Die Flucht in eine bessere Gesellschaft

Eine Analyse und Interpretation Ljudmila Petruševskajas Erzählung „Die neuen Robinsons“ unter dem Gesichtspunkten einer Robinsonade, Utopie und Dystopie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

15 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Utopie oder Robinsonade ?

3 Analyse und Interpretation der Erzählung
3.1 Erzählinstanz und sprachliche Stilmittel
3.2 Sprachstil und Modus der Erzählung
3.3 Raum und Zeitanalyse

Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis
Primärquelle
Sekundärquellen
Internetquellen:

Die Flucht in eine bessere Gesellschaft

1 Einleitung

Die Sehnsucht nach einem fernen Ort. Einem Ort, an dem Frieden herrscht.

Ein Ort, der paradiesisch gestaltet ist und an dem nichts fehlt. Zumindest nichts Essenzielles. Ja gerade so viel, dass es zum Überleben geeignet ist. Dass man sich als Tagesaufgabe mit der Nahrungssuche beschäftigt und zwischen den Mahlzeiten die Ruhe und Entspannung mit einem geliebten Menschen teilen kann. Ein Ort – wie man so schön zu sagen pflegt „wo die Welt noch in Ordnung ist“, wo nur die Gesetze der Natur herrschen und ein Jeder dem Anderen in der Gesellschaft wichtig ist. Oder vielleicht doch ein Ort, an dem man bis auf einen geliebten Menschen allein ist ? Völlig allein. Zwangsläufig abgeschieden von einem stressigen Alltag und unerwünschter Mitmenschen.

Diesen genannten Wünschen gehen täglich unzählige Menschen in Gedanken nach. Doch was treibt die Menschen zu solch einem Verlangen? Woher kommt solch Sehnsucht nach Freiheit, Neuordnung und Ursprünglichkeit des Seins?

Diese zunehmend zu beobachtende Tendenz soll Thematik dieser Arbeit über Ljudmila Petruševskajas Erzählung „Die neuen Robinsons“ werden. Im Vordergrund der Hausarbeit steht die Frage nach dem Grund der Flucht der Familie und den daraus resultierenden Konsequenzen. Hierzu ist es zunächst notwendig die Erzählung zu analysieren und zu interpretieren, um später klare Rückschlüsse ziehen und Antworten geben zu können.

2 Utopie oder Robinsonade ?

Zunächst ist es von Belangen die Erzählung dem Begriff der Utopie oder der Robinsonade zuzuordnen. Wenn man hierfür den Versuch unternimmt den Begriff Utopie zu definieren, ist wohl folgendes Zitat der Wahrheit am nächsten „[Utopie ist das] Phantasiebild einer Gesellschaft, das Lösungsvorschläge für ganz bestimmte ungelöste Probleme der jeweiligen Ursprungsgesellschaft enthält, und zwar Lösungsvorschläge, die entweder anzeigen, welche Änderungen der bestehenden Gesellschaft, die Verfasser oder Träger einer solchen Utopie herbeiwünschen oder welche Änderungen sie fürchten und vielleicht manchmal beide zugleich.“ ( Elias: 1982: 102- 150 )

Die Utopisten distanzieren sich von Krankheiten, Schmerzen, Hunger, Gewalt und Krieg. Es besteht der klare Wunsch nach einer besseren Gesellschaft, in der kollektiver Frieden, Wohlstand und Glück herrscht.

Schaut man sich hingegen die Robinsonade an, so lassen sich eindeutige Abgrenzungen zur Utopie feststellen. In der Robinsonade wird nicht vom Wunsch nach einem Nichtort, an dem sich durchaus viele Menschen befinden können, sondern vom Zustand und der Bewältigung absoluter Isolation ausgegangen. Der Zwangsisolierte lebt in einer Welt, die sich noch in einem absoluten Rohzustand befindet. Während hingegen bei der Utopie die Welt so geschaffen ist, dass es den Menschen an Nichts fehlt. In der Robinsonade gilt es täglich den Kampf des Überlebens anzutreten. Der Isolierte muss lernen ohne jegliche Autoritäten zu leben und zu begreifen für seine Taten eigenverantwortlich zu sein. Dies hat den Vorteil den Nutzen seiner Tätigkeiten erkennen und schätzen zu können. Genau an diesem Punkt trifft die Robinsonade nun doch mit der Utopie zusammen. Hier erfüllt die betroffenen Menschen absolute Zufriedenheit und das Gefühl der Unabhängigkeit von jeglichen Obrigkeiten. Sowohl in der Robinsonade als auch in der Utopie wird dieser Zustand der friedlichen Unabhängigkeit und des Überlebens angestrebt.

Will man nun Ljudmila Petruševskajas Erzählung „Die neuen Robinsons“ einer Robinsonade oder Utopie zuordnen, so ist es notwendig genauer in den zu untersuchenden Text zu blicken.

