Die Konflikte um Wasser im Nahen Osten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis:

1.Einleitung

2. Allgemeines zu Wasser
Wasserverteilung und Verbrauch
Wasser im Völkerrecht
Die globale Wasserpolitik

3. Wasserkonflikte im Nahen Osten
Der Konflikt um Euphrat und Tigris
Das Wasser im Heiligen Land

4. Lösungsansätze

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„The next war in the Middle East will be over water, not politics.“[1]

Diese viel zitierten Worte sprach der Außenminister Ägyptens und spätere UNO-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali im Mai 1990 aus. Dieses Zitat steht in Zusammenhang mit einer Unzahl ähnlicher, die in den letzten 20 Jahren von Politikern und Forschern im Zusammenhang mit den Problemen der weltweiten Wasserversorgung getätigt wurden.

Seit den 1980er Jahren warnten immer wieder Forscher vor Kriegen um den Besitz von Wasserquellen. Aufgrund der globalen Bevölkerungsexplosion, so die Annahme, würde es in verschiedenen Regionen der Welt zu einem Mangel an Trinkwasser kommen, der schließlich zu bewaffneten Konflikten führen könnte. Vor allem im Nahen Osten rechneten US-amerikanische „Think Tanks“, wie das „Center for Strategic and International Studies“ in Washington, D.C. mit solchen Ressourcenkonflikten:

The Middle East stands at the pricipice of another major natural resource crisis. Before the twenty-first century, the struggle over limited and threatened water resources could sunder already fragile ties among regional states and lead to unprecedeted upheavel within the area.”[2]

Diese Szenarien wurden und werden nach wie vor begierig von den Medien aufgegriffen, obwohl sie durchaus umstritten sind.[3] Unstrittig ist jedoch, dass es auf der ganzen Welt Konflikte zwischen Staaten um die Nutzung von meistens grenzüberschreitenden Flusssystemen und Wasservorkommen gibt. Dabei wird vor allem das Konfliktpotenzial von Wasser im Nahen Osten am Höchsten eingestuft. Deshalb wird sich auch die vorliegende Arbeit mit der Wasserproblematik dieser Weltregion befassen.

Der erste Abschnitt dieser Arbeit wird sich allgemein mit dem Thema Wasser beschäftigen und die weltweite Verteilung und den Verbrauch von Wasser darstellen, sowie den völkerrechtlichen Umgang mit internationalen, also grenzüberschreitenden Wasservorkommen skizzieren, sowie die Beschäftigung der UNO mit der Ressource Wasser darstellen. Der darauf folgende Teil wird dann anhand von zwei Fallbeispielen die Wasserkonflikte im Nahen Osten aufzeigen. Wobei der erste Abschnitt sich mit der Euphrat- Tigrisproblematik und den daraus resultierenden Konflikten zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak beschäftigen wird, während sich der zweite Abschnitt der Wassersituation im „Heiligen Land“ annimmt. Im Anschluss folgt die Vorstellung verschiedener Ansätze zur Lösung der dargestellten Wasserkonflikte. Im abschließenden Fazit soll dann die Frage geklärt werden, wie hoch die Gefahr von kriegerischen Auseinandersetzungen um den Rohstoff Wasser heute wirklich ist, dazu wird auch ein Blick über die Grenzen des Nahen Ostens geworfen werden.

Zu dem behandelten Thema gibt es eine kaum zu überblickende Fülle von Literatur. Eine der profiliertesten Kennerinnen auf diesem Gebiet ist zweifellos Ines Dombrowsky vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, die sich seit Jahren mit Wasser und Wasserkonflikten in Nahost beschäftigt und eine große Anzahl Publikationen zu diesem Thema veröffentlicht hat.

Daneben gibt es eine Unmenge von Zeitungsartikeln, sowie Stellungnahmen diverser NGO’s und verschiedenster Forschungsinstitute, wie zum Beispiel „Amnesty International“, „Brot für die Welt“ und andere. Problematisch in diesem Zusammenhang ist jedoch der Umgang mit den Berichten, da sie nicht immer unvoreingenommen oder objektiv zu nennen sind.

