Die Kunstgeschichte hat sich als Wissenschaftsdisziplin lange Zeit auf Stildeutungen, Epochen-Zuweisungen und die Zuordnung von Kunstwerken zu bestimmten Schulen und Künstlerpersönlichkeiten konzentriert. Diese Arbeit strebt dabei die Fruchtbarmachung zweier weiterer Forschungsansätze, eines psychoanalytischen und eines sozialhistorischen, im Kontext der Restauration von Burgen im Jahrhundert des Historismus an. Anschauungsobjekt ist dabei die Hohkönigsburg im Elsass.
In einem ersten Schritt werden dafür Geschichte und Besonderheiten des Bauwerks erläutert, bevor näher über die Bedeutung der Burg in der Romantik und der Epoche des Nationalismus eingegangen wird. Daran anschließend erfolgt eine kritische Betrachtung der Rekonstruktion der Burg unter Wilhelm II. und deren national-programmatische Ausgestaltung, bevor nochmals genauer auf die verschiedenen Symbolik der Burg eingegangen wird.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Geschichte und Besonderheiten der Hohkönigsburg
1.1 Historischer Abriss
1.2 Besonderheiten
2 Die Hohkönigsburg in der Epoche der Romantik
2.1 Die Wiederentdeckung der Ruine
2.2 Die Burgenbegeisterung der Hohenstaufen
3 Das Kaiserreich im Zeichen des Nationalismus
3.1 Von der Vaterlandsliebe zum Nationalismus
3.2 Die narzisstische Prägung Wilhelms II.
3.3 Wilhelm II. als narzisstischer Führer
4 Die Rekonstruktion der Hohkönigsburg im Auftrag Wilhelms II.
4.1 Die Kopie der spätmittelalterlichen Burganlage durch Bodo Ebhardt
4.2 Kritische Wertung
4.3 National-programmatische Gestaltung des Außenbereichs
4.4 National-programmatische Gestaltung der Innenräume
5 Die Symbolik der Burgen
5.1 Die Stammburg als Symbol des glanzvollen Aufstiegs der Hohenzollern
5.2 Die Pfalz als Signum des gottgewollten Kaisertums der Hohenzollern
5.3 Die Grenzburg als Wächter des Deutschtums am Rande des Kaiserreichs
6 Fazit
Schluss
Literatur
Abbildungsverzeichnis
Anmerkung der Redaktion: Einige Abbildungen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht Teil der Veröffentlichung, können aber anhand der Quellenlinks nachvollzogen werden.
Einleitung
Die Kunstgeschichte hat sich als Wissenschaftsdisziplin lange Zeit auf Stildeutungen, Epochenzuweisungen und die Zuordnung von Kunstwerken zu bestimmten Schulen und Künstlerpersönlichkeiten konzentriert.
Die Ansätze von Aby Warburg1 und Erwin Panofskys2 trugen in den Zwanzigern und Sechzigern des 20. Jahrhunderts entscheidend dazu bei, diesen Blick zu weiten und einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Warburg und Panofsky wandten sich gegen eine Kunstgeschichte, die sich primär als Stilanalyse verstand, und bezogen stattdessen auch kulturwissenschaftliche Zusammenhänge mit ein. Panofskys dreistufiges Modell (vorikonographische Beschreibung, ikonographische Analyse und ikonologische Deutung), das dezidiert literarische Werke sowie ideengeschichtliche Aspekte berücksichtigt, hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kunstwerken unterschiedlicher Provenienz.
Dieser Ansatz lässt sich prinzipiell erweitern durch die Inklusion psychologischer und soziologisch-politologischer Sichtweisen und Forschungsergebnisse. Damit zusammen hängen Fragen nach Motiven von Auftraggebern und Künstlern sowie den Austauschprozessen zwischen den Kunstprodukten und ihrem Publikum. Für derartige Fragestellungen kann es sinnvoll sein, Nachbardisziplinen einzubeziehen, zum Beispiel die Psychologie bzw. Psychoanalyse.
Das Ziel der psychoanalytischen Kunstwissenschaft bestand ursprünglich nur darin, die latenten Inhalte von Kunstwerken auf der Basis des Persönlichkeitsmodells Sigmund Freuds und seine Nachfolgerinnen und Nachfolger zu erfassen, und zwar durch sorgfältige, tiefenpsychologisch orientierte biographische Analysen.3
Ulrich Pfisterer wendet in seiner detaillierten, tiefgründigen Überblicksdarstellung zur Kunstgeschichte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart in Bezug auf die Psychoanalyse als möglicher wissenschaftlicher Basis ein, dass sie „ noch mehr bedingungslosen Glauben an die Richtigkeit der Ausgangstheorie benötigt als andere Überlegungen.“4 Die Psychoanalyse ist keine exakte Wissenschaft und dieser Einwand lässt sich nicht völlig von der Hand weisen. Andererseits werden psychoanalytische Theorien, etwa die Überlegungen zum Störungskonzept des Narzissmus, mittlerweile u.a. durch empirische hirnorganische Untersuchungen unterfüttert. So ließ sich zum Beispiel nachweisen, dass Personen mit einer nachgewiesenen narzisstischen Störung über weniger graue Substanz in jenem Teil des Neocortex verfügen, der mit der Befähigung zur Empathie verbunden ist.5
Außerdem hat sich die Psychoanalyse seit Freud weiterentwickelt und den Blick geweitet. In jüngerer Zeit versuchen Wissenschaftler*innen, vor allem Vamik D. Volkan, ein US-amerikanischer Psychoanalytiker und bekannter Friedens- und Konfliktforscher, psychoanalytische Störungsmodelle auch zur Erklärung des Zusammenspiels zwischen der Verfasstheit einer Gruppe und ihres Führers zu erklären, deren jeweilige Gemengelage die Kunstproduktion nachhaltig beeinflusst.
Der sozialgeschichtliche Ansatz des Kunsthistorikers Martin Warnke (1937-2019)6 steht hiermit in einem gewissen Zusammenhang. Warnke verdeutlicht anhand zahlreicher Beispiele, dass Kunst zu allen Zeiten auch die Funktion hat, politische Botschaften auszusenden. So dient bspw. eine Architektur7 der Superlative meist der Repräsentation eines Regimes bzw. zur Demonstration der Macht eines Potentaten.
Warnkes Vortrag »Das Kunstwerk zwischen Wissenschaft und Weltanschauung«, 1970 auf dem XII. Deutschen Kunsthistorikertag in Köln gehalten, sorgte für einen Skandal und die damals vertretenen Thesen sind durchaus nicht Allgemeingut geworden. Kritischen Stimmen kann jedoch mit Ulrich Pfisterer entgegengehalten werden: „ Kunstgeschichte, so […] die bleibende Botschaft von Warnkes Vortrag, war und ist eben nie unpolitisch.“8
Auf politische Bezugssysteme, die sich speziell in der Architektur widerspiegeln, verweist u.a. Raphael Rosenberg:9
„Bauten, die im Auftrag von Herrschern oder von öffentlichen Körperschaften er-
richtet werden, verfolgen immer auch politische Zwecke. Die Bauherren wollen ein
bestimmtes Bild von sich und ihrer Herrschaftsauffassung vermitteln, sie wollen
beeindrucken, gelegentlich auch manipulieren. Politische Zwecke können beiläufig
geäußert werden, oder aber so deutlich im Vordergrund der Architektur stehen,
dass die praktische Nutzung zur Nebensache wird.“
Die obengenannten Ansätze – der psychoanalytische und der sozialgeschichtliche – lassen sich auch für die Restauration von Burgen10 im Jahrhundert des Historismus fruchtbar machen. Dies gilt insbesondere für die Hohkönigsburg,11 die in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung in der Zeit des Kaiserreichs einnimmt.
1. Geschichte und Besonderheiten der Hohkönigsburg
Kaum eine andere Burg hat eine derart lange und vor allem außergewöhnlich wechselvolle Geschichte wie die Hohkönigsburg im Elsass. Gegründet wurde sie von einem Staufer, wahrscheinlich dem Vater von Kaiser Friedrich I. (Barbarossa). Er wollte im 12. Jahrhundert eine sogenannte Kammburg erbauen, die der Abwehr von Feinden und der Kontrolle des umliegenden Landes diente.
Die Hohkönigsburg hatte bei ihrer Gründung im 12. Jahrhundert nur aus dem Bergfried und einigen Wohngebäuden bestanden. Erst viele Jahre später entstand eine Vorburg mit Unterbringungsmöglichkeiten für Reiter und Pferde, die durch eine Brücke mit der Ursprungsburg verbunden war. Der spätere Wiederaufbau unter den Grafen von Thierstein, die einem bedeutenden schweizerischen Adelsgeschlecht entstammten, ging mit einer beträchtlichen Erweiterung und Innovation der Burganlage einher und war den Erfordernissen der damals modernen Kriegstechnik (Artillerie, Kanonen) angepasst: Es entstanden die große Bastion, die kleine Bastion und die Sternbastion. An der Westfront, dem vulnerablen Teil der Burg, wurden bis neun Meter dicke Mauern mit Schießscharten eingefügt, die im Fall eines Angriffs den Kanonen standhielten (Abb. 1).
1.1 Historischer Abriss
12. Jh.: Gründung der Hohkönigsburg durch die Hohenstaufen
1400: Die Burg geht in den Besitz des Raubrittergeschlechts der Mey von Lambsheim über.
1462: Vertreibung der Raubritter und Zerstörung der Burg
1479: Kaiser Friedrich III. aus dem Haus Habsburg wird Eigentümer der Burg und gibt sie als Lehen an die Grafen von Thierstein, die sie wiederaufbauen lassen.
1517: Nach dem Aussterben des Grafengeschlechts, Verkauf an Kaiser Maximilian I., der sie von Statthaltern verwalten lässt.
1533: Die Burg fällt an die Adelsfamilie derer von Sickingen und später an den Habsburger Karl V.
1633: Zerstörung der Burg durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg
1648: Nach dem Ende des Krieges wird das Elsass Frankreich zugesprochen.
1865: Die Stadt Schlettstadt (Sélestat) wird neuer Eigentümer der Burg.
1871: Gründung des deutschen Kaiserreiches
1899: Kaiser Wilhelm II. erhält die Burg als Geschenk von der Stadt Sélestat.
1901: Beginn der Restauration
1908: Einweihungsfeier der Burg
1918: Die Hohkönigsburg fällt an den französischen Staat.
1.2 Besonderheiten
Abgesehen von der bewegten Geschichte und ihren wechselnden Besitzern weist die Hohkönigsburg weitere imposante Besonderheiten auf. So sind die Ausmaße der Burg, selbst im internationalen Maßstab, äußerst ungewöhnlich; sie betragen 700 Meter in der Höhe, 300 Meter in der Länge, 40 Meter in der Breite und 15 000 Quadratmeter in der Fläche.
Eine weitere Besonderheit besteht in der geographischen Lage. Die Hohkönigsburg befindet sich im Elsass, das heißt in einer Region, die ein jahrhundertelang umkämpfter Zankapfel zwischen Frankreich und dem Römischen Reich deutscher Nation bzw. Deutschland war.
Im Verlauf seiner Geschichte war das Elsass wechselnd deutsch und französisch geprägt, und seine Bewohner tendierten einmal zu der einen und einmal zu der anderen Seite, waren frankophil oder fühlten sich, je nach persönlicher Präferenz, als Deutsche.
