Die Institution der Zweiten Kammer findet sich überall auf der Welt. Sie ist, wenn auch mit unterschiedlichen Tendenzen, in allen politischen Systemen vertreten: sowohl in föderalstaatlichen und zentralistischen Präsidialdemokratien, als auch in föderalistisch und unitarisch gestalteten parlamentarischen Regierungssystemen. Dementsprechend variieren Zweite Kammern hinsichtlich ihrer Machtfülle, Funktion sowie politischen Bedeutung im Gesetzgebungsprozess zum Teil erheblich. In der Literatur wird daher häufig von „starken“ und „schwachen“ Zweiten Kammern gesprochen. Aufgrund der Vielfalt bezüglich des jeweiligen konstitutionellen Kontextes und der unterschiedlichen politischen Kultur, in welche Zweite Kammern eingebettet sind, stellt sich die Frage, inwiefern ein Vergleich Zweiter Kammern hinsichtlich ihrer Stärke überhaupt sinnvoll ist. Ich argumentiere, dass die Debatte über die Stärke Zweiter Kammern zum Teil unstrukturiert geführt wird. Ziel der Arbeit ist es deshalb, die Diskussion neu zu strukturieren und aufzuzeigen, dass sich die Thematik der Stärke Zweiter Kammern nicht auf einer einzelnen Ebene diskutieren lässt, wie dies bisher der Fall ist. Natürlich ist es offensichtlich, dass, je stärker eine Zweite Kammer ist, sie also zum Beispiel über die Möglichkeit eines absoluten Vetos verfügt, sie einen umso größeren Einfluss im politischen Prozess hat. Diese Logik lässt sich jedoch nicht unbedingt in umgekehrter Richtung fortführen. „Schwache“ Zweite Kammern, die nur ein aufschiebendes (suspensives) Vetorecht besitzen, haben nicht zwangsläufig nur einen geringen oder gar überhaupt keinen Einfluss auf die Gesetzgebung. Hier können erhebliche Unterschiede in der Stärke von „schwachen“ Zweiten Kammern auftreten, die von dynamischen Faktoren in den spezifischen Verhandlungsprozessen zwischen beiden Kammern abhängen. Meine These lautet demnach wie folgt: Die Debatte zur Messung der Stärke Zweiter Kammern braucht eine Strukturierung in zwei Ebenen, die getrennt voneinander diskutiert werden sollten. Die erste Ebene wird als statische Ebene bezeichnet, die sich mit der konstitutionellen Stärke Zweiter Kammern in demokratischen Systemen befasst, während auf der zweiten dynamischen Ebene der potentielle Einfluss Zweiter Kammern auf den politischen Prozess untersucht wird. Denn die Stärke einer Zweiten Kammer gibt nicht immer Auskunft über deren tatsächlichen Einfluss.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Stärke Zweiter Kammern: Eine Übersicht über ein unübersichtliches Gebiet
- Statische Klassifikationen: Bequeme Schemata mit Tücken
- Dynamische Modelle: Geduld und Timing - Die Stärke „schwacher“ Kammern
- Schlussfolgerungen: Über Sinn und Unsinn von „starken“ und „schwachen“ Kammern
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Institution der Zweiten Kammer in verschiedenen politischen Systemen und untersucht, inwieweit ein Vergleich ihrer Stärke überhaupt sinnvoll ist. Die Arbeit analysiert unterschiedliche Ansätze, die sich mit der Stärke Zweiter Kammern auseinandersetzen und arbeitet die Stärken und Schwächen dieser Ansätze heraus. Der Fokus liegt dabei auf der Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen Faktoren, die den Einfluss Zweiter Kammern auf den politischen Prozess beeinflussen.
- Statische versus dynamische Ansätze zur Analyse der Stärke Zweiter Kammern
- Die Bedeutung des konstitutionellen Kontextes und der politischen Kultur
- Die unterschiedlichen Formen und Funktionen Zweiter Kammern
- Der Einfluss von dynamischen Faktoren auf die Stärke „schwacher“ Kammern
- Die Rolle des Vetorechts und seiner verschiedenen Ausprägungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und erläutert die Bedeutung der Zweite Kammer in verschiedenen politischen Systemen. Zudem werden die Forschungslücken und die Zielsetzung der Arbeit dargestellt.
- Zur Stärke Zweiter Kammern: Eine Übersicht über ein unübersichtliches Gebiet: Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über verschiedene Ansätze zur Messung der Stärke Zweiter Kammern, die sich auf statische institutionelle Merkmale fokussieren.
- Statische Klassifikationen: Bequeme Schemata mit Tücken: Das Kapitel analysiert die gängigen statischen Klassifikationen und untersucht die Tücken und Einschränkungen dieser Ansätze.
- Dynamische Modelle: Geduld und Timing - Die Stärke „schwacher“ Kammern: Hier werden dynamische Modelle vorgestellt, die den Einfluss von zeitlichen Faktoren und Verhandlungsprozessen auf die Stärke Zweiter Kammern untersuchen.
Schlüsselwörter
Zweite Kammer, Bikameralismus, Stärke, Einfluss, Vetorecht, statische Klassifikationen, dynamische Modelle, institutionelle Rahmenbedingungen, politische Kultur, Gesetzgebungsprozess, politische Entscheidungsfindung.
- Quote paper
- Jana Schwenzien (Author), 2007, Starke Kammer, schwache Kammer – Ein unvergleichlicher Vergleich?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154853