In diversen Teildisziplinen und damit verbundenen Forschungsfeldern der Linguistik bilden Korpora – also "Sammlung[en] schriftlicher oder gesprochener Äußerungen […], die typischerweise digitalisiert, d. h. auf Rechnern gespeichert und maschinenlesbar [sind]" (LEMNITZER / ZINSMEISTER 2006: 7) – die "empirische Basis für [eine] linguistische und / oder computerlinguistische Forschung" (LEMNITZER / ZINSMEISTER 2006: 108). Eine korpusbasierte Sprachbeschreibung kann zum Beispiel im Sprachunterricht, in Sprachdokumentationen, in der Lexikographie oder der maschinellen Sprachverarbeitung Anwendung finden.
Bevor man diese Sammlungen schriftlicher oder gesprochener Äußerungen jedoch als sprachliche Nachweise systematisch verwenden kann, müssen sie zunächst mittels standardisierter Konventionen wiedergegeben, d. h. transkribiert werden, und können gegebenenfalls mit zusätzlichen Informationen angereichert, d. h. annotiert werden. Beide Verfahren – sowohl Transkription als auch Annotation – sind somit "[…] grundlegend für jede Sprachuntersuchung, in der authentische Äußerungen betrachtet und als Belege herangezogen werden, und unabdingbar zumal, wenn die Menge an Äußerungen sehr groß ist und zu einer rechnergestützten Auswertung einlädt" (MÜLLER 2008).
Die vorliegenden Arbeit fokussiert die Transkriptionsmethodik gesprochener Sprache. Zu Beginn werden die verschiedenen Lesarten des Terminus Transkription, die in wissenschaftlichen Publikationen oft synonyme Verwendung finden, aufgezeigt und "sauber" voneinander getrennt. Anschließend wird die breite (konversationsanalytische) Transkription genauer beleuchtet, indem zunächst ein geschichtlicher Abriss der ethnomethodologischen Konversationsanalyse skizziert wird. Nachfolgend werden die beiden im deutschsprachigen Raum verbreitetesten konversationsanalytischen Transkriptionssysteme HIAT und GAT kurz präsentiert und unter dem Aspekt der strikten Trennung von Transkription und Annotation miteinander verglichen. Hierzu werden vordergründig (1) die allgemeine Struktur des Transkriptes, (2) der 'Turn'-Begriff, (3) die Transkription turn-interner Pausen und (4) die Wiedergabe von Planungsmodifikationen analysiert, da diese Aspekte die wesentliche Bestandteile eines Transkriptes darstellen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Was ist eigentlich Transkription? – Ein Definitionsversuch
- 2.1 Klassifikation nach dem Transkriptionsgegenstand
- 2.2 Klassifikation nach dem Transkriptionsverfahren
- 2.3 Transkription gesprochen realisierter Sprache
- 2.3.1 „enge“ Transkription
- 2.3.2 „breite“ Konversation
- 3 HIAT - Halb-Interpretative Arbeitstranskription
- 3.1 Grundsätze der Verschriftlichung
- 3.2 Darstellung der Turn-Organisation
- 3.3 Wiedergabe turn-interner Daten
- 4 GAT - Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem
- 4.1 Grundsätze der Verschriftlichung
- 4.2 Darstellung der Turn-Organisation
- 4.3 Wiedergabe turn-interner Daten
- 5 HIAT versus GAT - ein kritischer Vergleich
- 5.1 Kritik I: Die allgemeine Struktur des Transkriptes
- 5.2 Kritik II: Wann ist ein Turn ein Turn?
- 5.3 Kritik III: Transkription turn-interner Pausen
- 5.4 Kritik IV: Fehlerkorrekturverhalten
- 6 Konklusion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die Transkriptionssysteme HIAT und GAT im Kontext der konversationsanalytischen Forschung zu vergleichen und kritisch zu bewerten. Der Fokus liegt dabei auf der strikten Trennung von Transkription und Annotation. Die Arbeit beleuchtet die jeweiligen Prinzipien und Unterschiede beider Systeme und analysiert deren Anwendung in der Praxis.
- Definition und Klassifizierung von Transkription
- Vergleich der Transkriptionssysteme HIAT und GAT
- Analyse der Turn-Organisation in beiden Systemen
- Untersuchung der Wiedergabe turn-interner Daten
- Kritische Bewertung der Trennung von Transkription und Annotation
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der korpusbasierten Sprachforschung ein und betont die Bedeutung standardisierter Transkription und Annotation für die Analyse gesprochener Sprache. Sie hebt die Notwendigkeit einer klaren Definition von „Transkription“ hervor und kündigt den Fokus auf konversationsanalytische Transkriptionssysteme an.
2 Was ist eigentlich Transkription? – Ein Definitionsversuch: Dieses Kapitel liefert eine umfassende Definition von Transkription und unterteilt sie nach Transkriptionsgegenstand und -verfahren. Es differenziert zwischen „enger“ und „breiter“ Transkription, wobei der Schwerpunkt auf der letzteren im Kontext der Konversationsanalyse liegt. Das Kapitel legt die Grundlage für den Vergleich der beiden Transkriptionssysteme im weiteren Verlauf der Arbeit.
