Großbritanniens Weg in den Zweiten Weltkrieg. Eine Darstellung der britisch-sowjetischen Verhandlungen im Mai 1939 anhand des Buches "How war came" von Donald Cameron Watt


Zusammenfassung, 2004

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Überblick über die britisch-sowjetischen Verhandlungen im Mai 1939

3. Versuch der Beurteilung der Darstellungsweise D. C. Watts

4. Die Zugeständnisse der Briten an die Sowjets

5. Zusammenfassung

1. Einleitung

In dieser Hausarbeit werde ich mich speziell mit den britisch-sowjetischen Verhandlungen auseinandersetzen, wie sie sich im Mai des Jahres 1939 nach Darstellung von Donald Came- ron Watt in seinem Werk „How war came“ (1989) zugetragen haben. Diese Verhandlungen sind Gegenstand der Erörterungen von Watt in Kapitel 14 dieses Buches. Im selben Kapitel beschreibt Watt auch die in diesem Monat parallel ablaufenden deutsch-sowjetischen und deutsch-italienischen Verhandlungen.

Ich will mich aber nur mit den Verhandlungen zwischen Briten und Sowjets beschäftigen, um diese einer genaueren Betrachtung zu unterziehen, als es während des Referates am 13. Mai 2004 möglich war.

Im ersten Teil der Arbeit werde ich einen groben Überblick darüber geben, wie sich die Ver- handlungen zwischen der Sowjetunion und Großbritannien nach der Darstellung von D. C. Watt entwickelt haben, um das Verständnis der weiteren Ausführungen zu erleichtern.

Im zweiten Teil will ich dann mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen, prüfen, inwiefern die Darstellung D. C. Watts den Tatsachen entspricht.

Im dritten Teil versuche ich schließlich zu zeigen, wie sich das Verhalten der Briten den Sow- jets gegenüber geändert hat bzw. inwieweit sie sich den sowjetischen Forderungen angenähert haben. Dies mag eine sehr detaillierte Darstellung erfordern. Meiner Meinung nach findet sich hier aber der geeignete Rahmen für eine solche Darstellung.

2. Überblick über die britisch-sowjetischen Verhandlungen im Mai 1939

Um die Verhandlungen im Mai 1939 voll und ganz zu verstehen, muss auf ein früher liegen- des Ereignis zurückgegriffen werden: Am 18. April 1939 unterbreitete der sowjetische Au- ßenminister Maxim Litwinow, Vertreter der Politik der kollektiven Sicherheit, der britischen und französischen Regierung den Vorschlag eines Dreierbündnisses (DBFP No. 201). Dieses Bündnis sollte dazu dienen, im Kriegsfall gemeinsam den angegriffenen Staaten, voraussicht- lich Polen und Rumänien, zu Hilfe zu kommen. Die britische Regierung unter Neville Cham- berlain lehnte ein Bündnis mit der Sowjetunion grundsätzlich ab, da es in diesem Falle zu Verstimmungen in den Beziehungen zu Polen und Rumänien gekommen wäre (Watt: 235), die Angst vor militärischer Unterstützung durch die Sowjetunion hatten und von Großbritan- nien und Frankreich bereits Garantien erhalten hatten. Außerdem fürchteten die Briten eine Provokation Deutschlands. Deswegen versuchten die Briten, die Sowjets ihrerseits zu einsei- tigen Garantieerklärungen an Polen und Rumänien zu bewegen. In diesem Fall hätte die Sow- jetunion nur dann militärische Hilfe leisten müssen, wenn diese von Polen oder Rumänien ausdrücklich gewünscht gewesen wäre. Im Bündnisfall hingegen wäre die sowjetische Unter- stützung gemeinsam mit der britischen und französischen erfolgt (DBFP No.436). Die Fran- zosen hingegen rechneten dem britischen Vorschlag keine Erfolgschancen zu und ließen die Sowjets am Abend des 3. Mai deshalb wissen, sie seien mit einem Bündnis einverstanden (DBFP No. 351). In dieser Nacht wurde Litwinow aus seinem Amt entlassen (DBFP No. 353). Seine Annäherung mit dem Westen musste Stalin zu weit gegangen sein.

Der britische Versuch, den Sowjets die Idee einseitiger Garantieerklärungen näher zu bringen (DBFP No. 389 und No. 397; Watt: 236), scheiterte aber unter anderem an der französischen Eigeninitiative, den sowjetischen Vorschlag inoffiziell anzunehmen (Watt: 237). Der britische Botschafter in Moskau, Sir William Seeds, war davon nicht in Kenntnis gesetzt worden und sah sich somit bei seinem ersten Treffen mit dem neuen sowjetischen Außenminister Wja- tscheslaw Molotow, einem treuen Gefolgsmann Stalins und dessen rechter Hand, in die De- fensive gedrängt. Molotow bezweifelte eine gemeinsame westliche Linie und schien auch ansonsten wenig verhandlungsbereit (DBFP No. 436). Die Richtung der sowjetischen Außen- politik musste sich geändert haben.