Diese Besonderheit verbindet die im Westen liegende Hohkönigsburg mit der im 13. Jahrhundert von dem Deutschen Orden erbauten Marienburg. Auch sie hat eine bewegte Geschichte, auch sie befand sich in einem Grenzland, gehörte einmal zu Polen, dann wieder zu Preußen.
Die Besonderheit der Hohkönigsburg besteht jedoch darin, dass sie aus einer verfallenen Ruine als beinahe originalgetreue Kopie einer realen spätmittelalterlichen Burg zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederauferstanden ist (Abb. 2).
2 Die Hohkönigsburg in der Epoche der Romantik
Die Romantik korrespondierte zeitlich mit der Napoleonischen Ära bzw. den Eroberungszügen Napoleons durch Europa, denen sich die Befreiungskriege anschlossen, die 1815 mit dem Sieg über den französischen Kaiser endeten.
Die Epoche der Romantik ist gekennzeichnet durch die Idee des Patriotismus, der eine Vereinigung des zersplitterten, in zahllose Herrschaftsbereiche zerfallenen Landes anstrebte, die Entdeckung der Deutschen als einer Nation, die durch eine gemeinsame Geschichte und Sprache verbunden war, und dem Wunsch nach einer Demokratisierung des Ancien Régime.
In diesem Zusammenhang entdeckte man das Mittelalter neu und wandte sich dem „einfachen Volk“ zu, man sammelte Sagen und Märchen, interessierte sich für Burgen und Burgruinen, die man erwanderte. Im Zentrum standen zunächst die Burgen an den Ufern des Rheins, aber auch die Ruinen der Hohkönigsburg im Elsass wurden in dieser Zeit wiederentdeckt.
2.1 Die Wiederentdeckung der Ruine
Einer der Romantiker, der die Ruine erwanderte und sich von ihr beeindruckt zeigte, war der Straßburger Archäologe und Autor Christian Moritz Engelhardt (1775-1858). Er schreibt 1817 in seinem Reiseführer durch die Vogesen voller Begeisterung über die Hohkönigsburg:12
„Aber nochmals bestiegen wir die höchste Thurmzinne, alle umliegende Gebirge, hier weit ins Weiler- und Leberthal hinauf, dort gegen Hohenack und nach dem Bölchen hin, und dann im Osten die Ebene, herrlich überschauend; hier brachten wir den Becher der Erinnerung mannhafter Vorwelt, den ehemaligen Bewohnern Der Burg, und den des Dankes dem nie verlöschenden Lichte, das ewig unwandelbar die Vergangenheit wie die Gegenwart belebt, dessen Wesen sich uns nahet, so oft unser Gefühl in der Unendlichkeit der Natur von der Stumpfheit beengender Schlüsse erwachet.“
In diesen Jahren erwog man erstmals, die Ruine unter Denkmalschutz zu stellen und würdigte sie 1862 als „Historisches Denkmal“. Die Stadt Sélestat, die die Burg 1865 erworben hatte, erwog, die Ruine zu sanieren, was aber an den zu hohen Kosten scheiterte. Aus der Epoche der Romantik sind mehrere Abbildungen der Hohkönigsburg als einer malerischen Ruine erhalten (Abb. 3).
2.2 Die Burgenbegeisterung der Hohenstaufen
Im 19. Jahrhundert griff das Interesse für mittelalterliche Burgen um sich und erfasste auch das in Preußen herrschende Hohenzollerngeschlecht. Friedrich Wilhelm IV. und sein Bruder Wilhelm I., der Großvater Wilhelms II., wurden nicht von ungefähr „Romantiker auf dem Thron“ genannt.
Für den Prinzen Friedrich von Preußen baute man die Burg Rheinstein wieder auf und inszenierte dort mittelalterliche Ritterturniere. Auch die Ruine Stolzenfels am Rhein wurde im neugotischen Stil neu errichtet. Diese Restaurationen geschahen aber nicht allein aus einer romantischen Mittelalterbegeisterung heraus, sondern die Burgen wurden auch als patriotische Wahrzeichen gedeutet, standen also bereits im Dienst der Politik. Die Gotik galt dabei als Sinnbild für Deutschtum und Freiheit in Abgrenzung zu den Franzosen.
Die Einstellung gegenüber den mittelalterlichen Ruinen änderte sich in dieser Zeit grundlegend. Nachdem sie über Jahrhunderte hinweg wenig beachtet wurden, betrachtete man sie jetzt als wertvolle, schützenswerte Nationaldenkmäler. Und diese veränderte Einstellung zog auch die Beschäftigung mit Burgen nach sich, die abseits des Rheins gelegen waren, wie die Hohkönigsburg.13
3 Das Kaiserreich im Zeichen des Nationalismus
Die mit der Romantik und den Befreiungskriegen aufgekommene Idee von der deutschen Nation erhielt mit der Reichsgründung im Jahr 1871 erstmals einen staatlichen Rahmen, der die bisherige Zersplitterung Deutschlands in zahlreiche Fürstentümer beendete. Damit einher gingen mentale Veränderungen, die eine wachsende nationalistische Haltung zementierten.14
3.1 Von der Vaterlandsliebe zum Nationalismus
Die deutsche Nation, die anders als in Frankreich oder Spanien aufgrund der unterschiedlichen Territorialherrschaften und des Dualismus zwischen Katholiken und Protestanten bis dato nicht wirklich existierte, sollte nach der Gründung des Kaiserreichs zum Leben erweckt, stabilisiert und historisch fundiert werden. Hierzu dienten geschichtliche Ereignisse, Personen, Kriege, Kulturzeugnisse etc.
Überlegenheit der deutschen Nation
Ein Kennzeichen des zunehmenden Nationalismus war die Idee, die Deutschen seien ein eminent hochstehendes Volk, dessen Kultur anderen Kulturen, etwa der slawischen und der französischen, weit überlegen sei.15 Die Verse des zu seiner Zeit bekannten Lyrikers Emanuel Geibel (1815-1884) „ Und es mag am deutschen Wesen / einmal noch die Welt genesen “16 fassen diese Überhöhung, die sich zunehmend auch auf pseudowissenschaftliche Rassentheorien gründete, in Verse.
In diversen Schriften wurden die Deutschen nunmehr gefeiert. So schrieb der Nationalist und Antisemit Julius Langbehn (1851-1907) in seinem bekannten Werk »Rembrandt als Erzieher« voller Enthusiasmus:17
„ Was der deutsche Kaiser unter den deutschen Fürsten ist, das geborene Haupt, sollte Deutschland unter den übrigen Ländern der Erde sein Theilweise ist es das bereits. […]. Der Deutsche beherrscht also, als Aristokrat bereits Europa; und er beherrscht, als Demokrat, auch Amerika; es wird vielleicht nicht lange dauern bis er, als Mensch, die Welt beherrscht.“
Es wurden alte Sagen und bedeutende historische Ereignisse wiederbelebt, so der Sieg des Arminius über die Römer im Jahr 9 nach Christus und der Mythos vom schlafenden Kaiser Barbarossa im Kyffhäuser, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Nation zu stärken. Peter Walkenhorst verweist auf die damit verbundene Zielsetzung:18
„ Denn erst durch spezifische sprachliche und symbolische Ausdrucksformen und kulturelle Praktiken konnten jene Emotionen hervorgerufen werden, denen eine große Bedeutung für die mentale Verankerung des radikalen Nationalismus und die politische Mobilisierung seiner Anhänger zukam.“
Abgrenzung nach außen und nach innen
Der in jenen Jahren entstehende Reichsnationalismus bildete zunehmend völkische und zum Teil auch pangermanische Strukturen aus. Ziel war es, eine aus völkischer Wurzel erwachsene, homogene Volksgemeinschaft zu schaffen, die bestimmte Minderheiten weitgehend ausschloss.
Zu diesen Minderheiten gehörten u.a. die Bewohner von Elsaß-Lothringen und die Polen in den deutschen Ostgebieten. Durch gezielte Germanisierungsprogramme sollte das Deutschtum auch in entfernte Regionen gebracht werden. Man siedelte daher deutsche Bauern in ursprünglich polnischen Gebieten an und beschränkte gleichzeitig die Möglichkeit für Polinnen und Polen, eigenes Land zu erwerben. Diese Versuche waren aber nicht von Erfolg gekrönt und wurden bald wieder aufgegeben.
Die Feindbilder bezogen sich aber nicht nur auf „Fremde“ in den Randgebieten des Reiches, sondern auch auf solche im Herzen des Kaiserreichs. Bekannt sind die Tiraden des Historikers und bekannten Publizisten Heinrich von Treitschke (1834-1896), der die Juden ins Visier nahm und bei rechtsgerichteten Burschenschaften und in weiten Kreisen des deutschen Bildungsbürgertums Unterstützung fand.
Zunehmend spielte auch der Rassebegriff eine Rolle bzw. seine pseudowissenschaftliche Begründung und Legitimierung. Entsprechende Publikationen verbreiteten sich am Ende des 19. Jahrhunderts und wurden metaphysisch überhöht, indem sich die Idee einer „Rassenseele“ herausbildete, die angeblich Angehörige unterschiedlicher „Rassen“ schon bei der Geburt unterschied und über Vererbung an die jeweils nächste Generation weitergegeben werde.
Der Hochschullehrer und völkisch-nationale Politiker Ernst Hasse (1846-1908) steigerte diese Idee zu der Forderung nach einer offiziellen Unterscheidung zwischen Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft einerseits und sog. volldeutschen Bürgern andererseits. Je nach Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen wollte er unterschiedliche Rechte durchsetzen.19
Antisemitismus
Der Antisemitismus des Heinrich von Treitschke hielt sich noch in gewissen Grenzen, indem er bereit war, jüdische Mitbürger in das deutsche Volk zu integrieren, wenn sie sich dafür entschieden, „ Deutsche zu werden, sich schlicht und recht als Deutsche zu fühlen – unbeschadet ihres Glaubens und ihrer alten heiligen Erinnerungen, die uns Allen ehrwürdig sind; denn wir wollen nicht, daß auf die Jahrtausende germanischer Gesittung ein Zeitalter deutsch-jüdischer Mischcultur folge.“20
Den Juden warfen er und seine Gesinnungsgenossen u.a. vor, die Medien zu beherrschen. Die Presse wurde als jüdisch durchsetzt diffamiert und als hinderliches Bollwerk gebrandmarkt, das einer Gesundung des deutschen Volkes im Wege stehe und die nationale Idee zersetzen wolle.
Der »Alldeutsche Verband« unter der Führung des Juristen Heinrich Claß argumentierte schon damals in seiner Schrift »Wenn ich der Kaiser wär‘«, die er unter dem Pseudonym Daniel Frymann veröffentlichte, auf einer rassenideologischen Grundlage, die unter den Nationalsozialisten später Programm wurde:21
„ Das A und O der Maßregeln gegen die jüdische Zersetzung lautet aber: Die Rasse ist der Quell der Gefahren – die Religion spielt keine andere Rolle, als daß sie ein Ausfluß der Rasse ist.
Der Hof, die auf ihn blickende Regierung, die gouvernementalen Bestandteile der Konservativen sind mit dem Judentum ein Herz und eine Seele – mit der Blindheit geschlagen, die den Todfeind nicht erkennt. “
Der Verband wollte den Juden das Wahlrecht nehmen und ihnen den Zugang zu allen öffentlichen Ämtern verbieten. Auch zum Heer sollten sie keinen Zugang mehr erhalten.
