Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Entstehungsgeschichte
2 Wesentliche Übereinkünfte
2.1 Reduktionsverpflichtungen und Maßnahmen
2.2 Anrechnung von Senken
2.3 Flexible Mechanismen
2.3.1 Emissionshandel
2.3.2 Joint Implementation
2.3.3 Clean Development Mechanism
2.4 Rechtsdurchsetzung
3 Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Entstehungsgeschichte
1992 wurde auf der Konferenz der vereinten Nationen für Umwelt und Entwick- lung in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention (KRK) ins Leben gerufen. Die Klimarahmenkonvention, seit 1994 in Kraft, ist ein völkerrechtlicher Vertrag, in welchem sich die bis heute 1941 Vertragsstaaten in Artikel 2 das Endziel gesetzt haben die „Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu (…) [stabilisieren], auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasys- tems verhindert wird“. Zwar enthält der Vertrag weitreichende Verpflichtungen, vor allem für die in Anlage I der Klimarahmenkonvention genannten Staaten, so- genannte Annex-I Staaten (Industrieländer), wie etwa Berichterstattung über Treibhausgasemissionen und Klimaschutzmaßnahmen, völkerrechtlich verbind- lich sind diese jedoch nicht. Seit Inkrafttreten der Klimarahmenkonvention findet jährlich eine Vertragstaatenkonferenz (COP) statt. Auf der ersten Vertragsstaaten- konferenz (COP-1), 1995 in Berlin, wurde anerkannt, dass konkrete Treibhausgas- reduktionsverpflichtungen der Vertragsstaaten notwendig sind um einen effekti- ven Klimaschutz zu gewährleisten.2 Auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz (COP-3) in Kyoto wurde schließlich im Rahmen des Artikels 17 KRK ein Zusatz- protokoll zur Klimarahmenkonvention, das Kyoto-Protokoll (KP), verabschiedet. Dieses enthält konkrete und völkerrechtsverbindliche Reduktionsverpflichtungen für die Annex-I Staaten. Inwiefern Kohlenstoffsenken zur Erfüllung der Ver- pflichtungen herangezogen werden können, war bei den Verhandlungen hoch um- stritten.3
Das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls war gemäß Artikel 25 KP an zwei Bedin- gungen geknüpft. Zum einen mussten mindestens 55 Vertragsstaaten der Klima- rahmenkonvention das Protokoll in ihren jeweiligen Parlamenten ratifizieren, zum anderen mussten die ratifizierenden Staaten für mindestens 55 Prozent aller Treibhausgasemissionen im Jahr 1990 verantwortlich sein. Nachdem die USA 2001, verantwortlich für 35 Prozent aller Treibhausemissionen im Jahr 1990, an- gekündigt hatten das Kyoto-Protokoll nicht zu ratifizieren, hing das Inkrafttreten von der Zustimmung Russlands, verantwortlich für 16 Prozent aller Treibhausgas- emissionen in 1990, ab.4 Am 16. Februar 2005 trat das Protokoll schließlich in Kraft. Bis heute haben 1895 Staaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert, darunter alle EU-Mitgliedstaaten, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Japan und seit 2007 auch Australien, welches lange mit der Zustimmung gezögert hatte. Wichtige Ent- wicklungs- und Schwellenländer wie Brasilien, China, Mexiko, Indien, Südafrika und Südkorea haben das Kyoto-Protokoll ebenfalls ratifiziert, sind dadurch aber keine verbindlichen Treibhausgasreduktionsverpflichtungen eingegangen. Die USA, deren Verursachungsanteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen heu- te 25 Prozent beträgt6, sind das einzige Industrieland die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben.
Daneben beinhaltet das Kyoto-Protokoll sogenannte flexible Mechanismen, die dazu dienen sollen die Reduktionsverpflichtungen möglichst kostengünstig zu erfüllen, sowie Instrumente zur Rechtsdurchsetzung. Diese Regelungen, ebenso wie die Anrechenbarkeit von Kohlenstoffsenken, wurden 2001 auf der Vertrags- staatenkonferenz in Marrakesh konkretisiert und 2005 beim ersten Treffen der Kyoto-Protokoll Unterzeichnerstaaten (MOP-1) in Montreal angenommen.7
Da es sich beim Kyoto-Protokoll um ein Zusatzprotokoll zum Rahmenüberein- kommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen handelt, bezieht sich das darin abgefasste auf die Klimarahmenkonvention aus dem Jahr 1992. So ist in der Präambel des Kyoto-Protokolls niedergeschrieben, dass das Kyoto-Protokoll der Verfolgung des in Artikel 2 KRK festgelegten Endziels (siehe oben) dient. Artikel 1 Abs. 7 KP legt fest, dass mit dem Ausdruck „in Anlage I aufgeführte Vertrags- partei“ eine Vertragspartei gemeint ist, welche in Anlage I der Klimarahmenkon- vention genannt ist (Annex-I Staat). Zu diesen Staaten, den Hauptverursachern der weltweiten Treibhausgasemissionen, zählen die damaligen (1992) OECD-Staaten, sowie mittel- und Osteuropäische Transformationsstaaten. Als Nicht-Annex-I Staat werden demnach Staaten bezeichnet, die nicht in Anlage I KRK genannt werden. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Entwicklungs- und Schwellen- länder.
