Ludwig Tiecks Der blonde Eckbert wurde seit seiner Erstveröffentlichung im Band 1 der Volksmärchen, der im Jahre 1797 von C.A. Nicolai herausgegeben wurde, zum Gegenstand zahlreicher literaturwissenschaftlicher Untersuchungen und gab Anlass zu den unterschiedlichsten, sich teilweise widersprechenden Interpretationen. Als Gründe dieser Vielzahl von Auslegungen sind zum einen die vielen Leerstellen des Textes und zum anderen die der jeweiligen Analyse zugrunde liegende Fokusierung anzusehen. Die vorliegende Arbeit will zur Interpretationsbasis zurückkehren, indem sie die Struktur des Werkes einer genauen Analyse unterzieht, um von dort aus zu einer Deutung zu gelangen. Zahlreiche Versuche der Gattungszuordnung des blonden Eckbert, wie z.B. Märchennovelle oder märchenhafte Erzählung weisen auf die Präsens zweier normalerweise voneinander getrennten Wirklichkeitsebenen innerhalb des Werkes hin: Auf der einen Seite das Gewöhnliche, die vordergründige Realität, das einfach Wirkliche, das durch die Naturgesetze bestimmt wird, und auf der anderen Seite das Märchenhafte, das Wunderbare, das gesteigert Wirkliche, das seinen eigenen phantastischen Gesetzen gehorcht. Die Analyse des Bauprinzips des Werkes wird dem Leitgedanken der Differenzierung dieser beiden Wirklichkeitsbereiche folgen, wobei zu untersuchen sein wird, wie sich die Ebenen zueinander verhalten: Inwieweit schließen sich das Gewöhnliche und das Märchenhafte gegenseitig aus und weisen eine Trennung auf, die sich in einem unvereinbaren Nebeneinander der Ebenen manifestiert, bzw. inwiefern sind die Ebenen nicht voneinander zu unterscheiden und bilden eine Einheit, die in einem Ineinander von Gewöhnlichem und Märchenhaftem sichtbar wird? In philosophischer Terminologie gesprochen: Folgt das Verhältnis zwischen Gewöhnlichem und Märchenhaftem dem dualistischen Prinzip, in dem sich die Gegensatzpaare unvereinbar gegenüber stehen, oder dem monistischen Grundsatz, nach dem sich die Gegensätze in einer Einheit aufheben? Es wird herauszuarbeiten sein, welchen Abschnitten des Textes welches Prinzip zugrunde liegt, wo sich ein Wechsel vom einen zum anderen Prinzip feststellen lässt und welche Konsequenzen dies für die Protagonisten mit sich bringt.
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Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- 1. Das dualistische Prinzip: Die Trennung von Gewöhnlichem und Märchenhaftem
- 1.1 Die einführende Rahmenerzählung: Der gewöhnliche Gang von Eckberts und Berthas Leben
- 1.1.1 Der realistische Einstieg: Die Vorstellung der Protagonisten
- 1.1.2 Verweise auf eine andere Wirklichkeitsebene
- 1.2 Die eingeschobene Binnenerzählung: Berthas märchenhafte Kindheit
- 1.2.1 Der realistische Einstieg: Berthas Erziehung
- 1.2.2 Die Annäherung an das Märchen: Die Flucht von zu Hause
- 1.2.3 Das Märchen: Die Waldeinsamkeit
- 1.2.4 Zurück in die Realität: Die Flucht aus der Waldeinsamkeit
- 1.1 Die einführende Rahmenerzählung: Der gewöhnliche Gang von Eckberts und Berthas Leben
- 2. Das monistische Prinzip: Die Einheit von Gewöhnlichem und Märchenhaftem
- 2.1 Der Einbruch der Binnenerzählung in den Rahmen: Das Wunderbarste vermischte sich mit dem Gewöhnlichsten
- 2.1.1 Der Wendepunkt: Walthers Nennung des Namens Strohmian
- 2.1.2 Die allmähliche Verschmelzung der beiden Wirklichkeitsebenen: Eckberts Weg in den Wahnsinn
- 2.1.3 Die vollkommene Synthese von Realität und Märchen: Eckbert auf den Spuren der jungen Bertha
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der strukturellen Analyse von Ludwig Tiecks "Der blonde Eckbert". Sie untersucht, wie die beiden Ebenen des Gewöhnlichen und Märchenhaften im Text aufeinander wirken und welche Bedeutung diese Wechselwirkung für die Interpretation des Werkes hat.
- Die Trennung von Gewöhnlichem und Märchenhaftem als dualistisches Prinzip
- Die Einheit von Gewöhnlichem und Märchenhaftem als monistisches Prinzip
- Die Wechselwirkung der beiden Prinzipien im Textverlauf
- Die Bedeutung der Struktur für die Interpretation des Werkes
- Die Rolle der Protagonisten im Spannungsfeld von Realität und Fantasie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Problematik der Interpretation von "Der blonde Eckbert" und skizziert die Bedeutung der Struktur für die Analyse des Textes. Im ersten Kapitel wird das dualistische Prinzip, das die Trennung von Gewöhnlichem und Märchenhaftem kennzeichnet, untersucht. Hierbei werden die einführende Rahmenerzählung und die Binnenerzählung von Berthas Kindheit analysiert. Das zweite Kapitel widmet sich dem monistischen Prinzip, das die Einheit von Gewöhnlichem und Märchenhaftem beleuchtet. Die Analyse fokussiert auf den Einbruch der Binnenerzählung in die Rahmenerzählung und die daraus resultierende Veränderung der Wirklichkeit. Im weiteren Verlauf wird die Entwicklung des Wandels vom Wendepunkt bis zu dessen Ende und dessen Konsequenzen für die Protagonisten aufgezeigt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Struktur und der Interpretation von Ludwig Tiecks "Der blonde Eckbert", insbesondere mit den Konzepten des Dualismus und Monismus im Kontext des Verhältnisses von Gewöhnlichem und Märchenhaftem, sowie den damit verbundenen Themen der Realität, Fantasie, Wirklichkeitsebenen und der Rolle der Protagonisten.
- Quote paper
- B.A. Bastian Heger (Author), 2008, Zwischen Monismus und Dualismus. Die Struktur von Ludwig Tiecks 'Der blonde Eckbert', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155592