Julikrise und Kriegsausbruch 1914


Examensarbeit, 2009

89 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Langfristige Ursachen des Ersten Weltkrieges
2.1 Die Veränderung des europäischen Bündnissystems seit Bismarck
2.1.1. Die Entstehung der Triple Entente
2.1.1.1. Die Entstehung des russisch-französischen Militärbündnisses
2.1.1.2. Der Abschluss der Entente England – Frankreich
2.1.1.3. Das Zustandekommen der Entente England – Russland
2.1.2. Die Polarisierung des Bündnissystems und die Verfestigung der Machtblöcke
2.1.2.1. Die Vertiefung der englisch-französischen Beziehungen
2.1.2.2. Die Außenpolitik Frankreichs und Russlands vor dem Ersten Weltkrieg
2.1.2.3. Die Theorie der „Einkreisung“ des Deutschen Reichs
2.1.3. Entspannungsversuche.
2.2. Ökonomische und technische Veränderungen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
2.2.1. Imperialismus und Nationalismus um die Jahrhundertwende
2.3. Das Wettrüsten der Großmächte
2.3.1. Das Wettrüsten zur See
2.3.2. Das Wettrüsten zu Lande.
2.4. Die internationale Krisen vor 1914
2.4.1. Die Erste Marokkokrise 1905/06.
2.4.2. Die Bosnische Annexionskrise 1908/09
2.4.3. Die Zweite Marokkokrise 1911
2.4.4. Die Balkankriege 1912/13
2.4.5. Die Liman von Sanders Affäre 1913
2.5. „Je eher, desto besser“ – Kriegserwartungen und Erwartungen an den Krieg
2.5.1. Der Schlieffen-Plan

3. Julikrise und Kriegsausbruch 1914
3.1. Das Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914
3.2. Die Konflikte auf dem Balkan als Gefahr für Österreich-Ungarn
3.3. Die Julikrise 1914
3.3.1. Die Diplomatie zwischen Sarajevo und dem Blankoscheck am 5. Juli 1914
3.3.1.1. Das Kalkül eines lokal begrenzten Krieg
3.3.1.2. Der Plan des unannehmbaren Ultimatums an Serbien.
3.3.2. Die Phase der relativen Ruhe zwischen dem 7. und dem 23. Juli 1914 3.3.2.1. Staatsbesuch Poincarés in St. Petersburg zwischen dem 20. und dem 23. Juli 1914
3.3.3. Die Phase der Eskalation - Das österreichische Ultimatum an Serbien am 23. Juli 1914
3.3.3.1. Die internationale Krisendiplomatie seit dem 23. Juli 1914
3.3.3.2. Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28. Juli 1914
3.3.4. Die russische Krisenpolitik und das Überschreiten des „Point of no return“
3.3.4.1. Das endgültige Hinzutreten Englands gegen die Mittelmächte
3.3.4.2. Vergebliche Versuche Bethmann Hollwegs, den Krieg abzuwenden
3.3.5. Kriegsausbruch – Der „Zustand drohender Kriegsgefahr“ und die Mobilisierung im Deutschen Reich
3.3.5.1. Kriegserklärung des Deutsches Reichs an Russland
3.3.5.2. Kriegserklärung des Deutschen Reichs an Frankreich
3.3.5.3. Die Verletzung der belgischen Neutralität und der Eintritt Englands in den Krieg
3.3.5.4. Der Austritt Italiens aus dem Dreibund

4. August 1914
4.1. Die Kriegsbetrachtung in der Bevölkerung
4.1.1. Die Stimmung der Bevölkerung nach Bekanntgabe des Kriegszustandes
4.1.2. Das „Augusterlebnis“
4.1.3. Der „Geist“ und die „Ideen von 1914“
4.2. Das Verhalten der Sozialdemokraten

5. Zusammenfassung
5.1. Der Erste Weltkrieg als „Urkatastrophe 20. Jahrhunderts“

Literaturangaben

1. Einleitung

Das 20. Jahrhundert wurde bis in die 1990er Jahre hinein durch große internationale Spannungen und Konflikte geprägt. Im Zuge der großen Krisen und Kriege sind Millionen von Menschenleben geopfert worden und neue Weltanschauungen, Regierungssysteme und Weltmächte sind entstanden und zum Teil wieder verworfen oder vernichtet worden, um nach dem Ende des Kalten Krieges zwar nicht das „Ende der Geschichte“[1], aber zumindest das Ende der großen internationalen Spannungen und Kriegsgefahr einzuläuten.

Als Historiker stellt das 20. Jahrhundert aber nicht nur eine wichtige Zäsur des Übergangs der größten Industrienationen in (teil-)demokratische Strukturen dar, sondern wirft auch immer wieder die Frage auf, welche kausalen Zusammenhänge die ereignisvolle Geschichte des letzten Jahrhunderts ermöglichten. In diesem Zusammenhang kann man auf die Bedeutung des zwischen 1914 und 1918 tobenden Ersten Weltkriegs nicht deutlich genug hinweisen. Will man nämlich Antworten auf die Frage nach den Ursachen beispielsweise des Zweiten Weltkriegs oder dem ihm unmittelbar folgenden Kalten Krieg finden, so sind diese mit Sicherheit in den Ereignissen vor, während oder kurz nach dem großen Krieg von 1914 zu suchen. Nicht umsonst weisen die meisten Historiker auf dessen Bedeutung als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“[2] hin.

Doch wie kam es dazu, dass im Jahr 1914 die größten und einflussreichsten Nationen rund um den Globus mit- und gegeneinander einen Krieg führten, in dessen Verlauf mehr als 10 Millionen Menschen ihr Leben ließen?

Eine Antwort auf diese Frage ist ebenso wichtig wie schwierig. Dies liegt vor allem daran, dass bei der Beantwortung die multikausalen Zusammenhänge sowohl langfristiger, als auch unmittelbarer Ursachen dargelegt und verknüpft werden müssen. In dieser Arbeit soll daher versucht werden, sowohl die langfristigen Ursachen, als auch diejenigen Prozesse darzulegen, die erst mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo am 28. Juni 1914 ins Rollen gerieten.

Um dies übersichtlich zu gestalten ist diese Zulassungsarbeit, deren Thematik sich mit jenen Ursachen des Kriegsausbruchs 1914 beschäftigt, in drei große Kapitel gegliedert. Im ersten Teil soll vor allem auf die langfristigen Ursachen, also sowohl auf den Imperialismus und das Wettrüsten der Großmächte um die vorletzte Jahrhundertwende, als auch auf die über Jahrzehnte hinweg erfolgenden Veränderungen innerhalb der Bündnissysteme, in deren Zuge sich große internationale Krisen entwickelten und sich die Beziehungen der entstandenen Machtblöcke kontinuierlich verschlechterten, eingegangen werden. Im zweiten Hauptteil soll dann die sich nach dem Attentat vom 28. Juni 1914 anbahnende und spätestens am 23. Juli ausbrechende „Julikrise“ untersucht werden. In diesem Zusammenhang soll vor allem die Politik und das Kalkül der Mittelmächte im Zentrum der Untersuchung stehen, nicht zuletzt deshalb, weil bis heute noch keine Einigkeit darüber herrscht, ob der Ausbruch des Ersten Weltkrieges einer gezielten Planung oder doch nur unglücklichen Umständen zu verdanken war. Im dritten und letzten Teil soll dann noch kurz auf den Kriegsausbruch und die Reaktion der Öffentlichkeit, der Parteien und der Arbeiterbewegung eingegangen werden. Hier soll vor allem die Frage, ob es im Deutschen Reich tatsächlich zu einer allgemeinen Kriegsbegeisterung nach dem 1. August 1914 kam, im Zentrum der Überlegungen stehen.

