Mit dem 1977 erschienenen Roman Mozart erzielte Wolfgang Hildesheimer einen unerwarteten Verkaufserfolg, durch den er großes Aufsehen erregte. Neben zahlreichen Lobpreisungen erntete das kontroverse Buch viele kritische Reaktionen,1 da es dem gängigen Mozart-Bild in der Literatur deutlich widersprach. Und genau dies bezweckte Hildesheimer mit seiner Darstellung der Person Mozarts.
In Abgrenzung zu unzähligen Darstellungen des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, denen der Autor eine mystifizierende Idealisierung des Künstlers vorwirft, will er das einem „mehrfach übermalten Fresco“2 ähnelnde Mozart-Bild endlich wiederherstellen. Wie der Autor einräumt, liegt „das Elend einer Trivialbiographie“3 in ihrer Ausrichtung auf kommerziellen Erfolg und die Erwartungen der Leser. Um diesen Ansprüchen zu genügen, haben viele der bisherigen Biographen die unliebsamen Tatsachen aus Mozarts Leben verheimlicht und ihren Helden zu einem strahlenden Idol stilisiert:
„In ihm wird das Unheimliche überspielt, das als unwesentlich Betrachtete kurzerhand ausgelassen, das Peinliche hinweggeklärt […] und somit wird die Figur nach allen Seiten, nach oben und - vor allem – nach unten abgerundet, geglättet und frisiert, bis sie einem vagen apollinischen Ideal – und Idol – entspricht, das freilich allzu oft aus der Rolle fällt […].“4
[...]
1 Mit seiner unkonventionellen Rezeptionsweise setzte sich Hildesheimer vor allem der Kritik des Salzburger Mozartteum aus, welches ihm vorgeworfen hat, einen unreinen und schmutzigen Mozart dargestellt zu haben. Vgl. Hildesheimer: Ich werde nun schweigen. Gespräch mit Hans Helmut Hillrichs in der Reihe „Zeugen des Jahrhunderts“ Hg. v. Ingo Hermann, S. 62.
2 Vgl. Hildesheimer: Mozart, S. 7.
3 Vgl. ebd., S. 11.
4 Ebd. S. 16.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Vorgehensweise des Autors
- Wahres oder Scheingenie? - Begriffsabgrenzung
- Kein Apollo, sondern Dionysos - Das Mozart-Bild von W. Hildesheimer
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Wolfgang Hildesheimers Roman "Mozart" (1977) zielt darauf ab, das traditionelle Mozart-Bild, das von einer mystifizierenden Idealisierung geprägt ist, zu revidieren und eine realistischere Darstellung des Komponisten zu liefern. Hildesheimer will das gängige, durch unzählige Biographien geprägte Bild Mozarts als "mehrfach übermaltes Fresco" (Hildesheimer: Mozart, S. 7) wiederherstellen.
- Kritik an der Idealisierung Mozarts in der Literatur
- Aufdeckung der Schwächen und Widersprüche in Mozarts Leben und Werk
- Analyse der Beziehung Mozarts zu seinen Wirkungsstätten Wien und Salzburg
- Rezeption der Mozartfigur im Wandel der Zeit
- Verwendung psychoanalytischer Erkenntnisse in der Biographie
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Hildesheimer stellt in der Einleitung die kontroverse Natur seines Buches dar und kritisiert die Tendenz der traditionellen Mozartbiographien, den Komponisten zu einem strahlenden Idol zu stilisieren. Er will die "unliebsamen Tatsachen" (Hildesheimer: Mozart, S. 7) aus Mozarts Leben offenlegen und dessen über lange Zeit verzerrtes Bild zurechtzurücken.
- Die Vorgehensweise des Autors: Hildesheimer beschreibt seine Methode, Mozarts Person mit Hilfe der Psychoanalyse zu erforschen. Er betont die Notwendigkeit, die eigene Psyche zu verstehen, um die Psyche eines Genies zu erfassen.
- Wahres oder Scheingenie? - Begriffsabgrenzung: Hildesheimer diskutiert die Frage, ob Mozart tatsächlich ein Genie war oder ob er nur als solches dargestellt wurde. Er analysiert die Begriffsbildung "Genie" und zeigt die problematische Anwendung dieser Kategorie auf historische Persönlichkeiten.
- Kein Apollo, sondern Dionysos - Das Mozart-Bild von W. Hildesheimer: Hildesheimer entwirft sein eigenes Bild Mozarts, das von der traditionellen Sichtweise stark abweicht. Er setzt sich kritisch mit der Idealisierung Mozarts durch die österreichische Kultur auseinander und beleuchtet insbesondere dessen Beziehung zu Wien und Salzburg.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Buches sind die Rezeption und Interpretation der Mozartfigur, die Kritik an der Idealiserung von Genies in der Literatur, die Verwendung psychoanalytischer Methoden in der Biographie, die Analyse der Beziehungen Mozarts zu seinen Wirkungsstätten, sowie die Frage nach der Objektivität in der Biographie.
- Arbeit zitieren
- Renata Paluch (Autor:in), 2008, Wolfgang Hildesheimers "Mozart" – Ein Revisionsversuch des tradierten Mozart-Bildes aus der bisherigen Biographik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157755