Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
1.1 Was ist Jugend?
1.2 Was ist Jugendsprache?
2. Französische Jugendsprache
2.1 Nicht-sprachliche Merkmale französischer Jugendsprache
2.1.1 Sprachbewusstseinsmerkmal
2.1.2 Merkmale der sozialen Funktion
2.1.3 Merkmale der sozialen Reichweite
2.1.4 Merkmale der historischen Reichweite
2.2 Sprachliche Merkmale französischer Jugendsprache
3. Sprachliche Merkmale französischer Jugendsprache aufgezeigt an französischen Jugendzeitschriften
3.1 Vorstellung der französischen Zeitschriften
3.1.1 Muteen
3.1.2 Phospore
3.1.3 Girls!
3.1.4 Muteen
3.2 Verwendung von Superlativen
3.3 Ableitungen
3.3.1 Präfigierung
3.3.2 Suffigierung
3.4 Entlehnungen aus anderen Sprachen/Dialekten
3.4.1 Anglizismen
3.4.2 Verlan
3.5 Metaphern
3.6 Wortkürzungen
4. Schlussbemerkung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Überblick und Abgrenzung
In der heutigen Gesellschaft wird der Jugend immer mehr Aufmerksamkeit durch die Medien und die Öffentlichkeit entgegengebracht (vgl. Chun 2007, 1). Auch das wissenschaftliche Interesse an Jugend und Jugendsprache ist immer größer geworden so wie Jürgen Beneke es beschreibt:
„Kaum einer anderen sozialen Gruppe ist das Interesse unserer Zeit so verpflichtet wie der Jugend. So ist es nur natürlich, daß auch und gerade die Wissenschaft, aus dem Blickwinkel ihrer verschiedensten Disziplinen, darum bemüht ist, diese bio-sozialen Phänomene nicht nur zu registrieren, sondern durch die Erfahrungen aller damit verbundenen Gegebenheiten zum Wesen dieser Erscheinung vorzudringen.“ (Beneke 1986, 1).
Die Jugendsprachforschung stellt somit ein interessantes und besonders umfassendes Thema dar. In dieser Seminararbeit befasse ich mich mit den Merkmalen von französischer Jugendsprache und deren Auftreten in französischen Jugendzeitschriften. Obwohl es sich bei Jugendsprachlichen Merkmalen primär um orale Äußerungen handelt, die nur begrenzt in schriftlicher Form verwendet werden, lassen sich dennoch einige Besonderheiten der französischen Jugendsprache in Jugendzeitschriften feststellen. Zunächst sollen die Begriffe Jugend und Jugendsprache genauer definiert werden, wobei die im folgenden genannten Begriffsdefinitionen nur mögliche Definitionen darstellen und dementsprechend nicht allgemein gültig sind, da es sich bei den Begriffen vielmehr um eine Ansammlung von bestimmten Merkmalen bzw. Funktionen (wie Alter, Dresscode, gebrauchspezifische Sprachelemente) handelt (vgl. Kundegraber 2008, 51f). Im weiteren Verlauf der Arbeit soll kurz eine (mögliche) und im weiteren Verlauf von mir verwendete Definition von französischer Jugendsprache gegeben, sowie auf die nicht-sprachlichen Merkmale der französischen Jugendsprache eingegangen, werden. Im Anschluss daran werde ich mich mit der konkreten Analyse der sprachlichen Merkmale französischer Jugendsprache in Jugendzeitschriften beschäftigen. Ziel dieser Arbeit soll es sein, einen „aktuellen“ Überblick über die in den von mir untersuchten Jugendzeitschriften besonders häufig vorkommenden Merkmale jugendlicher Sprache in Frankreich zu geben, indem deren typische Verwendung in den von mir untersuchten Zeitschriften aufgezeigt werden soll. Das Aufzeigen aller vorkommenden Merkmale, sowie die Unterscheidung zwischen geschlechterspezifischen und altersspezifischen Merkmalen, würde den Rahmen dieser Arbeit nicht gerecht werden.
