Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Grundlagen der wirtschaftlichen Transformation
3 Die wirtschaftliche Transformation und die daraus resultierenden Probleme in der DDR
3.1 Die wirtschaftliche Wiedervereinigung – Der Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft
3.1.1 Die Wirtschafts- und Währungsunion als Garant von Wettbewerb, monetärer Stabilität und materieller Sicherheit
3.1.2 Die Festlegung des Umrechnungskurses zwischen DDR- und D-Mark
3.1.3 Die Privatisierung ostdeutscher Betriebe im Zeichen der Treuhandanstalt
3.2 Die Auswirkungen der Wiedervereinigung auf die Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer und die Transformationskrise
3.2.1 Die Überbewertung des ostdeutschen Kapitalstocks
3.2.2 Die De-Industrialisierung in den neuen Bundesländern
3.2.3 Die Auswirkung der Wirtschaftstransformation auf die Lohndynamik in den neuen Bundesländern
3.3 Der ökonomische Aufholprozess der neuen Bundesländer
4 Die wirtschaftliche Transformation und die daraus resultierenden Probleme in Ungarn
4.1 Frühe Wirtschaftsreformen als Wegbereiter des Transformationsprozesses und der Übergang zur Marktwirtschaft
4.1.1 „Der Dritte Weg“ zwischen Plan- und Marktwirtschaft
4.1.2 Die Reform des ungarischen Bankensystems
4.1.3 Die monetäre Stabilisierungspolitik in Ungarn
4.2 Die Transformationskrise der ungarischen Wirtschaft
4.2.1 Die verpasste Chance einer Währungsreform
4.2.2 Der Einbruch der Wirtschaftsaktivitäten
4.2.3 Ansätze zur Überwindung der Transformationskrise – Der ökonomische Aufholprozess Ungarns
5 DDR und Ungarn im Zwei-Länder-Vergleich
5.1 Gemeinsamkeiten
5.2 Unterschiede
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Seit Errichtung des Eisernen Vorhangs standen der Sozialismus und die Demokratie in stetem Wettkampf um die Vorherrschaft der Systeme. Im Laufe der Zeit wurde jedoch schnell deutlich, dass ein kollektivistisches und von oben gesteuertes Wirtschaftsystem nicht die Anreize liefern kann, Wachstum, Wohlstand und die Steigerung des Lebensstandards der breiten Bevölkerung sicherzustellen. Ende der 1980er Jahre kam es schließlich zur Systemtransformation in den Ostblockstaaten und zu dem Ende des Sozialismus in Osteuropa.
1.1 Problemstellung
Der in allen postsozialistischen Ländern einsetzende wirtschaftliche Transformationsprozess nahm in jeder dieser Volkswirtschaften einen anderen Verlauf. In manchen verlief er schneller, in anderen dafür problemloser. Mit dieser Arbeit werden exemplarisch die ehemalige Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Republik Ungarn in Bezug auf den wirtschaftlichen Transformationsprozess und den daraus resultierenden krisenhaften Entwicklungen in einem Zeitfenster von 1989 bis 1995 näher betrachtet. Der Vergleich der beiden Länder bietet sich aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung und Sequenz der jeweiligen wirtschaftlichen Transformationsprozesse besonders an.
1.2 Gang der Untersuchung
Im folgenden Gliederungspunkt werden zuerst die Grundlagen zum Verständnis der wirtschaftlichen Transformation vermittelt, wobei der Begriff der Transformation näher definiert wird. Der dritte Gliederungspunkt geht anschließend auf den wirtschaftlichen Transformationsprozess in der DDR, die Transformationskrise und den ökonomischen Aufholprozess in den neuen Bundesländern ein. Darauf folgend wird der wirtschaftliche Transformationsprozess in Ungarn gewürdigt und auf die krisenhafte Entwicklung auch in diesem Land eingegangen. Der fünfte Gliederungspunkt stellt schließlich beide Länder in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Transformation gegenüber und zeigt Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten auf.
2 Grundlagen der wirtschaftlichen Transformation
Wirtschaftliche Transformation bedeutet die Umwälzung eines bestehenden Wirtschaftssystems. Nach der Definition von Kloten kann von wirtschaftlicher Transformation gesprochen werden, wenn das bisherige System nicht in der gleichen oder ähnlichen Form übertragen, sondern zerschlagen und in etwas vollständig Neues umgewandelt wird.[1] Die neue Wirtschaftsordnung hat somit nichts mehr mit dem vormaligen System gemein. Dieser Prozess wird durch politischen Gestaltungswillen und politisches Handeln ausgelöst.
