Arnold Gehlen verfasste 1940 seine Anthropologie “Der Mensch”, die bis 1962 in verschiedenen überarbeiteten Fassungen erschienen ist. Seine Analyse des Menschen enthält eine Theorie zu den menschlichen Antrieben. Diese Theorie wird im Folgenden im Zusammenhang mit Gehlens in der Einführung von “Der Mensch” gegebenen theoretischen und methodologischen Grundannahmen erläutert. Im ersten Teil sollen die wesentlichen Grundannahmen Gehlens, die ‘Mängelwesenthese’, die “anthropo-biologische” Fragestellung und die Bekenntnisse zur empirischen Methode dargestellt werden. Es wird gezeigt, dass Gehlen eine an Herders ‘Mängelwesenthese’ orientierte, ganzheitliche Betrachtungsperspektive auf den Menschen entwickelt hat, die diesen primär als handelndes Wesen versteht. Dem folgt im zweiten Teil Gehlens Analyse der menschlichen Antriebe. Der menschliche Trieb wird von Gehlen in Abgrenzung zum tierischen Instinkt und zur Psychologie der Grundtriebe definiert. Hierbei wird die Rolle der Handlung für den Aufbau des menschlichen Trieblebens deutlich und in den Zusammenhang mit Gehlens Vorstellung von der Seele gebracht. Anschließend wird dargestellt, wie die typisch menschlichen Phänomene “Charakter”, “Dauerinteresse” und “Entscheidungsproblem” von Gehlen anhand seiner entwickelten Theorie der Antriebe erklärt werden können. Schließlich wird auf Gehlens Begriff des Willens eingegangen. Gehlens gesamte Analyse der menschlichen Antriebe wird dabei immer im Licht seiner grundlegenden Annahmen interpretiert. Diskussiosansätze aus
dem Seminar “Das Werk Arnold Gehlens” werden in die Erörterung aufgenommen,
insbesondere die biologische Paradoxie eines Antriebsüberschusses, die Ähnlichkeit zwischen Gehlens Willensbestimmung und der von Gilbert Ryle in dessen Buch “Der Begriff des Geistes” sowie die Bedeutung der teleologischen Formulierungen von Gehlens “anthropo-biologischer” Fragestellung.
Die im Seminar gestellte Frage, ob sich hinter Gehlens häufigen teleologischen Formulierungen eine Teleologie versteckt, wird im dritten Teil negativ beantwortet. Der Zweck des Überlebens, für den alle menschlichen Funktionen die Mittel bereitstellen müssen, taucht nur deshalb an zentraler Stelle auf, weil er den Zusammenhang aller höheren und
niederen menschlichen Funktionen hervorhebt und daher einer ganzheitlichen Perspektive auf den Menschen entspricht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Gehlens 'Mängelwesenthese' und seine "anthropo-biologische" Betrachtung des Menschen
- 1. Die Bestimmung des Menschen als 'Mängelwesen'
- a) Die 'Mängel' des ‘Mängelwesens'
- b) Die Bewältigung der ‘Mängel' durch das ‘Mängelwesen'
- 2. Gehlens Anknüpfung an Herders ‘Mängelwesenthese' - die ganzheitliche Betrachtung des Menschen
- 3. Zur Methode der Untersuchung des Menschen
- a) Die "anthropo-biologische" Fragestellung als empirische Funktionsanalyse
- b) Die Handlung als Ausgangspunkt der Funktionsanalyse
- 1. Die Bestimmung des Menschen als 'Mängelwesen'
- II. Die menschlichen Antriebe
- 1. Gehlens Kritik an der Triebpsychologie und seine Definition der menschlichen Triebe
- a) Die Unterscheidung zwischen tierischem und menschlichem Trieb bzw. Instinkt
- b) Einige Kategorien menschlichen Verhaltens: Instinktreduktion, Instinktresiduum, Instinktentdifferenzierung
- c) Die alltagssprachliche Analyse der menschlichen Triebe
- 2. Das Verhältnis der Antriebe zur Handlung
- a) Die zwei Antriebsgesetze
- a.1) Das erste Antriebsgesetz
- a.2) Das zweite Antriebsgesetz
- a) Die zwei Antriebsgesetze
- 3. Die Weltoffenheit der Antriebe
- a) Die Orientierbarkeit der Antriebe
- b) Die Auskristallisierung der Antriebe
- 4. Die Anpassung des Antriebslebens
- a) Die “höheren Interessen” oder Dauerinteressen
- b) Wie der Mensch Entscheidungsprobleme löst
- 5. Der Antriebsüberschuss
- a) Der Antriebsüberschuss als Zeichen der vollkommenen Übereinstimmung zwischen dem Wesen des Menschen und dem Wesen seiner Antriebe
- b) Antriebsüberschuss und Erhaltung der Art - eine biologische Paradoxie
- 6. Der Willensbegriff
- 1. Gehlens Kritik an der Triebpsychologie und seine Definition der menschlichen Triebe
- III. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Arnold Gehlens Theorie der menschlichen Antriebe im Kontext seiner Anthropologie "Der Mensch". Im Zentrum steht die Frage, wie Gehlen die Entstehung und Funktion von menschlichen Antrieben im Vergleich zu tierischen Instinkten erklärt.
- Gehlens 'Mängelwesenthese' und die "anthropo-biologische" Betrachtung des Menschen
- Die Definition der menschlichen Antriebe und ihre Abgrenzung von tierischen Instinkten
- Die Rolle der Handlung im Aufbau des menschlichen Trieblebens
- Die Weltoffenheit der Antriebe und die Anpassung des Antriebslebens
- Der Antriebsüberschuss und seine Bedeutung für die menschliche Existenz
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Ausgangspunkt der Arbeit dar und erläutert die relevanten Aspekte der Theorie Gehlens im Zusammenhang mit seiner Anthropologie "Der Mensch".
Das erste Kapitel befasst sich mit Gehlens "Mängelwesenthese". Es wird dargelegt, wie er den Menschen als "Mängelwesen" im Unterschied zum Tier definiert und die Bedeutung der "Weltoffenheit" für die menschliche Existenz erörtert.
Im zweiten Kapitel wird Gehlens Analyse der menschlichen Antriebe vorgestellt. Er unterscheidet zwischen tierischen Instinkten und menschlichen Trieben und untersucht die Rolle der Handlung für die Entstehung und Funktion der menschlichen Antriebe.
Das dritte Kapitel widmet sich der Weltoffenheit der Antriebe und der Anpassung des menschlichen Antriebslebens. Gehlens Theorie erklärt die Entstehung von "Charakter", "Dauerinteressen" und "Entscheidungsproblemen" und beleuchtet die Bedeutung der kulturellen Entwicklung für die menschliche Existenz.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen der Anthropologie und der Philosophie des Menschen. Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: 'Mängelwesen', "anthropo-biologische" Fragestellung, menschliche Antriebe, tierische Instinkte, Handlung, Weltoffenheit, Kultur, Antriebsüberschuss, Willensbegriff.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2001, Arnold Gehlens Theorie der Antriebe in "Der Mensch", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156396
