Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Input
2.1. Kritische Theorie und Dialektik der Aufklärung
2.2. Kulturindustrie
3. Rezeption in den 60er und 70er Jahren
3.1. „Einflüsse von Funk und Fernsehen auf lebendiges Singen". Referat von Ernst Klüsen
3.2. „Volkstümliches Erzählgut im Unterricht". Referat von Wolfgang Brückner
4. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Welt in der wir leben ist eine Schnelllebige. Haben wir uns gerade eben noch mit dem neuesten Stand der Technik beschäftigt, ist diese im nächsten Moment schon wieder überholt und nicht mehr up-to-date. Die Menschen, vor allem jene Personen die im Dienste der Wissenschaft forschen, wollen immer höher, immer weiter, immer schneller an ein Ziel gelangen, welches sie selbst noch nicht einmal sehen, und ziehen mit diesem Denken die ganze Gesellschaft und somit jedes einzelne Individuum in diesen Bann. Alle wollen Teil des großen Ganzen, und somit dieser schnelllebigen Welt, sein. An der Stelle, wo man bemüht ist möglichst viele Personen an diesem Phänomen teil haben zu lassen, treten Massenkommunikationsmittel und Massenkultur auf. Unzählige Menschen pilgern zu Filmen, Museen und Kunstwerken, von denen sie meinen, diese Art von „Kunst" konsumieren zu müssen. Dem Begriff „Konsument" steht jener des „Anbieters" gegenüber. Dieser stellt Kultur bereit, die im wahrsten Sinne des Wortes gekauft und wieder weggeworfen werden kann. So will man Individuen gleich und unkritisch machen, damit sie sich nicht gegen die gesellschaftlichen Gegebenheiten wehren. Erich Fromm drückt dies in seinem Buch „Die Kunst des Liebens" (1956) wie folgt aus: „Die heutige Gesellschaft predigt das Ideal einer nicht-individualisierten Gleichheit, weil sie menschliche Atome braucht, die sich untereinander völlig gleichen, damit sie im Massenbetrieb glatt und reibungslos funktionieren, damit allen den gleichen Anweisungen folgen und jeder trotzdem überzeugt ist, das zu tun, was er will. Genauso wie die moderne Massenproduktion die Standardisierung der Erzeugnisse verlang, so verlangt auch der gesellschaftliche Prozeß die Standardisierung des Menschen, und diese Standardisierung nennt man dann „Gleichheit"" (Fromm 1956, S.26). Eine ähnliche Auffassung, wie die Gesellschaft funktioniert und somit alle Akteur/innen in ihren Aufgaben miteinschließt, haben auch Theodor W. Adorno und Max HORKHEIMER. Sie legen mit ihrer Schrift „Dialektik der Aufklärung" (1947), welches als Hauptwerk der Kritischen Theorie zählt, einen Grundbaustein für die Kritik an der Gesellschaft. Der damit verbundene Begriff „Kulturindustrie" schlägt weite Wellen, welche bis in die Europäische Ethnologie eindringen und diese in ihrem Selbstverständnis als auch der Präsentation von Kultur nach außen nicht unwesentlich beeinflussen. Diese hier genannten Phänomene werden in der vorliegenden Arbeit beschrieben und enden in der Darstellung der Rezeption der Kritischen Theorie in der Europäischen Ethnologie der 1960er und 1970er Jahre. Ein abschließendes Resümee überblickt den Diskurs.
2. Theoretischer Input
2.1. Kritische Theorie und Dialektik der Aufklärung
Adorno und HORKHEIMER kritisieren die Manipulation des Menschen durch die technische Struktur des Spätkapitalismus. In ihrem Werk „Dialektik der Aufklärung" aus dem Jahr 1947 formulieren sie dies deutlich. Ziel der Aufklärung ist es, die Menschen einer Gesellschaft in Richtung autonomer Individuen zu bewegen und diese im Sinne einer praktischen Philosophie zu aktivieren selbstständig zu denken und zu handeln. Personen sollen nicht nur darüber nachdenken sondern auch in gesellschaftliche Gegebenheiten eingreifen und jene verändern. Diese Denkweise geht allerdings davon aus, dass die Individuen einer Gesellschaft unzufrieden mit den Zuständen sind, in denen sie leben.
Der Mensch verliert durch die Industrialisierung seine Menschlichkeit, er wird zum Ding. „Der Kunde ist nicht, wie die Kulturindustrie glauben machen möchte, König, nicht ihr Subjekt, sondern ihr Objekt" (Adorno 1967, S.60) Die Technik macht das Individuum zu einer unfreien Person, da die Welt durch und durch davon verwaltet und nach ihr ausgerichtet ist, was die Schnelllebigkeit der gesellschaftlichen Gegebenheiten erklärt. „Technische Rationalität heute ist die Rationalität der Herrschenden selbst" (HorkheimeR/Adorno 1969, S.129). Die Problematik beginnt, wenn sich die „res cogitans", der Geist, mit der „res extensa", dem körperlichen und materiellen Dasein des Menschen, im Gegensatz zu DESGAR- TES Ausführungen, der diese strikt trennte, vermischen. Es sind zwei Welten, die nur in Wechselbeziehung zueinander bestehen können. HORKHEIMER formulierte dies so: „Das Sein prägt das Bewusstsein". Je mehr der Mensch von der Außenwelt durch Massenmedien und Massenkommunikationsmittel (Facebook, StudiVZ, etc.) beeinflusst wird, desto mehr werden jene Gegebenheiten zu seinem Bewusstsein und somit zu seinem Denken und Handeln. Der entfremdete Mensch wird vielmehr von einer äußeren Macht an Stelle seiner inneren Bedürfnisse gelenkt. Dadurch ist es dem Menschen nicht möglich seine materielle Umwelt von seiner geistigen Existenz zu unterscheiden. In dieser Folge können die Einflüsse der massenmedialen Umgebung bis ins Bewusstsein und demnach weiter in das Sein des Menschen vordringen. Er wird in seinem vollkommenen Dasein von der Massenkultur eingenommen ohne sich wehren zu können. Die einzige Verteidigung ist die kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten im Zustand der Massenkommunikation und -kultur im Sinne der von Horkheimer und Adorno formulierten „Kritischen Theorie".
Das zentrale Moment der Kritischen Theorie ist es die herrschenden Verhältnisse zu kritisieren, reflektieren und in weiterer Folge de- und rekonstruieren, denn „nicht nur fallen die Menschen (...) auf Schwindel herein, wenn er ihnen sei's noch so flüchtige Gratifikation gewährt; sie wollen bereits einen Betrug, den sie selbst durchschauen; sperren krampfhaft die Augen zu und bejahen in einer Art Selbstverachtung, was ihnen widerfährt, und wovon sie wissen, warum es fabriziert wird" (Adorno 1967, S.66). Dieses mit-dem-Strom- schwimmen gibt den Einzelpersonen Sicherheit. Neues gibt weniger Geborgenheit als Altbekanntes. Die Menschen suchen in dieser schnelllebigen Welt Halt und Stabilität und diese Verantwortung obliegt der im nächsten Kapitel näher beleuchteten, Kulturindustrie.
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