2. Langfristige Ursachen des Ersten Weltkrieges

Der Erste Weltkrieg hatte seinen Ursprung nicht erst in den Ereignissen des Juni und Juli 1914. Der Julikrise, welche durch die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo am 28. Juni 1914 ausgelöst wurde, gingen zahlreiche internationale Krisen voraus. Diese müssen als Produkt verschiedener Entwicklungen betrachtet und eingeordnet werden. Sie resultierten zum einen aus den diplomatischen Veränderungen, denen die europäischen Bündnissysteme seit 1890 ausgesetzt waren und zum anderen aus dem Anstieg nationalistischer und imperialistischer Tendenzen innerhalb der Großmächte, die ein massives militärisches Wettrüsten provozierten und die Welt im Juli/August 1914 in ein bis dato unvorstellbares Chaos stürzten.

Zu diesen, für die Geschichte des Ersten Weltkrieges bedeutsamen Großmächten zählten zur Wende des 20. Jahrhunderts Großbritannien, Frankreich, Russland, die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich. Zwar beanspruchte auch Italien den Status einer Großmacht, doch war dieser Status bei den Mächten der Pentarchie kaum anerkannt, da Italien fast ausschließlich bei kolonialen Angelegenheiten im Orient eine bedeutende Rolle spielte. Die anderen kleineren und mittleren europäischen Staaten waren zwar theoretisch souverän, unterlagen aber in der Regel dem bestimmenden Einfluss einer der Großmächte und machten deshalb nur sehr selten grundsätzlich Politik wider diese. Dem Konzert der fünf großen europäischen Mächte traten um die Jahrhundertwende zwei außereuropäische Staaten bei. Zum einen waren dies die USA, welche nach Durchsetzen ihrer machtpolitischen Ansprüche gegenüber Spanien ihre Einflusszone in Nord- und Südamerika ausbauen konnten. Zum anderen erlangte Japan den Status einer Großmacht, nachdem es sich gegenüber China 1895, vor allem aber gegenüber Russland bis 1905 behaupten und durchsetzen konnte[3].

Die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges ist immer auch eine Vorgeschichte der Beziehungen und Verflechtungen der Großmächte untereinander. Je nach diplomatischer Großwetterlage, militärischer und wirtschaftlicher Stärke handelten die Mächte im Zeitalter des Imperialismus in steter Abhängigkeit voneinander. Doch je stärker die Staaten begannen, sich aneinander zu binden, bzw. sich untereinander zu verbünden, um sich selbst zu schützen und potentielle Feinde abzuschrecken, desto gefährlicher konnte sich dies im Falle großer internationaler Krisen auswirken. Um den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu verstehen ist es daher notwendig zuerst die langfristigen Entwicklungen und Ursachen, welche direkt oder indirekt zum großen Krieg führten, genauer zu betrachten.

2.1 Die Veränderung des europäischen Bündnissystems seit Bismarck

Seit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 waren die Grundpfeiler der bismarckschen Diplomatie die Isolation Frankreichs und die Erhaltung des Friedens mit den östlichen Nachbarn Österreich-Ungarn und Russland[4]. Zu diesem Zwecke wurde 1879 der Zweibund zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich geschlossen, den man - zu diesem Zeitpunkt - als ein militärisches Verteidigungsbündnis betrachten konnte. Mit den europäischen Koalitionen konnte man in Berlin im Jahr 1888, als Kaiser Wilhelm II. den Thron bestieg, durchaus zufrieden sein. Zwar war der Dreikaiserbund von 1881, der die Herrscher Österreichs, Russlands und des Deutschen Reichs zur wohlwollenden Neutralität im Falle eines unprovozierten Angriffs verpflichtete 1887 nicht mehr verlängert worden, doch konnte man sich mit der Erweiterung des Zweibunds - durch den Beitritt Italiens 1882 - zum Dreibund, eine starke diplomatische Stellung in Europa sichern. Diese wurde auch dadurch gestärkt, da es sonst keine bemerkenswerten Abkommen und Bündnisse zwischen den anderen europäischen Großmächten gab.

Doch diese, durch die weitgehende diplomatische Isolation Frankreichs und die aus kolonialen Streitigkeiten hervorgehenden Spannungen zwischen Großbritannien, Frankreich und Russland, günstige Lage des Deutschen Reichs änderte sich spätestens seit 1892, als es den französischen Diplomaten gelang ein Defensivbündnis mit Russland abzuschließen. Dieses wurde 1899 mit dem Zusatz erweitert, nicht nur den Frieden der beiden Nationen zu sichern, sondern auch die Aufrechterhaltung des europäischen Gleichgewichts zu verfolgen. Auch England gelang es in den folgenden Jahren seine relative Isolation zu beenden. Die Briten näherten sich 1900 erfolgreich den USA an und bereits zwei Jahre später glückte der Abschluss des Militärbündnisses mit Japan, während die Bündnisverhandlungen mit dem Deutschen Reich 1898 und 1900/01 aufgrund unrealistischer Vorbedingungen scheiterten[5].

Doch noch zeigte man sich in Berlin nicht beunruhigt. Zwar gelang Frankreich der Ausbruch aus der diplomatischen Isolation, doch hielt man es seit Bismarck für unmöglich, dass sich die Briten aufgrund ihrer kolonialen Rivalitäten je mit Frankreich oder Russland verbünden könnten[6]. Russland betreffend, schienen die deutschen Diplomaten und die Führung in Berlin zunächst Recht zu behalten, da das englisch-japanische Bündnis von 1902 hauptsächlich zur Eindämmung russisch-imperialistischer Bestrebungen abgeschlossen wurde. Die Briten beobachteten mit Argwohn den Drang des Zarenreichs zu den Dardanellen, in die Mandschurei, an die Nordgrenzen Indiens und über Persien in Richtung Golf. Auch lehnten liberale Kräfte in Großbritannien das zaristische Russland als antidemokratische Autokratie ab. Ähnlich wie große Teile der russischen Führung, welche die konstitutionelle Monarchie Großbritanniens verachteten und letztlich zu diesem Zeitpunkt eine antibritische Haltung innehatten. Dieser Gegensatz schien sich zu verhärten, als Japan 1904 gegen Russland in den Krieg zog und diesen, für viele Zeitgenossen überraschend, bis Mitte 1905 für sich entscheiden konnte. Eine Annäherung Russlands und Englands schien daher zu diesem Zeitpunkt wesentlich unwahrscheinlicher, als eine Annäherung Russlands an das ebenfalls streng monarchisch ausgerichtete Deutsche Reich[7].

Was den ebenfalls angenommenen, unüberwindbaren Gegensatz Englands und Frankreichs anging, wurden die deutschen Diplomaten hingegen sehr bald eines besseren belehrt. England war in großer Sorge um die Aufrechterhaltung seiner Weltmacht. Hugh Oakley Arnold-Forster, Staatssekretär im englischen Kriegsministerium beschrieb die prekäre englische Situation zu Beginn des 20. Jahrhunderts ziemlich treffend: „Our people are weary of war. Russia an enemy, Germany an enemy, France an enemy by Treaty if not by conviction, and the USA looking out for a profit from other people´s failures.“[8].

Aus diesem Grund musste das höchste Ziel Englands sein, die „Splendid Isolation“ zu beenden. Nicht nur die inoffizielle Entente mit den USA, sondern auch eine Annäherung an Frankreich sollten daher zukünftige Konflikte Englands mit den anderen Großmächten vermeiden. Zudem konnte man sich über die Verbesserung der englisch-französischen Beziehungen auch eine Annäherung an den französischen Bündnispartner - Russland - erhoffen[9].