In dem Buch „Die neuen Robinsons“ beschreibt die 18- jährige Ich- Erzählerin die Flucht ihrer zunächst dreiköpfigen Familie „[...] aufs Dorf zurück, in die finsterste, verlassene Provinz, irgendwo hinter dem Flüsschen Mora.“ ( ebd. S. 98 ). Es ist völlig unklar, aus welchen genauen Gründen sie die Stadt verlassen, um später von einer unbekannten Macht in die tiefsten Wälder der Provinz weiter hineingetrieben zu werden. Diese ungenannte Kraft bestimmt die Furcht der Familie vor Entdeckung und somit der Aufgabe ihrer neugewonnenen Unabhängigkeit und Freiheit. Wie es für eine Robinsonade charakteristisch ist, muss die Familie ihren Lebensunterhalt mit Getreideanbau, Hausbau, Jagen und Anlegen von Beeten bestreiten ( ebd. S.106 ). Die Familie ist fast völlig auf sich allein gestellt und muss sich die Durchführung der ursprünglichsten Tätigkeiten, die das Überleben der Menschen sichert, von Grund auf aneignen. Ohne jegliche Autorität leben sie in einem kleinen Häuschen und treten den Kampf gegen den sonst so bedeutungslosen, unaufhaltbaren und nun harten Wechsel der Jahreszeiten an. Mit ständiger Angst entdeckt zu werden, streifen sie auf der Suche nach Nahrung durch den Wald und bestellen kleine Felder.

Ihre Utopie des harmonischen Zusammenlebens, abgeschieden, unabhängig und sicher vor äußeren Einflüssen nimmt von Tag zu Tag zunehmend Gestalt an. Diese Gedankenutopie treibt die Familie an, ihre Situation bestmöglich zu gestalten und trotz Ängste vor dem Entdecktwerden, zufrieden zu sein. Nur wenige Personen, die ein ähnliches Schicksal teilen, werden an die Familie herangelassen, gar in die Familie integriert und somit die Isolation bewusst gesucht. Diese Tatsache spricht gegen eine reine Robinsonade. Denn in einer Robinsonade steht nicht die zunehmende Isolation, sondern das Ziel des Zurückkehrens in die Zivilisation an primärer Stelle. Es scheint sich somit bei der Erzählung „Die neuen Robinsons“ um eine gesellschaftliche Robinsonadenutopie zu handeln. Im Verlauf der Hausarbeit soll hierauf jedoch noch näher eingegangen und die so eben aufgestellte These geprüft werden.

3 Analyse und Interpretation der Erzählung

Die „Die neuen Robinsons“ spielen in Ljudmila Petruševskajas Erzählungen, die gemeinsam unter dem Sammeltitel „V sadach drugich vozmožnostej“ veröffentlicht wurden, eine besondere Rolle. Der Text weist nur wenige Gemeinsamkeiten mit den ebenfalls darin enthaltenen Erzählungen auf. Die Themen sind, im Allgemeinen, geprägt durch Sorgen, wie ungewollte Schwangerschaft, Drogenabhängigkeit, Geldnot, gescheiterte Ehen, alleinerziehende Mütter und „Das Verhältnis von Figuren, das in [...] den rasskazy, das weitaus Wichtigste ist. [...] dabei sind Beziehungen oft nur ex negativo bestimmt: Sie fehlen ganz, obwohl sie ersehnt werden, oder sie sind labil und unglücklich.“ ( Balz 2003: S.75).

Doch in der Erzählung “ Die neuen Robinsons” handelt es sich nicht, wie auch Hielscher zunächst allgemeingültig angibt, um „das Familienleben als Hölle“, sondern wie er weiterhin vermutet, um die Familie als „einzige[r]n Halt in dieser Welt [..]“ (S. 1996b, S.183).

Ljudmila Petruševskaja bricht dem zu Folge mit dieser Erzählung ihre sonstige Fokussierung auf Frauen, die in der Unübersichtlichkeit und der Anonymität einer Großstadt ihren oftmals einsamen Lebensalltag bestreiten müssen und unter ihren zerrütteten Beziehungen leiden. In „Die neuen Robinsons“ werden scheinbar der Zusammenhalt der Familie und die Folgen einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft beschrieben.

3.1 Erzählinstanz und sprachliche Stilmittel

Wie schon angedeutet, wird durch die 18- jährige Ich- Erzählerin der Handlungsverlauf der Erzählung beschrieben und ist durch diese maßgeblich geprägt. Man erhält ein subjektiv geprägtes Bild der Familie, ihren äußeren Umständen und deren Lebensweise während der Flucht zunächst aufs Land und schließlich tiefer in die Wälder Russlands ( „[...] würden in den Wald umziehen.“ Ebd. S. 111).

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Flucht in eine bessere Gesellschaft
Untertitel
Eine Analyse und Interpretation Ljudmila Petruševskajas Erzählung „Die neuen Robinsons“ unter dem Gesichtspunkten einer Robinsonade, Utopie und Dystopie
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Slavistik)
Veranstaltung
Utopien und Dystopien in der Russischen Literatur
Note
1.3
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V155039
ISBN (eBook)
9783640679157
ISBN (Buch)
9783640681730
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Flucht, Gesellschaft, Analyse, Interpretation, Ljudmila, Petruševskajas, Erzählung, Robinsonade, Utopie, Dystopie, Literaturwissenschaft, russische Literatur
Arbeit zitieren
Janine Heiner (Autor:in), 2008, Die Flucht in eine bessere Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155039

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