Beeinflusst der Unterricht im Bereich der Politischen Bildung in den Streitkräften die politische Sozialisation von Soldaten?

Die Wirkung der Politischen Bildung als Teil der Inneren Führung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsbestimmungen und theoretische Grundlagen
2.1 Sozialisation
2.2 Politische Sozialisation

3 Sozialisationsphasen und -agenten
3.1 Sozialisation in der F amilie
3.2 Politische Sozialisation in der Familie
3.3 Sozialisation in der Schule
3.4 Das Schulfach Politik

4 Innere Fuhrung in der Bundeswehr
4.1 Politische Bildung in der Bundeswehr
4.2 Probleme der Politischen Bildung in der Bundeswehr

5 Schlussbetrachtung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Uberall, wo Menschen in Gemeinschaft zusammenleben, werden sie von ihr geformt. In jeder Gemeinschaft also geschieht Erziehung. Die erzieherischen Wirkkrafte mancher Gemeinschaften mag man sich selbst uberlassen. In einer soldatischen Gemeinschaft jedoch geht es um die Schlagkraft der Truppe, die nicht von Ausbildung und Ausrustung allein abhangt, sondern wesentlich mitbestimmt wird von der bewusst gestalteten Erziehung, von der Menschenfuhrung, der Inneren Fuhrung. Innere Fuhrung also bedeutet nichts anderes als Menschenfuhrung, und damit Erziehung im weitesten Sinne.“1

Diese mehr als sechzig Jahre alte Aussage in der Einleitung des „Handbuches Innere Fuhrung“ der Bundeswehr steht einer aktuellen Problematik gegenuber:2

„Auf die Vermittlung der Werte und Normen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung mussen wir noch starker als bisher Wert legen. Denn leider konnen wir ihre Kenntnis nicht mehr als selbstverstandlich voraussetzen.“3

Die oben angefuhrte Aussage des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, macht den zwischenzeitlichen Wandel unserer Gesellschaft und der Bedeutung besagter Werte und Normen deutlich. Weiterhin grenzen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse die Pragung des Menschen in Bezug auf Werte und Normen, die Sozialisation, weitestgehend ab vom oben genannten Begriff der Erziehung. Ebenso werden dem Prozess der Sozialisation Lebensphasen, Strukturen und gesellschaftliche Kraftefelder als Sozialisationsagenten zugeordnet, welche in unterschiedlicher Gewichtung auf den Menschen wirken.4

Wie also beeinflusst die Innere Fuhrung und speziell die Politische Bildung in den Streitkraften die Soldaten? In welchem Umfang konnen diese Unterrichtungen die in der Familie, der Schule und dem privaten Umfeld aufgenommenen Sozialisationsfaktoren beeinflussen, bestarken oder korrigieren?

Diesen Fragen wird die vorliegende Arbeit nachgehen und versuchen, einen Losungsansatz fur die Bedeutung und Wirkung der Politischen Bildung im Rahmen des Konzeptes der Inneren Fuhrung aufzuzeigen.

Zu Anfang ist eine Operationalisierung der zu untersuchenden Begriffe notwendig. Dazu werden die Begrifflichkeiten der Sozialisation und politischen Sozialisation im wissenschaftlichen Sinne erortert und anschlieBend die theoretischen Grundlagen der Sozialisationsprozesse aufgezeigt. Der Hauptteil wird in drei einzelnen Abschnitten nacheinander die Aspekte der Sozialisation durch die Familie, die schulische Ausbildung und das Konzept der Inneren Fuhrung in den Streitkraften untersuchen. Den Schwerpunkt hierbei wird die gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Sozialisationsagenten, sowie die Untersuchung aktueller Probleme in der Politischen Bildung der Streitkrafte bilden. Die abschlieBende Betrachtung wird den Versuch beinhalten, die zu Anfang aufgeworfene Frage nach der Bedeutung der Politischen Bildung in den Streitkraften zu klaren.

2 Begriffsbestimmungen und theoretische Grundlagen

Zum Verstandnis und zur Untersuchung der eingangs gestellten Fragen mussen zunachst die verwendeten Begrifflichkeiten „Sozialisation“ und darauf folgend „politische Sozialisation“ als theoretische Konstrukte operationalisiert, eingegrenzt und ihre theoretischen Grundlagen untersucht werden.