Die diplomatischen Bedingungen hatten sich bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts also gravierend verändert. Zwar musste man in Berlin längst noch nicht von einer unmittelbaren diplomatischen Bedrohung oder völligen Umkehr der Bündnisse ausgehen, doch gestaltete sich die Lage längst nicht mehr so günstig, wie dies noch vor 1892 im Rahmen der bismarckschen Außenpolitik der Fall war. Dem kam hinzu, dass Italien seit der Jahrhundertwende immer weniger als echter Bündnispartner betrachtet werden konnte. Von den Franzosen umworben und gelockt durch Zugeständnisse bei der Expansion in Nordafrika, sah man in Rom mit Wohlwollen, wie sich die beiden Seemächte England und Frankreich annäherten. Dies konnte für den mediterranen Halbinselstaat mit seinen langen Küsten und Empfindlichkeit gegenüber maritimen Aktivitäten nicht gleichgültig sein und so drohte der italienische Partner immer mehr, seine eigenen Interessen höher zu bewerten als die des Dreibundes. Letzten Endes bestärkte auch die zunehmende Konkurrenz zwischen Italien und Österreich-Ungarn auf dem Balkan die nachhaltige Aufweichung der Achse Berlin - Wien - Rom[10].

2.1.1. Die Entstehung der Triple Entente

Um den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verstehen zu können ist es unerlässlich, die im vorigen Abschnitt kurz angerissenen Veränderungen des europäischen Bündnissystems, vor allem aber die Tragweite dieses Wandels darzustellen. Im ersten Schritt soll daher auf die Veränderungen in der Zeitspanne zwischen 1892 und 1907, also dem Entstehen der sogenannten „Triple Entente“ eingegangen werden, um dann im zweiten Schritt näher auf den Zeitraum zwischen 1907-1914, der Zeit der Verfestigung der Machtblöcke und Zunahme der Gegensätze innerhalb dieser einzugehen.

2.1.1.1. Die Entstehung des russisch-französischen Militärbündnisses

Als im Jahr 1890 der 1887 geschlossene Rückversicherungsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Russland nicht verlängert wurde, hatte Russland im Gegensatz zum mitteleuropäischen Machtblock des Dreibundes keinen Verbündeten mehr. Die Folge war, dass es sich dem diplomatisch isolierten Frankreich annäherte und das bis dahin geltende Credo der bismarckschen Außenpolitik, das Deutsche Reich nicht zwei Fronten auszusetzen, unterlaufen wurde[11]. Seit 1890 kam es zu ernsthaften Bündnisverhandlungen zwischen Frankreich und Russland, die in einer gemeinsamen Militärkonvention vom 17. August 1892 mündeten und beinhalteten, sich gemeinsam gegen Angriffe aus dem Dreibund zu wehren. Diese Konvention wurde durch den formellen Abschluss des Bündnisses am 4. Januar 1894 verfestigt[12].

Grundsätzlich diente dieses Bündnis nicht nur dazu, die diplomatische Isolation der beiden Länder zu durchbrechen, sondern beinhaltete durchaus auch expansionistische Bestrebungen. Ohne dies explizit zu erwähnen oder gar einen Angriffspakt zu schmieden, gab es dennoch auf beiden Seiten Wünsche nach territorialen Veränderungen in Europa. In Frankreich war das Streben nach Rückgewinnung des 1871 verlorenen Elsass-Lothringen und linksrheinischen Gebietsgewinnen stark ausgeprägt. In Russland hingegen gab es das Begehren, an den Meerengen zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer Fuß zu fassen, österreichische Gebiete des geteilten Polens zu annektieren und den Machtbereich auf dem Balkan auch auf Bulgarien auszudehnen[13].

Zwar war der Vertrag strikt defensiv ausgerichtet, doch hatte der Vertragstext selbst einen folgenschweren Passus. In ihm wurde festgelegt, dass sobald in einem der Dreibundländer auch nur teil mobilgemacht würde, beide Vertragspartner ebenfalls mobilisieren müssten. Es gab keine Einschränkung, ob die Teilmobilmachung in Berlin, Rom oder Wien gegen Frankreich und Russland oder gegen eine völlig andere Nation gerichtet war, geschweige denn, ob sie provoziert oder unprovoziert ausgelöst würde. Eine Mobilmachung in Frankreich oder Russland, von der man dann bei den Mittelmächten davon ausgehen müsste, dass sie feindselig sei, würde eine Kettenreaktion von gegnerischen Aktionen und Reaktionen auslösen. Im Ernstfall verpflichtete diese Abmachung also Frankreich und Russland auch wider Willen einen europäischen Krieg mit dem Dreibund zu provozieren. Im Falle der durch die Teilmobilmachung Österreich-Ungarns gegen Serbien 1914 und der darauf folgenden russischen Mobilmachung ausgelösten Kettenreaktion Ende Juli/Anfang August 1914, sollte sich zeigen, wie verhängnisvoll eine derartige Abmachung sein konnte[14].

Der zunächst defensive, aber im Wortlaut durchaus verhängnisvolle Bündnisvertrag zwischen Frankreich und Russland sollte, auch wenn dies nicht von vornherein klar war, den Grundstein für die letztlich fatale Blockbildung in Europa darstellen. Denn während der Jahre 1904 und 1907 entwickelte sich durch das Hinzutreten Englands auf Seiten Frankreichs und Russlands ein System zweier mächtiger, sich zunehmend feindlich gegenüber stehender Föderationen in Europa.

2.1.1.2. Der Abschluss der Entente England - Frankreich

Wie bereits erwähnt, stellte der Bündnisvertrag zwischen Paris und St. Petersburg eine grundlegende Machtverschiebung in Europa dar. Alle großen kontinentaleuropäischen Mächte waren seit 1894 in ein Bündnissystem integriert. Nur Großbritannien stand um die Jahrhundertwende ohne echten Bündnispartner da. Das war mit Sicherheit kein neuartiger Zustand der auf Abstand und Unabhängigkeit zu Kontinentaleuropa ausgerichteten englischen Politik. Dennoch wurde im Angesicht der expansionistischen Bestrebungen aller großen Mächte rund um den Globus der Ruf nach Beendigung der „Splendid Isolation“ in England immer lauter. Um den weltweit verstreuten und schwer zu verteidigenden kolonialen Besitz gegenüber den imperialistischen Großmächten behaupten zu können, schien es unerlässlich, sich hierfür neue Partner zu suchen.

Aus diesem Grunde versuchte man zunächst mit derjenigen Großmacht in Verhandlungen einzutreten, mit der man noch am wenigsten koloniale Streitigkeiten hatte, dem Deutschen Reich. Doch scheiterten die Bündnisverhandlungen der Jahre 1898 und 1900/1901 an beidseitig zu hohen Vorbedingungen[15]. In den folgenden Jahren näherte sich England daraufhin den USA und Japan, den zwei außereuropäischen Großmächten, durch Verträge und im Falle Japans sogar durch den Abschluss eines Bündnisses an. Der Prozess der Entspannungspolitik wurde dann 1902 durch den Beginn von Gesprächen über einen kolonialen Ausgleich mit Frankreich fortgesetzt und nach knapp zweijährigen Verhandlungen am 7. April 1904 die „Entente Cordiale“ geschlossen. Dies war zwar noch längst kein militärisches Bündnis beider Staaten. Es handelte sich zunächst um ein Abkommen, das durch die Regelung von kolonialen Streitigkeiten in Nordafrika für eine signifikante Entspannung und Verbesserung der bilateralen Beziehungen sorgte. Betrachtet man aber die folgenden Jahre, so wird klar, dass vor allem in Frankreich der Gedanke vorherrschte, dieses Abkommen Schritt für Schritt zu einem echten Bündnis auszubauen, während man sich in England vorerst noch alle Optionen auf zukünftige Absprachen mit den anderen europäischen Mächten versuchte offen zu halten. Im Angesicht der immer expansionistischer und aggressiver auftretenden deutschen Außenpolitik spätestens seit der Jahrhundertwende musste aber klar sein, in Richtung welches Bündnisses sich die Briten letztlich orientieren würden[16].