Im Falle der Wirtschaftstransformation ehemals sozialistischer Staaten ist es erforderlich, dass planwirtschaftliche Abstimmungsverfahren durch marktwirtschaftliche Koordinationsmechanismen ersetzt werden. Dabei müssen u.a. folgende Voraussetzungen für die Transformation in eine funktionierende Marktwirtschaft erfüllt werden: In der Transformationswirtschaft bedarf es der Gewährung individueller Handlungs- und Verfügungsrechte als Kern einer Privatrechtsordnung. Darüber hinaus ist eine Dezentralisierung und Entflechtung von Staatsbetrieben, die Neuordnung des Bankwesens mit strikter Trennung zwischen der Notenbank und den untereinander konkurrierenden Geschäftsbanken, eine Restrukturierung der staatlichen Haushaltsführung und des Abgabensystems sowie die Öffnung der Märkte nach Außen auf Basis konformer Wechselkurse erforderlich.[2] Diese Aspekte stellen sicher, dass die Rahmenbedingungen für den Übergang zu einer Marktwirtschaft gesetzt werden und sich das freie Spiel zwischen Angebot und Nachfrage etablieren kann.
3. Die wirtschaftliche Transformation und die daraus resultierenden Probleme in der DDR
Der Umbruch der DDR von einem autoritären und planwirtschaftlich organisierten System zu einer marktwirtschaftlichen Demokratie erfolgte innerhalb kürzester Zeit. Weniger als ein Jahr verging zwischen dem Mauerfall am 10.11.1989 und der Vollendung der staatlichen Einheit Deutschlands. Dieser schnelle Umbruch wurde durch die zunehmenden Schwierigkeiten, die in der DDR auftraten, begünstigt. Anfang der 1980er Jahre waren die ökonomischen Probleme innerhalb der DDR kaum noch zu übersehen, die sich gegen Ende der 1980er Jahre weiter zuspitzten. Die Wirtschaft zehrte an ihrer Substanz, da Investitionen aus Devisenknappheit unterbleiben mussten und infolgedessen Reparaturen oder Neuinvestitionen nicht mehr durchführbar waren.[3] Bei vielen Gütern gab es einen Nachfrageüberhang, der zum einen aus dem mangelnden Angebot an Gütern resultierte, zum anderen daraus resultierte, dass keine angemessenen Preise für gewünschte Waren und Dienstleistungen gefordert werden durften. Dies führte zu einer zurückgestauten Inflation. Da es keine frei im Wettbewerb gebildete Knappheitspreise gab, fehlten die Leistungsanreize, die für eine effiziente und produktive wirtschaftliche Entwicklung erforderlich sind.[4] Im Übrigen brachten die starren Planvorgaben den wirtschaftlichen Fortschritt fast vollständig zum Erliegen.
3.1 Die wirtschaftliche Wiedervereinigung – Der Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft
Der wirtschaftliche Transformationsprozess der DDR war in Bezug auf Geschwindigkeit und Umfang einzigartig in den Reihen der postsozialistischen Staaten. Die Transformation der ostdeutschen Wirtschaft stellte für das vereinte Deutschland eine große Chance dar, gemeinsam den Wohlstand des Volkes zu vergrößern. Politik und Wirtschaft standen vor großen Herausforderungen, die es in den Folgejahren der Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990 zu bewältigen galt.
3.1.1 Die Wirtschafts- und Währungsunion als Garant von Wettbewerb, monetärer Stabilität und materieller Sicherheit
Mit dem Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (WWSU) vom 01. Juli 1990 wurde nicht nur die Geld-, sondern auch alle anderen Teile der westdeutschen Wirtschafsverfassung auf Ostdeutschland übertragen. Dadurch lag die geldpolitische Kompetenz sowohl für die BRD als auch für die DDR von nun an ausschließlich in den Händen der Bundesbank.[5] Der Vertrag legte die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung für beide Parteien fest.[6] Somit endete mit der WWSU die zentralverwaltungswirtschaftliche Verfassung der DDR und die D-Mark wurde offizielles und einziges Zahlungsmittel. Infolgedessen wurde die Wirtschafts- und Wettbewerbsordnung der BRD vollständig auf die DDR übertragen. Dies bedeutet im Vergleich zu anderen Transformationsländern einen radikalen und plötzlichen institutionellen Umbruch, bei dem der gesamte marktwirtschaftliche Rahmen und alle Regelungsmechanismen übernommen werden konnten. Ein solcher plötzlicher und vollumfänglicher ökonomischer Wandel ist in der Geschichte der Transformationsstaaten einmalig geblieben.[7]
Vom ersten Tage an konnte die Wirtschaft der neuen Bundesländer von den Vorteilen eines funktionierenden Marktes profitieren. Bspw. mussten Privatinvestoren und Landesregierungen kein Kapital im Ausland aufnehmen, so dass anders als in anderen postsozialistischen Ländern eine grassierende Auslandsverschuldung vermieden werden konnte. Neben den Qualitätsvorteilen einer stabilen und voll konvertierbaren D-Mark, die durch die WWSU bedingt wurden, konnten der ostdeutschen Wirtschaft günstige Inlandskredite zur Verfügung gestellt werden. Zum Teil konnte die DDR sogar über günstigere Kreditkonditionen als viele anderen westeuropäischen Staaten verfügen.[8]
In dem Staatsvertrag zur WWSU wurde zudem eine Garantie für die Sicherstellung von Privateigentum, dem Leistungswettbewerb, der freien Preisbildung und der grundsätzlichen vollen Freizügigkeit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen festgeschrieben.[9] Durch die Implementierung eines neuen Steuersystems, das die steuerähnlichen Abgaben der Unternehmen an die DDR Staatsbank ersetzte, und der Einführung des „Länderfinanzausgleich“ zur Verteilung von Steuereinnahmen zwischen den Ländern, sind die Reformen des Finanzsystems weitgehend abgeschlossen worden.[10] Somit konnten die Grundvoraussetzungen einer schnellen Transformation innerhalb kürzester Zeit auf die DDR übertragen werden. Diese stellten sicher, dass unmittelbar ein hohes Maß an monetärer Stabilität erreicht und ein solides sowie erprobtes institutionelles Umfeld in die DDR etabliert werden konnte.