2.1 Sozialisation

In seiner wortlichen Bedeutung kann der Begriff Sozialisation auf das englische Verb „to socialize44 zuruckgefuhrt werden. Dieses implizierte in seiner Formulierung fur die Zeit der Industrialisierung, gepragt durch die Entwicklung neuer Arbeitstechniken und Gesellschaftsformen, den Prozess der Anpassung an diese neuen Arbeits- und Lebensbedingungen, sowie die Entwicklung des gesellschaftlichen Interesses zur Sicherung der individuellen Existenzgrundlagen.5

Im wissenschaftlichen Sinne wurde der Begriff der Sozialisation grundlegend gepragt durch den franzosischen Soziologen und Erziehungswissenschaftler Emile Durkheim (1858-1917), welcher als Sozialisation den Prozess der Wirkung der Umwelt, des „sozialen Ich“ , auf das „individuelle Ich“6 bezeichnet und ,,im Sozialisationsprozess ... soziale Normen und kulturelle Wissensbestande ubertragen, angeeignet und verinnerlichf'1 sieht. Demnach basieren Sozialisationsprozesse auf dem Zusammenwirken von unterschiedlichen Faktoren aus konstitutioneller, genetischer, physiologischer, psychischer, okologischer, sozialer und kultureller Sicht und sind immer in historisch vermittelte, kultur- und sprachgemeinschaftliche Kontexte eingebettet. Zur deutlicheren Definition ist der Begriff der Sozialisation nach Zimmermann abzugrenzen von anderen Begrifflichkeiten, wie „Entwicklung“ und „Erziehung“.7

Denn der Ansatz der menschlichen Entwicklung in Phasen oder die als Interaktionsgeschehen zu verstehende Erziehung, welche ,,eine bewusste und geplante Einflussnahme“8 auf den Menschen darstellt, sind nicht als inhaltsgleich mit Sozialisation, wohl aber als sich gegenseitig teilweise bedingend und wechselseitig auf Sozialisationsprozesse Einfluss nehmend zu verstehen.9 Sozialisation ist in Abgrenzung dazu vielmehr als ,,ein Prozess der Entstehung und Entwicklung der Personlichkeit in wechselseitiger Abhangigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Umweltu1° mit dem Ziel der Einbindung in eine Gesellschaft zu begreifen.10

Da es jedoch „bis heute ... keine allgemein akzeptierte Theorie, dafur aber eine Vielzahl von einzelnen Erklarungsansatzen [gibt]“ und der Begriff der Sozialisation in einer scheinbar grenzenlosen Fulle einzelner Erklarungen betrachtet wird, ist eine umfassendere Definition mit allen Zugangen im Kontext dieser Arbeit nicht moglich.11

2.2 Politische Sozialisation

Als „Politisierung des Menschen“ wird diese spezielle Form der Sozialisation nach Claufien beschrieben, bei der sich die Forschung „mit der Entstehung und Entfaltung all derjenigen individuellen Personlichkeitsmerkmale[n], welche die Menschen als staatsburgerliche Wesen im Raume der Regelung offentlicher Angelegenheiten im engeren und weiteren Sinne konstituieren sowie vermittels haufigen Vorkommens und/oder Verdichtung in gesellschaftlichen Verhaltnissen kollektive Bedeutung erlangen“ beschaftigt.12 Zur weiterfuhrenden Definition wird das Konstrukt der politischen Sozialisation nach Pawelka als „lebenslanger Prozess verstanden, innerhalb dessen sich der Mensch Werte, Einstellungen undKenntnisse aneignet,13 die das politische Handeln beeinflussen, regeln und lenken“u und der demnach die politische Kultur der Gesellschaft erhalt, transformiert und bildet, also in der wechselseitigen Beeinflussung des Sozialisanden und des politischen Systems seinen Ausdruck findet.14 Dies macht bereits die vielfaltigen Zugange zum Begriff der politischen Sozialisation deutlich. Diese allumfassend und erschopfend zu behandeln ist im Rahmen dieser Arbeit nicht moglich. Jedoch kann man nach Studium der umfassenden Fachliteratur zwei wesentliche Schwerpunkte der politischen Sozialisation ausmachen, welche fur die weitere Betrachtung der Problemstellung in der vorliegenden Untersuchung den Anschlusspunkt fur mogliche Losungsansatze darstellen:15

Zum ersten die Bedeutung der politischen Sozialisation fur die Herausbildung der Teilhabe im politischen Geistesleben, deren Folge aus der innerlichen Teilhabe an politischen Fragestellungen besteht und somit in Zustimmung oder Entfremdung, in Loyalitat oder Protest gegenuber dem politischen System als Ergebnis resultiert: Nach Almond ist16 „Politische Sozialisation [...] der Prozess der Einfuhrung in die politische Kultur. Sein Ergebnis ist eine Gruppe von Einstellungen, Wahrnehmungen, Wertestandarts und Gefuhlen im Hinblick auf das politische System. (...) Zu diesem Ergebnis gehoren auch solche Erkenntnisse und Gefuhle, die sich auf Anspruche und Forderungen an das politische System (die Seite des Inputs) wie auch auf seine mafigeblichen Leistungen (Output-Seite) beziehen“.17

Demnach ist die Herausbildung der politischen Identitat mit dem Erreichen der politischen Teilhabe - nicht zwangslaufig in aktiver Beteiligung, aber sehr wohl in der geistigen Auseinandersetzung - zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht.

