1.Einleitung
Untersucht man im Zuge einer Kulturgeschichte der Sexualität das Thema der Prostitution, so lassen sich in fast allen wichtigen geschichtlichen Epochen und Orten Zeugnisse dieser finden. In dieser Arbeit soll allerdings eine zeitliche, wie auch geographische Eingrenzung erfolgen, in der nicht allein das Thema der käuflichen Liebe, sondern im besonderen die Darstellung und die Wirklichkeit der Lebensumstände dieser Frauen, zu jener Zeit im Mittelpunkt stehen sollen.
In vielen historischen Betrachtungen spricht man dem 19.Jahrhundert den Charakter einer eigenen Epoche zu. Im Zuge der Nationalstaatenbildung und der Industrialisierung ändert sich das Bild Europas und somit natürlich auch das, des deutschsprachigen Raumes. Letzterer soll hier den geographischen Rahmen der Untersuchung bilden. Wobei vor allem Österreich, dass der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, und das deutsche Kaiserreich den räumlichen, wie zeitlichen Schwerpunkt dieser Arbeit begrenzen sollen.
Es liegt zahlreiche neuere Forschungsliteratur zum Thema der Prostitution im 19.Jahrhundert bzw. Anfang des 20.Jahrhunderts, des deutschsprachige Raumes vor. Allerdings müssen diese sich vor allem auf Quellen und Betrachtungen von männlichen Zeitzeugen beschränken, den Frauen selbst war jegliche Äußerung zur Sexualität ein Tabu. Aber auch den männlichen Vertretern dieser Epoche, die vor allem eine bürgerliche war, fehlen vielfach die Worte. Auseinandersetzungen mit der Sexualität und Prostitution finden fast ausschließlich in medizinischen und wissenschaftlichen Diskursen oder Statistiken, später auch in der Kunst statt. Auch dann aber bleiben die Darstellungen oft nur sehr schemenhaft, schelmenhaft oder statistisch.
Somit ist und bleibt es schwierig eine historische Wahrheit über die Prostitution im 19.Jahrhundert und Anfang des 20., im Kaiserreich zu konstruieren, zumal die Sicht aus der Perspektive der Frau uns so gut wie verschlossen bleibt.
Wie also lebte und arbeitete die Prostituierte dieser Zeit? Warum verkaufte sie ihren Körper? Wer waren ihre Kunden? Wie dachte die bürgerliche Welt über Sie?
Dies sollen die Leitfragen dieser Untersuchung sein.
Der Arbeit zugrunde liegen mehrere, zu ihrer Zeit recht umstrittene Primärquellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die bürgerliche Moral und ihr Frauenbild
- Otto Weininger- ein Genie der bürgerlichen Welt?
- Geschlecht und Charakter
- Die Prostituierte in Geschlecht und Charakter und in der Realität
- Das Prostitutionsideal der Dirnenlieder
- Gesellschaftliche und historische Hintergründe der Prostitution
- Abschlussgedanken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung und die Realität der Lebensumstände von Prostituierten im deutschsprachigen Raum zur Jahrhundertwende. Sie fokussiert sich auf die moralischen Vorstellungen des Bürgertums und die Rolle der Prostitution in deren Kontext. Die Untersuchung stützt sich auf Primärquellen wie Otto Weiningers „Geschlecht und Charakter“, Dirnenlieder von Frank Wedekind und Fanny Lewalds Tagebuch.
- Das bürgerliche Frauenbild und die Entsexualisierung der Frau
- Die Rolle der Prostitution in der bürgerlichen Moral und ihre Wahrnehmung als „Antibürgerin“
- Die Darstellung der Prostituierten in der Literatur und Kunst
- Die gesellschaftlichen und historischen Hintergründe der Prostitution
- Die Schwierigkeit, eine historische Wahrheit über die Prostitution aus der Perspektive der Frauen zu konstruieren
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt das Thema der Prostitution im deutschsprachigen Raum zur Jahrhundertwende vor und erläutert die zeitliche und geographische Eingrenzung. Sie beleuchtet die Herausforderungen, die sich aus der mangelnden Quellenlage aus der Perspektive der Frauen ergeben, und formuliert die Leitfragen der Untersuchung.
- Die bürgerliche Moral und ihr Frauenbild: Dieses Kapitel beschreibt die Moralvorstellungen des Bürgertums im 19. Jahrhundert und stellt die strengen Regeln für Männer und Frauen dar. Es beleuchtet die Entsexualisierung der bürgerlichen Frau und die Tabuisierung von Sexualität im öffentlichen Diskurs. Die Prostituierte wird als Gegenbild zur idealisierten bürgerlichen Frau und als „Antibürgerin“ dargestellt.
- Otto Weininger- ein Genie der bürgerlichen Welt?: Dieses Kapitel stellt Otto Weininger vor, dessen Leben und Werk im Kontext der bürgerlichen Moral betrachtet werden. Weiningers Werk „Geschlecht und Charakter“ und dessen Kapitel „Mutterschaft und Prostitution“ werden als wichtige Primärquellen der Arbeit vorgestellt.
Schlüsselwörter
Prostitution, bürgerliche Moral, Frauenbild, Jahrhundertwende, deutschsprachiger Raum, Otto Weininger, Geschlecht und Charakter, Dirnenlieder, Frank Wedekind, Fanny Lewald, Geschlechterrollen, Sexualität, Tabuisierung, Antibürgerin, Lebensumstände.
- Quote paper
- Eva Wegner (Author), 2009, Steckt in jedem Weib eine Hure?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156779