Großmachtträume
Eine Eskalation dieses neu erwachten Nationalismus bestand in der Forderung, Deutschland müsse Kolonien erwerben, da es ein Anrecht auf einen „Platz an der Sonne“ habe. Vor allem der „Deutsche Kolonialverein“, der sich 1882 bildete, erhob Anspruch auf Kolonialbesitz, den auch der Kaiser bereits bei Regierungsantritt vehement vertreten hatte. Wilhelm II. konnte u.a. durchsetzen, dass England sich bereitfand, dem Kaiserreich 1890 einen Landesteil in Südwestafrika zuzusprechen sowie die Insel Helgoland, die damals noch unter der Herrschaft der Briten stand.
National ausgerichtete Verbände traten außerdem vehement für die Aufrüstung Deutschlands ein und machten sich stark für „ eine umfassende mentale Mobilmachung der reichsdeutschen Gesellschaft für eine entschlossene Weltmachtpolitik, die auch vor dem Einsatz militärischer Gewalt nicht zurückschreckte.“22 Der Krieg war positiv konnotiert als „Vater aller Dinge“ und man sah in ihm einen Motor für den Fortschritt und Aufstieg einer Nation. Der Alldeutsche Verband, der deutlich präfaschistische Züge trug, ging hier voran.
Heinrich Claß wollte „ Stärke und Kampfbereitschaft “23 im deutschen Volk verankern; die Deutschen sollten sich für den nächsten Krieg wappnen, da sich Deutschland angeblich in einem Überlebenskampf befinde und andernfalls infolge der imperialistischen Politik der Großmächte untergehen werde. Die oft und viel beschworene Volksgemeinschaft diente damit auch dem Ziel, das Volk zu mobilisieren und die Rüstungsanstrengungen zu expandieren.
Diese Ideen gingen konform mit den Ansprüchen und Großmachtträumen eines Monarchen mit narzisstischer Problematik.
3.2 Die narzisstische Prägung Wilhelms II.
Mit der Diagnose „Narzissmus“ wird gegenwärtig viel Schindluder getrieben, indem diese Zuschreibung fast schon inflationär gebraucht wird, wobei die meisten Personen, denen man eine narzisstische Störung unterstellt, diese im klinischen Sinne wahrscheinlich gar nicht haben.
Eine verständliche und treffende Definition stammt von Otto Kernberg,24 einem weltweit bekannten und vielfach ausgezeichneten Experten für narzisstische Pathologien:25
„ Narzißtische Persönlichkeiten fallen auf durch ein ungewöhnliches Maß an Selbstbezogenheit im Umgang mit anderen Menschen, durch ihr starkes Bedürfnis, von anderen geliebt und bewundert zu werden und durch den eigenartigen (wenn auch nur scheinbaren) Widerspruch zwischen einem aufgeblähten Selbstkonzept und gleichzeitig einem maßlosen Bedürfnis nach Bestätigung durch andere.“
Rainer Sachse, der Begründer der sog. Klärungsorientierten Psychotherapie, führte das Modell des doppelten Selbst-Schemas ein mit einem übertrieben positiven Selbstbild einerseits und einer ebenfalls übertriebenen Selbst-Diskreditierung andererseits, wobei die Person je nach Art der sozialen Rückmeldung zwischen diesen beiden Polen changiert.26 Narzissmus besteht also, vereinfachend gesagt, in der Schwierigkeit, den eigenen Selbstwert in relativer Unabhängigkeit von den Urteilen anderer zu regulieren.
Ferndiagnosen zur Feststellung des Vorliegens einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind meist unzulänglich und nicht seriös. Dennoch lassen sich in Bezug auf Wilhelm II. aufgrund des exzellenten Quellenmaterials zu seiner Kindheit und Jugend, dem Verhältnis zu seinen Eltern und Großeltern etc., begründete Hinweise auf das Vorliegen einer ausgeprägten narzisstischen Struktur ableiten.27
Eine maßgebliche Rolle hat hinsichtlich seiner Persönlichkeitsentwicklung die unglückselige Tatsache gespielt, dass sein linker Arm aufgrund eines Geburtstraumas verkrüppelt war, da der verantwortliche Arzt das Kind aufgrund einer komplizierten Steißlage perinatal im Geburtskanal drehte und dabei wahrscheinlich zentrale, im Halsbereich verlaufende unwiderruflich Nervenbahnen zerstörte.28
Die Ärzte erkannten die Ursache und damit Endgültigkeit der Behinderung nicht oder wollten sie den besorgten Eltern nicht mitteilen. Daher wurde das Kind vielen Torturen ausgesetzt, zu denen gymnastische Übungen, Bäder in Hasenblut, Festbinden des rechten Arms, Elektrotherapien, Armstreckmaschinen etc. gehörten, die völlig sinnlos waren und Wilhelm wahrscheinlich traumatisierten.29
Schwerwiegender jedoch haben sich in psychologisch-psychoanalytischer Sicht die Reaktionen der Eltern, insbesondere der Mutter auf den lädierten linken Arm ausgewirkt. Zunächst zeigten sich Kronprinz Friedrich III. und Victoria, die älteste Tochter der gleichnamigen englischen Queen, begeistert über die Geburt des kleinen Prinzen. Kurz nach der Geburt äußerte Victoria „ Ich bin sehr stolz auf ihn und stolz darauf, Mama zu sein.“30 Und ihr Mann Fritz beschrieb den Sohn als „ herzigen Kleinen“ und nannte ihn „schönstes Pfand “ ihrer beider Liebe.31
Als sich aber herausstellte, wie weitgehend der linke Arm geschädigt war, schämte sich Victoria zunehmend, ein behindertes Kind geboren zu haben. So zögerte sie viele Monate, bevor sie ihre Eltern über die Lähmung des Arms in Kenntnis setzte und empfand das Gebrechen des Sohnes als eine Art Schande:32
«Dieses Thema schmerzt mich so sehr, daß ich am liebsten unter der Erde oder in meinen Schuhen oder sonstwo wäre, wenn andere Leute darüber Bemerkungen machen», […].
Als Wilhelm zwei Jahre alt war, teilte sie ihrer Mutter mit, der kranke Arm verderbe ihr „ jede Freude und jeden Stolz “, den sie an Wilhelm haben könnte.33
Die Kronprinzessin hoffte über Jahre, dass sich der Arm doch noch normalisieren möge durch den Einsatz von immer neuen Behandlungspraktiken und weigerte sich letztlich, die Behinderung ihres Sohnes zu akzeptieren (Abb. 4).
Ihren Äußerungen lässt sich entnehmen, dass sich Victoria einen perfekten Sohn wünschte und Wilhelm diesem Wunsch in keiner Weise entsprach. Schon bei Wilhelms Geburt hatte seine Mutter fixierte und ausgesprochen hohe Erwartungen an den Sohn. Sie wünschte sich, er möge wie Friedrich der Große außergewöhnliche Taten vollbringen und wie ihr Vater, Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten entwickeln. In mehreren Briefen äußerte sie den dringlichen Wunsch, Wilhelm solle seinem englischen Großvater ähnlich werden:34
„Wie oft versuche ich, in seinem lieben kleinen Gesicht eine Spur von Ähnlichkeit zum lieben Papa zu entdecken, aber so sehr ich es wünsche, ich kann keine finden, […].“
Victoria, das lässt sich als Fazit subsumieren, hatte eine ambivalente bis ablehnende Haltung gegenüber ihrem Erstgeborenen. Wilhelm war wohl nie wirklich der „Glanz im Auge seiner Mutter“,35 was für die gesunde Entwicklung eines Kindes, wie die moderne Entwicklungspsychologie gezeigt hat, aber von großer Bedeutung ist. Fehlt diese Erfahrung, entwickeln betroffene Menschen meist ein sog. „falsches Selbst“, um psychisch zu überleben. Jacco Pekelder, Joep Schenk und Cornelis van der Bas ziehen hinsichtlich der Leugnung des Geburtsschadens durch die Kronprinzessin den Schluss:36
„ Vor allem Wilhelms Mutter, Prinzessin Victoria (1840-1901), die älteste Tochter der britischen Königin Victoria (1819-1901), wollte das jedoch nicht akzeptieren. Sie zwang ihren Erstgeborenen zu harter körperlicher Zucht, um die Behinderung zu kompensieren. Diese Behandlung erlebte Wilhelm als einen Mangel an Mutterliebe und entwickelte einen Minderwertigkeitskomplex. “
Diese Sichtweise ist aber etwas verkürzt, denn Wilhelm entwickelte, um die aus derartigen Erfahrungen resultierenden Minderwertigkeitsgefühle bzw. die entwertete Seite seines Selbst in den Orkus zu verbannen, realitätsferne Größenideen.
Er wurde zunehmend aggressiver und distanzierte sich als Jugendlicher und Heranwachsender mehr und mehr von den Eltern und ihren liberalen politischen Standpunkten, um stattdessen die Werte seines preußischen Großvaters, der ein konservativer Royalist war, zu übernehmen.
Zeitweise lässt sich sogar eine Art Hass zwischen Mutter und Sohn konstatieren. Victoria nennt ihren Sohn „ hochnäsig, eingebildet, eitel, engstirnig, frech und ach – so ignorant !“37 Ende 1886 kam es dann zu einem endgültigen Bruch zwischen Wilhelm und seinen Eltern, der nie mehr überwunden wurde.
Das ist aber nur die eine Seite des Spektrums an Erfahrungen, die Wilhelm II. als Kind und Jugendlicher machen musste. Auf der anderen Seite war er auch der Erstgeborene, der Kronprinz, und damit etwas ganz Besonderes, hoch erhoben über andere Sterbliche, was ihm Höflinge und Erzieher:innen durch Unterwürfigkeit und Verwöhnung bezeugten. Er war, so die damals noch allenthalben wabernde Überzeugung mittelalterlicher Provenienz, die er selbst in exorbitantem Maße verinnerlichte, von Gott dazu bestimmt, als Kaiser ein großes Reich zu regieren und sein preußischer Großvater bestärkte ihn in dieser Überzeugung. In einer Rede, die Wilhelm II. 1890 anlässlich einer Einladung des Provinziallandtags von Brandenburg hielt, verweist er auf seinen Großvater, der sich stets als Kaiser von Gottes Gnaden gesehen habe. Und er schließt mit den Worten: » So wie Er dachte, denke auch Ich«.38
Damit war der Kronprinz sehr wechselvollen, diskrepanten Rückmeldungen aus seinem sozialen Umfeld ausgesetzt, die sich zwischen Entwertung einerseits und Überbewertung andererseits bewegten. Diese Situation aber stellt nach Otto Kernberg den Humus dar, aus dem narzisstische Problematiken erwachsen:39
„So findet man regelmäßig in der Vorgeschichte dieser Patienten, daß sie alle irgendeine bestimmte Eigenschaft gehabt haben, die objektiv dazu geeignet war, bei anderen Bewunderung, aber auch Neid zu erwecken. Eine außergewöhnliche körperliche Attraktivität zum Beispiel oder irgendeine besondere Begabung wurden auf diese Weise zu kompensatorischen Lebenstechniken ausgebaut, mit deren Hilfe man dem Gefühl, im Grunde ungeliebt zu sein […], zu entgehen hoffte. “
Hieraus erklärt sich das Schwankende, Janusgesichtige, das Wilhelm II. vielen Zeitzeugen zufolge auszeichnete und dem ein sehr instabiles Selbstwertgefühl zugrunde lag, was kennzeichnend ist für narzisstische Persönlichkeiten:40
„Seine Persönlichkeit war extrem labil und hochgradig emotional – es fehlten ihm «die mittleren Töne», das Augenmaß. Er konnte Widerspruch nicht ertragen, auf Enttäuschungen seiner hohen Erwartungen reagierte er gekränkt, mit aggressiven Wutanfällen oder auch mit depressiver Hilflosigkeit.“
3.3 Wilhelm II. als narzisstischer Führer
Narzisstische Führer können ganze Völker ins Unglück stürzen, je nachdem wie ausgeprägt der Narzissmus ist und ob er eher konstruktive bzw. reparative oder aber destruktive Züge aufweist.
