„Wir haben die Konfrontation gegen die Macht gewollt. Wir sind Subjekt gewesen, uns vor
27 Jahren für die RAF zu entscheiden. Wir sind Subjekt geblieben, sie heute in die Geschichte
zu entlassen.“1 Nach fast drei Jahrzehnten des „bewaffneten Kampfes“ gegen das politische
System der Bundesrepublik erklärte sich die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) im Frühjahr 1998
für aufgelöst. Wo nahm jedoch der Terrorismus der RAF seinen Anfang? Was waren die
Wurzeln des Linksterrorismus der siebziger Jahre? Und: Was waren die Ursachen und die
Auswirkungen des Terrorismus? Diese grundlegenden Fragen sollen in dieser Magisterarbeit
bearbeitet und beantwortet werden.
Es gilt als allgemein anerkannt, daß die RAF ein radikales Zerfallsprodukt der
studentischen Protestbewegung der sechziger Jahre war2: „Die Rote Armee Fraktion ist ... ein
degenerierter Sproß, aber eben doch ein Sproß der achtundsechziger Rebellion“. 3 Deshalb
erscheint es notwendig, die Ereignisse und die ideologischen Antriebskräfte der sogenannten
„68er“ im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit zu skizzieren. Dabei wurde der Schwerpunkt
auf die Begebenheiten der Jahre 1965 bis 1968 gelegt, wobei der Tod Bennos Ohnesorgs am
2. Juni 1967 und das Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke am 11. Mai 1968 die
traurigen Höhepunkte der Studentenbewegung darstellten. Die Jahre 1965 bis 1968 waren vor
allem durch eine fortschreitende politische Radikalisierung und die Zunahme von Gewalt
gekennzeichnet, die im Terrorismus der RAF Anfang der siebziger Jahre zu münden schienen.
Hierbei stellen sich folgende Fragen: War dieser Prozeß zwangsläufig, ist er vielleicht
monokausal zu begründen? [...]
1 RAF: Die Auflösungserklärung der RAF, März 1998, in: http://www.kurtuluscephesi.com/raf/raf3.html
(2.07.2002)
2 Um nur einige zu nennen: Uwe Backes: Geistige Wurzeln des Linksterrorismus in Deutschland, in: Aus Politik
und Zeitgeschichte, 1992, B 3-4, S.40; Gerd Langguth: Protestbewegung. Entwicklung, Niedergang,
Renaissance. Die Neue Linke seit 1968, 2.A., Köln 1984; anderer Meinung ist beispielsweise: Heinz Steinert:
Erinnerung an den „linken Terrorismus“, in: Henner Hess: Angriff auf das Herz des Staates. Soziale
Entwicklung und Terrorismus, 1.A., Frankfurt a.M. 1988, S.15-54, S.17.
3 Fred Luchsinger: Nicht zur Revolution disponiert. Zehn Jahre nach dem Aufruhr, in: K.E. Becker / H.-P.
Schreiner (Hrsg.) Anti-Politik. Terrorismus – Gewalt – Gegengewalt, Hannover 1979, S. 75-78, S.77.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Die Protestbewegung der 60er Jahre
- 1. Die Ereignisse
- a) 1965 bis Mai 1967
- b) Der Tod Benno Ohnesorgs und das Attentat auf Rudi Dutschke
- c) Zerfall der Studentenbewegung
- 2. Die ideologischen Grundlagen der Studentenbewegung
- a) Herbert Marcuse
- b) Antifaschismus und Antiimperialismus
- 1. Die Ereignisse
- II. Die Entstehung der Roten Armee Fraktion
- 1. Vorphase
- 2. Lebensläufe
- a) Gudrun Ensslin
- b) Andreas Baader
- c) Ulrike Meinhof
- 3. Die Baader-Befreiung – Entstehung der Roten Armee Fraktion
- 4.,,Offensive \"72\" und das Ende der Gründergeneration
- III. Die Ideologie der Roten Armee Fraktion
- 1. Die,,Kampfschriften“ der RAF
- a) „Das Konzept Stadtguerilla“
- b) „Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa“
- c) „Dem Volk dienen. Stadtguerilla und Klassenkampf“
- 2. Der Faschismusvorwurf der Roten Armee Fraktion
- 3. Die Imperialismustheorie der Roten Armee Fraktion
- 4. Beurteilung der Ideologie
- 1. Die,,Kampfschriften“ der RAF
- IV. Zwischenphase 1972-1976
- 1. Die Gefangenkomitees und die Frage der „Isolationsfolter“
- 2. Die Hungerstreiks: Der Körper als Waffe
- 3. Die RAF-Nachfolgegruppe „,4.2.\"
- 4. Der Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm
- 5. Der Stammheim-Prozeß
- 6. Der Selbstmord Ulrike Meinhofs
- V. Die „Offensive \"77\""
- 1. Die Ermordung Siegfried Bubacks und Jürgen Pontos
- 2. Das Attentat auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe
- 3. Höhepunkt der Gewalt: Der Herbst 1977
- a) Die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten
- b) Die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“
- c) Der Selbstmord in Stammheim
- d) Die Ermordung Schleyers
- 4. Die RAF nach dem Herbst 1977
- VI. Ursachen des Terrorismus
- 1. Psychologische Erklärungsansätze
- 2. Biographische Erklärungsansätze
- 3. Normative Erklärungsansätze
- VII. Die Terrorismusgesetze als Antwort des Staates auf den Terror
- 1. Das „Anti-Terrorismusgesetz“ vom 18. August 1976
- 2. Das „Kontaktsperregesetz“ vom 30. September 1977
- 3. Beurteilung der gesetzlichen Maßnahmen
- VIII. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Magisterarbeit befasst sich mit dem Terrorismus der Roten Armee Fraktion (RAF) und analysiert dessen Motive, Verläufe und Ergebnisse, insbesondere unter Berücksichtigung der Hochphase 1977/1978.