Das Ziel, England auf seine Seite zu ziehen, verfolgte man in Frankreich bereits seit der Jahrhundertwende. Das Abkommen von 1904, in dem festgelegt wurde, dass die Engländer den Franzosen freies Handeln in Marokko gewähren und andersherum den Engländern seitens Frankreich deren Interessenssphäre in Ägypten und dem Sudan anerkannt wurde, legte hierfür den Grundstein. Wenngleich die „Entente Cordiale“ zunächst nicht deutschfeindlich ausgerichtet war, so musste sie die deutsche Außenpolitik zumindest überraschen. Bis dato hatte man es nicht für möglich gehalten, dass sich Engländer und Franzosen in wichtigen kolonialen Fragen einigen könnten. Doch spätestens seit dem Abschluss der Entente zwischen England und Frankreich war klar, dass sich die Bündnissysteme gegen das Deutsche Reich gewendet hatten. Zwar war, wie bereits erwähnt, die „Entente Cordiale“ mit keinem Wort gegen die Deutschen gerichtet, nach wie vor handelte es sich lediglich um einen Interessenausgleich zwischen Paris und London, doch wurde die berechtigte Hoffnung, aus dem im Februar 1904 ausgebrochenen Krieg zwischen Japan und Russland als lachender Dritter hervor zu gehen, enttäuscht. Dort schien es noch so, als ob sich die Blöcke Großbritannien-Japan und Russland-Frankreich unversöhnlich gegenüber stünden. In Berlin hatte man sich daher erhofft, für die Parteinahme auf einer Seite, wichtige außenpolitische Zugeständnisse erhalten zu können. Diese Hoffnung musste man durch das Zustandekommen des englisch-französischen Abkommens begraben. Schlimmer noch: Nun sah man sich im Deutschen Reich einer durchaus bedrohlich wirkenden, außenpolitischen Entwicklung entgegen, nämlich dass sich die drei Großmächte, wenn auch vorerst noch indirekt, in einem Bündnissystem zu vereinigen drohten. Eine daraufhin gestartete ernsthafte Annäherung an Russland musste deshalb schon allein daran scheitern, dass im Zarenreich niemand ernsthaft den lebenswichtigen Geldgeber und Bündnispartner in Frankreich verärgern wollte[17].

Die diplomatische Großwetterlage für das Deutsche Reich hatte sich 1904 also signifikant verschlechtert. Ein Prozess, der sich nach der Ersten Marokkokrise fortsetzen sollte. Durch die Provokation und das Streben nach Weltgeltung auf Kosten anderer Großmächte, wie im Fall Marokkos 1905/06[18], wurden antideutsche Stimmungen in England, Frankreich und Russland verstärkt. Das deutsche Streben nach Weltmacht, so die vorherrschende Meinung, musste eingeschränkt werden. Nicht zuletzt aus diesem Grunde, suchte England unter dem 1905 im Amt angetretenen Außenminister Sir Eduard Grey seit 1906 zusehends auch den Ausgleich mit dem Zarenreich[19]. In einem Memorandum hob er die Vorzüge einer Triple Entente hervor und zeigte sogleich, in welche Richtung und unter welchen Prämissen sich die Bündnisse Europas aus englischer Sicht entwickeln sollten: „An entente between Russia, France and ourselves would be absolutely secure. If it is necessary to check Germany it could then be done“[20].

2.1.1.3. Das Zustandekommen der Entente England - Russland

Was Grey kurz nach Amtsantritt in seinem Memorandum auf den Punkt brachte, sollte nicht allzu lang auf sich warten lassen. Ganz im Sinne englischer Politik der Bewahrung[21] des eigenen Weltreichs und seiner Territorien suchte England auch mit Russland zunächst den kolonialen Ausgleich und den Abbau der englisch-russischen Spannungen, die sich noch während des russisch-japanischen Krieges nicht von der Hand weisen ließen. Trotz aller Gegensätze, verschiedener Interessen und Regierungssysteme erstrebte die neue britische Außenpolitik zunächst unter Lord Lansdowne, später dann unter Sir Edward Grey eine Annäherung an das Zarenreich. Der Versuch eines Interessenausgleichs der beiden Großmächte stieß vor allem beim russischen Außenminister Iswolski - seit Mai 1906 im Amt - auf positive Resonanz[22].

Nach monatelangen Verhandlungen einigte man sich auf einen ähnlichen Vertrag, wie die Entente zwischen England und Frankreich und so wurde am 31. August 1907 die Entente zwischen England und Russland unterzeichnet. De jure handelte es sich auch hierbei nicht um ein Bündnis, nicht einmal militärische Klauseln wie „Krieg“, „Aggression“ oder „Verteidigung“ kamen darin vor. Es handelte sich auch hier zunächst lediglich um die Absteckung von kolonialen Interessenssphären, mit der Absicht künftig Konflikte zu vermeiden und die bilateralen Beziehungen zu verbessern. In wichtigen Streitpunkten im Nahen Osten und Zentralasien konnten dahingehend Einigungen und Absprachen erzielt werden: So wurden Tibet und Afghanistan als Pufferzonen zwischen den russischen und den englischen Territorien bestätigt. Russland akzeptierte zudem, dass Afghanistan außerhalb des russischen Einflussbereichs lag. Neben ökonomischen Absprachen in Zentralasien wurde auch das Persische Reich in russische und britische Einflusszonen aufgeteilt und ebenfalls mit einer Pufferzone versehen, um Grenzkonflikte zu vermeiden. Seitens England wurde Russland die Öffnung der Dardanellen zugesagt.

Den Diplomaten in England gelang es durch die Entente nicht nur sich an Russland anzunähern und die bilateralen Beziehungen spürbar zu verbessern. Durch die diplomatische Absicherung der kolonialen Grenzen gegenüber St. Petersburg konnte Grey das Abkommen im Parlament zusätzlich als Chance darstellen, die hohen Verteidigungsausgaben beispielsweise an der nordindischen Grenze durch die Bannung der Gefahr einer russischen Invasion zu verringern[23].

Die im August 1907 abgeschlossene gemeinsame Asienkonvention zwischen Briten und Russen hatte weitreichende Konsequenzen. Sie bildete den Grundstein für die Erweiterung der Entente Cordiale zur Triple Entente der europäischen Großmächte England, Frankreich und Russland. Zwar war das Abkommen von 1907 längst noch kein Bündnis gegen das Deutsche Reich, denn in Russland dachte man vorerst nicht an die Möglichkeit eines Militärabkommens mit den Engländern, doch sollte die Entwicklung und vor allem die Krisendiplomatie der folgenden Jahre zeigen, dass Russland Bestandteil einer sich immer deutschfeindlicher abzeichnenden Koalition werden würde[24]. Die britisch-russische Übereinkunft wurde in Berlin offiziell akzeptiert. Gleichwohl musste man erschrocken zusehen, wie die Prämissen, auf denen die deutsche Außenpolitik der letzten Jahrzehnte fundierte, nicht mehr zutrafen. Der englisch-französische und der englisch-russische Interessenausgleich 1904 und 1907 zeigte, dass die für unüberbrückbar gehaltene Rivalität der drei Großmächte doch hatte überwunden werden können. Auch wenn die Lage mit Hinweis darauf, dass es sich lediglich um koloniale Absprachen handelte in Berlin zunächst schön geredet wurde, kam man nicht umhin sich einzugestehen, dass diese Abkommen, sollten sie sich in den nächsten Jahren vertiefen und erweitert werden, das Deutsche Reich und den Dreibund sehr viel stärker tangierten, als man offiziell zu erkennen gab. Auch der Kaiser und hochrangige Diplomaten erkannten, dass spätestens seit 1907 eine diplomatische Isolation befürchtet werden musste[25]. Im Angesicht der sich dramatisch verschlechternden außenpolitischen Situation des Reichs versuchte man deshalb die Verfestigung der Triple Entente durch eigene Bemühungen zu verhindern. Vor allem Theobald von Bethmann Hollweg - seit 1909 Reichskanzler - unternahm in dieser Hinsicht große Anstrengungen[26]. Letzten Endes konnte aber die Grundkonstellation der diplomatischen Isolation der Mittelmächte nicht mehr durchbrochen werden[27].