Vamik D. Volkan, der sich mit den Dependenzen zwischen narzisstischen Führungspersönlichkeiten einerseits und den von ihnen beherrschten Großgruppen (Nation, Volk, Stamm) andererseits, wissenschaftlich beschäftigt, schreibt narzisstisch geprägten Potentaten drei Schlüsselstrategien zu, mit denen sie eine Großgruppe beherrschen:41
- „Gewählte Ruhmesblätter“,
- „Gewählte Traumata“,
- „Reinigungsprozesse“.
Die gewählten Ruhmesblätter beziehen sich auf glorreiche Ereignisse in der Vergangenheit, etwa gewonnene Schlachten, die geeignet sind, durch nachfolgende Generationen zelebriert und mystifiziert zu werden. Solche Ruhmesblätter werden von narzisstischen Führern ins Rampenlicht gerückt und exzeptionell gefeiert.
Mit gewählten Traumata sind Geschehnisse und Geschichtsperioden gemeint, welche die Großgruppe gedemütigt und womöglich traumatisiert haben, etwa ein verlorener Krieg oder eine lang anhaltende Inflation. In der Konsequenz entwickeln sich Gefühle von Minderwertigkeit, Frustration und Wut, die narzisstische Führer schüren, um Bedürfnisse nach Vergeltung sowie Kampf- und Kriegsbereitschaft zu fördern, mit dem Ziel eigene Großmachtträume zu verwirklichen.
Um das Selbstwertgefühl der Gruppe zu stärken, wird außerdem die Strategie der Reinigung eingesetzt. Das heißt, es wird genau definiert, wer dazu gehören soll und wer nicht. In vielen Fällen geht diese Strategie mit der Diskriminierung von Minderheiten bzw. deren Vertreibung oder sogar Vernichtung einher. Letzteres ist der Fall, wenn die narzisstische Führerpersönlichkeit hohe psychopathische Anteile hat. Solche Persönlichkeiten projizieren den gedemütigten Teil ihres Selbst auf verachtete Minoritäten, die sie zu eliminieren trachten.
Das Wirken narzisstischer Führerpersönlichkeiten ist vor allem dann von Erfolg gekrönt, wenn sich die Großgruppe in einem vulnerablen und regressiven Zustand befindet und daher geneigt ist, einen grandiosen Führer als „Erlöser“ zu stilisieren und ihm bedingungslos zu folgen.
Auch die Deutschen befanden sich zur Zeit des Kaiserreichs trotz aller nationalen Größenideen in einem instabilen Zustand. Der Sieg über die Franzosen sorgte zwar zunächst für ein Hochgefühl, und die Re-Etablierung des Kaisertums stieß trotz peripherer Ressentiments im Königreich Preußen weitgehend auf Zustimmung, ja Begeisterung. Dahinter jedoch verbargen sich Probleme, die mit den extremen Wandlungsprozessen jener Zeit, der Industrialisierung und dem Verlust alter Sicherheiten, zusammenhingen. Hinzu kamen Erschütterungen der Finanzmärkte, so der sog. „Gründerkrach“ im Jahr 1873, der die optimistische Aufbruchsstimmung der Gründerzeit beendete und eine zwei Jahrzehnte anhaltende Deflation nach sich zog .
Ein untergründig wirkendes Trauma, das in der Kaiserzeit noch nicht weit zurücklag, waren die Napoleonischen Kriege und die in diesem Zusammenhang erlittene Schmach, dass es Napoleon und seiner Grande Armée am 14. Oktober 1806 gelungen war, in Berlin einzumarschieren und die königliche Familie zur Flucht zu zwingen. Wilhelms Großvater hatte diese Flucht als Kind selbst erlebt.
Eine Art Pfahl im Fleisch der Nation, die der Kaiser als tiefe Kränkung erlebte, bestand in der Überlegenheit Großbritanniens gegenüber dem Kaiserreich. Für Wilhelm II. war es demütigend, dass sein Reich der erfolgreichen Seemacht England, die damals den halben Globus beherrschte, nichts Entsprechendes entgegenzusetzen hatte. Daher betrafen seine Rüstungsinitiativen vor allem den Aufbau einer mächtigen Flotte. Das deutsche Flottengesetz, das 1900 verabschiedet wurde, sah die extreme Verstärkung der Marine vor und traf bei der Bevölkerung auf weitgehende Unterstützung. Der Flottenbau sollte Deutschland in den Stand versetzen, eine See- und Weltmacht zu werden und mit Großbritannien gleichzuziehen; er speiste Wilhelms Großmachtträume:42
„Der Ozean ist unentbehrlich für Deutschlands Größe. Aber der Ozean beweist auch, daß auf ihm in der Ferne, jenseits von ihm, ohne Deutschland und ohne den deutschen Kaiser keine große Entscheidung fallen darf: Aus dem Deutschen Reich ist ein Weltreich geworden. Überall in fernen Teilen der Erde wohnen Tausende unserer Landsleute. Deutsche Güter, deutsches Wissen, deutsche Betriebsamkeit gehen über den Ozean.“
Aber auch der völkische Gedanke spielte für den Kaiser in diesem Zusammenhang eine bedeutsame Rolle:43
„Es muß dazu aber unser Volk sich entschließen, Opfer zu bringen. […]. Es muß aufhören, die Partei über das Wohl des Ganzen zu stellen. Es muß seine alten Erbfehler eindämmen, […] die Opfer, die seine Weltmachtstellung verlangt, mit Freuden bringend; dem Parteigeist entsagend, einheitlich und geschlossen hinter seinen Fürsten und seinem Kaiser stehend – […].“
Zu den gewählten Ruhmesblättern, die von Wilhelm II. und anderen im Kaiserreich inszeniert wurden, um die Deutschen zu einer Nation zusammenzuschweißen, gehörte des Weiteren die Verherrlichung ruhmreicher Kriegstaten, herausragender Herrscher(-häuser) und vorbildhafter Feldherren, deren man in Architektur, bildender Kunst und Malerei gedachte. Diese Palette umspannt u.a. das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, das 1913 von Wilhelm II. selbst eingeweiht wurde und an den Sieg über Napoleon Bonaparte (1813) erinnerte, und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die der Kaiser in Berlin-Charlottenburg im Gedenken an seinen Großvater Wilhelm I. im neuromanischen Stil errichten ließ. Aber auch national-historisierende Werke sind diesem Boden erwachsen, etwa Robert Müllers Gemälde »Der König ist überall« (1886), das den „alten Fritz“ in der Rolle des besorgten Landesvaters zeigt, oder die Schlachtengemälde von Carl Röchling, vor allem das Bild »The Germans to the Front« (1900), welches das deutsche Soldatentum glorifiziert.
Was die Idee der Reinigung im Reichsinneren betraf, die sich vor allem gegen die Bürger:innen jüdischen Glaubens richtete, war die Einstellung des Kaisers ihnen gegenüber ambivalent bis negativ. Wilhelm unterhielt zwar persönliche Kontakte zu einigen Juden,44 andererseits nannte er als Grund für die Entlassung des Reichskanzlers Otto von Bismarck aber u.a., er sei « mit der Judenschaft zu sehr liirt ».45
Später verurteilte er die Juden global als Sündenböcke, die er für die Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich machte. In einem in Englisch gehaltenen Brief an einen Freund beschimpft er sie in einer menschenverachtenden Weise:46
„Press, Jews & Mosquitoes […] are a nuisance that humanity must get rid of in some way or another. I believe the best would be gas?“
4 Die Rekonstruktion der Hohkönigsburg im Auftrag Wilhelms II.
Wilhelm II. veranlasste während seiner Regierungszeit die Restauration mehrerer Burgen, und zwar aus jenen Beweggründen heraus, die eben erläutert wurden.
Mit dem Wiederaufbau der Hohkönigsburg wollte er das mittelalterliche Rittertum und die Glorie seines Kaisertums verherrlichen. Darüber hinaus sollte die Burg Symbol sein für die Schlagkraft der deutschen Nation, er nannte sie „ ragend als Denkmal des glanzvoll auferstandenen Reiches.“47
4.1 Die Kopie der spätmittelalterlichen Burganlage durch Bodo Ebhardt
Bodo Ebhardt (1865-1945), den der Kaiser mit der Rekonstrukion der Burg beauftragte, hatte 1890 ein Architekturatelier in Berlin eröffnet. Ebhardt galt als ausgewiesener Burgenspezialist, dem Wilhelms II., der einige seiner Vorträge besucht hatte, hohe Anerkennung zollte.
Ebhardt avancierte im Laufe seiner Berufskarriere zum Professor und Hofbaurat und machte sich mit innovativen Bauprojekten einen Namen. Unter seiner Leitung wurde u.a. die Marksburg (1892-1893) restauriert und er war verantwortlich für den Neubau der Hornburg bei Wolfenbüttel (1922-1927), um nur zwei seiner zahlreichen erfolgreichen Projekte zu nennen.
1899 gründete er die »Deutsche Burgenvereinigung« und lebte ab 1909 auf der Marksburg in Braubach am Rhein, der einzigen unzerstörten mittelalterlichen Burg auf deutschem Boden, die der Kaiser der Vereinigung geschenkt hatte. Von 1920 bis 1925 war er Präsident der »Deutschen Burgenvereinigung«, die zuvor ein Mitglied des Kaiserhauses geleitet hatte; 1945 übernahm sein Sohn die Leitung.
Bodo Ebhardt entschloss sich, der Hohkönigsburg wieder die architektonische Gestalt zu geben, die sie unter den Grafen von Thierstein hatte, denn diese hätten die Ruinen „ in großartigster Weise zu einer gewaltigen Feste zusammengeschlossen.“48 Und an anderer Stelle konzediert er dem Architekten des spätmittelalterlichen Baus, „ daß hier das Genie eine Einzelnen eine Leistung vollbracht hat, die ihresgleichen vergeblich sucht.“49
Ebhardt war also geleitet von dem Bestreben, eine originale spätmittelalterliche Burg zu rekonstruieren und nutzte daher auch, soweit dies möglich war, die vorgefundene alte Bausubstanz. An der Südwand traf er auf eine Mauer mit drei Arkaden, die noch aus dem 12. Jh. stammte (Abb. 5) und ließ sie verbauen; auch im oberen Garten gab es Mauerreste aus dieser Zeit, die in den Neubau einflossen.
Bei Beginn der Rekonstruktionsarbeiten (Abb. 6) stieß Ebhardt jedoch auf erhebliche Probleme, obwohl die Bautätigkeit durch den Kaiser mit hohen Geldsummen unterstützt wurde und die neueste Technik zum Einsatz kam. So war die Versorgung mit Wasser äußerst schwierig. Um die Wasserversorgung zu gewährleisten, nutzte man eine Quelle unterhalb der Burg und legte eine Wasserleitung mit Dieselpumpwerk an, die das Wasser in den Bergfried hinaufpumpte. Der Bergfried wurde so zu einem Turm mit fließendem Wasser, was um 1900 eine Besonderheit war. Die Anlage erwies sich als überaus funktionsfähig, so dass sie bis 2013 genutzt wurde.
