Mit dieser Arbeit möchte ich die Effekte der Direktdemokratie auf den Sozialstaat prüfen, und damit auch gegebenenfalls die Ergebnisse dieser Studie widerlegen. Trifft die fiskalisch restriktive Wirkung auch auf Sozialpolitik zu? Oder erhöhen plebiszitäre Elemente die Sozialausgaben aufgrund des sogenannten „Robin-Hood-Effekts“? Eine dritte Möglichkeit wäre, dass sie lediglich als Blockade fungieren und nach Tsebelis’ Vetospielertheorie den Status Quo verteidigen. Damit hätten sie eine stark verzögernde Wirkung und würden so auch den Ausbau des Sozialstaates in einer Zeit der Konsolidierung bei den Nachbarstaaten erklären. Auch einen letzten, nämlich den Fall, dass Volksabstimmungen gar keine Folgen auf Sozialausgaben haben, könnte man in Betracht ziehen. Allerdings kann ich vorweg nehmen, dass dies nicht der Fall ist.
Da sich in der Schweiz im Bereich der (Sozial-) Gesetzgebung ein komplexes System, stark beeinflusst durch Föderalismus, Direktdemokratie und Korporatismus, herausgebildet hat, gibt es wenig umfangreiche empirische Studien zu diesem Thema. Herbert Obingers und Uwe Wagschals Studie ist meiner Einschätzung nach die am besten strukturierteste – beide Autoren sind führende Köpfe in diesem Forschungsgebiet. Dennoch gibt es Kritikpunkte, an denen ich mit meiner Arbeit ansetzen möchte. Um die Frage nach der Wirkung von Volksabstimmungen auf Sozialpolitik zu beantworten verfahre ich nun wie folgt:
Den Grundstein meiner Darlegungen setze ich mit der Analyse von argumentativen Schwächen der Wagschal-Obinger-Aufsätze. Entscheidend hierbei wird der meiner Arbeit zugrunde liegende Sozialpolitikbegriff in Abgrenzung zu dem der Autoren sein. Aber auch die wichtige Unterscheidung von Ausgabenniveau-, Struktur- und Verzögerungseffekt wird von mir behandelt.
Im Kern meiner Arbeit führe ich die direktdemokratischen Elemente der schweizerischen Verfassung mit einer kurzen Definition ein und liefere jeweils eine eigene quantitative Zuordnung dieser Elemente, greife also aus dem Fundus der gesamten Referenden und Volksinitiativen die sozialpolitisch relevanten heraus. Ziel ist auf Basis eines engen Sozialpolitikbegriffs eine aktuelle Gesamtübersicht aufzustellen, die die Ablehnung und Annahme sozialpolitischer Gesetzesinitiativen durch das Volk, und eine Gewichtung der Themen verdeutlicht. So ziehe ich erste qualitative Schlüsse.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitende Fragestellung
- II. Darlegung
- 1. Wagschal/ Obinger - Argumentative Schwächen zur Klärung der Wirkungen auf Sozialausgaben
- 1.1. Fiskalpolitik versus Soziale Sicherung (Definition von Sozialpolitik)
- 1.2 Zwischenfazit
- 2. Quantitative Analyse der Volksabstimmungen 1848-2005
- 2.1 Das obligatorische Referendum
- 2.2 Das fakultative Referendum
- 2.3 Die Volksinitiative
- 2.4 Das Gesamtbild
- 3. Qualitative Analyse der sozialpolitisch relevanten Volksinitiativen 1990-2005
- 3.1 Initianten
- 3.2 Wirkungen
- 4. Fazit
- 1. Wagschal/ Obinger - Argumentative Schwächen zur Klärung der Wirkungen auf Sozialausgaben
- III. Literaturangaben
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss direktdemokratischer Elemente auf die Sozialpolitik der Schweiz, insbesondere im Kontext der Ergebnisse der Studie von Wagschal/Obinger (1999). Sie zielt darauf ab, die Hypothese der Autoren, dass plebiszitäre Elemente einen retardierenden Effekt auf Sozialausgaben haben, zu prüfen und gegebenenfalls zu widerlegen.
- Definition und Abgrenzung von Sozialpolitik im Vergleich zu Fiskalpolitik
- Quantitative Analyse der sozialpolitisch relevanten Volksabstimmungen in der Schweiz
- Qualitative Untersuchung der Initianten und Wirkungen von Volksinitiativen auf die Sozialpolitik
- Bewertung der Ergebnisse von Wagschal/Obinger im Kontext der eigenen Befunde
- Analyse der Auswirkungen von Direktdemokratie auf den Ausbau des Sozialstaates in der Schweiz
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Analyse der argumentativen Schwächen der Wagschal/Obinger-Studie, wobei der Fokus auf die Definition von Sozialpolitik und die Unterscheidung von Ausgabenniveau-, Struktur- und Verzögerungseffekt gelegt wird. Kapitel 2 präsentiert eine quantitative Analyse aller sozialpolitisch relevanten Volksabstimmungen in der Schweiz, um die Häufigkeit und Gewichtung von Themen in Bezug auf die Annahme und Ablehnung von sozialpolitischen Gesetzesinitiativen zu untersuchen. Kapitel 3 widmet sich der qualitativen Analyse der sozialpolitisch relevanten Volksinitiativen, indem es Fragen nach Initianten und möglichen Wirkungen auf die Sozialpolitik beleuchtet.
Schlüsselwörter
Sozialpolitik, Direktdemokratie, Schweiz, Volksabstimmungen, Referendum, Volksinitiative, Wagschal/Obinger, Fiskalpolitik, Sozialausgaben, Vetospielertheorie, Wohlfahrtsstaat, Konsolidierung, Föderalismus, Korporatismus.
- Arbeit zitieren
- Benjamin Scholz (Autor:in), 2006, Einfluss direktdemokratischer Elemente auf die Sozialpolitik der Schweiz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158845