Da der britische Vorschlag daraufhin offiziell von den Sowjets abgelehnt wurde (DBFP No. 520 und No. 530; SDFP: 330), wuchs in Großbritannien der Druck, ein Bündnis mit den Sow- jets zu erstreben, um dem Scheitern der Verhandlungen zu entgehen. In einem letzten Kraftakt wurde daraufhin wieder zusammen mit den Franzosen ein Bündnisentwurf erstellt, dem schließlich auch Chamberlain widerwillig zustimmte, nachdem der Entwurf mit den Prinzi- pien des Völkerbundes verknüpft wurde. Als der Vorschlag Molotow vorgelegt wurde, wies dieser ihn aber sofort rigoros zurück (DBFP No. 657). Dies stellte ein vorläufiges Ende der britisch-sowjetischen Verhandlungen dar.

3. Versuch der Beurteilung der Darstellungsweise D. C. Watts

Im zweiten Teil will ich jetzt einen Vergleich zwischen der Darstellungsweise von D. C. Watt mit anderen Quellen anstellen.

D. C. Watt selbst zieht zur Darstellung der Ereignisse, die er in Kapitel 14 behandelt, haupt- sächlich Primärquellen heran. Dies wird schon bei einem kleinen Überblick über das Litera- turverzeichnis dieses Kapitels deutlich. Im Vordergrund stehen Dokumente, die Telegramme oder Sitzungsdokumente wiedergeben. Namentlich verwendet D. C. Watt u. a. folgende Lite- ratur:

- Documents on British Foreign Policy, 1919 - 1939, 3rd series, 1938 - 1939
- Soviet Documents on Foreign Policy, 1917 - 1941, vol. III
- Documents on German Foreign Policy, Series D, 1936 - 1941, vol. VI
- Foreign Relations of the United States, 1939, vol. I
- Documents Diplomatiques Français, zweite Serie, vol. XV
- Documenti Diplomatici Italiani, achte Serie, vol. XII

Neben diesen Primärquellen werden nur wenige Sekundärquellen verwendet, so zum Beispiel:

- Sommer, T.: Deutschland und Japan zwischen den Mächten, 1962
- Hilger, G.: The incompatible Allies, 1953
- Aster, S.: 1939 - The making of the second world war, 1973
- U. a.

Aufgrund der Verfügbarkeit der Primärquellen und der besseren Überprüfung der Darstellung von D. C. Watt durch diese Primärquellen, habe ich für meine Betrachtungen, die ich in dieser Hausarbeit anstellen will, nur Primärquellen verwendet. Im Vordergrund stehen hierbei die Dokumente der britischen und sowjetischen Außenpolitik, wie ich sie an Position eins und zwei der Auflistung der Primärquellen angeführt habe.

Beim Studieren dieser Primärquellen wird schnell deutlich, dass Watt sich zumindest in Kapi- tel 14 sehr eng an die Überlieferung der Ereignisse durch die direkt beteiligten Diplomaten und Politiker hält. Seine Darstellung weicht hier nur gering von den Schilderungen ab, die den Primärquellen entnommen werden können.

Einige Beispiele sollen dies im Folgenden verdeutlichen und beweisen:

D. C. Watt steigt in das Kapitel 14 ein, indem er von der Entlassung des sowjetischen Au- ßenministers Maxim Litwinow und der Ernennung des Stalin-getreuen Wjatscheslaw Michai- lovich Molotow zum neuen Außenminister berichtet. Dazu zieht er ein Telegramm heran, das der britische Botschafter in Moskau, Sir William Seeds, am Vormittag des 4. Mai - nur weni- ge Stunden nach den Geschehnissen - an den britischen Außenminister Lord Halifax schickt. Seeds schreibt: „Inconspicuous four-line notice on back page of newspapers states that Pre- sidium of Supreme Council of U.S.S.R. has released M. Litvinov at his own request from his duties as Commissar of Foreign Affairs. M. Litvinov gave me no inkling of this when I saw him yesterday.” (DBFP No. 353) Watt hält sich fast wortwörtlich an den Text von Sir Seeds, wenn er ihn frei zitiert (Watt: 234).

Auch im weiteren hält er sich an die Worte Seeds’ , wenn er ihn wie folgt zitiert: „Seeds felt the change might mean an abandonment of Litvinov’ s policy of collective security and a deci- sion ‘to enter instead on a policy of isolation more in accordance’ with M. Stalin’ s speeches.” (Watt: 234; vgl. DBFP No. 359)

Watt hält sich hier sehr nahe an den überlieferten Berichten, auch wenn er in der Zitierung etwas freier umgeht. Mit seiner Beurteilung, Seeds habe hier ein alarmierendes, wenn auch spekulatives Telegramm versendet, liegt Watt meiner Meinung nach richtig, da Sir Seeds zu diesem Zeitpunkt über keine Stellungnahme der sowjetischen Regierung verfügte, um seine Befürchtungen zu beweisen.

