverzeichnis.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem spanischen Anarchismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dessen Rolle im Spanischen Bürgerkrieg. Sie untersucht die Bedingungsfaktoren, die zur Entstehung des Anarchismus in Spanien führten, und stellt die konkrete Umsetzung der anarchistischen Ideen in der spanischen Gesellschaft dar. Anschließend wird der Niedergang der anarchistischen Bewegung analysiert und eine finale Bewertung vorgenommen.
- Die Sonderstellung des spanischen Anarchismus im Vergleich zu anderen anarchistischen Bewegungen.
- Die Bedingungsfaktoren, die die Entstehung des Anarchismus in Spanien begünstigten, wie z.B. die soziale Kluft, der Feudalismus und der Regionalismus.
- Die praktische Umsetzung des Anarchismus in der spanischen Gesellschaft, insbesondere die Bildung agrarischer Kommunen und der industrielle Syndikalismus.
- Die Militarisierung und der Niedergang der anarchistischen Bewegung während des Spanischen Bürgerkriegs.
- Die Bewertung des gesellschaftlichen Experiments des Anarchismus in Spanien.
Zusammenfassung der Kapitel
I.: Die Sonderstellung des spanischen Anarchismus
Dieses Kapitel beleuchtet die Besonderheiten des spanischen Anarchismus im Vergleich zu anderen anarchistischen Bewegungen. Es wird hervorgehoben, dass der spanische Anarchismus eine einzigartige zeitliche und inhaltliche Entwicklung durchlief und sich erst mit einer Verzögerung von fast zwei Jahrzehnten gegenüber anderen anarchistischen Bewegungen etablieren konnte.
II.: Anarchismus zwischen Bürgerkrieg und gelebter Utopie
1. Bedingungsfaktoren im Hinblick auf die Entstehung des Anarchismus in Spanien
In diesem Kapitel werden die Faktoren untersucht, die die Entstehung des Anarchismus in Spanien begünstigten. Die starke soziale Kluft zwischen armer Landbevölkerung und reicher Elite sowie die traditionsreiche Rolle des Regionalismus werden als Schlüsselfaktoren identifiziert. Die Arbeit beleuchtet auch die Rolle des Feudalismus und der katholischen Kirche in der spanischen Gesellschaft, die eine Demokratisierung und soziale Veränderung behinderten.
2. Die praktische Ausprägung der anarchistischen Bewegung
Dieses Kapitel befasst sich mit der konkreten Umsetzung des Anarchismus in der spanischen Gesellschaft. Die Gründung einer einheitlichen anarchistischen Bewegung in Barcelona und deren Fokus auf Bildungsarbeit unter der Arbeiter- und Bauernschaft wird beschrieben. Die Arbeit untersucht auch den militanten Charakter der anarchistischen Bewegung und die frühen Konflikte zwischen Arbeiterschaft und Staatsmacht.
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- Johannes Stockerl (Author), 2010, Anarchistische Realtypen – Das prä-franquistische Spanien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154823