2.1.2. Die Polarisierung des Bündnissystems und die Verfestigung der Machtblöcke

Die Brisanz der Erweiterung des französisch-russischen Bündnisses von 1894 durch das de facto Hinzutreten Englands war der deutschen Führung bereits sehr früh klar. Das höchste Ziel der deutschen Außenpolitik war es daher, diesen Ring der „Einkreisung“[28] zu sprengen. Doch vermochten es weder der Kanzler noch hochrangige Außenminister und der Kaiser, die zunehmende Konstituierung der Triple Entente zu verhindern. Im Gegenteil: Durch das teilweise brüske, allzu geltungsbedürftige Auftreten der deutschen Außenpolitik, vor allem während der internationalen Krisen vor 1914[29], wurde der Zusammenhalt der Ententemächte letztlich nur gestärkt. Das Vorhaben, das als feindlich angesehene Bündnissystem durch prestigeträchtige außenpolitische Erfolge auf Kosten der drei anderen europäischen Großmächte auseinander zu manövrieren, brachte keinen Erfolg[30]. Während die außenpolitische Isolation der Mittelmächte in den Jahren zwischen 1908 und 1914 nicht mehr durchbrochen werden konnte, zeichneten sich innerhalb der Ententemächte weitere teilweise folgenschwere Absprachen ab, die im folgenden kurz erläutert werden sollen.

2.1.2.1. Die Vertiefung der englisch-französischen Beziehungen

Das Verhältnis zwischen England und dem Deutschen Reich wurde seit der Jahrhundertwende von der deutschen Flottenaufrüstung[31], die maßgeblich auf Alfred von Tirpitz - Staatssekretär im Reichsmarineamt - zurückging, signifikant belastet. Nicht zuletzt aus diesem Grunde scheiterten die Versuche Bethmann Hollwegs, sich England ernsthaft anzunähern[32].

Um der drohenden Gefahr einer deutschen Hochseeflotte zu begegnen, vereinbarten England und Frankreich die maritime Zusammenarbeit. Die französische Marine sollte von nun an das Mittelmeer kontrollierten, während sich die Royal Navy auf die Heimatgewässer, also auch die Nordküste Frankreichs, konzentrieren sollte. Das Zusammenziehen der Hauptflotte rund um die britischen Inseln zerstörte nicht nur Tirpitz´ Vision einer maritimen Ebenbürtigkeit. Die Marinekonvention an sich bedeutete auch eine weitere Entwicklung englisch-französischer Zusammenarbeit[33], die noch im selben Jahr weiter vertieft wurde. In einem Briefwechsel zwischen Außenminister Grey und dem französischen Botschafter in London - Paul Cambon - wurden erste Absprachen über Art und Umfang des Einsatzes eines britischen Expeditionskorps im Falle eines deutsch-französischen Krieges getroffen[34].

Das Verhältnis zwischen England und Frankreich hatte 1904 begonnen, sich durch den Abschluss der Entente Cordiale grundsätzlich zu verändern. Auf der Grundlage des kolonialen Ausgleichs hatte man die Basis für eine weitreichende Verbesserung der Beziehungen entwickelt. Diese sollten sich in den folgenden Jahren und vor allem während der internationalen Krisen vor 1914 bewähren und mündeten sowohl durch die Marinekonvention von 1912, als auch durch die erstmals getroffenen militärische Absprachen, wenn auch nicht in ein formelles Bündnis, so aber mindestens in eine ausgeprägte beidseitige Zusammenarbeit. Auch ist durch diese Entwicklung eine gewisse Abhängigkeit entstanden und so konnte man unter diesen Umständen nicht mehr ernsthaft davon ausgehen, dass eines der beiden Länder sich - zumindest im Falle eines unprovozierten Angriffs - aus einem kommenden militärischen Konflikt heraushalten könnte[35].

2.1.2.2. Die Außenpolitik Frankreichs und Russlands vor dem Ersten Weltkrieg

Während sich die englisch-französischen Beziehungen erst ab 1902 durch den Beginn der Verhandlungen über den Abschluss der Entente zu verbessern begannen, konnte man im französisch-russischen Verhältnis bereits auf ein Jahrzehnt der Zusammenarbeit zurückblicken. Das 1892 geschlossene Defensivbündnis, das bereits 1894 zum formellen Bündnis erweitert wurde, diente hierfür als Grundlage. Beiden Mächten war es dadurch gelungen, die Gefahr eines Angriffs durch den Dreibund zumindest zu relativieren. 1899 wurde dieses Bündnis durch den Zusatz erweitert, die Allianz nicht nur auf die Verteidigung gegen Angriffe auszurichten, sondern auch, dass diese dem Zwecke der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in Europa dienen sollte. Bei entsprechender Interpretation zeigte sich also, dass man den Verteidigungspakt durchaus auch offensiv auslegen konnte und wollte[36].

Während der nächsten Jahre bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die jeweilige Bündnistreue nicht ernsthaft angezweifelt. Dies geschah schon allein deshalb, weil man ohne den jeweiligen Partner im Angesicht des übermächtig wirkenden Deutschen Reichs in einem Konflikt ohne realistische Chancen gewesen wäre. Auch mochte und konnte man zudem in St. Petersburg nicht auf die umfassenden finanziellen Hilfen aus Paris verzichten[37].

Die enge Zusammenarbeit wurde durch die am 16. Juni 1912 abgeschlossene Militärkonvention vertieft. Diese ersetzte die ursprüngliche Marinekonvention des Jahres 1892. In der neuen Abmachung wurde nun ein gemeinsames Vorgehen der Flotten im Falle eines Krieges, bei dem die Allianz den Einsatz von Landstreitkräften voraussetzte, abgesprochen[38].

Da führende Persönlichkeiten in St. Petersburg bereits Ende 1913/Anfang 1914 davon ausgingen, dass es über kurz oder lang zu einem europäischen Krieg kommen würde[39], war das Ziel der russischen Außenpolitik nicht, diesen Krieg mit allen diplomatischen Mitteln zu verhindern, sondern die eigene Stellung in diesem Konflikt zu verbessern. Da später auch die Kriegsschuldproblematik angerissen wird, ist diese Grundhaltung Russlands, die in Frankreich durchaus geteilt wurde zu berücksichtigen[40]. Die Grundpfeiler der russischen Außenpolitik waren in den Jahren vor 1914 daher klar umrissen. Noch vorhandene Differenzen mit Frankreich sollten beigelegt, ein Bündnis mit England anvisiert, Serbien und Montenegro gegen Österreich verbündet und die pro-österreichische Regierung in Bulgarien durch eine pro-russische ersetzt werden. Zudem sollte eine Verständigung mit Rumänien erfolgen und der deutsche Einfluss auf die Türkei eingeschränkt werden. Ein Krieg sollte im Idealfall nicht vor 1916/1917 beginnen[41].

Dass diese Ziele ernsthaft verfolgt wurden, zeigt das Vorgehen der russischen Diplomaten seit Anfang 1914. Noch vorhandene Streitfragen mit Frankreich im Nahen Osten wurden durch Kompromisse größtenteils beigelegt. Um weitere Abmachungen und Absprachen für den Fall eines Krieges zu treffen wurde zudem der Staatsbesuch des französischen Präsidenten Poincaré in St. Petersburg im Juli vereinbart und auch mit England begann man die Sondierung geheimer Flottengespräche. Außenminister Sasonov hielt dies für eine wichtige Maßnahme, die Briten Schritt für Schritt in das Bündnis mit den Franzosen zu integrieren. Es sei aber erwähnt, dass sich London hierbei noch zögernd verhieltt und bis zum Kriegsausbruch keine festen Zusagen getroffen wurden[42]. Obgleich es seit Frühjahr 1914 zu Flottenverhandlungen[43] zwischen London und St. Petersburg kam, befanden sich diese nicht in einem fortgeschrittenen Stadium und wurden zudem von Außenminister Grey vehement dementiert. Dennoch wusste man im Deutschen Reich darüber Bescheid[44]. Von dem anvisierten formellen Bündnis mit England waren die Russen zu diesem Zeitpunkt also noch weit entfernt. Dennoch konnten die Engländer nicht unabhängig von russischen Interessen handeln, da sie bereits faktisch in gegenseitiger Abhängigkeit zu deren Bündnispartner Frankreich standen[45].