- Die Entstehung der RAF als radikales Zerfallsprodukt der Studentenbewegung der 1960er Jahre
- Die ideologischen Grundlagen der RAF, einschließlich der „Kampfschriften“ und der Kritik am Faschismus und Imperialismus
- Die Entwicklung der RAF von der Vorphase bis zur „Offensive 77“ und dem Höhepunkt der Gewalt im Herbst 1977
- Die Ursachen des Terrorismus, einschließlich psychologischer, biographischer und normativer Ansätze
- Die Reaktion des Staates auf den Terrorismus in Form von Terrorismusgesetzen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Magisterarbeit ein und stellt die zentralen Forschungsfragen vor. Sie beleuchtet die Bedeutung der Studentenbewegung der 1960er Jahre als Ausgangspunkt für die RAF und skizziert die Tragweite des Themas.
Kapitel I beleuchtet die Ereignisse und die ideologischen Antriebskräfte der Studentenbewegung der 1960er Jahre, wobei der Schwerpunkt auf den Jahren 1965 bis 1968 liegt. Es werden die wichtigsten Ereignisse und Personen dieser Zeit dargestellt und die Rolle von Antifaschismus und Antiimperialismus als ideologischen Grundlagen der Bewegung beleuchtet.
Kapitel II befasst sich mit der Entstehung der Roten Armee Fraktion, inklusive ihrer Vorphase und den Lebensläufen der wichtigsten Personen. Es wird die Baader-Befreiung und die damit verbundene Gründung der RAF beschrieben sowie die „Offensive 72“ und das Ende der Gründergeneration thematisiert.
Kapitel III beleuchtet die Ideologie der RAF anhand ihrer „Kampfschriften“ und untersucht den Faschismusvorwurf sowie die Imperialismustheorie der Gruppe. Es erfolgt eine kritische Beurteilung der Ideologie der RAF.
Kapitel IV widmet sich der Zwischenphase 1972 bis 1976. Es werden die Gefangenkomitees und die Frage der „Isolationsfolter“ behandelt, sowie die Hungerstreiks der Gefangenen und die RAF-Nachfolgegruppe „4.2.“ dargestellt. Weiterhin werden der Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm, der Stammheim-Prozess und der Selbstmord Ulrike Meinhofs beleuchtet.
Kapitel V analysiert die „Offensive 77“ und ihre zentralen Ereignisse. Die Ermordung Siegfried Bubacks und Jürgen Pontos, das Attentat auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und der Höhepunkt der Gewalt im Herbst 1977 mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten, der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“, dem Selbstmord in Stammheim und der Ermordung Schleyers werden dargestellt. Abschließend wird die RAF nach dem Herbst 1977 betrachtet.
Kapitel VI beschäftigt sich mit den Ursachen des Terrorismus. Es werden verschiedene Erklärungsansätze, wie psychologische, biographische und normative, untersucht.
Kapitel VII beleuchtet die Terrorismusgesetze, die als Antwort des Staates auf den Terrorismus erlassen wurden. Es werden das „Anti-Terrorismusgesetz“ von 1976 und das „Kontaktsperregesetz“ von 1977 dargestellt und ihre Wirksamkeit kritisch bewertet.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Magisterarbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Terrorismus, RAF, Studentenbewegung, 68er Bewegung, Linksterrorismus, Ideologie, Faschismus, Imperialismus, Gewalt, politische Radikalisierung, „Kampfschriften“, Gefangenkomitees, „Isolationsfolter“, Hungerstreiks, „Offensive 77“, Herbst 1977, Terrorismusgesetze, Staatliche Reaktion.
- Arbeit zitieren
- Eva Fiene (Autor:in), 2002, Der Terrorismus der RAF. Motive, Verläufe und Ergebnisse unter besonderer Berücksichtigung der Hochphase 1977/78, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15521