Ebhardt verwendete zunächst alle originalen Steine zum Wiederaufbau, die er finden konnte. Da deren Anzahl jedoch nicht ausreichte, wurde ein Steinbruch angelegt und der im Mittelalter beliebte, rosa schimmernde Vogesensandstein abgetragen und in Form von Buckelquadern verbaut. Um die Steine zur Burg hinauf zu transportieren, verlegte man Gleise, auf denen eine Lokomotive beladene Loren auf die Anhöhe zog (Abb. 7). Zwischen den Mauern des hohen Gartens setzte man Gondeln mit einem elektrischen Kran ein, welche die Quader transportierten. Es gab sogar Strom auf der Burg, den eine Dampfmaschine erzeugte, was damals ebenfalls ein Novum war.
Die eigentliche Restaurierung begann 1901 mit der Instandsetzung des Bergfrieds. Die Thiersteiner Grafen hatten ihn aus sicherheitstechnischen Gründen abgetragen, aber Ebhardt ließ ihn wieder erhöhen als weithin sichtbares Wahrzeichen der Burg und ihres mittelalterlichen Charakters. Anschließend erfolgte die Rekonstruktion der Wohngebäude und der Küche unter Einbeziehung der noch erhaltenen mittelalterlichen Mauerreste.
Am Ende entsprach die Hohkönigsburg zwar weitgehend, aber doch nicht vollständig dem Original aus dem 16. Jahrhundert. Eine Abweichung vom Original stellt der sogenannte Kaisersaal im zweiten Obergeschoss dar, der besonders prunkvoll sein sollte, weshalb Ebhardt beschloss, auf die vormals eingezogene niedrige Decke zu verzichten (Abb. 8). Auch das Dach, von dem man nicht wusste, wie es ursprünglich beschaffen war, wurde neugestaltet. Außerdem entsprechen die großen Fenster im Treppenturm des Innenhofs nicht einem Mittelalter-Stil, sondern dem historisierenden Gusto zur Zeit des Kaiserreichs (Abb. 9).
4.2 Kritische Wertung
Das Konzept, eine mittelalterliche Burg wiederauferstehen zu lassen, war schon zu Ebhardts Lebzeiten höchst umstritten, vor allem bei jenen Denkmalschützern, die den Leitsatz vertraten: Erhalten aber nicht restaurieren.50 Aufgrund des Verstoßes gegen dieses Prinzip wurde und wird Ebhardt für die Restauration der Hohkönigsburg immer noch überwiegend gescholten.
Zieht man die Aussage des berühmten Historikers Leopold von Ranke (1795-1886) hinzu, dass jede historische Epoche „ unmittelbar zu Gott “ sei, verbieten sich Rekonstruktionen von Gebäuden früherer Geschichtsperioden von selbst. Otto Piper (1841-1921), ein ausgewiesener Burgenkenner und Mitbegründer ihrer wissenschaftlichen Erforschung, gehörte zu jenen, die Ebhardt besonders nachdrücklich kritisierten.
Bei all dieser, je nach Standpunkt berechtigten Kritik, ist aber zu bedenken, dass sich Bodo Ebhardt im Unterschied zum dominierenden historistischen Architekturstil seiner Zeit ernsthaft um historische Korrektheit bemühte und davon absah, disparate Stilrichtungen miteinander zu vermengen.
Heute mehren sich die Stimmen, die in der Hohkönigsburg ein irgendwie doch gelungenes Werk, eine imposante Kreation, sehen, und sich bei dieser Wertung auf die beiden, auf Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) zurückgehenden Definitionen von Nachbildungen beziehen, nämlich die unkreative Kopie einerseits und die kreative Erschaffung von Neuem im Alten andererseits.51 Auf die Hohkönigsburg soll dabei Letzteres zutreffen.
Die Stellungnahmen, seien sie positiv oder negativ, verbindet, dass sie kunsthistorische Wertungen in einer eher engen Auslegung vertreten, die meines Erachtens jedoch ergänzt werden sollten durch die Berücksichtigung ideologischer Aspekte. Bodo Ebhardt selbst betrachtete die Rekonstruktion der Hohkönigsburg nämlich durchaus als eine politische Mission:52
„ Er teilte mit Wilhelm II. die Ansicht, daß durch die ideal erhöhte, bildhaft vor Augen gestellte große Vergangenheit Berechtigung und Rang des deutschen Kaisertums anschaulich würde.“
In der Zeitschrift »Der Burgwart« (1908) beurteilte er die Hohkönigsburg enthusiastisch als Wahrzeichen „ deutscher Kaiserherrlichkeit in der Westmark, und wie die Marienburg in der Ostmark als ein Sinnbild der deutschen Macht […].“53
Ebhardt griff also programmatische Grundüberzeugungen des Kaisers auf und machte sie sich zu eigen. Nicht zufällig ist eine seiner Publikationen mit dem Kommentar unterlegt: „ Die Hohkönigsburg. Nach dem Entwurf Seiner Majestät des Kaisers […] gezeichnet. “54
Aufgrund dieser politischen Programmatik wurde die Instandsetzung der Burg insbesondere von frankophilen Elsässern kritisiert und abgelehnt. Am bekanntesten ist wohl die Publikation von „Hansi“, die ironische Texte (Abb. 10) und gelungene Karikaturen enthält (Abb. 11), welche sich auf die Einweihungsfeier am 13. Mai 1908 beziehen.55 Unter den Künstlernamen „Hansi“ bzw. „Professor Dr. Knatschke“ verbirgt sich der in Colmar geborene Grafiker und Zeichner Jean-Jacques Waltz (1873-1951), der für seine explizit antideutsche Haltung bekannt war und im Ersten Weltkrieg auf Seiten der Franzosen kämpfte.
4.3 National-programmatische Gestaltung des Außenbereichs
Die Reinkarnation der Hohkönigsburg als spätmittelalterliche Festung war ursprünglich nicht der Wunsch des Kaisers, der eine hochmittelalterliche Burganlage vorgezogen hätte. Mit welchen Argumenten Ebhardt den Kaiser für seinen Plan gewinnen konnte, die Thierstein-Burg zu rekonstruieren, ist nicht bekannt.
Aus der bewegten Geschichte der Burg wurden in der Folge gezielt jene Perioden und Personen herausgegriffen und für die äußere Gestaltung wie auch die bildliche Ornamentik fruchtbar gemacht, die für die Überhöhung des Kaisertums und den erwachten Nationalismus konstitutiv waren oder sich doch entsprechend „verkaufen“ ließen.
So stellte Wilhelm II. das Haus Hohenzollern ganz gezielt in die Tradition des sakralen mittelalterlichen Kaisertums und sah sich in der Nachfolge der Staufer und Habsburger, welche die Burg einst in ihrem Besitz hatten.
Wappen
Die Wappen über dem Eingangstor greifen diese Idee auf und künden von dem politischen Programm, unter dem die gesamte Burganlage steht (Abb. 12). Das dreigliedrige Relief besteht aus dem Wappenstein des Kaisers, es folgen die Bauinschrift: „ A. D. 1900-1908. Diese Burg ward wieder hergestellt durch Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preussen / Carolus Imperator “ und darunter das Wappen des Habsburgers Karls V. (1500-1558).
Karl V. war der letzte Herrscher des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, der von einem Papst, Clemens VII., zum Kaiser gekrönt wurde, nachdem er zuvor durch Wahl die römisch-deutsche Königswürde erhalten hatte. Karl V. definierte sich in anachronistischer Weise als von Gott eingesetzter Regent, der für das Wohlergehen der Christenheit Sorge tragen müsse. Er verfolgte außerdem eine ehrgeizige Expansionspolitik, erwarb Kolonien und regierte schließlich einen derart ausgedehnten Herrschaftsbereich, dass er von sich sagen konnte, in seinem Reich gehe die Sonne nie unter.
Damit ist der Anspruch Wilhelms II. gewissermaßen in Stein gemeißelt: In der Nachfolge dieses Kaisers aus dem Hause Habsburg will er herrschen, und zwar von Gottes Gnaden. Er will ein großes, bedeutendes Reich regieren, das über Kolonien verfügt und die halbe Welt umspannt. Dass er sich ganz explizit Karl V. zur Seite stellt, wird bei seiner Rede am Hoftor anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten der Hohkönigsburg deutlich:56
„Nun ist die Burg wieder Eigentum des deutschen Kaisers geworden. Des zum Zeichen soll neben dem Wappen Karls des Fünften mein kaiserliches Wappen hier am Haupttore prangen.“
Auch Monique Fuchs, die sich als Generaldirektorin intensiv mit der Geschichte der Burg beschäftigt hat, betont diesen Aspekt:57
„ Die zentralen Themen waren der Pangermanismus und die Huldigung an die Hohenzollern als Nachfolger der Hohenstaufen und der Habsburger.“
Ob Wilhelm II. allerdings tatsächlich von der Idee des Pangermanismus erfüllt war, ist etwas in Zweifel zu ziehen; es gibt kaum Hinweise, dass er von der Glorifizierung des Germanentums derart infiziert war wie spätere nationalsozialistische Ideologinnen und Ideologen.
Steinmetzzeichen
Bodo Ebhardt bemühte sich nicht nur um historische Authentizität bei seinem Auftrag, die Hohkönigsburg wieder auferstehen zu lassen, sondern dokumentierte außerdem sorgfältig die einzelnen Baumaßnahmen. Er legte über den Fortgang seines Werks regelmäßig Rechenschaft ab, indem er Steinmetzzeichen anbringen ließ, die jeweils gleichbedeutend mit einem bestimmten Jahr sind, so dass sie jeden Besucher darüber informieren, wann welcher Teil des Baus fertiggestellt wurde.
Die Zeichen haben darüber hinaus aber noch eine weitere Funktion, indem die meisten auf den Kaiser und das Kaiserreich verweisen, so steht das W für Wilhelm und drei ineinander verschlungene Abbildungen des Buchstabens H (Abb. 13) symbolisieren die drei Kaiserhäuser, deren Angehörige Eigentümer der Burg waren. Auch die Steinmetzzeichen tragen also zur Überhöhung Wilhelms II. und seines Reiches bei.58
4.4 National-programmatische Gestaltung der Innenräume
Da von der Inneneinrichtung keine originalen Einrichtungsgegenstände und nur der kümmerliche Rest eines Freskos erhalten waren und auch Quellen keine konkreten Hinweise für historische Rekonstruktionen ergaben, bereiste Ebhardt verschiedene Burgen, um originale mittelalterliche Anregungen zu erhalten.59
Er reiste u.a. 1901 in die Schweiz, besichtigte das Schloss Chillon in Genf am See und besuchte auch die Burg Valeria im Wallis (Sitten). Ein Ergebnis dieser Reise war die Kopie eines Freskos mit den sog. „Neun Helden“, das sich in Chillon befand und gegen die Zahlung einer hohen Geldsumme kopiert werden durfte.
Bei den „Neun Helden“ handelt es sich um ein bekanntes und beliebtes Motiv, das schon im Mittelalter bildlich umgesetzt wurde. Die Helden sind der Antike (Alexander, Cäsar, Hektor), der Bibel (Josua, Juda, David) und dem Mittelalter (Karl der Große, Gottfried von Bouillon, Artus) entnommen. Es sind „Helden“, von denen sich einige als Eroberer einen Namen machten, andere große Reiche gründeten, sich und ihr Volk gegen Angreifer verteidigten, als Streiter für die Christenheit hervortraten oder sich als Förderer der Enkulturation ihrer Untertanen einen Namen machten. Wilhelm II. scheint sich diesen herausragenden Gestalten assoziativ zugesellt zu haben.