Einen größeren Rückschlag musste die russische Außenpolitik allerdings auf dem Balkan hinnehmen. Trotz intensiver Bemühungen und weitreichender territorialer Versprechungen gelang es den russischen Diplomaten nicht, ähnlich wie 1912 einen Balkanbund - bestehend aus Serbien, Bulgarien, Rumänien und Griechenland[46] - zu schmieden, der sich im Falle eines europäischen Krieges gegen den Dreibund wenden sollte. Auch die Beziehungen zur Türkei konnten nicht entscheidend verbessert werden. Der spätere Kriegseintritt der Türken auf Seiten der Mittelmächte machte dies deutlich[47].

2.1.2.3. Die Theorie der „Einkreisung“ des Deutschen Reichs

Im Zusammenhang mit den dargestellten Absprachen und der zunehmenden Zusammenarbeit innerhalb der Ententemächte, wurde durch die deutsche Führung und die Öffentlichkeit das Gespenst der „Einkreisung“ Deutschlands durch das feindlich gesinnte Ausland kreiert. Im Nachhinein kann man mit Sicherheit sagen, dass es seitens der Triple Entente bis 1914 keinen Plan eines offensiv geführten Krieg gegen den Dreibund gegeben hat. Dennoch lässt sich aus der Sicht der deutschen Führung in Anbetracht der gezeigten militärischen Absprachen sowohl zwischen Frankreich und England, als auch zwischen Frankreich und Russland im Jahr 1912 die Befürchtung einer Umzingelung Deutschlands zumindest nachvollziehen. Hinzu kam, dass die deutsche Außenpolitik aufgrund ihrer elementarer Fehler während der internationalen Krisen vor 1914 nicht in der Lage war, effektiv gegen die sich verdichtenden militärischen Absprachen vorzugehen. Die bekannt gewordenen geheimen Flottenverhandlungen Englands und Russlands in der ersten Hälfte des Jahres 1914 schienen den lapidaren Satz Kaiser Wilhelms, den er in einer Bemerkung 1907 an von Bülow niederschrieb, nämlich, dass „die Einkreisungspolitik ihren ruhigen, unveränderlichen Gang“[48] nehme, zu bestätigen. Dennoch war bis 1914 ein Angriffskrieg seitens einer der Entente-Mächte nie ernsthaft geplant[49].

2.1.3. Entspannungsversuche

Betrachtet man die Diplomatie der Großmächte in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, speziell die Zeitspanne nach der Zweiten Marokkokrise (1911 bis 1914)[50], so ist festzuhalten, dass sich die Großmächte nicht in einer Einbahnstraße befanden, an deren Ende der Krieg stehen musste. Nach 1911 lässt sich im allgemeinen ein wenn auch nur sehr zaghafter Beginn einer Entspannungspolitik der Großmächte beobachten, der sich bis kurz vor die Julikrise fortsetze. Als man während der Krise 1911 am Rande eines großen Krieges stand, zeigte sich in aller Deutlichkeit, dass die Bündnisse der europäischen Mächte die Welt nur scheinbar sicherer machten und große Risiken bargen. Man begann zumindest teilweise die Entspannung der internationalen Beziehungen stärker zu fokussieren[51].

Als im Jahr 1912/1913 im Zuge der Balkankriege[52] erneut die Diplomatie der Großmächte herausgefordert wurde, zeigte sich, dass man mit einem gemeinsamen Vorgehen erfolgreich sein konnte. Die friedliche Beilegung der Krise war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass englische und deutsche Diplomaten auf der einberufenen Londoner Botschafterkonferenz gut miteinander kooperierten und gemeinsam mäßigend auf die Streitparteien einwirken konnten. Auch nach 1913 präsentierte sich die deutsche Außenpolitik kooperativer und gezügelter als in den Jahren zuvor sodass sich das deutsch-englische Verhältnis zu bessern begann. Man erreichte Kompromisse und Abkommen beispielsweise beim Umgang mit portugiesischen Kolonien in Afrika im Falle ihrer Verpfändung, sowie noch im Juni 1914 die Regelung der Frage um die Bagdadbahn[53]. Auch die anderen Großmächte versuchten ihre Gegensätze teilweise zu verringern. Die Motive hierfür waren freilich unterschiedlich: Während man im Deutschen Reich hauptsächlich versuchte, die Stellung im Mächtesystem zu verbessern, ging es den Diplomaten in Wien darum mehr Handlungsspielraum auf dem Balkan zu erhalten. Eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland und England war hierfür unerlässlich. In England hingegen versprach man sich von einer Annäherung an den Dreibund künftige Konflikte durch vorige Absprachen verhindern, abmildern oder, wie auf der Londoner Botschafterkonferenz durch kooperatives Agieren, beilegen zu können[54].

Letzten Endes war den Entspannungsversuchen dennoch kein langfristiger Erfolg vergönnt. In der kurzen Zeit der diplomatischen Erholung konnten die über Jahre hinweg angestauten Spannungen auf keiner Seite nachhaltig abgebaut werden. Sobald nämlich ureigene Interessen der Großmächte aufeinander stießen, dies sollte sich bereits im Juli 1914 zeigen, war das außenpolitische Zusammenarbeiten der Großmächte überfordert. Vor allem das hoffnungsvolle und friedensichernde Zusammenwirken Londons und Berlins auf der Botschafterkonferenz 1912 wurde nicht wiederholt. Zu dünn waren die frisch geknüpften Freundschaftsbänder der beiden Großmächte und zu stark schwelte beispielsweise noch der Konflikt um die Flottenaufrüstung[55].

2.2. Ökonomische und technische Veränderungen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Nachdem nun die Wandlung der europäischen Bündnisse bis 1914 gezeigt wurde, soll an dieser Stelle kurz auf den wirtschaftlichen und technischen Kontext, in dem sich die Nationen des frühen 20. Jahrhunderts befanden, eingegangen werden. Dies ist insofern wichtig, weil der Erste Weltkrieg als der erste totale[56] Krieg gilt, der durch neue Entwicklungen im militärischen Bereich die schreckliche Möglichkeit offenbarte, in kurzer Zeit hunderttausende Menschenleben auszulöschen. Da der Krieg nicht aus heiterem Himmel über die Nationen hereinbrach, sondern seine Ursachen in den Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten vor 1914 hatte, werden daher in diesem Teil der Arbeit die wichtigsten ökonomischen und technischen Veränderungen dargestellt, denen alle Großmächte unterlagen und letztlich auch Einfluss auf deren Denken und Handeln hatten.

Betrachtet man die Weltwirtschaft seit 1880, so kann man beobachten, dass diese sich in den dann folgenden Jahrzehnten grundlegend veränderte. War 1880 Großbritannien noch in fast allen Sektoren der Weltwirtschaft führend, gefolgt von den USA und dem Deutschen Reich sowie - mit großem Abstand folgend - von Frankreich, Russland, Italien und Österreich-Ungarn, so änderte sich dies in den folgenden Jahren. Untersucht man beispielhaft die Stahlproduktion als wichtigsten Indikator militärischer und wirtschaftlicher Stärke zu dieser Zeit, so lassen sich bis zum Jahr 1913 folgende Verschiebungen feststellen: Die USA hatten eine jährliche Stahlproduktion von 31,8 Mio. Tonnen erreicht und das Deutsche Reich produzierte immerhin 17,6 Mio. Tonnen jährlich, während Großbritannien lediglich 7,7, Russland 4,8, Frankreich 4,6, Österreich-Ungarn 2,6, Italien 0,93 und Japan 0,25 Mio. Tonnen Stahl pro Jahr produzierten.