3 HIAT - Halb-Interpretative Arbeitstranskription: Dieses Kapitel beschreibt die Grundsätze, die Organisation von Turns und die Wiedergabe turn-interner Daten im HIAT-System. Es erläutert die spezifischen Konventionen dieses Systems und wie sie die sprachliche Datenrepräsentation beeinflussen. Die Beschreibung von HIAT's Ansatz zur Verschriftlichung bildet den Ausgangspunkt für den Vergleich mit dem GAT-System.
4 GAT - Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem: Ähnlich wie Kapitel 3, konzentriert sich dieses Kapitel auf die Prinzipien, Turn-Organisation und die Wiedergabe von turn-internen Daten, diesmal jedoch für das GAT-System. Es hebt die Unterschiede in der Darstellung und den zugrunde liegenden theoretischen Annahmen im Vergleich zu HIAT hervor. Der Fokus liegt auf der detaillierten Erläuterung der Verschriftlichungspraktiken des GAT-Systems.
5 HIAT versus GAT - ein kritischer Vergleich: Dieses Kapitel liefert einen detaillierten Vergleich von HIAT und GAT. Die Analyse konzentriert sich auf vier kritische Aspekte: die allgemeine Struktur des Transkriptes, die Definition von „Turn“, die Transkription turn-interner Pausen und die Wiedergabe von Fehlerkorrekturen. Der Vergleich deckt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede auf und bewertet die jeweiligen Stärken und Schwächen der Systeme im Hinblick auf die Trennung von Transkription und Annotation.
Schlüsselwörter
Transkription, Annotation, Konversationsanalyse, HIAT, GAT, Turn, Sprachforschung, Korpuslinguistik, empirische Sprachwissenschaft, Fehlerkorrektur, Pausen, Gesprächsanalyse.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Vergleich der Transkriptionssysteme HIAT und GAT
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit vergleicht und bewertet kritisch die Transkriptionssysteme HIAT (Halb-Interpretative Arbeitstranskription) und GAT (Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem) im Kontext der konversationsanalytischen Forschung. Der Fokus liegt dabei auf der strikten Trennung von Transkription und Annotation.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Definition und Klassifizierung von Transkription, Vergleich der Transkriptionssysteme HIAT und GAT, Analyse der Turn-Organisation in beiden Systemen, Untersuchung der Wiedergabe turn-interner Daten, und eine kritische Bewertung der Trennung von Transkription und Annotation.
Was sind die Ziele der Arbeit?
Das Hauptziel ist es, die Prinzipien und Unterschiede zwischen HIAT und GAT aufzuzeigen und deren praktische Anwendung zu analysieren. Die Arbeit soll ein besseres Verständnis für die Auswahl und Anwendung geeigneter Transkriptionssysteme in der konversationsanalytischen Forschung liefern.
Wie werden HIAT und GAT in der Arbeit beschrieben?
Für jedes System (HIAT und GAT) werden die Grundsätze der Verschriftlichung, die Darstellung der Turn-Organisation und die Wiedergabe turn-interner Daten detailliert beschrieben. Die jeweiligen Konventionen und deren Einfluss auf die sprachliche Datenrepräsentation werden erläutert.
Welche Aspekte werden im kritischen Vergleich von HIAT und GAT untersucht?
Der kritische Vergleich konzentriert sich auf vier Hauptaspekte: die allgemeine Struktur des Transkriptes, die Definition von „Turn“, die Transkription turn-interner Pausen und die Wiedergabe von Fehlerkorrekturen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden herausgearbeitet, und die Stärken und Schwächen beider Systeme im Hinblick auf die Trennung von Transkription und Annotation werden bewertet.
Welche Arten von Transkription werden unterschieden?
Die Arbeit unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Transkription, klassifiziert nach Transkriptionsgegenstand und -verfahren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Unterscheidung zwischen „enger“ und „breiter“ Transkription im Kontext der Konversationsanalyse.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für diese Arbeit?
Wichtige Schlüsselwörter sind: Transkription, Annotation, Konversationsanalyse, HIAT, GAT, Turn, Sprachforschung, Korpuslinguistik, empirische Sprachwissenschaft, Fehlerkorrektur, Pausen, Gesprächsanalyse.
Welche Kapitel beinhaltet die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Kapitel: Einleitung, Definition von Transkription, Beschreibung des HIAT-Systems, Beschreibung des GAT-Systems, kritischer Vergleich von HIAT und GAT, und Konklusion.
Welche Bedeutung hat die Trennung von Transkription und Annotation?
Die Arbeit betont die Bedeutung der strikten Trennung von Transkription und Annotation in der konversationsanalytischen Forschung. Diese Trennung ist ein zentrales Thema des Vergleichs zwischen HIAT und GAT.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit richtet sich an Wissenschaftler*innen und Studierende der Sprachwissenschaft, insbesondere im Bereich der Konversationsanalyse und Korpuslinguistik, die sich mit Transkription und Annotation beschäftigen.
- Arbeit zitieren
- Niels Kindl (Autor:in), 2009, HIAT versus GAT, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157902