2. Allgemeines zu Wasser

Wasserverteilung und Verbrauch

Etwa 70% der Oberfläche der Erde sind von Wasser bedeckt. 97,39% des Weltwasserbestandes befinden sich in den Weltmeeren, hinzu kommen noch ca. 2,01% in Gletschern und Polkappen gebundenen Wassers. 0,58% sind Grundwasser und lediglich 0,02% der weltweiten Wasservorkommen bilden Flüsse und Seen. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass sich etwa 0,001% des Wassers ständig in der Atmosphäre befinden.[4]

Zusammengerechnet bedeutet dies, dass dem Menschen nur etwa 0,6% der Wasserressourcen der Erde als Trink- und Nutzwasser zur Verfügung stehen. Und auch bei diesem Wert handelt es sich lediglich um einen theoretischen.

Auch wenn dieser Prozentsatz lächerlich gering erscheint steht der Menschheit, auch bei ihrem weiteren Anwachsen weltweit doch genügend Wasser für ihre Bedürfnisse zur Verfügung. Es stellt sich jedoch das Problem der Verteilung der Wasserressourcen, denn global sind diese höchst ungleich verteilt. So ist in den tropischen Regenzonen ausreichend Frischwasser vorhanden, im Gegensatz zu Steppen oder gar Wüsten, in denen das natürliche Wasserangebot wegen äußerst geringer jährlicher Niederschläge sehr begrenzt ist.[5] Nach Angaben der UNO bestehen 60% der Erdoberfläche aus Zonen mit einer ungenügenden Wasserquantität.[6] Aber auch innerhalb von Staaten, wie in Brasilien, gibt es häufig große regionale Unterschiede in der Verteilung der Wasservorkommen.[7] Das anschaulichste Beispiel stellt sicherlich Ägypten dar, leben doch hier fast alle Einwohner in einem ca. 12 Meilen breiten fruchtbaren Streifen längs des Nils, während der Rest des Landes größtenteils unwirtlich und weitgehend unbesiedelt ist.[8]

Allgemein wird zwischen „grünem“ und „blauem Wasser“ unterschieden. „Grünes Wasser“ bezeichnet die durch Niederschläge gespeiste Bodenfeuchtigkeit, die im Regenfeldbau genutzt wird. Sie wird in dieser Arbeit jedoch lediglich von nachrangiger Bedeutung sein. Bei dem so genannten „blauen Wasser“ handelt es sich um Oberflächengewässer, wie Flüsse und Seen, und Grundwasser, das wiederum in Grundwasserträgern, so genannten Aquiferen, gespeichert ist.[9]

Den größten Verbraucher „blauen Wassers“ stellt weltweit betrachtet mit ca. 70% des Verbrauchs die Agrarwirtschaft dar. Weitere 20% werden zu industriellen Zwecken genutzt, während Privathaushalte lediglich etwa 10% des weltweiten Wasserverbrauchs ausmachen. Des Weiteren werden heutzutage etwa 19% des weltweiten Stromverbrauchs mit Hilfe von Wasserkraft gewonnen.[10]

Daraus ergibt sich, dass Konflikte um Wasser aus verschiedenen Nutzungsmotiven entstehen können. Am häufigsten gehen diese Nutzungskonflikte um Wasserressourcen zur landwirtschaftlichen Nutzung, darüber hinaus jedoch auch für die Nutzung zur hydroelektronischen Energiegewinnung.[11]

Die schwedische Hydrologin Falkenmark stellte eine Definition von Wassermangel auf, die allerdings nach wie vor umstritten ist, da sie Wasserknappheit als ein „Problem des Angebots“[12] behandelt. Danach gelten Länder, die über mehr als 1700 m³ erneuerbares Wasser pro Kopf und Jahr verfügen als ausreichend versorgt. Mengen von 1000-1700 m³ gelten als Indikator für Wasserarmut und Staaten mit weniger als 1000 m³ sind von Wasserknappheit betroffen. Thobaben weist aufgrund dieser Definitionen darauf hin, dass 1995 ca. 3% der Weltbevölkerung an Wassermangel, und ca. 5% unter Wasserknappheit litten.[13] Die Länder mit der geringsten Verfügbarkeit von Wasser liegen zum größten Teil in Afrika und im Nahen Osten.[14] Allerdings kann selbst in Trockengebieten nicht von einem absoluten Wassermangel gesprochen werden, denn dieser besteht nach Definition nur, wenn „zu wenig Wasser zur Verfügung steht, um selbst minimale Bedürfnisse (Trinkwasser, Hygiene) zu befriedigen“.[15]

