Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die wesentlichen Unterscheidungen von Ausdruck, Bedeutung, Zeichen und Anzeichen bei Husserl (logische Untersuchungen, erster Teil, § 1-5)
1.1 Warum die Termini Ausdruck und Zeichen nicht gleichzusetzen sind
1.2 Das Verhältnis von Anzeige, Anzeichen und Bedeutung
1.3 Die Rolle der Assoziation
2. Die kritische Auseinandersetzung Derridas mit dem ersten Teil der logischen Untersuchungen von Husserl § 1-5
2.1 Erstes Kapitel: Das Zeichen und die Zeichen
2.2 Zweites Kapitel: Die Reduktion des Anzeichens
2.3 Drittes Kapitel: Das Bedeuten als Selbstgespräch (Teil A)
Schlussteil
Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Phänomenologie, eine der wichtigsten philosophischen Strömungen des 20. Jahrhunderts, wurde von Husserl geprägt und Derrida gehört zu den wesentlichen Vertretern dieser philosophischen Strömung. Die Analyse von Begriffen ist ein wichtiges Kennzeichen der Phänomenologie, die das Subjekt als ein Sein betrachtet, das sozial und kulturell in der Welt eingebettet ist.[1] Somit steht die Phänomenologie mit den Human- und Sozialwissenschaften in Verbindung. Ebenfalls spielt der Skeptizismus eine Rolle.
Husserl beschäftigten eine Reihe erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer Grundlagenprobleme; seine Überlegungen zu diesen Problemen führen zu seinem ersten Hauptwerk, den logischen Untersuchungen, die 1900-1901 erschienen sind.[2] Die Analyse der ersten fünf Kapitel von deren ersten Teil soll Grundlage dieser Arbeit sein.
Die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Fragen betreffen die kognitive Natur des Wahrnehmens, Glaubens, Urteilens und Erkennens; das alles sind psychische Phänomene.
In diesem Fall kann man die Psychologie als theoretische Grundlegung der Logik betrachten. Das kann dadurch gezeigt werden, dass die Seele bei Husserl ein wichtiger Bestandteil in seinen Argumentationen ist, da sie den Menschen das reflektieren lässt, was zu seinem Erkenntnisgewinn führt und woraus bedeutende Folgerungen gezogen werden. Die Psychologie ist eine Erfahrungswissenschaft, die die faktische Natur des Bewusstseins erforscht; die Logik hingegen erforscht ideale Strukturen und Gesetze, sie ist also von Gewissheit und Exaktheit geprägt.[3]
Husserl sucht den Weg über eine Theorie der Erfahrung, die am „unmittelbaren Bewusstseinserleben“[4] ansetzt. Dabei ist die möglichst genaue Beschreibung des Tatbestandes für ihn von Bedeutung. Hussels radikale Fragerichtung stellt nicht die Welt in ihrer Existenz in Frage, sondern die Aussagen über sie.[5] Dass auch hier wieder die
Phänomenologie zum Vorschein kommt, wird durch folgendes Zitat von Jean-F. Lyotard gezeigt[6]:
Le terme signifie études des « phémonènes », c´est à dire de cela qui apparaît à la conscience, de cela qui est donné. Il s´agit d´explorer ce donné, « la chose même » à laquelle on pense, de laquelle on parle, en évitant de forger des hypothéses […].
In den ersten fünf Paragraphen der logischen Untersuchungen stellt er unter anderem die üblichen Sichtweisen bezüglich Ausdruck und Zeichen in Frage. Wie er dieses durchführt, das soll im ersten Kapitel erläutert werden.
Ebenso unterscheidet er zwischen Anzeige und Anzeichen im Zusammenhang mit Bedeutung.
Die Analyse dieser Unterscheidung soll ebenfalls Gegenstand dieser Hausarbeit sein, ferner die Rolle der Assoziation.
