Das Thema Werbung ist in den letzten Jahren immer kontroverser diskutiert worden.
Auf der einen Seite stehen dabei Eltern, Pädagogen und Lehrer, die in der
Werbung eine immer stärkere Manipulation sehen, während die Industrie, die Medien
und die Werbebranche mit ihren Kreativen und Designern die Notwendigkeit
bzw. die künstlerischen Elemente der Werbung hervorheben und ihren Wert für die
Kultur betonen. Leider gilt dabei für beide Seiten, daß der verwendete Werbewirkungsbegriff
die Marketingorientierung und so die ökonomischen Konsequenzen in
den Vordergrund stellt (wie z.B. die Erzeugung von Konsumwünschen oder Markenbewußtsein).
Wir möchten uns in dieser Arbeit zuerst diesen ökonomischen Bereichen der Werbung
widmen, bevor wir die ganzheitliche Wirkung der Werbung kritisch diskutieren,
mit dem Versuch, Wirkungsmodelle auf implizite Weise durch sozialpsychologische
und ethische Aspekte zu ergänzen. Gerade Kinder sind noch keine „autonomen“
Verbraucher, sondern befinden sich noch in der Entwicklung . Eine Vielzahl
kognitiver Strategien, die notwendig sind, Werbung als solche zu erkennen
oder sich kritisch mir ihr auseinanderzusetzen, stehen für sie noch nicht zur Verfügung.
Dies sind die Gründe, weshalb die Werbung gerade in diesem Bereich einer
Vielzahl von Beschränkungen ausgesetzt ist. Allerdings hat die Werbebranche Mittel
und Wege gefunden, diese Beschränkungen zu umgehen.
Bei dem Phänomen Werbung handelt es sich nicht mehr um einen klar abgrenzbaren
Bereich, vielmehr ist es ihr gelungen sich als Trendsetter innerhalb der Kultur
zu etablieren. Aus vielen Bereichen des Lebens ist sie nicht mehr wegzudenken
und somit wachsen die heutigen Kinder in einer „Werbeumwelt“ auf. Die noch häufig
anzutreffende „Verteufelung“ der Werbung erscheint uns deswegen sinnlos. Sie
greift zu kurz und kann nicht dazu beitragen, das Phänomen Werbung zu erklären
oder transparenter und somit verständlicher zu machen. Es gilt, den Werbewirkungsbegriff
neu zu definieren und so zu fassen, daß es die sozialen Implikationen
einschließt. Desweiteren ist es nötig, den verantwortlichen Erziehern und Pädagogen
Mittel an die Hand zu geben, damit sie wertvolle Aufklärungsarbeit leisten können,
um den Kindern eine kritische Betrachtung dieser „Scheinwelt“ zu ermöglichen
und sie somit zu den autonomen Verbrauchern zu erziehen, die von der
Werbung letztlich profitieren können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Entwicklung des Werbemarktes
3. Neuere Werbeformen
3.1 Sponsoring
3.2 Product Placement
3.3 Game-Shows
3.4 Licensing und Merchandising
4. Kinder und Werbung
4.1 Fernsehnutzung und Werbung bei Kindern
4.2 Kinder als Konsumenten: Ihre Rolle beim Einkauf
5. Grenzen der Werbung
6. Die Peer-Group: ein wichtiger Bezugspunkt
7. Probleme
7.1. Unklarheit von Zuständigkeiten für Reklamationen in der Werbewirtschaft
7.2. Dominante Stellung der Fernsehwerbung
7.3. Abschätzung wieviel Werbung für Kinder erträglich ist
7.4. Kommerzialisierung und Zerstückelung des Kinderprogrammes
7.5. Kinderwelt wird zur Medienwelt
7.6. Werbung und Jugendkultur
7.7. Werbung wird immer schwerer abgrenzbar
7.8. Soziale Implikationen
7.8.1 Familie als vermittelnde Instanz verliert an Einfluß
7.8.2. Werbung vermittelt soziales Verhalten
8. Zur Ethik
9. Abschließende Diskussion
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Thema Werbung ist in den letzten Jahren immer kontroverser diskutiert worden. Auf der einen Seite stehen dabei Eltern, Pädagogen und Lehrer, die in der Werbung eine immer stärkere Manipulation sehen, während die Industrie, die Medien und die Werbebranche mit ihren Kreativen und Designern die Notwendigkeit bzw. die künstlerischen Elemente der Werbung hervorheben und ihren Wert für die Kultur betonen. Leider gilt dabei für beide Seiten, daß der verwendete Werbewirkungsbegriff die Marketingorientierung und so die ökonomischen Konsequenzen in den Vordergrund stellt (wie z.B. die Erzeugung von Konsumwünschen oder Markenbewußtsein).
