Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ursachen und Bedeutung der alternden Bevölkerung
3. Ersparnisbildung der Haushalte im Lebenszyklus
4. Die Entwicklung der Kapitalmarktrenditen
4.1 Allgemeintheoretischer Ansatz
4.2 Die Renditeentwicklung von Aktien, Anleihen & Co. und die individuelle Portfolio-Allokation der Risikobereitschaft
5. Ausmaß der internationalen Kapitalströme: Emerging Markets“ als Gewinner der Alterung der Industrieländer?
6. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Kassel, Frühjahr 2030. Michaelhmidt, jung und arbeitstätig, sitzt an seinem freien Tag vor dem Computer und wählt sich bei seinem Online-Broker ein. Nun versucht er schon seit einigen Tagen die von ihm vor Jahren gekauften Aktien der Volkswagen AG an der Globalock Exchange zu verkaufen. Die Performance ist erschreckend und es zeichnet sich auch keine Trendwende ab. Nach dem erfolgreichen Einloggen ist ihm die Enttäuschung anzusehen. Die am Tag zuvor aufgegebene Verkaufsorder der kompletten Volkswagen-Aktien mit einem Limit von 20 Euro ist mal wieder nicht ausgeführt worden. Es gibt zwar viele Anbieter, aber keine Nachfrager, und so fällt der Aktienkurs immer weiter. Vor 15 Jahren noch hätten seine Aktien in kürzester Zeit den Eigentümer gewechselt.
Was sich wie ein unvorstellbares und zugleich überzogenes Zukunftsszenario anhört, könnte schon in einigen Jahren Realität sein. Denn wenn die geburtenstarken Jahrgänge, die so genannten „Baby-Boomer“, in den Ruhestand gehen, wird dies nicht nur Auswirkungen auf die sozialencherungssysteme, sondern auch auf die internationalen Kapitalmärkte haben. Doch nicht nur Deutschland ist von der demographischen Alterung und Bevölkerungsschrumpfung betroffen, was ein Blick ins Ausland zeigt. Denn nahezu alle OECD-Länder sind aufgrund von sinkenden Geburtenraten und gleichzeitig steigender Lebenserwartung von dem demographischen Wandel gefangen. Vor diesem Hintergrund wird heute oft die von Mankiw und Weil erstmals 1989 in den USA bekannt gemachte „Asset-Meltdown“-Hypothese kontrovers diskutiert. Diese besagt, dass „in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts die Nachfrage der Haushalte nach Finanzanlagen massiv zurückgehen wird, die Vermögen dramatisch abschmelzen und daher die Kapitalrenditen stark sinken“[1] werden, weil die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in das Rentenalter eintreten und ihr Vermögen von risikoreichen in sichere Anlagen umschichten werden.
Der vorliegende Aufsatz gibt zuerst die Ursachen und das Ausmaß des demographischen Wandels wieder. Unter den Kapiteln 4 und 5 wird auf die möglichen Auswirkungen der globalen Alterung auf die internationalen Finanzmärkte eingegangen. Dabei soll unter dem Gesichtspunkt der Ersparnisbildung der Haushalte (Kapitel 3) erörtert werden, wie sich die Kapitalmarktrenditen, die Portfolio-Allokationen und die Kapitalbewegungen aller Wahrscheinlichkeit nach in der näheren Zukunft entwickeln werden. Im letzten Kapitel wird ein Fazit gezogen und ein Ausblick gewagt.
