Vom Juni 1940 bis August 1944 lebten die Pariser Bürger unter der Besatzung Nazi-Deutschlands. Eine lange ‚Fastenzeit’ für Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre und ihren Freundeskreis von Künstlern, Autoren und Kämpfern der Resistance. Die während der Gefechte erlebte Eintracht und Solidarität der Kämpfer verschiedenster politischer Auffassungen muss Sartre und Beauvoir wie ein Versprechen eines neuen (politischen) Aufbruchs erschienen sein. Doch wie viele Andere erlebten auch sie bald nach der Befreiung Paris’, dass die neue Freiheit durchaus mit Widersprüchen und individuellen Zwängen durchsetzt war.
Die zuvor erlebte Einigkeit schlug bereits nach wenigen Tagen um in politische Zersplitterung; und Frankreich fand sich bald in der Zwickmühle, sich im Rahmen des Wiederaufbaus einer der zwei Supermächte – den kapitalistischen USA oder der kommunistischen UdSSR – anzuschließen. Die Amerikanische Unterstützung mochte Frankreich näher an die Vereinigten Staaten gerückt haben, doch für viele Intellektuelle
blieb die Sowjetunion Sinnbild einer wahrhaft befreiten Zukunft.
Simone de Beauvoirs 1954 bei Gallimard erschienener Roman Les Mandarins (Die Mandarins von Paris) zeichnet die chaotischen Jahre direkt nach der Befreiung (1944-48) nach und wurde noch im Jahr seiner Veröffentlichung mit dem begehrten Prix Goncourt ausgezeichnet. Mit fast 800 Seiten ist Les Mandarins vielleicht der längste und komplexeste Roman von Beauvoir, die das elf Jahre nach ihrem Erstlingswerk Le inviteé (Sie kam und Sie blieb)2 und fünf Jahre nach Le Deuxième Sexe (Das Andere Geschlecht) erschienene Buch als ihren persönlichen Favoriten beschrieb. Das aktuelle Taschenbuch in deutscher Sprache erschien bei Rowohlt und ist bereits zum 37. Mal aufgelegt.
Simone de Beauvoir schrieb gut vier Jahre an den Mandarins. Da die Nachkriegsjahre für sie geprägt von theoretisch-moralischen Werken waren, überrascht es nicht, in den handelnden Figuren einige Ideen aus Essays wie Pour une morale de l`ambiguité (Für eine Moral der Doppelsinnigkeit) oder dem Anderen Geschlecht anzutreffen. Nachdem Beauvoir bereits 1951 die erste Fassung abgeschlossen hatte, überarbeitete sie das Buch gemäß Sartres Korrektur und nach einigen privaten und politischen Veränderungen weitere zwei Jahre.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Inhalt
- Analyse
- Philosophische Aspekte
- Das Dilemma der Politik
- Die Freiheit der Entscheidung
- Modelle von Weiblichkeit
- Literarische Aspekte
- Philosophische Aspekte
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Simone de Beauvoirs Roman "Les Mandarins von Paris" (1954) schildert die chaotischen Jahre nach der Befreiung Frankreichs (1944-48). Das Werk beleuchtet die politischen und persönlichen Herausforderungen, die sich aus der gewonnenen Freiheit ergaben, und die ambivalente Haltung der französischen Intellektuellen gegenüber der neuen Weltordnung.
- Der Zwiespalt zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verantwortung
- Die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und dem Aufstieg der USA als Weltmacht
- Die Rolle der Intellektuellen in der Gesellschaft
- Die Suche nach einer neuen Moral und Lebensentwurf nach dem Zweiten Weltkrieg
- Die komplexen Beziehungen zwischen Männern und Frauen in einer sich wandelnden Welt
Zusammenfassung der Kapitel
Der Roman beginnt mit einem Weihnachtsfest 1944, kurz nach der Befreiung Paris'. Es werden die zentralen Figuren und ihre jeweiligen politischen Positionen vorgestellt: Henri Perron, ein Schriftsteller, der mit seinem ersten Roman einen Erfolg erzielt hat und nun vor der Herausforderung steht, sich im Wiederaufbau aktiv zu engagieren; sein Mentor Robert Dubreuilh, ein bedeutender Denker und Autor, der eine neue politische Bewegung anstrebt; Annes Rolle als Psychotherapeutin ermöglicht einen intimen Einblick in die Beziehungen und Konflikte der Figuren. Der Roman verfolgt die Entwicklung dieser Figuren vor dem Hintergrund der politischen Umbrüche und des persönlichen Wandels.
In der weiteren Handlung steht Henri vor der Frage, ob er seine Zeitung Roberts Partei anschließen soll. Er kämpft mit dem Spannungsfeld zwischen Literatur und Politik, während Anne sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt und ihre Rolle in der Familie neu definiert. Paule, Henris Geliebte, versucht ihre Liebe zu ihm zu bewahren, obwohl er sich von ihr entfernt.
Weitere wichtige Themen sind die Entdeckung der russischen Straflager, die den Glauben an die Sowjetunion erschüttern, sowie Annes Reise in die USA, die zu einer Liebesaffäre mit Lewis Brogan führt. Die politische und persönliche Entwicklung der Figuren wird vor dem Hintergrund der sich verändernden Weltordnung geschildert, in der die USA als neue Weltmacht aufstreben und Frankreich vor schwierigen Entscheidungen steht.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Romans "Les Mandarins von Paris" sind die politische und moralische Verunsicherung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Suche nach einer neuen Lebensordnung, die Rolle der Intellektuellen in der Gesellschaft und die Beziehung zwischen Freiheit und Verantwortung. Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Existenzialismus, Kommunismus, Kapitalismus, die Intellektuellen, das Andere Geschlecht, die amerikanische Lebensweise, und die französische Politik im Wiederaufbau.
- Arbeit zitieren
- Franziska Beyer (Autor:in), 2009, Der Schlüssel zur Zeit - Simone de Beauvoirs "Die Mandarins von Paris", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/157920