Wir möchten uns in dieser Arbeit zuerst diesen ökonomischen Bereichen der Werbung widmen, bevor wir die ganzheitliche Wirkung der Werbung kritisch diskutieren, mit dem Versuch, Wirkungsmodelle auf implizite Weise durch sozialpsychologische und ethische Aspekte zu ergänzen. Gerade Kinder sind noch keine „autonomen“ Verbraucher, sondern befinden sich noch in der Entwicklung . Eine Vielzahl kognitiver Strategien, die notwendig sind, Werbung als solche zu erkennen oder sich kritisch mir ihr auseinanderzusetzen, stehen für sie noch nicht zur Verfügung. Dies sind die Gründe, weshalb die Werbung gerade in diesem Bereich einer Vielzahl von Beschränkungen ausgesetzt ist. Allerdings hat die Werbebranche Mittel und Wege gefunden, diese Beschränkungen zu umgehen.
Bei dem Phänomen Werbung handelt es sich nicht mehr um einen klar abgrenzbaren Bereich, vielmehr ist es ihr gelungen sich als Trendsetter innerhalb der Kultur zu etablieren. Aus vielen Bereichen des Lebens ist sie nicht mehr wegzudenken und somit wachsen die heutigen Kinder in einer „Werbeumwelt“ auf. Die noch häufig anzutreffende „Verteufelung“ der Werbung erscheint uns deswegen sinnlos. Sie greift zu kurz und kann nicht dazu beitragen, das Phänomen Werbung zu erklären oder transparenter und somit verständlicher zu machen. Es gilt, den Werbewirkungsbegriff neu zu definieren und so zu fassen, daß es die sozialen Implikationen einschließt. Desweiteren ist es nötig, den verantwortlichen Erziehern und Pädagogen Mittel an die Hand zu geben, damit sie wertvolle Aufklärungsarbeit leisten können, um den Kindern eine kritische Betrachtung dieser „Scheinwelt“ zu ermöglichen und sie somit zu den autonomen Verbrauchern zu erziehen, die von der Werbung letztlich profitieren können.
2. Entwicklung des Werbemarktes
Tabelle 1: Werbeinvestitionen in Deutschland
nominal, in Milliarden Mark, gerundet
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: ZAW: Werbung in Deutschland, 1990 und 1991; übernommen aus Baacke et al.,1993, S.15
Die Entwicklung des Werbemarktes soll anhand der Tabelle 1 veranschaulicht werden. Bei der Betrachtung fällt in erster Linie auf, daß sich die Werbeinvestitionen stetig positiv entwickelt haben. Die Steigerung der Nettowerbeumsätze der Medien liegt dabei noch über der prozentualen Steigerung der gesamten Werbeinvestitionen. Der hierbei erreichte Anteil von ca. 2% am realen Bruttosozialprodukt macht die Bundesrepublik Deutschland zu einem der werbeintensivsten Ländern der Welt. Übertroffen wird sie nur noch von den USA (Ridder 1989, S305, zit. n. Baacke et al., 1993, S. 15).
Seit 1988 hat auf dem Werbemarkt jedoch eine Umstrukturierung begonnen, die bis heute anhält. Der Grund dafür liegt in der Freigabe terrestrischer Frequenzen der Bundespost für die Anbieter Sat 1 und RTL Plus und der damit möglich gewordenen Steigerung der Reichweite. Als Folge davon kam es zu zweistelligen Zuwachsraten bei den Nettoumsätzen in der Fernsehwerbung. Inzwischen sind zahlreiche private Anbieter hinzugekommen, die über das Kabelnetz und den Satelitenempfang einen Großteil der Bevölkerung erreichen. Der Anteil der Werbeumsätze hat sich seitdem deutlich zugunsten der privaten Anbieter verschoben. Damit gehen zum einen der drastische Rückgang der Werbeeinnahmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Sendeanstalten einher als auch die deutliche Steigerung der geschalteten Fernsehwerbung insgesamt von 1100 Stunden im Jahre 1985 auf 2300 Stunden im Jahre 1990 (Baacke et al., 1993, S.21). Dieser Umbruch hatte in den ersten Jahren nach der Freigabe fast erdrutschartigen Charakter. Während die Umsatzentwicklung bei ARD und ZDF eher geringfügig ausgefallen ist (3,2% bzw. 2,4%, Daten beziehen sich auf das Jahr 1988), konnten die privaten Anbieter geradezu astronomische Zuwachsraten verbuchen: 162,9% bei RTL Plus und 204,7% bei Sat 1. Obwohl diese Zahlen durch die niedrigen Ausgangsraten bei den Privaten begünstigt sind, deuten sie einen Trend an, der auch in den folgenden Jahren noch Bestand haben wird. Näheres zeigen Tabelle 2 und Tabelle 3.