1.1 Was ist Jugend?
Innerhalb der modernen Soziologie wird das menschliche Leben in 3 Phasen eingeteilt: Kind, Jugendlicher, und Erwachsener (vgl. Jacob 1988, 340), wobei festzuhalten ist, dass diese Gliederung kulturell/gesellschaftlich bestimmt ist und das Ausmaß an Jugendlichkeit in enger Verbindung mit dem Entwicklungsstand der jeweiligen Gesellschaft steht (vgl. Chun 2007, 4). Generell lässt sich sagen, dass die Jugendphase, zumindest innerhalb Europas, als Übergangsstadium hin zum Erwachsenen bezeichnet werden kann. Allerdings muss diese Phase weiterhin eingegrenzt werden, wobei sich hier eine Orientierung an biologischen wie auch sozialen Kriterien anbietet:
„Die Phase der Jugend liegt für den einzelnen zwischen biologischer Geschlechtsreife, also 12 bis 13 Jahren, und sozialer Reife, die vielfach mit 25 Jahren noch nicht erreicht ist (...). Jugendlicher ist also, wer die biologische Reife erlangt hat, aber noch nicht die soziale Reife.“ (Kohrt & Kucharczik 1998, 28)
Dementsprechend, sowie an die Schell Jugendstudie von 2006 (Hurrelmann 2006) anknüpfend, wird Jugend in dieser Arbeit als Alter zwischen 12 und 25 Jahren verstanden. Innerhalb der Jugendzeit durchlaufen die Jugendlichen mehrere wichtige Stationen, wie die Pubertät, das Ende der Schulzeit, den Beginn der Berufsausbildung bzw. den Beginn des Studiums, die Loslösung vom Elternhaus und die Identitätsfindung, die letztendlich zum Erlangen der sozialen Reife und der damit in Verbindung stehenden finanziellen und emotionalen Autonomie führt. Ergänzend lässt sich sagen, dass die Jugendzeit sich zunehmend hinauszögert, da sich die verpflichtende Schulbildungszeit mit einer anschließenden Berufsausbildung, sowie einem eventuellen Hochschulstudium wesentlich verlängert und somit der Eintritt ins Berufsleben erst später erfolgt, als noch vor 40 Jahren (vgl. Chun 2007, 7).
1.2 Was ist Jugendsprache?
In der derzeitigen Sprachforschung gibt es eine große Anzahl an höchst unterschiedlichen bzw. uneinheitlichen Bezeichnungen und Begriffsbestimmungen der jugendlichen Kommunikation (z.B. Sondersprache, Gruppensprache, Varietät), die sogar bis zur Inexistenz der Jugendsprache reichen: „Es gibt nicht die Jugendsprache, sondern das Sprechen von Jugendlichen“ (Gloy, Bucher, Cailleux 1985, 115-120). Die Frage, ob Jugendsprachen linguistisch als eine Varietät, als sprachliche Register oder als subkulturelle Sprachstile zu bestimmen sind, ist von der Forschung noch nicht endgültig geklärt (vgl. Neuland 2007, 13). Daher ist eine klare und eindeutige Zuordnung bzw. Definition von Jugendsprache sehr schwierig. Eva Neuland definiert beispielsweise Jugendsprache als „ein mündlich konstituiertes, von Jugendlichen in bestimmten Situationen verwendetes Medium der Gruppenkommunikation und durch die wesentlichen Merkmale: - der gesprochenen, - der Gruppensprache – und der kommunikativen Interaktion gekennzeichnet“ (Neuland 2007, 13). Uta Helfrich hingegen beschreibt Jugendsprache als „divergierende jugendsprachliche Varietät“(Helfrich 2003, 93). Laut Schlobinski wird Jugendsprache von den Jugendlichen selbst als „Element einer Entwicklungsphase“ betrachtet, der sie durchaus kritisch bis kritisch-positiv gegenüberstehen: „Sie stehen sich das Recht zu, mit Sprache zu experimentieren [...] Sprachkonventionen zu durchbrechen.“ (Schlobinski 1993, 187). Jugendsprache entwickelt sich aus unterschiedlichen Gründen. Besonders der Wunsch nach Abgrenzung durch Sprache gegenüber den Erwachsenen, sowie die Identifikation mit der eigenen Gruppe, sind wesentliche Merkmale. Jugendsprache ist dementsprechend in erster Linie ein identitäres Mittel, welches zur (sozialen) Abgrenzung bzw. Schaffung eigener Sprachrealität beisteuert und der Lust am Spielen mit Sprache Rechnung trägt (vgl. Kundegraber 2008, 51). Heute wird ganz überwiegend von der These der Heterogenität Jugendsprachlicher Erscheinungsformen ausgegangen bzw. von dem Fehlen von Homogenität, auf Grund der vielen unterschiedlichen Gruppierungen und Szenen Jugendlicher und der Vielstimmigkeit und Vielgestaltigkeit von Jugendsprache (vgl. Neuland 2007, 13f). Des Weiteren sind neben den zuvor genannten Merkmalen auch differentielle, soziokulturelle Merkmale wie Alter, Geschlecht, regionale und soziale Herkunft der Jugendlichen wichtige Merkmale bei der Beschreibung von Jugendsprache. Besonders deutlich werden diese soziokulturellen Merkmale beispielsweise an der „provozierenden Verwendung anstößiger Ausdrucksweisen der niedrigsten Stilschicht, v.a. Vulgarismen“ (Neuland 2007, 16). Obwohl es sich bei der Jugendsprache um ein „orales Phänomen“ (Kundegraber 2008, 14) handelt, treten jugendsprachliche Elemente besonders häufig innerhalb der neuen Medien auf, wie z.B. beim Schreiben von SMS, beim Nutzen von Instant Messaging Programmen sowie bei der Chat-Kommunikation.