Das Fresko befindet sich auf der Hofgalerie der Hohkönigsburg und wurde von Léo Schnug (1878-1933) ins Werk gesetzt (Abb. 14). Dieser elsässische Künstler war zu seiner Zeit ein bekannter Maler und Grafiker. Er hatte eine Kunstgewerbeschule besucht und ein Akademiestudium absolviert60 und griff in seinen Werken bevorzugt geschichtsträchtige Themen auf. Für die Hohkönigsburg fertigte Schnug zahlreiche weitere Fresken an und orientierte sich dabei am Stil der Spätgotik. Dabei war er eigenschöpferisch tätig, indem er auf Vorlagen und Kopien weitgehend verzichtete.
Die Ritterbegeisterung des Kaisers fand ihren Niederschlag in einem eindrucksvollen Fresko im Festsaal, ebenfalls ein Werk von Léo Schnug, das die Thiersteiner Grafen in einem mittelalterlichen Turnier zeigt (Abb. 15), wobei die Darstellung deutliche Anklänge an die Manessische Liederhandschrift verrät; so sind Übereinstimmungen mit einer Miniatur des Ritters Walther von Klingen erkennbar (Abb. 16).
Ein Fresko mit der Figur des Heiligen Georg, der sein Schwert gezückt hat und den Drachen tötet, dem die Prinzessin geopfert werden soll, schmückt den Kaisersaal (Abb. 17). Georg endete bekanntlich nicht nur als Märtyrer, sondern war auch ein Krieger, der sich beherzt in den Kampf stürzte. Es wird hier also die u.a. von Heinrich Claß61 vertretene Idee, das Kriegerethos der Deutschen neu zu beleben, künstlerisch umgesetzt.
An der Decke des Festsaals findet sich ein Adler mit den Wappen jener Fürsten, die das Recht hatten, den Kaiser zu wählen und zu denen ab 1415 auch die Hohenzollern gehörten (Abb. 18). Eine geschichtliche Vorlage fehlt hier, aber die Intention liegt auf der Hand: Das Haus Hohenzollern sollte eng mit jenen Fürstenhäuern verbunden werden, die bereits im Mittelalter am bedeutendsten und einflussreichsten waren und einen Bezug zum Kaisertum hatten.
In den Jahren 1908 und 1911 wurden im Festsaal zusätzlich Wappenhalterfiguren angebracht, die den ruhmreichen Aufstieg der Vorfahren Wilhelms II. vom einfachen nürnbergischen Burggrafen zu den Königen von Preußen und schließlich zum Kaiser verkörperten (Abb. 19). Auch auf diese Weise glorifizierte sich Wilhelm II., indem er seiner Person als Höhepunkt einer imposanten Aufstiegsgeschichte einen besonderen Nimbus verlieh.
Glasfenster
Die Fenster der Hohkönigsburg wurden fast alle von dem aus Süddeutschland stammenden Glaskünstler Eduard Stritt (1870-1937) angefertigt. Er hatte die Kunstgewerbeschule in Karlsruhe besucht und seine Entwürfe begeisterten Bodo Ebhardt derart, dass er mit der Gestaltung der Fenster betraut wurde und außerdem zum Hofmaler reüssierte.
Die kunstvoll gestalteten Fenster bilden ebenfalls kriegerische und auch ritterliche Heilige ab, so Martin von Tours (316/17-397) (Kapelle), der im römischen Militärdienst stand und mit dem Schwert seinen Mantel teilte (Abb. 20), außerdem den historisch nicht bezeugten Heiligen Christopheros, der in der »Legenda aurea« des Jacobus de Voragine zum idealen Ritter stilisiert wird und ein weiteres Mal den Heiligen Georg (Festsaal). Monique Fuchs schlägt hier die Brücke zum Fresko, das die neun Helden abbildet:62
„ Diese Auswahl von Kriegerheiligen stand in einem logischen Zusammenhang mit dem Motiv der neun Helden. Sie findet ihre Erklärung in der postulierten »wehrhaften« Rolle der Hohkönigsburg und in der (angenommenen) Tapferkeit ihrer Insassen. “
Darüber hinaus ist diese Auswahl aber vor allem programmatisch zu verstehen als Ausdruck einer in die Zukunft gerichteten, noch zu erfüllenden Mission.
Aufgrund dieser Programmatik spielen bei der kunstvollen Innenausstattung der Burg historisch nachweisbare Stationen, die nicht im Sinn des nationalen Anspruchsdenkens und der Vorbildwirkung eines idealisierten mittelalterlichen Rittertums für die künftige Geltung des Reiches nutzbar waren – etwa die Inbesitznahme der Burg durch das Raubrittergeschlecht Mey von Lambsheim, das Niederbrennen der Burg im Dreißigjährigen Krieg oder die Übergabe der Hohkönigsburg an die elsässische Stadt Sélestat – kaum eine Rolle. Diese werden in Fresken, Gemälden, Glasfenstern etc. nicht berücksichtigt.
Es verknüpft sich bei der Innenausstattung die romantisch-verklärende Mittelaltersehnsucht Wilhelms II. und seiner Epoche mit der konkret-politischen Prätention, die Vorherrschaft in Europa anzutreten und dem deutschen Kaiserreich Weltgeltung zu verschaffen.
Und was ist mit den Frauen? Sie sind nur sehr vereinzelt abgebildet. Die Muttergottes findet sich auf einem Glasfenster in der Kapelle der Hohkönigsburg (Abb. 21), und von den neun Heldinnen, die den neun Helden gegenübergestellt sind, erscheinen nur wenige, u.a. Isolde aus dem Tristan-Epos Gottfrieds von Straßburg. Es fehlen starke Frauengestalten, etwa die Esther aus dem Alten Testament oder die antike Amazonenkönigin Penthesilea, die in anderen Darstellungen auftreten.63
Die Rollenvorstellungen im Kaiserreich waren strikt. Man ging davon aus, dass sich das weibliche und das männliche Geschlecht wesensmäßig, das heißt gottgewollt, unterscheiden und daher sehr unterschiedliche Aufgaben zu übernehmen haben. Das Betätigungsfeld des Mannes war außerhalb, jenes der Frau innerhalb des häuslichen Bereichs. Die Maskulinität des Mannes wurde besonders wertgeschätzt und die Femininität der Frau sollte ihr ergänzend gegenüberstehen.64 Damit einher ging aber nicht unbedingt eine Abwertung des weiblichen Geschlechts, denn es wurde u.a. als Hüterin der deutschen Kultur durchaus wertgeschätzt:65
„ Denn wer die Frauen einer Nation für sich hat, der hat die Zukunft: die Frau erhält, mit der Muttersprache, dem Kinde das Vaterland. Bleibt die Frau unbesiegbar national, so bleibt auch die Nation im Daseinskampf unbesiegt.“
5 Die Symbolik der Burgen
Keine der Burgen, die zu Lebzeiten Wilhelms II. restauriert und rekonstruiert wurde, hatte allein repräsentative Funktionen oder diente nur den Reminiszenzen an versunkene Zeiten. Nein, diese Burgen hatten darüber hinaus eine eminent politische Bedeutung.
5.1 Die Stammburg als Symbol des glanzvollen Aufstiegs der Hohenzollern
Die eigentliche Stammburg der Vorfahren Wilhelms II. war die Burg Hohenzollern, nahe Zimmern in Baden-Württemberg gelegen, die wahrscheinlich im 11. Jahrhundert erbaut wurde (Abb. 22). Sie verfiel gegen Ende des 18. Jahrhunderts und war zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur mehr eine Ruine. König Friedrich Wilhelm IV. initiierte den Wiederaufbau im neugotischen Stil, einerseits aus einer romantischen Burgenverklärung heraus, andererseits aber auch um die Bedeutung des Hauses Hohenzollern zu dokumentieren. Wilhelm II. vollendete das Werk und weihte die restaurierte Burg 1867 ein. Er wollte sie ursprünglich im historistischen Stil gestalten lassen, was sich aber als nicht realisierbar erwies, so dass er von diesem Vorhaben abließ und sich stattdessen auf den Wiederaufbau der Hohkönigsburg, des Königsschlosses in Posen und der Marienburg konzentrierte.
Wie sehr Wilhelm II. darauf bedacht war, die Dynastie der Hohenzollern ins rechte Licht zu rücken, zeigte sich 1866 anlässlich des Friedensschlusses nach dem sogenannten Deutschen Krieg, den Preußen erfolgreich gegen Österreich und den Deutschen Bund geführt hatte. Wilhelm II. bat sich nachdrücklich aus, ein dauerhaftes Wohnrecht in der Kaiserburg zu Nürnberg zu erhalten, das ihm von dem unterlegenen bayerischen König Ludwig II. nolens volens auch mündlich zugesichert wurde. Es bedeutete, dass der Kaiser bei Besuchen in Nürnberg jederzeit in dem Schloss wohnen konnte und dort über eigene Räumlichkeiten verfügte.
Wilhelm II. betrachtete diese Burg ebenfalls als Stammburg seines Geschlechts, da sie einst dem fränkischen Zweig der Familie gehört hatte. Die Burg wurde im 11. Jahrhundert von den Staufern als eine Pfalzanlage errichtet, doch 1191 erhielten die Grafen von Zollern das Amt des Burggrafen. Wilhelm II. hatte noch den Rang eines Burggrafen von Nürnberg inne und legte großen Wert auf diesen Titel.
5.2 Die Pfalz als Signum des gottgewollten Kaisertums der Hohenzollern
Die Pfalzen als Herrschersitze standen in enger Verbindung mit dem frühmittelalterlichen Reisekönigtum der Könige und Kaiser, die noch keine festen Residenzen kannten. Das architektonische Grundprinzip bestand in einer Aula, in der Empfänge und Regierungsgeschäfte getätigt wurden, einer Kapelle und einem langen Gang, der die beiden Bauteile miteinander verband. Unter Friedrich Barbarossa gelangte die Idee der Pfalz zu neuer Blüte. So ließ er die Pfalz Ingelheim ausweiten und die Pfalz Goslar modernisieren und weiter ausbauen.
Die Hohenzollern griffen die Idee der Herrscherpfalz auf, um die Tradition des mittelalterlichen Kaisertums fortzuspinnen und der Hohenzollerndynastie einen transzendent-christlichen Nimbus zu verleihen. Auf diesem Hintergrund begannen sie, einzelne Pfalzen wieder instand zu setzen mit dem Ziel, die Reihe der mittelalterlichen Könige und Kaiser durch Angehörige ihres Geschlechts einer Vollendung zuzuführen.
So wurde die einst von den Ottonen begründete Kaiserpfalz in Goslar, die über Jahrhunderte vergessen und verfallen war, im 19. Jahrhundert vollständig restauriert (Abb. 23) und von Wilhelm I. genutzt. Diesem Wiederaufbau lag der Gedanke zugrunde, Goslar als Sinnbild des jungen Kaisertums, das eine Brücke zur Vergangenheit schlug, in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.
Monumentale historisierende Gemälde trugen diese Idee in die Innenräume des Schlosses. So befindet sich im Zentrum der imposanten Wandgemälde ein Werk von Hermann Wislicenus (1825-1899), Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, das in mystifizierender Weise die Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles illustriert (Abb. 24).