Dem gegenuber steht aber der Ansatz, politische Sozialisation als einen lebenslangen Lernprozess zu verstehen. Diese verschiedenartigen Ansatze schliefien sich gegenseitig jedoch nicht aus, vielmehr ergeben sie gemeinsam erst ein, fur die weitere Untersuchung notwendiges, verstandliches Bild von der Begrifflichkeit der politischen Sozialisation.

3 Sozialisationsphasen und -agenten

Eine Vielzahl von Sozialisationsagenten wirkt bewusst (als manifeste Sozialisation) oder unbeabsichtigt (als latente Sozialisation) im lebenslangen Sozialisationsprozess auf den Sozialisanden. Dabei unterscheidet die Sozialisationsforschung drei Phasen:

Die Primar-, die Sekundar- und die Tertiarsozialisation18, wobei in der Primarphase, welche die ersten Lebensjahre umfasst, die Grundpersonlichkeit unter mafigeblichem Einfluss des Elternhauses herausgebildet wird. Diese wird in der Phase der Sekundarsozialisation modifiziert, teilweise transformiert und stabilisiert. Die Zeitspanne der sekundaren Sozialisationsphase wird nach Zimmermann der Adoleszenz zugeschrieben. Diese grenzt er ein zwischen dem vierzehnten und funfundzwanzigsten Lebensjahr und bezeichnet Adoleszenz als „...eine langer gestreckte, uber die Pubertat hinausgehende Phase des Jugendalters...“ . In der anschliefienden Phase der Tertiarsozialisation im Erwachsenenalter wird die in der Adoleszenz gefestigte Personlichkeitsstruktur nicht mehr grundlegend geandert, denn obwohl diese tertiare Phase im Prozess der lebenslangen Sozialisation die langste darstellt, ist die Personlichkeitsentwicklung weitestgehend abgeschlossen. Jedoch befindet sich der Sozialisand in dieser Phase in einem standigen Anpassungsprozess an seine soziale Umwelt und modifiziert somit fortlaufend seine Identitat. Aus der grofien Anzahl der Sozialisationsagenten wie Familie, Schule, Gleichaltrigen, Vereinen und sozialen Gruppen, beruflichem Umfeld, politischem System und Medien wird sich der Fokus im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf den Einfluss von Familie und Schule im Vergleich zur politischen Bildung in den Streitkraften als beruflichem Umfeld im engeren Sinne richten.

[...]


1 Birk 2007a, S. 5

2 Birk 2007b, S.5

3 vgl. ClauBen/GeiBler 1996, Pawelka 1977, Veith 2008, Zimmermann 2006

4 vgl. ClauBen/GeiBler 1996, Hurrelmann/Ulich 1991, Pawelka 1977, Veith 2008, Zimmermann 2006

5 vgl. Veith 2008, S. 12

6 vgl. Veith 2008, S. 14

7 Veith 2008, S. 14

8 vgl. Veith 2008, S. 14-16

9 Zimmermann 2006, S. 15

10 Zimmermann 2006, S. 15

11 vgl. Zimmermann 2006, S. 12-18

12 Veith 2008, S. 16

13 Claufien/Geifiler 1996, S. 15

14 Pawelka 1977, S. 12

15 vgl. Pawelka 1977, S. 12-13

16 Kulke 1982, S. 746

17 vgl. Pawelka 1977, Veith 2008

18 vgl. Claufien/Geifiler 1996, Pawelka 1977, Veith 2008, Zimmermann 2006

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Beeinflusst der Unterricht im Bereich der Politischen Bildung in den Streitkräften die politische Sozialisation von Soldaten?
Untertitel
Die Wirkung der Politischen Bildung als Teil der Inneren Führung
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
26
Katalognummer
V156041
ISBN (eBook)
9783640695874
ISBN (Buch)
9783640696093
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialisation, Politik, politische Bildung, politische Sozialisation, Erwachsenenbildung, Unterricht, Soldaten, Bundeswehr, Streitkräfte, Militär, Innere Führung, Sozialisationsphasen, Sozialisationsagenten, Familie, Schulfach, Schule, Entwicklung
Arbeit zitieren
Enrico Harling (Autor:in), 2008, Beeinflusst der Unterricht im Bereich der Politischen Bildung in den Streitkräften die politische Sozialisation von Soldaten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156041

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