Leseprobe
Wie gut kann der Realismus die Existenz internationaler Organisationen erklären?
In dem vorliegendem Essay möchte ich diese Frage eingehend diskutieren. Dies werde ich primär am Beispiel der Vereinten Nationen (UNO) als Bezugspunkt für meine Argumentation versuchen. Dennoch sollte man, bevor man ein solches Essay wirklich beginnt, einige Grundbegriffe klären. So zum Beispiel den Begriff des Realismus, der eine in den 30er bzw. 40er Jahren des 20. Jahrhunderts entstandene Theorie in der Disziplin der Internationalen Beziehungen ist. Der Realismus muss als Reaktion auf den gescheiterten Völkerbund und den beginnenden zweiten Weltkrieg und als eine Gegenreaktion auf den Idealismus, die damals vorherrschende Denkweise, verstanden werden. So wurden die Hoffnungen der Menschen, die im internationale System einen Garant für den Frieden sahen, enttäuscht. Der Realismus legt daher seinen Schwerpunkt primär auf das Sein, das heißt die vorherrschenden Umstände in der Internationalen Politik, und nicht auf das Sollen, wie das der Idealismus tut. Daraus folgt eine eher pessimistische Theorie, die auf die Werke von Thukydides und Machiavelli zurückzuführen ist. Vereinfacht dargestellt geht der Realismus von der Macht, als das von den Nationalstaaten angestrebte Ziel aus. So würden die Nationalstaaten ihr Handeln primär auf die Maximierung ihrer Macht ausrichten. Eine Handlung ohne, dass daraus ein Vorteil beziehungsweise ein Machtgewinn für den Nationalstaat entsteht, ist somit nicht möglich. Zudem sollen nur die angestrebten Ziele, nicht jedoch die dazu verwendeten Mittel unter moralischen Maßstäben betrachtet werden. Dass diese Ansicht mit der Existenz von internationalen Organisationen, die für die Nationalstaaten in der Regel eher einen Machtverlust oder zumindest ein Abtreten an Rechten bedeutet, nicht leicht in Einklang zu bringen ist, ist offensichtlich. Deshalb tauchen internationale Organisationen in der Theorie des Realismus, der die wichtigste bzw. teilweise auch die einzige Ebene der internationalen Politik in den Nationalstaaten sieht, entweder gar nicht auf oder sie erscheinen in einem sehr schlechten Licht. Deswegen befasst sich dieser Aufsatz nicht nur mit der Frage, wie gut der Realismus die Existenz von internationalen Organisationen erklären kann, sondern auch inwieweit diese Theorie überhaupt mit der heutigen Zeit, in der internationale Organisationen eine wichtige Stellung einnehmen, in Einklang gebracht werden kann.
[...]