Derrida beschäftigt sich als Vertreter des Dekonstruktivismus intensiv mit den logischen Untersuchungen von Husserl[7], indem er versucht, seine Beweisführungen aufzuschlüsseln und vorzuführen, und, was sehr wichtig ist, die Vorgehensweise von Husserl in seiner Argumentation an sich teilweise in Frage stellt. Dabei ist manchmal auch Ironie zu finden. Es muss jedoch gesagt werden, dass Derrida Husserl auch in den meisten Punkten Recht gibt, da er diese als Grundlage für seine eigenen Gedanken sieht.
Der Umgang Derridas mit den ersten fünf Paragraphen der logischen Untersuchungen[8] soll also ebenfalls in dieser Arbeit dargelegt werden. Um seine Denk- und Vorgehensweise nachvollziehen zu können, sollen die untersuchten Kapitel aus dem Werk Derridas einzeln in ihrer Reihenfolge herangezogen werden.
Ferner soll untersucht werden, was Derrida aus den deutschen Termini, die Husserl anwendet und deren exakte Übersetzung ins Französische kaum möglich ist, macht und was es für Konsequenzen mit sich bringen kann.
1. Die wesentlichen Unterscheidungen von Ausdruck, Bedeutung, Zeichen und Anzeichen bei Husserl (logische Untersuchungen, erster Teil, § 1-5)
1.1 Warum die Termini Ausdruck und Zeichen nicht gleichzusetzen sind
In § 1 warnt Husserl vor dem Fehler, die Termini Ausdruck und Zeichen als gleichbedeutende zu sehen, da sie sich in der üblichen Rede nicht immer decken.[9]. Der Grund, den Husserl dafür nennt ist der, dass nicht mit jedem Zeichen ein Sinn, eine Bedeutung ausgedrückt wird. Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Zeichen: Zeichen, die einen Sinn beinhalten und Zeichen, die nichts bedeuten. Darin liegt bereits indirekt ein Teil der Antwort auf die Überschrift: Die Tatsache, dass es unterschiedliche Formen von Zeichen gibt, die sich aber in ihrer Benennung nicht voneinander unterscheiden, impliziert, dass nur manche Zeichen Ausdruck sein können, aber nicht alle. Da diese Universalität fehlt, kann man allein deshalb nicht Ausdruck und Zeichen als gleichwertig betrachten.
Damit zeigt Husserl auch, dass „ein Zeichen für etwas sein“, was bei jedem Zeichen der Fall ist, nicht immer mit „Bedeuten“ gleichzusetzen ist.[10] Das Bezeichnen kann nicht immer als jenes „Bedeuten“ betrachtet werden, das die Ausdrücke charakterisiert.
Anzeichen haben die Funktion des Anzeigens. Anzeichen sind eine besondere Art von Zeichen (Bsp. Kennzeichen und Merkzeichen), die also etwas anzeigen. Solche Zeichen, die nur die Funktion des Anzeigens haben, drücken nur etwas aus, wenn sie noch zusätzlich eine Bedeutungsfunktion erfüllen. Wenn man sich auf Ausdrücke im herkömmlichen Sinne beschränkt (Ausdrücke, die im Wechselgespräch fungieren), dann ist der Begriff Anzeichen im Vergleich zum Ausdruck ein dem Umfang nach weiterer Begriff[11]. Daraus folgt, dass nicht alle Zeichen als Ausdruck betrachtet werden können. Ein anderes Beispiel, wodurch dieses gezeigt wird, ist die Tatsache, dass Ausdrücke auch im einsamen Seelenleben[12] ihre Bedeutungsfunktion entfalten, dort fungieren sie nicht mehr als Anzeichen, als eine bestimmte Art von Zeichen.
Sprachliche Zeichen sind mit einer Denkleistung, dem psychischen Erlebnis verbunden, in diesem Falle werden sprachliche Zeichen zum Ausdruck.[13]
In §5 unterscheidet Husserl zwischen anzeigenden und bedeutsamen Zeichen[14]. Von diesen zwei Arten von Zeichen sind nur die bedeutsamen die Ausdrücke, damit wird abermals belegt, dass Zeichen nicht immer mit Ausdruck gleichgesetzt werden kann.