2. Ursachen und Bedeutung der alternden Bevölkerung
Die mittlere Variante der Berechnung desatistischen Bundesamtes prognostiziert, dass die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen bis zum Jahr 2050 von aktuell 82 Mio. auf 75 Mio. zurückgehen wird.[2] Doch die demographiebedingte Herausforderung besteht nicht allein in der schrumpfenden Gesamtbevölkerung, sondern ist vielmehr in der Verschiebung der Altersstruktur zu finden. Wiehirrmacher (2004) zeigt, beginnt diese bereits ab dem Jahr 2010, wenn die erste Generation der „Baby-Boomer“ in den Vorruhestand tritt. Die Verschiebung der Altersstruktur resultiert dabei aus einer steigenden Lebenserwartung und einer gleichzeitig sinkenden Geburtenrate. Außerdem werden im Laufe der Zeit immer weniger Frauen geboren, was den letzten Punkt zusätzlich beschleunigt. Die heutige Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau müsste demnach auf durchschnittlich 2,1 Kinder steigen, um die Bestanderhaltung einer Generation sicherzustellen.[3] In Anbetracht dieser Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass „in Deutschland seit drei Jahrzehnten die durch Tod ausscheidenden Generationen in stärkerem Maße durch Einwanderungen als durch Geburten im Inland erneuert werden.“[4]
Der demographische Wandel ist jedoch nicht nur ein Problem Deutschlands oder Europas. Mit diesem Phänomen sehen sich nämlich viele Industrienationen konfrontiert. Allerdings ist die Bewegung weg von einer intakten Bevölkerungspyramide in jedem dieser Länder anders ausgeprägt. ist im internationalen Vergleich dietuation beispielsweise in den USA vorteilhafter. Diese betreiben eine aktive Einwanderungspolitik und locken somit viele junge Ausländer ins Land, die den Arbeitsmarkt ankurbeln.[5]
Die international unterschiedlichen Kennzahlen der Alterung verdeutlicht Tabelle 1, welche die Daten der Vereinten Nationen (2005) über die mittlere Bevölkerungsentwicklung ausgewählter Industrienationen darstellt. Hier werden die bereits oben angesprochenen Ursachen der globalen Alterung in den ersten beidenalten dargestellt. Dabei wird ersichtlich, dass nicht nur Deutschland mit einer niedrigen Geburtenrate konfrontiert ist. Japan
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vereinte Nationen (2005).
und insbesondere auch Italien schließen sich hier an. Auffällig ist die mit 2,04 Kindern pro Frau höchste Geburtenrate der USA unter den hier dargestellten Ländern. Diese Kennzahl unterstreicht die Tatsache, wonach alle hier aufgeführten Länder, mit Ausnahme der Vereinigtenaaten, aktuell unter dem Reproduktionsniveau liegen. Dieses gibt die nötige Geburtenrate an, um eine Bevölkerung zahlenmäßig konstant zu halten.
Bei ihren Vorausberechnungen nehmen die Vereinten Nationen an, dass die Geburtenrate in allen hier betrachteten Ländern langfristig auf 1,85 Kinder pro Frau hinauslaufen wird. Unter Berücksichtigung der Vergangenheitswerte ist diesesenario als äußerst optimistisch anzusehen. Denn wenn man unterstellt, dass sich die langfristige Geburtenrate nicht von der im Zeitraum 2000-05 unterscheide, würde die Alterung in vielen Ländern noch schlimmer ausfallen. Dies würde sich in der drittenalte der Tabelle widerspiegeln. In dieser erkennt man den langfristig starken Anstieg des Alterskoeffizienten (gemessen als Verhältnis der über 60-Jährigen zu den 15-59-Jährigen) in allen Ländern. Dabei hat China aufgrund der Ein-Kind-Politik den stärksten relativen Anstieg zu erwarten. Den höchsten absoluten Anstieg verzeichnet Japan, knapp gefolgt von Italien. Deutschland und Frankreich reihen sich bei der Erwartung des Alterskoeffizienten etwa in der Mitte an, die USA und England werden laut den Vereinten Nationen noch weit weniger betroffen sein. Die mittlerealte dieser Tabelle verdeutlicht, dass selbst unter den Industrienationen die Lebenserwartung ganz unterschiedlich ausfällt. Dabei weist China die niedrigste Lebenserwartung auf, was auf denatus eines Entwicklungslandes zurückzuführen ist.[6]
Die Daten aus der Tabelle 1 sind für die weitere Fortgehensweise von entscheidender Bedeutung. Denn aus dieser werden nicht nur die Gründe für die demographische Alterung ersichtlich, sondern auch die Unterschiede in den Ausprägungen ausgewählter Länder. Außerdem wird deutlich, dass nicht nur entwickelte Länder betroffen sind, wie das Beispiel China zeigt.
