Die Frage nach Gesellschaften und Systemen beschäftigt Wissenschaftler schon seit der Antike. Nicht nur Soziologen, sondern auch Akademiker anderer Disziplinen wie der Politikwissenschaft und der Philosophie gingen der Frage nach, unter welchen Voraussetzungen und vor allem zu welchem Zweck sich Akteure zu sinnhaften Einheiten zusammenschließen. Rühl bezeichnete diese Forschungen „zum geschätzten und verbreiteten Erkenntnisinstrumentarium der Wissenschaften.“ ( Rühl 1969: 185)
Die prägende Bedeutung dieser Studien zeigte sich vor allem in der Aufklärungsepoche, in der nahezu die gesamte Staatsauffassung von systemischem Denken geprägt war. Spätaufklärungsphilosophen wie Kant, Fichte und Hegel beschäftigten sich mit einer Menge von Elementen und ihren Beziehungen zueinander und die Bewusstseinsphilosophen Schelling und Feuerbach gingen den Phänomenen systemischer Organisation nach. (vgl. Hohlfeld 1999: 13)
In der modernen Systemtheorie war es der Biologie vorbehalten, ein neues wissenschaftliches Paradigma zu schaffen. Ludwig von Bertalanffy entwickelte eine allgemeine Systemtheorie als Gegenentwurf vor allem zur Physik, die versuchte gemeinsame Gesetzmäßigkeiten in physikalischen, biologischen und sozialen Systemen zu finden und zu formalisieren. Er kritisiert darin vor allem die Betrachtung von Einzelphänomenen und hält diese für nicht realitätsnah genug, um komplexe Umweltstrukturen zu beschreiben, vielmehr sei die Betrachtung von Vernetzungen nötig: „There exist models, principles, and laws that apply to generalized systems or their subclasses, irrespective of their particular kind, the nature of their component elements, and the relation or 'forces' between them. It seems legitimate to ask for a theory, not of systems of a more or less special kind, but of universal priciples applying to systems in general. In this way we postulate a new discipline called General System Theory. Its subject matter is the formulation and derivation of those principles which are valid for systems in general.” (Bertalanffy 1968: 34)
Aufbauend auf der Basis, dass jedes System mehrere, spezifisch angeordnete Bestandteile hat, ergibt sich die Folgerung, dass alle Bestandteile, die nicht zu einem System gehören, dessen Umwelt ausmachen. Das Paradigma, welches dieser System-Umwelt-Differenz zu Grunde liegt, ist entscheidend für die zwei zu behandelnden Theorien dieser Hausarbeit.
Inhaltsverzeichnis
- 1 EINLEITUNG – AUF DEM WEG ZUR SYSTEMTHEORIE.
- 2 TALCOTT PARSONS STRUKTURELLE SYSTEMTHEORIE
- 3 NIKLAS LUHMANNS FUNKTIONALE SYSTEMTHEORIE.
- 4 DIE THEORIEN PARSONS UND LUHMANNS IM VERGLEICH
- 5 PRAXIS: SYSTEMTHEORIEN IM JOURNALISMUS.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert zwei bedeutende Systemtheorien, die von Talcott Parsons und Niklas Luhmann entwickelt wurden. Ziel ist es, die Grundannahmen, zentralen Konzepte und Unterschiede beider Theorien darzustellen und anschließend auf die Anwendung im Bereich des Journalismus einzugehen.
- Entwicklung und zentrale Konzepte der strukturellen Systemtheorie von Parsons
- Entwicklung und zentrale Konzepte der funktionalen Differenzierungstheorie von Luhmann
- Vergleich der beiden Theorien in Bezug auf ihre Grundannahmen und Methodologie
- Anwendung von Systemtheorien auf das System des Journalismus
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung - Auf dem Weg zur Systemtheorie
Das Kapitel stellt die historische Entwicklung des systemischen Denkens dar, beginnend mit der Antike und der Bedeutung dieses Denkens in der Aufklärungsepoche. Es wird die Bedeutung von Ludwig von Bertalanffys allgemeiner Systemtheorie hervorgehoben, die den Weg für die beiden zu behandelnden Theorien von Parsons und Luhmann ebnete.
2 Talcott Parsons strukturelle Systemtheorie
Dieses Kapitel beleuchtet die Grundpositionen des Strukturfunktionalismus von Talcott Parsons, der das Individuum als handlungsfähige Einheit im Mittelpunkt sieht. Es werden die vier Systeme (soziales System, kulturelles System, Persönlichkeitssystem, Verhaltensorganismus) und das AGIL-Schema vorgestellt, welches die Funktionen der Systeme für den Systemerhalt beschreibt.
Schlüsselwörter
Systemtheorie, Strukturfunktionalismus, Soziale Systeme, Funktionale Differenzierung, Talcott Parsons, Niklas Luhmann, Journalismus, Handlungstheorie, Integration, Normen, Werte, AGIL-Schema, Selbstregulation.
- Quote paper
- Timo Evers (Author), 2010, Systemtheorie Parsons und Luhmanns, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158286