Die USA war also zur wirtschaftlichen Weltmacht aufgestiegen, während Großbritannien, weit abgeschlagen auf den dritten Platz hinter das Deutschen Reich zurückfiel. Dieses konnte sich zurecht selbstbewusst als Gewinner der seit 1894 boomenden Weltwirtschaft betrachten. Die anderen Staaten blieben im Vergleich zu den führenden Nationen zurück und so ist es nicht verwunderlich, dass das mittlerweile ökonomisch und demographisch durchaus potente Reich versuchte, diese Tatsache auch in der realen Politik umzusetzen[57].

Die rasante wirtschaftliche Entwicklung in den Vorkriegsjahren führte auch zu einer neuen Qualität der Abhängigkeit der Großmächte untereinander, obgleich diese wegen fehlender verpflichtender Absprachen - für viele auch im Nachhinein überraschend - kein Garant für den europäischen Frieden darstellte[58]. Auch innerhalb der Abhängigkeiten der Großmächte gab es Verschiebungen. War beispielsweise bis 1887 das Deutsche Reich durch Außenhandel und Direktinvestitionen noch der Hauptfinanzier des Zarenreichs, so wurde das Kaiserreich nach und nach von Frankreich wegen dessen signifikant steigenden finanziellen Beteiligungen abgelöst. Dies bereitete nicht zuletzt auch die politische Annäherung der beiden Großmächte seit 1890 vor. Auch die Briten zeichneten 1905 erstmals russische Anleihen[59].

Den großen wirtschaftlichen Veränderungen der Hochindustrialisierung kamen auch weitreichende technische Neuerungen in dieser Zeit hinzu. Die Erfindung der Dampfmaschine und der Eisenbahn, von Hinterlader, Zielfernrohren, Schnellfeuergewehren, hochexplosiven Geschossen und Granaten, neuen Sprengstoffen, Torpedos, Minen und Unterseeboten bedeuteten für die moderne Kriegsführung eine fast komplette Umwälzung alles vorher Gekannten[60]. Die mit der Industrialisierung einhergehende bessere Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln führte zudem in den sich industrialisierenden Ländern zu einem enormen Bevölkerungszuwachs. So gab es auch in Friedenszeiten große stehende Heere, die in kürzester Zeit in der Lage waren, mobilisiert und in Bewegung gesetzt zu werden. Waren bisher Kriege im 18. und in Teilen des 19. Jahrhunderts normalerweise auf die jeweiligen Staatsheere beschränkt und in der Regel kurz („Kabinettskriege“)[61], bedeuteten die Neuerungen im militärischen Sektor, dass große Kriege von nun an total und wahrscheinlich nur unter massiver Einbeziehung von Zivilbevölkerung und Material ausgefochten werden konnten[62]. Eine Einsicht, die sich allerdings nicht von vornherein bei den Entscheidungsträgern der Nationen durchsetzte.

2.2.1. Imperialismus und Nationalismus um die Jahrhundertwende

Der weltweite Anstieg der Wirtschaftskraft der Großmächte wäre ohne den seit 1881 noch einmal verstärkt einsetzenden Imperialismus nicht denkbar gewesen. Mit der Errichtung des französischen Protektorats in Tunesien und der englischen Landnahme in Ägypten begann mit dem Rennen der großen Mächte um den afrikanischen Kontinent („scramble for africa“) seit 1880 eine letzte hochimperialistische Welle. Die Motive des Imperialismus waren zum einen der steigende Rohstoffbedarf der sich in der Industrialisierung befindenden Heimatländer und zum anderen die Suche nach neuen Absatzmärkten und Siedlungsraum für die teilweise schnell wachsende einheimische Bevölkerung. Auch die Missionierung der neuen Gebiete, sowie die Verbreitung heimatlicher Kultur und Weltanschauung dürften als Motive bei der Kolonialisierung eine Rolle gespielt haben[63].

[...]


[1] Der Begriff wurde vom amerikanischen Politologen Francis Fukuyama in seinem Buch „The end of history and the last man“ (erschienen 1992) geprägt, der nach dem Ende der Sowjetunion das „Ende der Geschichte“ gekommen sah, indem die seiner Meinung nach höchste Form der menschlichen Organisation, nämlich die liberal-kapitalistische Ordnung, erreicht worden sei.

[2] George F. Kennan zit. bei Schulin, E., Die Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts, in: Michalka, W. (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg: Wirkung – Wahrnehmung – Analyse: Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, München (u.a.) 1994, S. 3-28, S.3.

[3] Dülffer, J., Der Weg in den Weltkrieg, in: Hirschfeld, G; Krumeich, G. (u.a.) (Hrsg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn (u.a.) 2009, S. 233-241, S. 235.

[4] Massie, R., Die Schalen des Zorns: Großbritannien, Deutschland und das Heraufziehen des Ersten Weltkrieges, Frankfurt a.M. 1993., S. 108.

[5] Dülffer, J., Der Weg in den Weltkrieg, S. 239.

[6] Massie, R., Schalen des Zorns, S. 112f., 344f.

[7] Ebd., S. 491f.

[8] Zit. bei Monger, G. W., The End of Isolation: British Foreign Policy 1900-1907, London (u.a.) 1963, S. 151.

[9] Neitzel, S., Kriegsausbruch: Deutschlands Weg in die Katastrophe 1900-1914, Zürich 2002., S. 76f.

[10] Gutsche, W.; Klein, F. (u.a.), Der Erste Weltkrieg: Ursachen und Verlauf. Herrschende Politik und Antikriegsbewegung in Deutschland, Köln 1985, S. 17.

[11] Linke, H. G., Rußlands Weg in den Ersten Weltkrieg und seine Kriegsziele 1914-1917, in: Michalka, W. (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg: Wirkung – Wahrnehmung – Analyse: Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, München (u.a.) 1994, S. 54-94., S. 55f., 58.

[12] Massie, R., Schalen des Zorns, S. 345.

[13] Kennan, G. F:, Die schicksalhafte Allianz: Frankreich und Rußland am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Köln 1990, S. 333f.

[14] Kennan, G. F:, Die schicksalhafte Allianz, S. 335f.

[15] Dülffer, J., Der Weg in den Weltkrieg, S. 239; ebenso Massie, R., Schalen des Zorns, S. 349.

[16] Gutsche, W.; Klein, F. (u.a.), Der Erste Weltkrieg, S. 16; ebenso Massie, R., Schalen des Zorns, S. 349-352.

[17] Dülffer, J., Der Weg in den Weltkrieg, S. 236; ebenso Neitzel, S., Kriegsausbruch, S. 78f., 83.

[18] nähere Erläuterungen hierzu, siehe Kapitel 2.4.1. „Die Erste Marokkokrise 1905/06“.

[19] Neitzel, S., Kriegsausbruch, S.90f.

[20] Memorandum Sir Edward Greys, in: Gooch, G. P.; Temperley, H. (Hrsg.), British Documents on the Origins of the War, 1898-1914, 11 Bde., London 1926, Bd. 3, S. 267.

[21] Im Gegensatz zum viktorianischen Zeitalter des 19. Jahrhundert, als das britische Weltreich weltweit expandierte.

[22] Massie, R., Schalen des Zorns, S. 493f.

[23] Gutsche, W.; Klein, F. (u.a.), Der Erste Weltkrieg, S. 16; ebenso Massie, R., Schalen des Zorns, S. 496f., 499.

[24] Bestuschew, I. W., Die russische Außenpolitik von Februar bis Juni 1914, in: Laqueur, W.; Mosse, G.L. (Hrsg.), Kriegsausbruch 1914., München 1967, S. 127-151, S. 128f.; ebenso Stevenson, D., 1914-1918: Der Erste Weltkrieg, Düsseldorf 2006, S. 33.

[25] Massie, R., Schalen des Zorns, S. 497.

[26] So gab es auch in den folgenden Jahren Kontakte und Abkommen beispielsweise mit Russland über die Bagdadbahn und russische Ansprüche in Persien 1910/11. Vgl. Neitzel, S., Kriegsausbruch, S. 91f., 139.

[27] Stevenson, D., 1914-1918, S. 33.

