Nach Jurij M. Lotmans Verständnis vom „künstlerischen Raum“ konstituiert jedes narrative Werk durch Sprache einen mehrdimensionalen Raum seiner Handlung, der nicht bloß eine dekorative Umrahmung des Geschehens darstellt, sondern eine besondere Funktion erfüllt (Lotman, S. 347). Dieses Raummodell basiert auf der Annahme, menschliche Wahrnehmung sei primär visuell strukturiert, was eine topologische Organisation der Vorstellungs- und Wahrnehmungsinhalte zur Folge hat, die auch in der Literatur zum Tragen kommen (Martinez/Scheffel, S. 143).
Im Zentrum von Lotmans erzähltheoretischen Überlegungen steht der Begriff des Sujets, der eng mit dem Begriff des Ereignisses verknüpft ist (Lotman, S. 348). Die globale Struktur ei-nes sujethaften Textes besteht aus drei Elementen: Es existiert ein semantisches Feld, das in zwei komplementäre Untermengen geteilt ist. Die Grenze zwischen diesen beiden Feldern ist für gewöhnlich nicht permeabel. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein die Handlung tra-gender Held, der einen Grenzübertritt vollziehen kann (Lotman, S. 356). Dieser Grenzübertritt verleiht der Erzählung ihre Dynamik und kann nach der Erweiterung des Begriffes von Mar-tinez/Scheffel nicht nur revolutionär, sondern auch restitutiv sein (die Grenzüberschreitung scheitert oder wird rückgängig gemacht) (Martinez/Scheffel, S. 141).
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Das vorliegende Essay beschäftigt sich mit der Frage, ob Stephenie Meyers „Twilight Saga“ ein sujethafter Text ist [...]
Inhaltsverzeichnis
- Die Struktur des Raumes in Stephenie Meyers „Bis(s) zum Morgengrauen“ nach Jurij M. Lotmans Raumsemantik
- Jurij M. Lotmans Raumsemantik
- Die erzählte Welt in Stephenie Meyers „Twilight Saga“
- Meteorologische und thermische Komponenten
- Grenzübertritte in der erzählten Welt
- Das Element der Kälte in Stephenie Meyers „Bis(s) zum Morgengrauen“
- Die Bedeutung der Kälte im Roman „Bis(s) zum Morgengrauen“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay analysiert die räumliche Struktur des ersten Bandes der „Twilight Saga“ von Stephenie Meyer im Kontext von Jurij M. Lotmans Raumsemantik. Ziel ist es, zu untersuchen, ob die erzählte Welt des Romans als sujethafter Text nach Lotmans Theorie verstanden werden kann und welche Arten von Gegensatzpaaren im Text vorkommen.
- Die Teilung der erzählten Welt in zwei verschiedene Räume mit nicht-permeabler Grenze
- Die Rolle meteorologischer und thermischer Komponenten in der Charakterisierung der Räume
- Die schrittweise Grenzüberschreitung der Hauptfigur durch den Verlauf des Romans
- Die Bedeutung des Motivs der Kälte als Ausdruck der Vampirthematik
- Die Verbindung von räumlichen und semantischen Gegensatzpaaren im Text
Zusammenfassung der Kapitel
Die ersten Kapitel des Romans belegen die grundsätzliche Teilung der erzählten Welt in zwei Räume: den „natürlichen“ Raum in Forks, der die Schule und den Wald umfasst, und die Welt der Vampire, die sich als Teil der menschlichen Welt, aber dennoch von ihr getrennt, darstellt. Die Familie Cullen wird als Beispiel für diese Trennung angeführt, da sie sich in ihrem Leben bewusst von den Menschen zurückzieht. Die Grenze zwischen beiden Welten wird als nicht-überschreitbar dargestellt, da Menschen, die zu viel über die Vampire erfahren, entweder sterben oder in die Vampirwelt übergehen.
Die Analyse beleuchtet die meteorologischen und thermischen Komponenten der beiden Räume, wobei Forks als eine Stadt im „ewig trüben Dämmerlicht“ und Phoenix als sonnige und heiße Gegenwelt dargestellt wird. Der Roman verbindet die Kälte und Nässe von Forks direkt mit der Vampirthematik, während die Sonne und Wärme für die menschliche Welt stehen. Die Kälte und Nässe in Forks nehmen zu, sobald Bella mit Edward in Kontakt tritt und sein Geheimnis lüftet. Der Roman endet mit der Darstellung des frostigen Klimas in Forks, das die Annäherung von Bella und Edward und die Offenbarung von Edwards übernatürlichen Fähigkeiten symbolisiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter des Essays sind Raumsemantik, Jurij M. Lotman, „Twilight Saga“, Stephenie Meyer, „Bis(s) zum Morgengrauen“, sujethafter Text, Grenzübertritt, Gegensatzpaare, meteorologische und thermische Komponenten, Kälte, Nässe, Sonne, Wärme, Vampir, Mensch, Familie Cullen, Forks, Phoenix.
- Quote paper
- Katharina Beyer (Author), 2010, Die Struktur des Raumes in Stephenie Meyers „Bis(s) zum Morgengrauen“ nach Jurij M. Lotmans Raumsemantik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158293