Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was versteht man unter Essstorung?
3. Die Formen der Essstorungen
4. Definition der Anorexie ( Magersucht)
4.1 Diagnostik und klinische Erscheinungsformen der Anorexie
4.2 Die Pravalenz
4.3 Symptomatik und Krankheitsverlauf
5. Erklarungsansatze fur Essstorungen
6. Die Anorexie bei Mannern
7. Zusammenfassung
8. Liter aturverzeichnis
1. Einleitung
Essstorungen haben in den letzten zehn bis funfzehn Jahren verstarkt offentliches Interesse sowohl in der Wissenschaft als auch in den Medien ausgelost und einen hohen gesellschafts- politischen Stellwert erlangt.1
1972 wurden fur die Anorexia Nervosa erstmals diagnostische Kriterien gebildet, kurz darauf wurde sie als „Verhaltensstorung des Jugendalters“ in die grofien internationalen Klassifikati- onssysteme aufgenommen.
Heute wird Anorexie zusammen mit der Bulimia Nervosa und der Adipositas zu den Esssto- rungen gerechnet. Begrundet wird dieses offentliche Interesse damit, dass das Auftreten der Anorexie bei den Madchen und jungen Frauen, aber auch bei den mannlichen Jugendlichen in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben soll. Diesbezuglich ist jedoch Skepsis ange- bracht. Eine genaue Analyse von 29 grofien internationalen epidemiologischen Untersuchun- gen der letzten 25 Jahre bestatigt die Zunahme der Neuerkrankungen nicht, sondern kommt zu dem Schluss, dass die Anorexia Nervosa weiterhin eine ernstzunehmende aber seltene Sto- rung ist und es gibt auch keine Nachweise, dass das Auftreten sich entscheidend verandert hat.2
Des Weiteren werden die Essstorungen allgemein und epidemiologisch zu den frauenspezifi- schen Erkrankungen gezahlt und deshalb bei den Jungen und Mannern in Vergleich zu den Madchen und Frauen noch wenig erforscht.3
Doch unabhangig von dem Geschlecht und der Anzahl anorektischer Patienten ist es wichtig, dass jeder von ihnen einen Weg findet gesund zu werden. Deshalb ist eine moglichst umfas- sende Information und Beratung des Patienten, seiner Familie und Kontaktpersonen, uber Krankheit, Behandlung und den richtigen Umgang unverzichtbar.
In vorliegender Arbeit wird die Anorexia nervosa von den Mannern im Mittelpunkt stehen. Dabei werden zunachst die Begriffe und die Formen der Essstorung erlautert. Darauf aufbau- end werden das Verstandnis und die Abgrenzung zur anderen Essstorungen skizziert.
Anschliefiend werden Definition, Symptomatik, Verbreitung sowie der Krankheitsverlauf und die Ursachen der Anorexia Nervosa geschlechtsunspezifisch charakterisiert. Ferner sollen die Hilfen zur Bewaltigung der Erkrankung kurz skizziert werden. Um anschliefiend die spezifi- sche Problematik der mannerorientierten Therapie und Beratung zu untersuchen.
2. Was versteht man unter Essstorung?
Bevor wir die Formen der Essstorung charakterisieren, ist es zunachst notwendig zu begreifen was heute unter Essstorungen verstanden wird.
Bei den essgestorten Patienten wird die Nahrungsaufnahme und darauf bezogene Bedeutun- gen subjektiv als zentraler Bedurfnis wahrgenommen. Die Betroffenen richten ihre Aufmerk- samkeit auf das Essen und alle damit in Verbindung stehende Aktivitaten. Sie beschaftigen sich dauernd mit der Nahrungsaufnahme und der Kontrolle ihres Essverhaltens, davon ma- chen sie ihren Alltag und ihr subjektives Wohlbefinden abhangig. Essstorungen sind Krank- heiten. Ihre jeweils kennzeichnenden Symptome sind in den international gebrauchlichen Verzeichnissen der Krankheiten (International Classification of Diseaes, ICD) oder der psy- chischen Storungen (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM), im Detail etwas unterschiedlich, festgelegt.4
Nach den bisherigen Kenntnisstand sind uns folgende Formen der Essstorungen bekannt: Anorexia Nervosa (Magersucht), Bulimie(Ess-/Brechsucht), Adipositas( Fettleibigkeit).5
Im nachsten Kapitel werden zunachst die Formen der Essstorungen skizziert. Darauf bezogen wird versucht die einzelnen Krankheitsbilder abzugrenzen.
3. Die Formen der Essstorungen
I. Anorexie/ Anorexia nervosa
Die Betroffenen dieser Form der Essstorung sind durch folgende Kriterien gekennzeichnet:
a) das standiges Abnehmen und die minimale Nahrungszufuhr (Abstinenzler/innen);
b) Gewichtsreduktion durch Erbrechen, Laxantienabusus6 ( bulimisches Verhalten).
II. Bulimie / Bulimia nervosa/ Bulimarexie
a) Die Betroffenen dieser Form der Essstorung nehmen grofie Mengen von Nahrungsmit- teln zu sich um anschliefiend zu erbrechen, oder sie nehmen Abfuhrmittel ein um Ge- wicht zu halten.
III. Adipositas
a) Ubergewichtige Personen, die an Fettsucht leiden;
b) Personen, die durch Diaten und grofie Anstrengungen versuchen ihr Gewicht zu regu- lieren.
Die Ubergange zwischen charakteristischen Auspragungen sind fliefiend, deshalb ist die ein- deutige Abgrenzung einzelner Krankheitsbilder nicht moglich.
In der heutigen Forschung geht man deshalb von einem „dynamischen und zugleich mehrdi- mensionalen Modell der Essstorung“ aus. In diesem Modell weist Vandereyken auf den Ver- lauf der Erkrankungen, der nicht konstant bleibt, sondern sich mit der Zeit verandern kann (z.B. von einer Anorexie zur Bulimie) (Meermann/ Vandereyken 1987, S.5 f.).7
4. Definition der Anorexie ( Magersucht)
Die Magersucht wurde als psychosomatisches einheitliches Krankheitsbild erstmals im 19 Jahrhundert durch Lasegue in Frankreich verwendet. Zur selben Zeit wurde auch der Begriff. „Anorexia nervosa“ von Gull in England gepragt.
Der Begriff „ Anorexie ist unter etymologischen Gesichtspunkten eine falsche Bezeichnung. Anorexie bedeutet fehlendes Verlangen, d.h. Appetitlosigkeit, wir wissen aber, dass die meis ten Patienten sehr viel Hunger haben und nur in der Anfangsphase ihre Hungergefuhle unter drucken. Deshalb wird die Anorexie von den vielen Autoren oft als Magersucht bezeichnet.8
[...]
1 Vgl. Stahr 1998, S. 5.
2 Vgl. Franke 2003, S.9-10.
3 Vgl. Stahr 1989, S.47.
4 Vgl. Hilbers/ Becker 1995, S.4.
5 Vgl. Stahr 1998, S. 5.
6 Missbrauch von Abfuhrmitteln. Vgl. Stahr 1998, S.21.
7 Vgl. Stahr 1998, S. 21-22.
8 Vgl. Stahr 1989, S.23.