[28] Vor allem Kaiser Wilhelm II. sprach im Zusammenhang der sich konstituierenden Triple Entente wiederholt von einer „Einkreisungspolitik“. Vgl. Lepsius, J.; Mendelsohn-Barthody A. (Hrsg.), Schlussbemerkung Wilhelms II. an v. Bülow, 9.10.1907, in: Große Politik der Europäischen Kabinette 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, im Auftrage des Auswärtigen Amtes, 40 Bde., Berlin 1922-1927, Bd. 25/1, Nr 8538, 48.

[29] Nähere Erläuterungen hierzu, siehe Kapitel 2.4. „Die internationale Krisen vor 1914“.

[30] Neitzel, S., Kriegsausbruch, S. 113f.

[31] Nähere Erläuterungen hierzu, siehe Kapitel 2.3.1. „Das Wettrüsten zur See“.

[32] Neitzel, S., Kriegsausbruch, S. 114, 117-119.

[33] Ebd., S. 119f.

[34] Schöllgen, G., Das Zeitalter des Imperialismus (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte 15), 3. Aufl., München 1994, S. 82.

[35] Erdmann, K. D., Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt? Kontroversen zur Politik der Mächte im Juli 1914, in: Erdmann, K. D.; Z., E. (Hrsg.), Politik und Geschichte Europa 1914: Krieg oder Frieden, Kiel 1985, S. 19-51, S. 33.

[36] Ebd., S. 24.

[37] Dülffer, J., Der Weg in den Weltkrieg, S. 236; ebenso Erdmann, K. D., Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt?, S. 28.

[38] Schöllgen, G., Zeitalter des Imperialismus S. 82.

[39] Nicht zuletzt Außenminister Sasonov und führende Zirkel gingen davon aus, dass es spätestens mit dem erwarteten Zusammenbruch der Türkei zu großen, kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn kommen würde. Diese Auseinandersetzungen, so die Überzeugung der russischen Außenpolitik, würden dann in einem europäischen Konflikt ausgetragen werden. Sasonovs Haltung wurde vor allem von den ultrarechten, wie beispielsweise Innenminister Durnovo heftig kritisiert. Die Annäherung an Großbritannien und ein Krieg mit dem Deutschen Reich barg seiner Meinung nach nur Nachteile. Denn würde man den Krieg verlieren, drohe das Land wie 1905 durch eine Revolution umgewälzt zu werden. Würde man hingegen gewinnen, wäre man nicht ausreichend vor der entstehenden Anarchie im Deutschen Reich geschützt, welche, so seine Meinung, auf Russland übergreifen müsse. Zudem befürchtete Durnovo, dass man in Abhängigkeit zu den Ländern gerate, welche die nötigen Kriegskredite während dem Krieg finanzieren müssten. Vgl. Bestuschew, I. W., Die russische Außenpolitik von Februar bis Juni 1914, S. 144f.; ebenso Linke, H. G., Rußlands Weg in den Ersten Weltkrieg,S. 61.

[40] Linke, H. G., Rußlands Weg in den Ersten Weltkrieg, S. 60f.

[41] Bestuschew, I. W., Die russische Außenpolitik von Februar bis Juni 1914, S. 145.

[42] Ebd., S. 145-147.

[43] Gutsche, W.; Klein, F. (u.a.), Der Erste Weltkrieg, S. 28.

[44] Erdmann, K. D., Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt?, S. 33; ebenso Gutsche, W.; Klein, F. (u.a.), Der erste Weltkrieg, S. 22.

[45] Bestuschew, I. W., Die russische Außenpolitik von Februar bis Juni 1914, S. 149f.; ebenso Linke, H. G., Rußlands Weg in den Ersten Weltkrieg, S. 63.

[46] Erdmann, K. D., Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt?, S. 29.

[47] Bestuschew, I. W., Die russische Außenpolitik von Februar bis Juni 1914, S. 149f.; ebenso Erdmann, K. D., Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt?, S. 28 und Gutsche, W.; Klein, F. (u.a.), Der Erste Weltkrieg, S. 22.

[48] Lepsius, J.; Mendelsohn-Barthody A. (Hrsg.), Schlussbemerkung Wilhelms II. an v. Bülow, 9.10.1907, in: Große Politik der Europäischen Kabinette 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, im Auftrage des Auswärtigen Amtes, 40 Bde., Berlin 1922-1927, Bd. 25/1, Nr 8538, 48.

[49] Erdmann, K. D., Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt?, S. 33f.

[50] Für eine nähere Beschreibung der Zweiten Marokkokrise, siehe Kapitel 2.4.3. „Die Zweite Marokkokrise“.

[51] Kießling, F., Gegen den „großen Krieg“?: Entspannung in den internationalen Beziehungen 1911-1914, München 2002, S. 317f.

[52] Für die Darstellung der Balkankriege 1912/1913, siehe Kapitel 2.4.4. „Die Balkankriege 1912/1913“.

[53] Erdmann, K. D., Hat Deutschland auch den Ersten Weltkrieg entfesselt?, S. 32; ebenso Schöllgen, G., Zeitalter des Imperialismus S. 80-82.

[54] Kießling, F., Gegen den „großen Krieg“?, S. 318.

[55] Neitzel, S., Kriegsausbruch, S.137-141; ebenso Schöllgen, G., Zeitalter des Imperialismus S. 80-82.

[56] „Total“ ist in dem Sinne eine neue Eigenschaft des Krieges, weil bei den kriegsteilnehmenden Nationen, alle Bereiche des öffentlichen Lebens und der Bevölkerung, seien es die Medien, die Wirtschaft, die Produktion oder die Politik, zu größten Teilen über Jahre hinweg fast ausschließlich auf die Kriegsführung ausgerichtet wurden.

[57] Dülffer, J., Der Weg in den Weltkrieg, S. 234f.

[58] Stevenson, D., 1914-1918, S. 15f.

[59] Dülffer, J., Der Weg in den Weltkrieg, S. 236.

[60] Stevenson, D., 1914-1918, S. 15, 18f., 21.

[61] Für diese kurzen, nur auf die jeweiligen Heere beschränkten Kriege, die vor allem das 18. Jahrhundert - aber auch noch große Teile des19. Jahrhunderts bestimmten - setzte sich der Begriff des „Kabinettskrieges“ durch. Es handelt sich hierbei um einen meist durch die Kabinette der großen Nationen beschlossenen Krieges zur Ausfechtung zwischenstaatlicher Differenzen. Man reduzierte die Kriege auf das nötigste, also auf die militärische Auseinandersetzung und versuchte, anders als beispielsweise noch im Dreißigjährigen Krieg, die Bevölkerung von den Kriegshandlungen größtenteils fern zu halten. Oft traten auch, ganz im Sinne europäischer Konvenienzpolitik, bereits zu Kriegsbeginn internationale Friedenskongresse zusammen. Beispiele für klassische Kabinettskriege wären der polnische Thronfolgekrieg 1733-1735/38, die Schlesischen Kriege zwischen 1740-1763, aber auch der deutsch-französische Krieg 1870/71.

[62] Kennan, G. F:, Die schicksalhafte Allianz, S. 341.

[63] Schöllgen, G., Zeitalter des Imperialismus S. 2.

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Julikrise und Kriegsausbruch 1914
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
89
Katalognummer
V156698
ISBN (eBook)
9783640716838
ISBN (Buch)
9783640716890
Dateigröße
777 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Julikrise, Kriegsausbruch 1914, Erster, Weltkrieg, Wettrüsten, Wilhelm, Deutsches Reich, Urkatastrophe, Kriegsschuld, Marokkokrise, Balkankrise, Balkankriege, Entente, Einkreisung, Schlieffen, Augusterlebnis, Geist, Ideen, 1914, Imperialismus, Nationalismus, Attentat, Sarajevo, erster Weltkrieg
Arbeit zitieren
Matti Ostrowski (Autor:in), 2009, Julikrise und Kriegsausbruch 1914, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156698

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