Wasser im Völkerrecht

Konflikte um Wasser entstehen in der Regel an Flusssystemen, die sich über das Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Staaten erstrecken[16] und auf deren Nutzung die Anrainer wirtschaftlich angewiesen sind.[17] Oberanrainer sind in solchen Fällen natürlich im Vorteil, was zu Konflikten mit den Unteranrainern führen kann, da diese oftmals um die natürlich fließenden Wasserquoten bangen müssen, dies umso mehr im Falle von Aufstauungen der Flusssysteme durch Oberanrainer.[18] Hinzu kommt in solchen Fällen noch das wirtschaftspolitische Drohpotenzial, das den Oberanrainern durch die Kontrolle über den Abfluss von Flüssen zufällt. Auch Aquifere tragen zu Konflikten bei, da sie in den meisten Fällen ebenfalls grenzüberschreitend sind.[19]

Traditionell ist der Hauptnutzen von Flüssen ihr Gebrauch als Transportweg. Dies ist der Grund dafür, dass das Flussschifffahrtsrecht hoch entwickelt ist.[20] Erst durch das Fortschreiten der Technik um durch Wasserkraft Strom zu gewinnen, sowie durch die Einführung großflächiger Bewässerungstechniken entwickelten sich wasserrechtliche Beziehungen darüber hinaus zu umfangreichen Rechtsproblemen.[21]

Das Problem im modernen zwischenstaatlichen Wassernutzungsrecht ist die Frage, inwieweit jeder Anrainerstaat den betroffenen Fluss für seine eigenen Zwecke nutzen darf. Traditionell liegt nach geltendem Völkerrecht die absolute Hoheit über Wasserressourcen bei dem Staat, auf dessen Hoheitsgebiet sich diese befinden.[22] Diese Sichtweise folgt der so genannten „Theorie der absoluten Integrität“, aus der gefolgert wird, dass jeder Staat das Wasser seines Territoriums ohne Rücksicht auf andere oder auf Folgeschäden nutzen kann und auch bei internationalen Wasserläufen frei über Entwicklung, Verwaltung und Nutzung des eigenen Teilstückes entscheiden kann.[23]

Die oben beschriebene wirtschaftliche Nutzung von Flüssen warf jedoch neue Probleme auf, die neuer Regelungen bedurften. Aufgrund der Individualität von Flusssystemen sind allgemeinverbindliche Regelwerke äußerst schwierig in der Ausgestaltung. Ule merkt hierzu an, dass bislang „lediglich einige noch verhältnismäßig allgemeine Prinzipien im Völkergewohnheitsrecht“ nachzuweisen sind und das Wassernutzungsrecht noch in der Entwicklung begriffen sei.[24]

Seit den 1950er Jahren bemüht sich die „International Law Association“[25] um das Erstellen einheitlicher Regelungen. Am bekanntesten sind die so genannten „Helsinki Rules“ von 1966, die von einer beschränkten Souveränität der Staaten und der Rücksichtnahme auf weitere Anrainer ausgehen. Sie fanden zwar Eingang in diverse Abkommen. Von der Mehrheit der Staaten werden diese jedoch aus Furcht vor Souveränitätsverlusten abgelehnt. Die ILA und weitere Organisationen sind jedoch bis heute bestrebt, Lösungen zu erarbeiten, die allen Betroffenen gerecht werden können.[26] Derzeit wird gerade an einem Rechtsinstrument gearbeitet, dass „die Bewirtschaftung grenzüberschreitender Grundwasserleiter verbessern“ soll.[27]

In den vergangenen 50 Jahren wurden weltweit mehr als 1800 Abkommen geschlossen, um an internationalen Gewässern die Nutzungsrechte zur regeln. Wenngleich sich die meisten dieser Abkommen mit schifffahrtsrechtlichen Fragen auseinandersetzen regeln viele doch auch den Durchfluss von Wassermengen und/oder die Qualität von Wasser.