Tabelle 2 Nettoumsätze des Werbefernsehens 1985-1990
in Mio. Mark, ohne Produktionskosten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Media Perspektiven 1986-1991, ZAW: Werbung in Deutschland 1990; übernommen aus Baacke et al., 1993, S.20
Tabelle 3. Änderungen der Nettoumsätze des Werbefernsehens gegenüber dem Vorjahr 1985-1990 in Prozent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Media Perspektiven 1986-1991, ZAW: Werbung in Deutschland 1990; übernommen aus Baacke et al., 1993, S.20
3. Neuere Werbeformen
Seit einiger Zeit gibt es in zunehmendem Maße Werbeformen auf dem Markt, die sich deutlich von der üblichen Form der Spotwerbung unterscheiden. Sie heben sich nicht mehr vom Programm ab sondern stellen einen integrativer Bestandteil der Sendungen und Programme dar. Die wichtigsten Formen dieser Werbung sind „Sponsoring“, das „Product Placement“, Game-Shows sowie Licensing und Merchandising.
3.1 Sponsoring
Durch das Sponsoring wird versucht, Werbebotschaften in das Programm einzubringen. Der weite Begriff des Sponsoring „umfaßt nahezu jede Aktivität von der Bereitstellung kleiner Utensilien bis hin zur Produktion ganzer Sendungen (Scherer 1989, S.15, zit. n. Baacke et al., 1993, S.56). Sponsoring ist demnach die Bereitstellung von Geld- oder Sachmitteln an Personen oder Organisatoren im sportlichen, sozialen und kulturellen Bereich. Nach dem Reziprozitätsprinzip ist diese Bereitstellung von Geld oder Sachmitteln keineswegs altruistischer Natur, eine Gegenleistung des Gesponsorten, die zu den Kommunikationszielen des Unternehmens beitragen muß, wird prinzipiell erwartet (Specht, MA 1986, S.514; Bruhn, MA 1987, S.190, zit. n. Baacke et al., 1993 S.57).
Formen des „Sponsoring“ zählen bei Einhaltung bestimmter Regelungen laut Rundfunkstaatenvertrag rechtlich nicht zur Werbung. Sie sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, bei den privaten Anbietern jedoch ohne Beschränkungen erlaubt.
Meistens fördert das „Sponsoring“ nicht die Sendung als solche, sondern das ihr zugrundeliegende Ereignis (Austragung eines Fußballspiels, nicht die Sendung an sich; Übertragung eines Live-Konzertes etc. ).
Gerade für den Bereich der Popmusikkultur ist hier eine Trennung zwischen Ereignis und Sponsor und der damit verbundenen Verquickung zwischen Zielen eines Konzernes und dem natürlichen Interesse der Kinder und Jugendlichen an dieser Musik äußerst schwierig und in diesem Sinne unserer Meinung nach problematisch. Wie wir an anderer Stelle noch zeigen werden, versucht die Werbung hier aktiv, in den Bereich der Kinder- und Jugendkultur vorzudringen, mit dem vornehmlichen Ziel, diese als Konsumenten an sich zu binden. Dabei werden in immer stärkeren Maße die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen nach einer „eigenen“ Ausdruckswelt, die sich zum großen Teil im Konsum von Popmusik manifestiert, für kommerzielle Zwecke genutzt.
3.2 Product Placement
Auch das Product Placement kann nicht im klassischen Sinne der Werbung zugeordnet werden. Product Placement soll vor allem der Verbesserung des Bekanntheitsgrades und des Images eines speziellen Markenartikels dienen. Die Anwendungen des Product Placement und Ausstattungsmöglichkeiten sind dabei vielfältig. In seiner Grundform beinhaltet eine solche Werbeeinblendung die Plazierung identifizierbarer Produkte innerhalb eines Programmbeitrages oder Filmes. Man unterscheidet das „On-Set Placement“, bei der das Produkt in den Handlungsablauf eingebaut ist, ohne daß ihm jedoch eine eigenständige Funktion bzgl. des Inhalts der Sendung zukommt. Beim „Creative Placement“ sind wesentliche Bereiche der Produktion auf das Produkt zugeschnitten.