Ein weiteres Beispiel: Die Leitmotive des Denkens und Handelns von Lord Halifax, die Watt aufführt (Watt: 235), sind einem Telegramm von Lord Halifax an den britischen Botschafter in Paris, Sir Phipps, entnommen. Halifax schreibt, die Politik, die die britische Regierung in ihrer Annäherung an die Sowjetunion verfolge, wolle die folgenden Überlegungen in Ein- klang bringen und verwirklichen: Erstens sollte im Kriegsfall nicht auf sowjetische Unterstüt- zung verzichtet werden, zweitens sollte die lang ersehnte gemeinsame Front nicht durch ein außer acht Lassen der polnischen und rumänischen Empfindlichkeiten gefährdet werden, drit- tens sollten die Sympathien der Welt nicht verspielt werden, indem Öl ins Feuer der deut- schen Antikomintern-Propaganda gegossen würde und viertens sollte es vermieden werden, Hitler zu einer unüberlegten und kriegerischen Handlung zu provozieren (Watt: 235; vgl. DBFP No. 305). Watt meint, diese Leitmotive seien von der ursprünglichen Idee einseitiger Erklärungen der Sowjetunion geprägt, und bezieht sich damit auf die folgende Aussage Lord Halifax` im Anschluss an die eben aufgeführten Leitmotive: „For these reasons His Maj- esty’ s Government still think that something on the lines of their original proposal […] is the one best calculated to meet this very complicated situation.“ (DBFP No.305) Lord Halifax spricht hier eindeutig vom britischen Vorschlag an die Sowjetunion, einseitige Erklärungen an Polen, Griechenland und Rumänien abzugeben, den er im Weiteren nochmals ausformuliert, um ihn von der französischen Regierung absegnen zu lassen.

Aus welchen Quellen Watt seine Behauptungen gründet, Halifax fürchte - im Gegensatz zum Oktober 1938 - den militärischen Vergleich mit Deutschland nicht und gehe davon aus, dass die Sowjetunion britischen Schutz für ihre Nachbarstaaten dulden würde, bleibt der Autor an dieser Stelle schuldig.

Weiteres Beispiel: Über die Übermittelung der prinzipiellen Zustimmung Frankreichs zum sowjetischen Bündnisvorschlag sagt Watt, sie sei in einem „moment of carefully planned in- discretion“ (Watt: 237), also einem Moment der sorgsam geplanten Indiskretion zustande gekommen. In einem Telegramm des britischen Botschafters in Paris, Sir Eric Phipps, an Lord Halifax vom 3. Mai heißt es darüber: „M. Bonnet had had a conversation with Soviet Ambassador [Suritz]. [...] In the heat of the conversation, and in order to dispel suspicions of M. Souritch, M. Bonnet had given him text of French proposal modified on the spot with a view to meeting objections voiced by latter.” (DBFP No. 351) Hier ist also die Rede von einer Übergabe der Zustimmung in der Hitze des Gesprächs. Dass die Übergabe des französischen Vorschlags aber nicht nur aus der Hitze des Gesprächs zustande gekommen sein kann und somit unüberlegt gewesen wäre, zeigt allein schon die Tatsache, dass von den Franzosen bereits am 24. April überhaupt eine Antwort ausformuliert worden ist (vgl. DBFP No. 277). Der zweigleisige Kurs Frankreichs wird auch sehr deutlich, wenn sie Großbritannien zum einen beistimmen, der sowjetische Bündnisvorschlag sei nicht akzeptabel (DBFP No. 277), zum anderen aber einen eigenen Bündnisvorschlag ausarbeiten, der in sehr einfacher und abgespeckter, aber für die Sowjets unbefriedigender Weise den sowjetischen Bündnisvorschlag nachahmt (vgl. DBFP No. 201 und DBFP No. 277). D. C. Watt liegt mit seiner Interpretation des französischen Verhaltens meiner Meinung nach also richtig.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Großbritanniens Weg in den Zweiten Weltkrieg. Eine Darstellung der britisch-sowjetischen Verhandlungen im Mai 1939 anhand des Buches "How war came" von Donald Cameron Watt
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Proseminar internationale Krisen
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
14
Katalognummer
V157559
ISBN (eBook)
9783640702152
ISBN (Buch)
9783640700585
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
2. Weltkrieg, Diplomatie, England, Sowjetunion
Arbeit zitieren
Isabel Meyer (Autor:in), 2004, Großbritanniens Weg in den Zweiten Weltkrieg. Eine Darstellung der britisch-sowjetischen Verhandlungen im Mai 1939 anhand des Buches "How war came" von Donald Cameron Watt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157559

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