Man kann sagen, dass der Ausdruck nicht gegeben wäre, wenn wir Zeichen wahrnehmen würden, von denen wir nicht wüssten, dass sie z.B. Schriftzeichen sind. Wir wüssten somit auch nicht, was sie bedeuten. In diesen Fall wäre der Ausdruck kein Gegenstand unserer Wahrnehmung und die Zeichen wären dann bestenfalls eine Anreihung bestimmter Linien, mit denen wir nichts anfangen könnten.[15]
1.2 Das Verhältnis von Anzeige, Anzeichen und Bedeutung
Wie im vorigen Kapitel bereits angedeutet, erfüllen Anzeichen die Funktion des Anzeigens. Somit sind beide Begriffe eng miteinander verbunden. Die Bedeutung ist keine notwendige Komponente für Anzeige und Anzeichen. Anzeige und Anzeichen sind somit nicht für die Bedeutung hinreichend.[16]
Die Flagge, die vor dem Königspalast aufgestellt wird, um zu sagen, dass die Königin anwesend ist, ist nur ein Anzeichen und kein Ausdruck, weil die Intention im Akt der Aufstellung der Flagge ohne Kenntnis und Information nicht erkannt werden kann. Dabei sind die Grenzen fließend: Wenn man davon ausgeht, dass der Rauch ein Anzeichen für Feuer ist, ist es ein Naturgesetz, somit kann man nicht von Intention sprechen. Dennoch braucht man in diesem Fall keine Informationen, um dieses Phänomen zu verstehen, da die Folgerung vom Dasein des Rauches für die meisten Menschen ersichtlich ist.
In § 2 wird der Begriff des Zeichens näher erklärt[17]. Husserl nennt dabei das Beispiel des Stigmas, das als Zeichen für den Sklaven zu betrachten ist und das Beispiel der Flagge als Zeichen für die Nation. In diesem Sinne hat das Zeichen die Aufgabe, Charakteristika, Merkmale und Beschaffenheiten von Objekten kenntlich zu machen.
[...]
[1] Vgl.dazu: Zahavi, Dan: Phänomenologie für Einsteiger, Paderborn: Fink 2007,7.
[2] Aus: Zahavi, Dan: Husserls Phänomenologie, Tübingen : Mohr Siebeck; Stuttgart : UTB 2009, 1.
[3] Ebd., 7.
[4] Prechtl, Peter: Husserl zur Einführung, Hamburg: Junius 1951,18.
[5] Ebd.,19.
[6] Lyotard, Jean-F.: La phénoménologie, Paris: Presses Universitaires de France 1956², 7.
[7] In: Die Stimme und das Phänomen. Einführung in das Problem des Zeichens in der Phänomenologie Husserls, übers. Von Hans- Dieter Gondek, 1. Auflage. Neuübersetzung, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003; und in: La voix et le phénomène. Introduction au problème du signe dans la phénomémologie de Husserl, Paris : PUF 1967.
[8] Die beiden eben genannten Werke werden Grundlage für die Arbeit sein; dabei sollen ausschließlich die ersten drei Kapitel herangezogen werden, da sonst der Rahmen der Arbeit gesprengt werden würde.
[9] In: Husserl, Edmund: Logische Untersuchungen. Zweiter Band, erster Teil, Husserliana Bd. XIX/1, hrsg. Von Ursula Panzer, Dordrecht: Nijhoff 1984, 30. Mit dieser Ausgabe als Grundlage soll in dieser Arbeit durchgehend gearbeitet werden.
[10] In ebd. weist er darauf hin, dass es sogar Fälle gibt, in denen das Zeichen nicht einmal das „bezeichne, wofür es seinen Terminus hat
[11] Ebd., 31: Die Einschränkung wird dadurch bestimmt, dass das Bedeuten mit einem Verhältnis des Anzeichen- Seins verflochten ist und den weiteren Begriff begründet, dass es auch ohne Verflechtung auftreten kann.
[12] Ebd.
[13] Prechtl, Husserl zur Einführung, 28.
[14] Ebd., 37.
[15] Vgl. dazu: Prechtl, Husserl zur Einführung, 31.
[16] Logische Untersuchungen § 1. 30: Das Bedeuten ist nicht eine Art des Zeichenseins im Sinne der Anzeige.
[17] Ebd., 31.