Kundegraber fasst die Gründe für das Bestehen von Jugendsprache in Anlehnung an Hermann Ehrmann (1993, 64-73) folgendermaßen zusammen:
- Identitärer Aspekt: Sprache als Ausdruck eigener Identität und einer bewussten Abgrenzung zur „korrekten“ Erwachsenensprache.
- Fehlen von adäquaten Äquivalenten in der „Erwachsenensprache“ wie z.B. „meuf“ – „femme“; „meuf“ ist konnotativ keinesfalls Äquivalent von „femme“
- Initiatorischer Aspekt: Sprache als Assimilationsinstrument, Teilnahme und Einführung in eine Gruppe bzw. als Übergangsritus
- Aspekt der „Coolness“: Sprache als Ausdruck von Verhalten
- Ausdruck und Bedürfnis nach individueller Originalität und Kreativität bzw. das Bedürfnis, mit Sprache zu spielen
- Kompensationsinstrument jugendlicher Unsicherheit: als Teil einer Sprachgruppe
- Ausdrucksmöglichkeit jugendlicher Emotionen/ Protest gegen bestehende (Sprach-) Konventionen
All diese Aspekte können, in unterschiedlich ausgeprägter Gewichtung, ausschlaggebend für das Benutzen von Jugendsprache sein (vgl. Kundegraber 2008, 50). Weiterhin lässt sich sagen, dass die Existenz besonderer Sprechweisen von Jugendlichen in vielen Ländern Europas und außerhalb Europas dokumentiert wird und demnach als „ein internationales Phänomen“ erscheinen (vgl. Neuland 2007, 11).
2. Französische Jugendsprache
Obwohl es keine einheitliche Begriffsdefinition für Jugendsprache gibt, muss für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung eine genauere Bezeichnung für jugendliche Kommunikation in Frankreich gefunden werden. Hier bietet sich die soziolinguistische Definition von Scherfer (2008, 149) an: Er definiert eine Varietät „als ein Sprachverhalten, das auf der Relation zwischen einem Bündel bestimmter kommunikativ relevanter nicht-sprachlicher Merkmale und einem Bündel bestimmter sprachlicher Merkmale beruht.“ Innerhalb der französischen Sprachgemeinschaft gibt es eine Standardvarietät. Darüber hinaus gibt es bestimmte Varietäten, die neben der Standardvarietät existieren, wie z.B. die Dialekte. Außerdem gibt es Varietäten einer anderen Varietät, wie z.B. „regionale Akzente“ oder soziale Varietäten (vgl. Scherfer 2008, 149). Die unterschiedlichen Varietäten stehen zueinander in einer sehr komplexen Beziehung mit fließenden Übergängen. Laut Scherfer ist die Sprache der französischen Jugendlichen soziolinguistisch als eine der verschiedenen sozialen Varietäten der gesprochenen französischen Standardvarietät aufzufassen und wird somit als die „altersspezifische soziale Varietät der Jugendlichen des heutigen Frankreichs“ betrachtet (Scherfer 2008, 149). Weiterhin wird diese Varietät als spezifisches Sprachverhalten angesehen, welches Jugendliche ab einem Alter von 10-12 Jahren und durch den Zugang zum collège in einem stärker werdenden Maße annehmen können. Dieses Sprachverhalten wird mit dem Eintritt in das Berufsleben, meist im Alter zwischen 20 und 25 Jahren, in zunehmendem Maße abgelegt. Ob dieses jugendliche Sprachverhalten Anwendung findet, hängt unter anderem von der Absicht des Sprechers, der Identität als Jugendlicher und dem jeweiligen Gesprächspartner ab (vgl. Scherfer 2008, 150). Somit kann sowohl eine Abgrenzung vom Gesprächspartner stattfinden als auch gemeinsame Altersgruppenzugehörigkeit (Zugehörigkeit zur „peergroup“) ausgedrückt werden. Im Folgenden soll nun die „altersspezifische soziale Varietät französischer Jugendlicher“ auf nicht-sprachliche Merkmale und sprachliche Merkmale hin untersucht werden.
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