Im Osten sollte das Residenzschloss Posen die neue Kaiserpfalz sein (Abb. 25) und damit die deutsche Herrschaft in einem Gebiet verankern, das eigentlich polnisch war. Das Schloss, das Wilhelm II. in den Jahren 1905-1913 restaurieren ließ und persönlich einweihte, gilt als Sinnbild des politischen Historismus. Auch diese Residenz diente dazu, die Herrschaft der Hohenzollern durch das Aufgreifen der Tradition des mittelalterlichen Kaisertums zu legitimieren – eine Botschaft, die u.a. im Thronsaal Gestalt annahm, indem man dort Statuen platzierte, die mittelalterliche Kaiser darstellen.
5.3 Die Grenzburg als Wächter des Deutschtums am Rande des Kaiserreichs
Die Grenzburgen Marienburg und Hohkönigsburg sind von den Pfalzen deutlich zu unterscheiden, da Burgen im Unterschied zu Pfalzen in erster Linie eine fortifikatorische Funktion hatten und ihre architektonische Anlage daher eine ganz andere war.
Die Marienburg, an einem Mündungsarm der Weichsel gelegen, galt als das herausragende Bollwerk im Osten (Abb. 26). Gegründet von dem Deutschen Orden, war sie von 1309 bis 1454 Sitz der Hochmeister im Deutschordensstaat. Zeitweise befand sie sich unter polnischer und auch schwedischer Herrschaft, fiel aber 1772 bei der ersten Teilung Polens an Preußen.
Friedrich Wilhelm III. verabschiedete bereits 1804 eine Order zum Erhalt der Marienburg, aber erst im Jahr 1817 begannen die restaurativen Bauarbeiten. Unter der Herrschaft von König Friedrich Wilhelm IV. und seinem Bruder Wilhelm I. setzte in den Jahren zwischen 1839 und 1882 die zweite Restaurierungsphase ein. Im Jahr 1886 veranlasste dann der Vater Wilhelms II., der sich sehr für die Marienburg interessierte, dass die zweitweise zum Erliegen gekommenen Bauarbeiten fortgeführt wurden.
Während der Regierungszeit Wilhelms II. wurden weitere Restaurierungsarbeiten vorgenommen, und die Marienburg galt nun als offizielle Pfalz des Herrschers.
Am 5. Juni 1902 nahm der Kaiser im Habit des Johanniter-Ordens an einem Fest auf der Marienburg teil und verkündete in national-patriotischer Manier: „ Jetzt ist es so weit. Polnischer Übermut will dem Deutschtum zu nahe treten, und ich bin gezwungen, mein Volk aufzurufen zur Wahrung seiner nationalen Güter.“66 Wilhelm II. besuchte die Burg sehr häufig und sah in ihr ein Symbol des Kampfes der Deutschen als einer überlegenen Kulturnation gegen das angeblich unzivilisierte, rückständige Polen.
Es waren gerade diese beiden, in einer Grenzregion befindlichen Burgen, die Marienburg im Osten und die Hohkönigsburg im Westen – letztere ausersehen als Bollwerk gegen den „Erbfeind“ Frankreich –, die zurzeit des Kaiserreichs eine besondere Bedeutung als Trutzburgen und Wächter des Deutschtums erhielten.
Dieser Dreiklang – Stammburg, Pfalz und Grenzburg – verlebendigt einerseits den narzisstisch überhöhten Anspruch Wilhelms II. und zweitens die von Nationalismus geschwängerte Stimmungslage in weiten Teile der deutschen Bevölkerung. Und es war dieser Boden, aus dem letztlich der Erste Weltkrieg erwuchs.
Fazit
Über die imperialistisch-militaristischen Tendenzen im Kaiserreich gibt es fundierte sozialhistorische Analysen, auch wurde vereinzelt versucht, die Persönlichkeit Wilhelms II. psychologisch vertieft zu erfassen. Dass die Architektur der Hohkönigsburg einen überhöhten nationalen Anspruch und außerdem die narzisstische Geltungssucht Wilhelms II. verrät, lässt sich – wenngleich nicht auf psychoanalytischer Basis – ebenfalls der Forschungsliteratur entnehmen. So bezeichnet Elisabeth Castellani Zahir die restaurierte elsässische Burg als „ hochpolitisches architektonisches Säbelrasseln gegenüber dem republikanischen Frankreich, dem Verlierer von 1871.“67
Was vor allem fehlt, ist eine zusammenschauende Gesamtanalyse dieser Aspekte. Gerade das Beispiel der Hohkönigsburg zeigt, wie sehr sozialgeschichtliche, psychologische bzw. psychoanalytische und architektonisch-künstlerische Facetten ineinander verwoben sind. Diese Burg verdankt ihre Wiedergeburt dem konzertierten Zusammenspiel der Werte einer bestimmten Epoche, die von dem Architekten Bodo Ebhardt und dem Künstler Léo Schnug geteilt wurden, und einem Kaiser, der aufgrund traumatisierender Kindheits- und Jugenderfahrungen eine narzisstisch geprägte, realitätsferne Grandiosität entwickelt hatte. Otto von Bismarck sagte von Wilhelm II.: „ Er wollte jeden Tag Geburtstag feiern “.68
Das Beispiel dieser aus Ruinen wiedererstandenen Grenzburg zeigt außerdem, wie unheilvoll die politischen Konsequenzen dieser Interdependenzen waren, denn die Hohkönigsburg spiegelt ein zu Stein gewordenes, in die Zukunft gerichtetes national-politisches Programm wider. Dabei bestanden wichtige „Programmpunkte“ in der Konsolidierung militärischer Zielsetzungen, dem Gottesgnadentum des Regenten, dem Anspruch auf Weltgeltung des deutschen Kaiserreichs und dem Glauben an die kulturelle Überlegenheit der deutschen Nation.
Es war dieses Gebräu, das dazu beitrug, dem Nationalsozialismus den Weg zu ebnen, denn viele der später aufgegriffenen und weitergeführten Ideen waren bereits vorgedacht und im Schwange. Im Kaiserreich wurde letztlich die Basis geschaffen, auf der Hitler und seine Schergen aufbauen konnten.
Schluss
Architektonische Bauten sind vielfach das Produkt einer wechselseitigen Bedingtheit zwischen den Ideen einer bestimmten Epoche, der psychischen Verfasstheit von Auftraggeber:innen – sofern diese existieren –, den Überzeugungen der ausführenden Künstler:innen und den Rezipientinnen und Rezipienten ihrer Werke. Beschränkt man sich auf Stilanalysen und Epochenzuweisungen läuft man Gefahr, wichtige Botschaften, die derartige Bauwerke aussenden, nicht wahrzunehmen und damit ein Stück Realität und auch Lebendigkeit aus der Kunstgeschichte auszuklammern.
Gerade die Restauration der Hohkönigsburg ist ein besonders eindrucksvolles Exemplum, wie sehr zeitgeschichtliche, persönliche und künstlerische Momente ineinandergreifen.
Und manchmal haben zufällige, nicht willentlich herbeigeführte Ereignisse Auswirkungen von einer ungeheuren Tragweite. In der Novelle »Die dreifache Warnung« von Arthur Schnitzler verjagt ein junger Wanderer durch seinen heftigen Atem einen Schmetterling, der sich in den königlichen Park flüchtet. Aus diesem Schmetterling entsteht später eine Raupe, die in den Nacken der schlafenden Schlossherrin kriecht, die darüber derart erschrickt, dass sie ihr ungeborenes Kind verliert. Der Landesherr bleibt ohne Erben und sein gewissenloser, grausamer Bruder tritt die Nachfolge an, stürzt das Volk ins Elend und provoziert schließlich einen Krieg.
Im Falle Wilhelms II. war es sein verkrüppelter Arm – die Folge eines unbeabsichtigten ärztlichen Kunstfehlers –, der nicht nur zur Geburtsstunde der exzeptionellen Reinkarnation einer mittelalterlichen Burg wurde, sondern auch eine fatale weltgeschichtliche Bedeutung erlangen sollte.
Literatur
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Castellani Zahir, Elisabeth: Echt falsch und doch schön alt: die Wiederherstellung der Hohkönigsburg im Elsass 1900 bis 1908. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 54 (1997), S. 141-152.
Crettaz-Stürzel, Elisabeth: Eine feste Burg – ein festes Reich. Die Rekonstruktion der Marienburg und der Hohkönigsburg als symbolische Grenzfesten des Deutschen Kaiserreichs und die politische Burgenrenaissance in Europa. In: Arnold Bartetzky (Hrsg.): Geschichte bauen. Architektonische Rekonstruktion und Nationenbildung vom 19. Jahrhundert bis heute. Köln 2017, S. 62-90.
Dollen, Busso von der: Zur Ausstellung „Burgenromantik und Burgenrestaurierung um 1900. Der Architekt und Burgenforscher Bodo Ebhardt in seiner Zeit“. In: Burgen und Schlösser 3 (2004), S. 196-199.
Ebhardt, Bodo: Die Hohkönigsburg im Elsaß. Baugeschichtliche Untersuchung und Bericht über die Wiederherstellung. Berlin 1908.
Engelhardt, Christian Moritz: Reiseskizzen durch die Vogesen. Straßburg 1817 (https://www.numistral.fr/ark:/12148/bpt6k9446759s, letzter Abruf: 14.10.2023).
Frymann, Daniel (Claß, Heinrich): Wenn ich der Kaiser wär‘ – Politische Wahrheiten und Notwendigkeiten. 5. erw. Aufl. Leipzig 1914.
Fleckner, Uwe, Warnke, Martin & Ziegler, Hendrik: Politische Ikonographie. Ein Handbuch in 2 Bänden. München 2011.
Fuchs, Monique: Helden, Heilige und Haudegen auf der Hohkönigsburg. Eine neue Sicht auf die Bedeutung der Ausstattung. In: Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern in Verbindung mit dem Germanischen Nationalmuseum (Hrsg.): München & Berlin 2007, S. 57-108.
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Bodo Ebhardt vor dem Modell der Hohkönigsburg
Bildnachweis: Unbekannter Fotograf, 1904 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bodo_Ebhardt_arbeitet_am_Modell_der_Hohk%C3%B6nigsburg,_c._1904.jpg, letzter Abruf: 20.10.2023).
Abb. 2: Die Hohkönigsburg nach dem Wiederaufbau (Postkarte)
Bildnachweis: Richard Huber, 1914 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Postkarte_DIE_HOHK%C3%96NIGSBURG_aus_dem_Jahre_1914.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Original-Lithographie von Gottfried Engelmann nach einer Zeichnung von Louis Pierre Alphonse Bichebois. 1828
Bildnachweis: Lehni, 1985, S. 27; eigene Fotografie.
Abb. 4: Wilhelm II., 1874, mit sorgfältig verborgenem linkem Arm
Bildnachweis: Unbekannter Fotograf (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:La_voie_ferr%C3%A9e_du_ch%C3%A2teau_du_Haut-Koenigsbourg_avec_une_petite_locomotive_020T_Krauss_de_5_tonnes_nomm%C3%A9e_%27Hilda%27_03.jpg, letzter Abruf: 20.10.2023).
Abb. 5: Palas mit romanischen Fensterarkaden
Bildnachweis: Zairon, 14.5.2015 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Orschwiller_Hohk%C3%B6nigsburg_14.cropped.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 6: Die Hohkönigsburg bei Beginn der Restaurationsarbeiten
Bildnachweis: Unbekannter Fotograf, um 1902 (https://de.wikipedia.org/wiki/Hohk%C3%B6nigsburg#/media/Datei:Hohkoenigsbourg1901.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 7: Die eigens angelegte Bahnstrecke
Bildnachweis: Unbekannter Fotograf, zw. 1901 u. 1908 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:La_voie_ferr%C3%A9e_du_ch%C3%A2teau_du_Haut-Koenigsbourg_avec_une_petite_locomotive_020T_Krauss_de_5_tonnes_nomm%C3%A9e_%27Hilda%27_03.jpg, letzter Abruf: 19.10.2023).