Besonders Kinder und Jugendliche sprechen auf diese Art der Werbung an, da sie sich häufig einen Sport daraus machen, Markenartikel, Schriftzüge und Namen innerhalb eines Filmes herauszufinden und zu benennen. Besonders die bei Kinder und Jugendlichen sehr beliebten Komödien, Action- und Abenteuerfilme werden für diese Werbeart bevorzugt (Gottschalk/Scheele MA 1987, S. 535, übernommen aus Baacke et al., 1993, S. 60).
Die Werbeaussage wird nicht in unmittelbarer Kommunikation zwischen Werbetreibenden und Adressaten mitgeteilt, wie in der klassischen Werbung üblich, sondern mittelbar über einen Dritten weitergegeben. Die Darsteller fungieren hier als Sympathieträger und sollen Assoziationen zwischen Produkt und Charakter herstellen. Obwohl diese Art der Werbung recht billig ist und eine große Zuschauerschaft erreichen, bleibt es unsicher, ob die sekundäre Aufmerksamkeit (die primäre Aufmerksamkeit ist vornehmlich auf den Film und dessen Inhalte gerichtet) letztendlich zum Werbeerfolg führt.
Ob Werbesignale überhaupt wahrgenommen werden und positive Assoziationen zum Produkt wecken, bleibt zweifelhaft (Baacke et al., 1993, S.61). In einer Studie von Byrant und Chomisky (1978, zit. n. Singer & Singer 1983, S. 268) wurden die Wiedererkennungsleistungen bezüglich Werbespots untersucht, die als „Sandwich“ zwischen sehr interessanten Actionsequenzen eingeblendet wurden . Bei diesen so plazierten Werbespots sank die Wahrscheinlichkeit, sich an dessen Inhalt zu erinnern rapide ab. Allerdings ist die Fähigkeit, zwischen Programm und Werbung zu unterscheiden vom kognitiven Entwicklungsstatus (und somit vom Alter) abhängig. Die „Ausblendetechniken“, die Erwachsene häufig anwenden, um sich vor der Informationsflut der Werbespots zu schützen, dürften bei Kindern, insbesondere bei denen jüngeren Alters, noch nicht gegeben sein (Singer & Singer, 1983).
Die Wirksamkeit unbewußt wahrgenommener Werbeeinblendungen ist noch ungeklärt. Allerdings gibt es Hinweise darauf, daß die Wahrnehmung durch unbewußte Stimuli beeinflußt werden kann. Unter dem Namen sleeper effect sind dazu in der Sozialpsychologie Forschungsarbeiten veröffentlicht worden. Der sleeper effect bezeichnet das Phänomen, daß bestimmte Namen als bekannt bezeichnet werden, weil sie familiär erscheinen. Die Gründe dafür sind jedoch nicht bewußt. Jacoby, Kelley, Brown und Jasechko (1989) gaben Probanden unbekannte Namen aus dem Telefonbuch zu lesen. Schließlich sollten die Probanden aus einer Liste von Namen diejenigen auswählen, die ihnen bekannt oder populär erschienen. Die Variation in den Untersuchungsbedingungen bestand in dem Zeitintervall, das zwischen dem Lesen der Namen und der Bekanntheitseinschätzung lag. Es betrug entweder nur eine kurze Zeit (Einschätzung direkt nach dem Lesen der Name) oder einen ganzen Tag. Betrug das Intervall einen Tag, so war die Wahrscheinlichkeit, einen Namen aus dem Telefonbuch als populär zu bezeichnen, größer.
3.3 Game-Shows
Game-Shows werden bevorzugt von den privaten Anbietern gesendet, die einen enorm hohen Programmbedarf abzudecken haben, ohne dabei auf finanzielle Mittel zurückgreifen zu können, die durch Fernsehgebühren erwirtschaftet werden. Sie müssen sich ausschließlich durch den Verkauf von Werbezeit finanzieren. Um die immer teurer werdenden Spielfilme im Abendprogramm bezahlen zu können, greifen die privaten Anbieter bevorzugt auf diese preiswerte Form der Sendegestaltung im Nachmittags- und Vorabendprogramm zurück, da sie die Produktionskosten hier sparen können. Den Werbeanbietern winkt eine große Reichweite und eine direktere Zielgruppenansprache. Folglich bergen Game-Shows für beide Seiten Vorteile. Diese Sendungen werden vom Zuschauer als Unterhaltungsangebot wahrgenommen, obwohl es sich formal um eine reine Werbesendung handelt. Bekannt sind hier v.a. „Der Preis ist heiß“ bei RTL Plus sowie „Glücksrad“ bei Sat 1.
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- Arbeit zitieren
- Johannes Weiss (Autor:in), 1999, Kinder und Werbung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15542