Migrationsbewegungen - aus und nach Deutschland - sind keineswegs neue Erscheinungen, vielmehr sind sie historisch betrachtet gesellschaftlicher Normalzustand.
Trotz der technischen Fortschritte und erleichterter Bedingungen sich interkontinental zu bewegen, ist die Situation der Zugewanderten in vielen Aufnahmeländern durch Diskriminierung , Exklusion und prekäre Lebens- und Wohnverhältnisse bestimmt. Hinzu kommen stereotype Vorstellungen und Vorurteile gegenüber Migranten, die in der öffentlichen Diskussion nach wie vor stabil sind und den Umgang mit Migranten bestimmen.
Für die Bundesrepublik Deutschland und das hohe Aufkommen an Gastarbeitern gilt dies in besonderem Maß. Migrations- und Integrationspolitik in den 1960er Jahren spärlich betrieben und richtete sich zunächst auf die Defizite auf Seiten der Migranten, vor allem im sprachlichen Bereich. Auch als sich im Rahmen des Familiennachzugs der Großteil der Gastarbeiter auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland einrichtete, reagierten Politik und Bildungssystem zeitlich verzögert. Ungeachtet der Wanderungsbewegungen und der sich daraus ergebenden Anforderungen im Hinblick auf die gesellschaftliche Integration „[…] galt das Dogma, Deutschland sei kein Einwanderungsland und solle es auch nicht werden, fort.“
Insbesondere Migrantinnen sehen sich in der bundesrepublikanischen Gesellschaft zahlreichen, bewussten wie unbewussten Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt. Migrantinnen gelten oftmals als Begleiterin des wandernden Ehemannes und werden so als Opfer oder abhängig wandernde Person wahrgenommen. In den Medien wird dieses Bild immer wieder produziert und reproduziert, so dass Migrantinnen per se eine fehlende Handlungsfähigkeit unterstellt wird. TREIBEL stellt fest, dass „(…) in der Wahrnehmung von Migrantinnen, insbesondere Türkinnen, Sensationslust und die Erregung über Spektakuläres, wie etwa die so genannten Ehrenmorde, den Blick für unauffälligere Biografien und Integrationsprozesse verstellten.“ Die enorme Heterogenität der Gruppe der Migrantinnen bleibt in der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet. Das Interesse an den Lebenssituationen der Migrantinnen hat sich in der soziologischen Forschung erst seit den 1980er Jahren, ausgelöst durch die Frauenforschung, etabliert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Bild von der Migrantin
- Gang der Untersuchung
- Forschung und Wissenschaft
- Theorien und Fragestellungen der Migrationssoziologie
- Klassische Migrationsforschung
- Neuere Migrationsforschung
- Rückblick und Ausblick
- Von der Frauenforschung zur Genderforschung
- Migrantinnenforschung im Kontext der Migrations-, Frauen- und Genderforschung
- Migration und Gender
- Migration der Frauen im sozialen Wandel
- Geschlecht als zentrales Strukturprinzip
- Feminisierung der Migration
- Ursachen und Formen weiblicher Migration
- Fluchtmigration
- Arbeits- und Heiratsmigration
- Frauenhandel
- Bedeutung von Netzwerken für Migrantinnen
- Migration als Emanzipation?
- Zwischen Irritation und Selbstverständlichkeit
- Benachteiligung von Migrantinnen im Aufnahmeland Deutschland
- Engagement in Politik, Kultur und Medien
- Zur Rolle von Migrantinnenselbstorganisationen für den Emanzipationsprozess
- Frauenbewegungen in Deutschland vom 19. bis 21. Jahrhundert
- Formen und Ziele von Migrantinnenselbstorganisationen in Deutschland
- Potentiale von Migrantinnenselbstorganisationen
- Darstellung von Konzeption, Struktur, Zielsetzung der befragten Organisationen
- agisra e.V. (arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung)
- FralnFra (Frankfurter Initiative progressiver Frauen)
- Forschungsmethode
- Leitfadengestützte Experteninterviews
- Begründung der Wahl
- Forschungsdesign
- Vor- und Nachinterviewphase und allgemeine Bemerkungen zum Interviewverlauf
- Deutungsmusteranalyse
- Vorgehensweise
- Das Bild von der Migrantin in Deutschland
- Emanzipative Faktoren der Migration
- Die Rolle von Migrantinnenselbstorganisationen für den Emanzipationsprozess
- Migrantinnen als Pionierinnen einer dritten Frauenbewegung?
- Zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsergebnisse
- Schlussbetrachtung
- Zusammenfassung der Ausführungen
- Fazit
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit der Rolle von Migrantinnenselbstorganisationen für den Emanzipationsprozess von Migrantinnen in Deutschland. Sie untersucht, inwieweit Migrantinnen durch ihre Selbsthilfeinitiativen zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und zur Durchsetzung ihrer Rechte beitragen können. Dabei wird der Fokus auf die spezifischen Herausforderungen und Chancen von Migrantinnen im Kontext von Gender und Migration gelegt.
- Die Konstruktion des Bildes von der Migrantin in Deutschland
- Die Analyse der Diskriminierungsformen, denen Migrantinnen im Aufnahmeland ausgesetzt sind
- Die Untersuchung der Möglichkeiten und Grenzen der Emanzipation von Migrantinnen durch Selbstorganisation
- Die Bedeutung von Migrantinnenselbstorganisationen als Akteurinnen im sozialen und politischen Raum
- Die Relevanz von Migrantinnenselbstorganisationen für die Weiterentwicklung der Frauenbewegung in Deutschland
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und skizziert das Bild von der Migrantin in Deutschland. Sie erläutert den Gang der Untersuchung und die Forschungsfragen, die im Zentrum der Arbeit stehen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit relevanten Theorien und Forschungsansätzen der Migrations- und Genderforschung. Es werden klassische und neuere Ansätze der Migrationsforschung sowie die Entwicklung der Frauen- und Genderforschung dargestellt.
Kapitel 3 analysiert die komplexen Zusammenhänge zwischen Migration und Gender. Es beleuchtet die Migration von Frauen im sozialen Wandel und geht auf Ursachen und Formen weiblicher Migration ein.
Kapitel 4 widmet sich der Frage, ob und wie Migration als Emanzipation verstanden werden kann. Es werden die Herausforderungen und Chancen für Migrantinnen in Deutschland diskutiert.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Rolle von Migrantinnenselbstorganisationen für den Emanzipationsprozess. Es untersucht die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, die Formen und Ziele von Migrantinnenselbstorganisationen und deren Potenziale.
Kapitel 6 erläutert die Forschungsmethode, die in dieser Arbeit angewendet wurde.
Kapitel 7 analysiert die Ergebnisse der Untersuchung mit Hilfe der Deutungsmusteranalyse.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Migration, Gender, Emanzipation, Migrantinnenselbstorganisationen, Frauenbewegung, Diskriminierung, Integration, Intersektionalität, Gender Mainstreaming und Empowerment.
- Arbeit zitieren
- Gesine Qualitz (Autor:in), 2010, Migration als Emanzipation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157877