3.1.2 Die Festlegung des Umrechnungskurses zwischen DDR- und D-Mark
Ein Tag nach Inkrafttreten des Staatsvertrags zur WWSU wurden alle Ostmark-Bestände in D-Mark getauscht, wobei Kinder unter 15 Jahren 2.000 Ostmark, Erwachsene unter 60 Jahren 4.000 Ostmark und ältere Bürger 6.000 Ostmark zu einem Umrechnungskurs von 1:1 tauschen konnten. Preis- und Lohnverträge unterlagen ebenfalls einem Wechselkurs von 1:1, Schulden und Verbindlichkeiten einem solchen von 2:1. Im Vereinigungsjahr spekulativ erworbene Geldbestände konnten zu einem Kurs von 3:1 umgerechnet werden.[11] Die Festsetzung der Umrechnungskurse zu Gunsten der DDR-Bürger, blieb nicht ohne Kritik, da aufgrund mangelnder Konvertibilität der Ostmark die Bestimmung eines ökonomisch sinnvollen Wechselkurses objektiv kaum möglich war.[12] Die Ermittlung des Wechselkurses auf Basis der Kaufkraftparitätentheorie ist ebenfalls als äußerst ungenau zu werten, da die DDR weder über integrierte wettbewerbliche Märkte verfügte, noch homogene Warenkörbe miteinander verglichen werden konnten. Die Zusammensetzung des DDR Warenkorbs unterlag staatlicher Zielsetzung und subventionierter Preise, viele Gebrauchsgüter waren überhaupt nicht oder nur in schlechterer Qualität als im Westen erhältlich.[13] Die Bundesbank befürchtete, dass durch einen zu hoch festgelegten Wechselkurs die Inflation ansteigen und die Geldwertstabilität der D-Mark dauerhaft gefährdet werden würde. Ziel der Politik war es, eine Verschärfung des sozialen Gefälles zwischen Ost und West zu vermeiden, da sonst die Gefahr bestand, dass ein unaufhaltsamer Umsiedlerstrom von Ost nach West einsetzen würde.[14]
Die gestaffelten Umrechnungskurse stellten somit einen Kompromiss zwischen dem Wunsch der Regierung, einen Wechselkurs von 1:1 zu realisieren, und dem Bestreben der Bundesbank, einen für die Ostmark wesentlich schlechteren Wechselkurs durchzusetzen, dar. Allerdings ist festzustellen, dass sich eindeutig die Politik bei der Festlegung der Umrechnungskurse durchsetzen konnte, da die gewählten Relationen im Widerspruch zu allen ökonomischen Erwägungen standen.[15]
[...]
[1] Vgl. Kloten, Norbert (1991); S. 39.
[2] Vgl. Kloten, Norbert (1991); S. 26.
[3] Vgl. Baltensperger, Ernst (1998); S. 680.
[4] Vgl. Icks, Annette (1995); S. 75.
[5] Vgl. Baltensperger, Ernst (1998); S. 691.
[6] Vgl. Artikel 1 Absatz 3 Satz 1 des Staatsvertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990.
[7] Vgl. Baltensperger, Ernst (1998); S. 675.
[8] Vgl. Stephan, Johannes (1999); S. 53ff.
[9] Vgl. Artikel 1 Absatz 3 Satz 2 des Staatsvertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990.
[10] Vgl. Köhler, Claus (1997); S. 152.
[11] Vgl. Sinn, Gerlinde; Sinn, Hans-Werner (1993); S. 63.
[12] Vgl. Thieme, Hans-Jörg (1994); S. 138.
[13] Vgl. Baltensperger, Ernst (1998); S. 692f.
[14] Vgl. Thieme, Hans-Jörg (1994); S. 138.
[15] Vgl. Wiesenthal, Helmut (1999); S. 40.