2 Wesentliche Übereinkünfte
2.1 Reduktionsverpflichtungen und Maßnahmen
Artikel 3 KP enthält die zentralen Verpflichtungen der Kyoto-Protokoll- Vertragsparteien. Die Emissionsbegrenzungs- bzw. Reduktionsverpflichtungen ergeben sich aus Artikel 3 Abs. 1 KP in Verbindung mit den beiden Anlagen A und B des Kyoto-Protokolls (Annex-A, Annex-B).
In Annex-A KP sind alle Treibhausgase aufgeführt, deren Emission im Rahmen des Kyoto-Protokolls begrenzt bzw. reduziert werden soll. Neben Kohlendioxid (CO2) sind dies Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), Teilhalogenierte Fluor- kohlenwasserstoffe (H-FKW/HFC), Perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6). Diese Gase haben sehr unterschied- liche Treibhauswirkungen. Um einen gemeinsamen Maßstab für die Berechnung der Emissionsreduktion zu erzeugen, werden alle in Annex-A genannten Treib- hausgase in Kohlendioxidäquivalenten ausgedrückt.8 Annex-B KP enthält die quantifizierten Emissionsbegrenzungs- bzw. Reduktionsverpflichtungen bezüglich des ersten Verpflichtungszeitraum 2008 bis 2012, angegeben in Prozent gegen- über dem Basisjahr 19909, für die in Annex-I KRK aufgeführten Staaten. Aus- nahmen bilden dabei die Türkei und Weißrussland, die zwar in Annex-I KRK, nicht jedoch in Annex-B KP gelistet sind. Die USA haben, da sie das Kyoto- Protokoll beim Beschluss 1997 mitgetragen haben, zwar in Annex-B KP einen Eintrag, aufgrund der fehlenden Ratifizierung ist jedoch das Kyoto-Protokoll und somit auch die in Annex-B niedergelegte Reduktionsverpflichtung für die USA völkerrechtlich nicht bindend.
Die Gesamtmenge an Kohlendioxidäquivalenten die ein Annex-I Staat im fünfjährigen Verpflichtungszeitraum nach Artikel 3 Abs. 1 KP emittieren darf, ergibt sich gemäß Artikel 3 Abs. 7 KP aus dem in Annex-B niedergelegten Prozentanteil der anthropogen Emissionen im Jahr 1990, multipliziert mit fünf. Das Gesamtziel ist laut Artikel 3 Abs. 1 KP eine Reduktion der Gesamtemissionen aller Annex-I Staaten innerhalb des Verpflichtungszeitraums 2008 bis 2012 um mindestens 5 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990.
Nach Artikel 3 Abs. 1 KP können Annex-I Staaten ihre Verpflichtungen auch gemeinsam erfüllen. Hiermit wird dem in Artikel 3 KRK formulierten Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung Rechnung getragen. Artikel 4 KP regelt die Einzelheiten dieser Möglichkeit. Gemäß Artikel 4 Abs. 1 KP gel- ten die Verpflichtungen dann als erfüllt, wenn die Summe der gemeinsamen Emissionen innerhalb des Verpflichtungszeitraums die Summe der nach Annex-B erlaubten Emissionen nicht überschreitet. Für jeden Staat, der von der Möglichkeit der gemeinsamen Erfüllung Gebrauch macht, muss das erlaubte Emissionsniveau festgelegt und beim UNFCCC-Sekretariat, dem Sekretariat der Klimarahmenkon- vention, hinterlegt werden. Eine einmal getroffene Vereinbarung zur gemeinsa- men Erfüllung kann gemäß Artikel 4 Abs. 3 KP, zumindest innerhalb des ersten Verpflichtungszeitraumes, nicht zurückgenommen werden. Verfehlen die beteilig- ten Staaten ihr gemeinsames Ziel, so ist nach Artikel 4 Abs. 5 KP jede Partei für die Einhaltung des eigenen Emissionsniveaus verantwortlich.