Abb. 8: Festsaal der Hohkönigsburg. Die Mauervorsprünge, die einst die Zwischendecke trugen, sind deutlich sichtbar.
Bildnachweis: Zairon, 14.5.2015 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Orschwiller_Hohk%C3%B6nigsburg_Innen_Festsaal_4.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Fenster im Innenhof der Hohkönigsburg
Bildnachweis: Lehni, 1985, S. 22; eigene Fotografie
Abb. 10: Karikatur zur Einweihung der Hohkönigsburg am 13. Mai 1908.
Bildnachweis: Waltz, 1908, S. IV; eigene Fotografie.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10: Karikatur zur Einweihung der Hohkönigsburg am 13. Mai 1908.
Bildnachweis: Waltz, 1908, S. IV; eigene Fotografie.
Abb. 11: Ironisierender Text zur „Kemenate“
Bildnachweis: Waltz, 1908, S. VIII; eigene Fotografie.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 11: Ironisierender Text zur „Kemenate“
Bildnachweis: Waltz, 1908, S. VIII; eigene Fotografie.
Abb. 12: Der Torturm mit den Wappen
Bildnachweis: Lehni, 1985, S. 7; eigene Fotografie.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 12: Der Torturm mit den Wappen
Bildnachweis: Lehni, 1985, S. 7; eigene Fotografie
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 13: Steinmetzzeichen mit Legende
Bildnachweis: Ebhardt, 1908. S.47 u. 48; eigene Fotografie.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 14: Zwei der neun Helden (Hofgalerie)
Bildnachweis: Fuchs, 2007. S. 60; eigene Fotografie.
Abb. 15: Die Grafen Thierstein im Turnier mit dem Rittergeschlecht von Rathsamhausen (Léo Schnug)
Bildnachweis: G. Garitan, 14.12.2014 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Salle_banquet_0103_L%C3%A9o_Schnug.JPG, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 16: Walter von Klingen. Miniatur des Codex Manesse, fol. 52r, um 1300
Bildnachweis: (https://de.wikipedia.org/wiki/Walther_von_Klingen, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 17: Der Heilige Georg
Bildnachweis: (http://www.hovimobil.de/hautKoenigsbourg.htm, letzter Abruf: 20.10.2023).
Abb. 18: Decke des Festsaals mit Adler (Léo Schnug)
Bildnachweis: Zarion, 14.5.2015 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Orschwiller_Hohk%C3%B6nigsburg_Innen_Festsaal_Decke_1.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 19: Wappenhalterfigur mit den Wappen von Wilhelm II. und Auguste Viktoria
Bildnachweis: Fuchs, 2007, S. 63; eigene Fotografie.
Abb. in Leseprobe nicht enthalten
Abb. 20: Glasfenster mit dem Heiligen Martin (Eduard Stritt)
Bildnachweis: Schnitzler, 2018, S. 44; eigene Fotografie.
Abb. 21: Glasfenster mit der Muttergottes (Eduard Stritt)
Bildnachweis: Wolfgang Sauber, 12. 7. 2017 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hochk%C3%B6nigsburg_-_Kapelle_Fenster_unten_3.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 22: Burg Hohenzollern
Bildnachweis: A. Kniesel, 1.11.2006 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Burg_Hohenzollern_ak.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 23: Kaiserpfalz in Goslar
Bildnachweis: AxelHH, April 2007 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Goslar_Kaiserpfalz_frontal.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 24: Die Wiedererstehung des Deutschen Reiches 1871, Kaisersaal der Goslarer Kaiserpfalz (Hermann Wislicenius, 1882)
Bildnachweis: Oktobersonne, 5.2.2015 (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Reichsgr%C3%BCndung#/media/Datei:DieWiedererstehungdesDeutschenReiches1871L1010769_(2).JPG, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 25: Residenzschloss Posen
Bildnachweis: Unbekannter Fotograf, zw. 1910 u, 1939 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Residenzschloss_Posen.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
Abb. 26: Marienburg (Ordensburg)
Bildnachweis: DerHexer, 14.7.2010 (https://de.wikipedia.org/wiki/Marienburg_%28Ordensburg%29#/media/Datei:Panorama_of_Malbork_Castle,_part_4.jpg, letzter Abruf: 18.10.2023).
[...]
1 Warburg 1980.
2 Panofsky 2003.
3 Zusammenfassend Hatt & Klonk 2006, Kap. 9: Psychoanalysis.
4 Pfisterer 2020, S. 193-194.
5 Schulze et al. 2013, S. 1-7.
6 Fleckner, Warnke & Ziegler 2011.
7 Einen Zusammenhang zwischen Architektur und Psychologie stellte schon Heinrich Wölfflin her (1886), allerdings unter anderen Prämissen, indem er Elemente der Architektur auf die Formen und Funktionsweisen des menschlichen Organismus bezog. Er erkannte aber bereits die Verbindung zwischen Architektur und Zeitgeist: „ Im Kostüm kommt zuerst die Art zum Ausdruck, wie man sich halten und bewegen soll und es nicht schwer zu zeigen, dass die Architektur mit dem Zeitkostüm übereinstimmt “ (S.46).
8 Pfisterer 2020, S. 262.
9 Rosenberg 2013, S. 57. So ließ Hitler zwei Ehrentempel in München errichten, die an die Nationalsozialisten erinnern sollten, die während des Novemberputsches (1923) getötet wurden, d.h. an ein Trauma, das schließlich durch die Machtergreifung in einen Triumph verwandelt wurde (ebd., S. 73).
10 Siehe Stekl 1975.
11 Es wird hier durchgehend der deutsche Name statt des französischen „Hoh-Koenigsbourg“ gebraucht, da die Arbeit mit der Restauration der Burg im Kaiserreich befasst ist.
12 Engelhardt 1817, S. 463.
13 Busso von der Dollen (2004) bemerkt: „ In gewisser Weise setzte sich darin die ‚preußische Burgenromantik‘ am Rhein im gesamten Deutschen Reich fort “ (S. 199).
14 Siehe hierzu Walkenhorst 2007 u. Kruse 2012.
15 „ Der Sieg des preußisch-deutschen Militärs im Krieg von 1870/71 war in weiten Kreisen des Bildungsbürgertums auch als ein Triumph der deutschen über die französische Kultur gedeutet worden, […]“ (Walkenhorst 2007, S. 55).
16 Abschließende Verse des Gedichts »Deutschlands Beruf«.
17 Langbehn 1890, S. 230.
18 Walkenhorst 2007, S. 31.
19 Ebd., S. 89.
20 Von Treitschke 1879, S. 573. Treitschkes berühmtester Ausspruch, der später vom »Stürmer« aufgegriffen wurde, lautete: „Die Juden sind unser Unglück“ (S. 575). Gegen diese Thesen wandte sich der renommierte Historiker und Altertumsforscher Theodor Mommsen (1817-1903), der erklärte, dass die Jüdinnen und Juden ganz normale Deutsche seien.
21 Claß 1914, S. 38.
22 Walkenhorst 2007, S. 226.
23 Kruse 2012, S. 13.
24 Der Psychoanalytiker Otto Kernberg wurde 1928 als Kind jüdischer Eltern in Wien geboren, die Familie flüchtete 1939 in die USA.
25 Kernberg 2019, S. 261.
26 Sachse 2002, S. 170-178.
27 Der Übergang von einer Persönlichkeitsstruktur zu einer manifesten Persönlichkeitsstörung ist fließend; letztere lässt sich nur mittels einer ausführlichen Diagnostik feststellen.
28 Der Arzt war der Gynäkologe Dr. Eduard Arnold Martin.
29 Er entwickelte außerdem sekundär einen Schiefhals aufgrund der Verkrüppelung des Arms, der mittels einer maschinellen Vorrichtung, in die man ihn zwängte, gestreckt und später operativ behandelt wurde.
30 Röhl 1993, S. 81.
31 Ebd., S. 80.
32 Röhl 2013, S. 16.
33 Röhl 1993, S. 86.
34 Ebd., S. 92.
35 Diese Formel wurde erstmals 1971 von dem US-amerikanischen Psychoanalytiker Heinz Kohut (1913-1981) in die Säuglings- und Kleinkindforschung eingeführt.
36 Pekelder, Schenk & van der Bas 2021, S. 18.
37 Röhl 1993, S. 557.
38 Obst 2010, S. 89.
39 Kernberg 2019, S. 270.
40 Röhl 2013, S. 23.
41 Volkan 2021.
42 Aus einer Rede Wilhelms II. im Juli 1900 anlässlich des Stapellaufs des ersten Panzerschiffs.
43 Obst 2010, S. 209-210.
44 Diese sog. „Kaiserjuden“ (Chaim Weizmann) waren für ihn keine wirklichen Juden.
45 Röhl 2013, S. 39.
46 Pekelder, Schenk & van der Bas 2021, S. 39.
47 Korn 1968, S. 51.
48 Ebhardt 1908, S. 22.
49 Ebd., S. 30.
50 Diese These wird dem Kunsthistoriker Georg Dehio (1850-1932) zugeschrieben, der die zeitgenössische Denkmalpflege entscheidend prägte. Seine kunsthistorische Konzeption wurde u.a. in Bezug auf das Heidelberger Schloss verwirklicht.
51 Wagner-Rieger 2007, S. 15.
52 Bringmann 1975, S. 34.
53 Crettaz-Stürzel 2017, S. 64.
54 Ebd., S. 66.
55 Waltz 1908.
56 »Der Burgwart« 1908, S. 108-109.
57 Fuchs 2007, S. 64.
58 Castellani Zahir 1997, S. 144.
59 Einen sehr detaillierten, reflektierten Überblick über die Innenausstattung der Hohkönigsburg, auf den sich die Arbeit bezieht, bietet die Darstellung von Monique Fuchs 2007, S. 57-108.
60 Im Ersten Weltkrieg kämpfte er auf Seiten der Deutschen, wurde aber wegen seiner extremen Alkoholmissbrauchs aus dem Dienst entlassen. Da die Phasen exzessiver Trunkenheit zunahmen, wurde er 1921 in die psychiatrische Klinik Stefansfeld eingeliefert, wo er auch starb.
61 Vgl. Anm. 23.
62 Fuchs 2007, S. 61.
63 Vgl. z.B. die ganzseitige Miniatur in Tommaso di Saluzzo: Le Chevalier errant, 1403–1404, Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. fr. 12559, fol. 125v. Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France.atur in Tommaso di Saluzzo: Le Chevalier errant, 1403–1404, Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. fr. 12559, fol. 125v.Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France.
64 Nicht nur die Darstellungen von Kriegerheiligen bezeugen das, auch der Jagd als einem typisch männlichen Betätigungsfeld wird mit dem Fresko des Heiligen Hubertus im Jagdzimmer gehuldigt.
65 Walkenhorst 2007, S. 139.
66 Tzu-hsin 2009, S. 151.
67 Castellani Zahir 1997, S. 141.
68 Pekelder, Schenk & van der Bas 2021, S. 18.
- Quote paper
- Gabriele Bensberg (Author), 2023, Die Hohkönigsburg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1577567