Kultur der Frau. Differenz zwischen Frau sein und 'Frau(en)' repräsentieren


Essay, 2010

6 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Kultur der Frau. Differenz zwis chen Frau sein und ‚Fr au (en)’ repr äsentieren.

Das Außerhalb dient dem Leben, das genau dort nicht stattfindet, sonst wären wir alle ja nicht mittendrinnen, im Vollen, im vollen Menschenleben, und es dient der Beobachtung des Lebens, das immer woanders stattfindet. Dort, wo man nicht ist.1

Vor nunmehr sechs Jahren erhielt die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek den Nobelpreis für Literatur. Man müsse den Preis unweigerlich annehmen; gerade deshalb weil man ihn nicht nur für sich selbst, also für die eigene künstlerische Leistung, sondern weil man ihn stellvertretend für alle Frauen erhalten hat, konstatiert die Preisträgerin in einem Interview mit dem ORF2, unmittelbar nach der erfreulichen Nachricht aus Schweden. Die Tatsache, dass Elfriede Jelinek diesen Preis nicht nur für ihr Schaffen erhalten hat, sondern gerade aufgrund ihrer Re-Präsentationsfunktion, lässt die kulturelle Differenz erhahnen, die innerhalb einer Frau/‚Frau’ schlummert. Elfriede Jelinek steht als öffentliche Person nicht nur für ihre literarische Tätigkeit, sondern auch für das Kulturgut ‚Frau’.

Diese Differenz ist nun im Groben schnell zusammengefasst, aber en detail schwer diskursiv zu fassen bzw. zu trennen. Man ist nicht nur das, was man ist, sondern ist auch das, was man repräsentiert bzw. unweigerlich repräsentieren muss. Im Besonderen Fall des Weiblichen bzw. des Frau-seins und Frau-repäsentierens: man ist Frau und zugleich repräsentiert man als

‚Frau’ eine ganze Kultur. Die Kultur der ‚Frau’; an diesem Punkt gilt es zu unterscheiden zwischen natürlich-biologischen Prämissen des Weiblichen und kulturellen Gegebenheiten bzw. gesellschaftskulturellen Konnotationen der ‚Frau’2. Oberflächlich betrachtet, können Menschen von ihren körperlichen Gegebenheiten als weiblich oder männlich klassifiziert werden3. Die dieser Unterscheidung inhärenten Funktion ist unweigerlich eine gesellschaftliche Konnotierung und Einordnung in kulturelle Systeme und Anordnungen. Aber grundsätzlich gibt die Natur diesen Duktus aufgrund verschiedener Geschlechtsverhältnisse auch vor. Die daraus entstehenden und kulturell aufgeladenen,

„selbstgesponnene[n] Bedeutungsgewebe“4 (Kultur5 ) sind Teil menschlicher Existenz und auch möglicher Abgrenzung vom Tierisch-Animalischen. Biologisch betrachtet liegt diese geschlechtliche Differenz zwischen ‚weiblich’ und ‚männlich’ in einer unterscheidbaren körperlichen Konstitution. Versucht man diese anatomische Geschlechtlichkeit jedoch innerhalb eines kulturellen Systems zu diskutieren bzw. in ihren Gegebenheiten aufzudröseln eröffnet sich im Bezug auf ‚Weiblichkeit’ ein kulturelles Problem.

„Eine Frau zu ‚sein’, ist sicherlich nicht alles, was man ist.“6 Mit ihrem Abschnitt Die Subjekte von Geschlecht/Geschlechtsidentität/Begehren innerhalb ihrer theoretischen Abhandlung Das Unbehagen der Geschlechter postuliert Judith Butler einen immens wichtigen Ansatz für den Diskurs rund um eine Kultur der Frau (Geschlechtsidentitäten). Anschließend an das eingangs beschriebene Beispiel bezüglich Elfriede Jelinek tut sich das Problemfeld zwischen der Repräsentationsfunktion als ‚Frau’ und dem Frau sein weiter auf. Begrifflichkeiten des Weiblichen und der Frau sind gesellschaftlich konnotiert. Sie vermitteln unabhängig jedweder Kultur immer gesellschaftlich festgelegte Codes. Schlagworte wie Feminismus und Emanzipation stellen sich im westlichen Kulturraum diesbezüglich die Frage nach der Veränderbarkeit und Steuerung solcher Gegebenheiten.

Es genügt also nicht zu untersuchen, wie Frauen in Sprache und Politik vollständiger repräsentiert werden können. Die feministische Kritik muß auch begreifen, wie die Kategorie ‚Frau(en)’, das Subjekt des Feminismus, gerade durch jene Machtstrukturen hervorgebracht und eingeschränkt wird, mittels derer das Ziel der Emanzipation erreicht werden soll.7

Die fast schon ironische Problematik des ganzen feministisch-politischen Diskurses reicht wohl noch weiter als das, was Judith Butler mit ihrem Verweis auf die konstituierenden Machtstrukturen derselben Kategorien, die der Feminismus zu verteidigen versucht, beschreibt. Nicht nur dass diese Kategorien Mann und Frau von den Machtstrukturen selbst konstruiert wurden, sondern auch dass beispielsweise die Forderungen einer gendergerechten

[...]


1 Elfriede Jelinek, „Im Abseits“, 2005, http://www.elfriedejelinek.com/, 01.05.2010.

2 Vgl. Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Übers. Brigitte Luchesi/Rolf Bindemann, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 9 & S. 15.

3 Diese oberflächliche Betrachtung soll an diesem Punkt genügen; gleichzeitg muss aber auch klar sein, dass eine strikte, biologische Unterscheidung nicht unbedingt wissenschaftlich korrekt bzw. diskursiv genug ist; für den hier zu erläuternden Sachverhalt aber durchaus ausreichend.

4 Geertz, Dichte Beschreibung, 1991, S. 9.

5 Vgl. Ebd., Kulturbegriff von Geertz soll an dieser Stelle ausreichen um sich der eigentlichen Problematik nähern zu können.

6 Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Übers. Kathrina Menke, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008, S. 18.

7 Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, 2008, S. 17.

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Kultur der Frau. Differenz zwischen Frau sein und 'Frau(en)' repräsentieren
Note
2
Autor
Jahr
2010
Seiten
6
Katalognummer
V158750
ISBN (eBook)
9783640755820
ISBN (Buch)
9783640755981
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jelinek, Frau, Emanzipation, Gender
Arbeit zitieren
Thomas Ochs (Autor:in), 2010, Kultur der Frau. Differenz zwischen Frau sein und 'Frau(en)' repräsentieren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158750

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