Es wird zu klären sein, welche Auswirkungen die dargestellte Entwicklung auf die Kapitalmärkte nach sich zieht, worauf in den nächsten Kapiteln ausführlich eingegangen wird.
3. Ersparnisbildung der Haushalte im Lebenszyklus
Theoretischer Ausgangspunkt für die Ersparnisbildung privater Haushalte ist die von Franco Modigliani vorgebrachte Lebenszyklushypothese. Nach dieser werden während der Erwerbsphase Ersparnisse gebildet, die im späteren Rentenalter zum Konsum bestimmt sind, und somit abgebaut werden. Die Haushalte streben demnach eine Glättung ihres Konsums im Lebensverlauf an. Deshalb variiert die individuelle Ersparnisbildung im Lebenszyklus: Während sie im mittleren Alter am höchsten ausgeprägt ist, bauen Ruheständler ihre Ersparnisse eher ab (Entsparen).[7]
Als Folge müsste ein steigender Bevölkerungsanteil an Rentnern einen Rückgang der aggregierten Ersparnisbildung hervorrufen. Wenn man aber diese Hypothese nun mit empirischenudien stützt, so wird deutlich, dass die gesamtwirtschaftlichearquote mit einer alternden Gesellschaft zwar abnimmt, jedoch divergieren die Ergebnisse je nachudie zum Teil erheblich. Aus diesen Gründen ist die These, wonach im Ruhestand die Ersparnisse im Allgemeinen abgebaut werden, nicht ohne Einschränkungen haltbar.
Auf Deutschland bezogen liegt die aktuellearquote im Bereich zwischen 10 und 11 %. Im mittleren Alter (35- bis 55-Jährige) liegt diese bei 14 %; im Rentenalter (65- bis 80-Jährige) bei 7 %. Anhand der letzten Zahl wird deutlich, dass entgegen der oben dargestellten Hypothese, die ältere Generation keineswegs ihre Ersparnisse vollkommen abbaut (Rentner weisen eine positivearquote auf), sondern ihre individuellearquote eher senkt. Es drängt sich nun die Frage auf, warum Rentner im Ruhestand die Ersparnisse zur Aufrechterhaltung ihres Konsums nicht auflösen. Oder anders formuliert: Wofür spart die ältere Bevölkerung denn überhaupt? Die Gründe liegen laut dem deutschen Bundesbankpräsidenten, Professor Dr. Axel A. Weber, zum einen in der im vorangegangenen Kapitel angesprochenen längeren Lebenserwartung. Außerdem steigert diese die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung, wie z.B. die Inflation. Zum anderen liegt ein Grund in der beabsichtigten Hinterlassung eines Teils des angesparten Vermögens an die Nachkommen
[...]
[1] Vgl. Börsch-Supan, A.; Ludwig, A.;mmer, M.: Demographie und Kapitalmärkte, Deutsches Institut für Altersvorsorge, 2003,1.
[2] Vgl.atistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2050, 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, 2003.
[3] Vgl.hirrmacher, F.: Methusalem-Komplott, 2004, 39-44.
[4] Vgl. Birg, H.: Dynamik der demographischen Alterung und Bevölkerungsschrumpfung, in: 22.nclair-Haus-Gespräch, Gesellschaft ohne Zukunft?, Mai 2004, 12.
[5] Vgl. Wirtschaftswoche: Alterung wird zumresstest, 11. Oktober 2006, http://www.wiwo.de/pswiwo/fn/ww2/ sfn/buildww/db/wwonline/elemid/1/searchno/0/id/2194/SH/3683019bb89a0ab5a6920c67b5f262/depot/0/index.html.
[6] Vgl. Vereinte Nationen, World Population Prospects: The 2004 Revision, 2005.
[7] Vgl. Hohlstein, M; Pflugmann, B.;erber, H.;rink, J.: Lexikon der Volkswirtschaftslehre, Deutscher Taschenbuch Verlag, 2. Auflage, 2003, 449.