Von dieser Möglichkeit eines Lastenausgleichs haben bisher nur die Staaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) Gebrauch gemacht. Die EG und da- mit deren Rechtsnachfolger, die Europäische Union (EU), hat sich verpflichtet ihre gesamten Treibhausgasemissionen um 8 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Innerhalb der EU reduziert zum Beispiel Deutschland seine Emissionen um 21 Prozent gegenüber 1990, Großbritannien um 12,5 Prozent und Frankreich um +/- 0 Prozent.10
Artikel 2 KP nennt eine Reihe von Maßnahmen und Politiken welche die Annex-I Staaten zur Erfüllung ihrer Emissionsreduktionsverpflichtungen entsprechend ihrer nationalen Gegebenheiten ausgestalten und umsetzen sollen.11 Beispiele sind die Verbesserung der Energieeffizienz, die Förderung von erneuerbaren Energien und der Abbau klimaschädlicher Subventionen. Die Liste der Maßnahmen und Politiken ist dabei weder abschließend noch verpflichtend12, so dass jeder Annex-I Staat souverän entscheiden kann mit Hilfe welcher Aktivitäten er seine Redukti- onsverpflichtung erfüllt. Die Maßnahmen und Politiken sollen dabei nach Artikel 2 Abs. 3 KP in einer Weise umgesetzt werden, dass nachteilige Auswirkungen auf den Welthandel als auch auf die Wirtschaft, die Umwelt und den Sozialbereich anderer Vertragsstaaten, vor allem der Nicht-Annex-I Staaten, möglichst gering gehalten werden. Verbindlich ist diese Aufforderung zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung aufgrund der schwachen Formulierung jedoch nicht.
2.2 Anrechnung von Senken
Wälder, Böden und Meere wirken als Kohlenstoffsenken, da sie Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden.13 Die Frage, inwiefern, bezüglich der Treibhausgasreduk- tionsverpflichtungen, solche Kohlenstoffsenken gegen Kohlenstoffemissionen aufgerechnet und inwieweit forstwirtschaftliche Aktivitäten zur Schaffung neuer Senken angerechnet werden können, führte während der Verhandlungen zu teil- weise erbitterten Auseinandersetzungen.14 Die Diskussion entzündete sich zum einen daran, dass Kohlenstoffsenken ihre Funktion als Senke unter Umständen nicht dauerhaft aufrecht erhalten können. Bei einem Waldbrand etwa wird der dort gespeicherte Kohlenstoff freigesetzt. Zum anderen ist nur schwer nachvoll- ziehbar welche forstwirtschaftlichen Aktivitäten ausschließlich aus Gründen des Klimaschutzes erfolgen und welche ohnehin stattgefunden hätten. Auch die Quan- tifizierung des Senkenpotentials ist äußerst schwierig und mit vielen Unwägbar- keiten behaftet. Ein weiterer Diskussionspunkt war der Düngeeffekt der zuneh- menden Treibhausgasemissionen.15 Aufgrund der in den vergangenen 100 Jahren um 0,74 Grad Celsius gestiegenen globalen Durchschnittstemperatur16 wächst die Vegetation, vor allem die der Nordhalbkugel, ohne menschliches zutun. Kohlen- stoffsenken vermehren sich also, bis zu einem gewissen Grad, mit den Treibhaus- gasemissionen. Eine Anrechnung der so entstanden Senken hätte die Idee des Ky- oto-Protokolls ad absurdum geführt.
Artikel 3 Abs. 3 KP bestimmt, dass von den Annex-I Staaten ausgeführte forst- wirtschaftliche Maßnahmen wie Aufforstung, Wiederaufforstung und Entwal- dung, welche das Senkenpotential verändern, bei der Ermittlung der Emissions- entwicklung bilanzierend zu berücksichtigen sind.
[...]
1 BMU, Informationen zur Klimarahmenkonvention.
2 BMU, Informationen zum Kyoto-Protokoll.
3 Sach/Reese, ZUR 2002, 65 (68).
4 BMU, Informationen zum Kyoto-Protokoll.
5 BMU, Informationen zum Kyoto-Protokoll.
6 Koch/Mielke, ZUR 2009, 403 (404).
7 Bausch/Mehling, ZUR 2006, 291 (291).
8 BMU, Denkschrift zum Kyoto-Protokoll, Artikel 3.
9 Gemäß Artikel 3 Abs. 5 KP kann das Basisjahr auch ein anderes als 1990 sein.
10 BMU, Informationen zum Kyoto-Protokoll.
11 BMU, Denkschrift zum Kyoto-Protokoll, Artikel 2.
12 Sach/Reese, ZUR 2002, 65 (68).
13 BMU, Informationen zum Kyoto-Protokoll.
14 Sach/Reese, ZUR 2002, 65 (68).
15 BMU, Informationen zum Kyoto-Protokoll.
16 IPCC, Climate Change 2007, Synthesis Report, S. 30.