Klaphake und Scheumann weisen auch auf die Schaffung zwischenstaatlicher Gremien hin, wie z.B. der „Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins“ oder der „Mekong River Commission“ und betonen darüber hinaus deutlich die Bedeutung grenzüberschreitender Wasservorkommen als „Katalysator für Kooperation zwischen feindlichen Anrainerstaaten, die über andere, nicht auf das Wasser bezogenen Streitfragen Kriege oder Scharmützel austrugen“.[28]

Abschließend bleibt festzuhalten, dass es bis auf den heutigen Tag kein allgemeingültiges Regelwerk für die wirtschaftliche Nutzung von internationalen Flusssystemen gibt. Die Nutzung und Regulierung solcher Systeme erfolgt durch bi- oder multilaterale Verträge, die in jedem Fall individuell ausgehandelt werden müssen.[29] Es scheint unwahrscheinlich, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird.

[...]


[1] Zitiert nach: Selby, Jan: Water, Power and Politics in the Middle East. The other Israeli-Palestinian Conflict. London/New York 2003. S.49.

[2] Zitiert nach: Ebd.

[3] Vgl. Ebd. S.47ff.

[4] Vgl. Ule, Christian: Die garantierte Wasserzufuhr des Nils nach Ägypten – Nichtschifffahrtliche Nutzungsrechte an internationalen Wasserläufen. Bonn 1997. S.23.

[5] Vgl. Selby. S.23.

[6] Vgl. Ule. S.23.

[7] Vgl. Klaphake, Axel/Scheumann, Waltina: Politische Antworten auf die globale Wasserkrise: Trends und Konflikte. Herunter geladen hier:http://www1.bpb.de/publikationen/56Q1HT,1,0,Politische_Antworten_auf_die_globale_Wasserkrise%3A_Trends_und_Konflikte.html#art1. Am 05.03.2010. S4.

[8] Vgl. Ule. S.27.

[9] Vgl. Messner, Dirk: Klimawandel und Wasserkrisen der Zukunft. In: Themenschwerpunkt: Klimawandel und Sicherheit. Ausgabe 3-2009. Herunter geladen hier: http://www.security-and-peace.de/archiv/2009-3.htm. Am 09.03.2010. S.167.

[10] Vgl. Messner. S.167.

[11] Vgl. Hoffmann, Thomas: „Wo das Wasser endet, endet auch die Welt“. In: Hoffmann, Thomas (Hrsg.): Wasser in Asien. Elementare Konflikte. Osnabrück 1997. S.17.

[12] Vgl. Klaphake/Scheumann. S.3.

[13] Vgl. Thobaben, Henning: Der Wasserkonflikt im Jordanbecken. Kooperationspotenziale im Wassersektor als Beitrag zur Lösung des Nahost-Konfliktes. Heruntergeladen hier: http://www-public.tu-bs.de:8080/~umenzel/inhalt/forschungsberichte/BlaueReihe63.PDF. Am 09.03.2010. S.5.

[14] Vgl. Ebd. S.6.

[15] Vgl. Klaphake/Scheumann. S.3.

[16] Diese grenzüberschreitenden Wasserwege werden auch als „international“ bezeichnet.

[17] Weltweit gibt es nach Klaphake/Scheumann 261 solcher Flüsse. Die „Unesco“ spricht von 263.

[18] Vgl. Ule. S.26.

[19] Vgl. Unesco: Wasser im internationalen Recht. Zugegriffen hier: http://www.unesco.de/wasserrecht.html?&L=0 . Am 11.01.2010.

[20] Vgl. Ule. S.24.

[21] Vgl. Ule. S.31

[22] Vgl. Ebd.

[23] Vgl. Ebd.

[24] Vgl. Ebd. S.33

[25] Kurz: ILA

[26] Vgl. Ule. S.37ff.

[27] Vgl. Unesco: Wasser im internationalen Recht.

[28] Vgl. Klaphake /Scheumann. S.7.

[29] Vgl. Ule. S.107.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Konflikte um Wasser im Nahen Osten
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Hauptseminar: Umwelt und Konflikte
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
28
Katalognummer
V158175
ISBN (eBook)
9783640708413
ISBN (Buch)
9783640708253
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umwelt, Konflikte, Wasser, Wasserkonflikte, Naher Osten, Euphratstausee, Jordan, Wasserversorgung
Arbeit zitieren
Sascha Christian Borck (Autor:in), 2009, Die Konflikte um Wasser im Nahen Osten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158175

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