Unfallschwerpunkte in der Gummiindustrie


Praktikumsbericht / -arbeit, 2006

66 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Verfahren der Herstellung und Bearbeitung von Gummierzeugnissen

3 Betriebsgefahren und Schutzmaßnahmen
3.1 mechanische Unfallgefahren
3.2 Brand- und Explosionsgefahren
3.3 Gesundheitsgefahren

4 Häufigkeit und Schwere der Unfälle und Erkrankungen
4.1 Arbeitsunfälle
4.2 Berufskrankheiten

5 organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen

6 Prävention in der Gummiindustrie hat sich bewährt

Anhangsverzeichnis

Literaturverzeichnis

BG Chemie (Hrsg.)

Jahresbericht 2001, Heidelberg, 2002 Jahresbericht 2002, Heidelberg, 2003 Jahresbericht 2003, Heidelberg, 2004 Jahresbericht 2004, Heidelberg, 2005

Gesundheitsschutz in der modernen Kautschukindustrie wirkt, neue Forschungsergebnisse zur Entwicklung von Krebserkrankungen liegen vor, in: Sichere Chemiearbeit, 2004, Heft 11, 123

Merkblatt A 008: Persönliche Schutzausrüstungen, Heidelberg, 1996 Drexler, H. u.a.

Belastung und Beanspruchung der Bevölkerung durch Aromatische Amine - Quellen und Gesundheitsrisiken, o.J., http://www.arbeitsmedizin.uni- erlangen.de/Aromatische%20Amine Acrylamid.htm, gelesen am 03.01.2006

Gmehling, J. / Lehmann, E. / Rentel, K.-H.

Stoffbelastungen in der Gummiindustrie, in: Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz, Gefährliche Arbeitsstoffe GA 39, Bremerhaven, 1991

Gupta, Heinz / Hofmann, Werner

Handbuch der Kautschuk-Technologie, Ratingen, 2001

Hofmann, Werner

Vermeidung der Staubemission in der Gummiindustrie: Beitrag zu einem wirksamen Arbeitsschutz, in: Gummi Asbest, Kunststoffe 29, 1976, Heft 12, 852

HVBG (Hrsg.)

26 Prozent weniger Sturzunfälle am Arbeitsplatz durch Präventionskampagne der Berufsgenossenschaften, 15.07.2005, http://www.hvbg.de/d/pages/presse/pbilder/ pbild05/sturz.html, gelesen am 23.01.2006 BGR 221, Arbeiten in der Gummiindustrie, Heidelberg, 2002 UVV Arbeitsmaschinen der chemischen Industrie, der Gummi- und Kunststoffindus­trie (VBG 22), Heidelberg, 1998

TRgA „Tragzeitbegrenzungen von Atemschutzgeräten und isolierenden Schutzan­zügen ohne Wärmeaustausch für Arbeit“, BGR 190, Heidelberg, 2004, Anhang 2 Benutzung von Augen- und Gesichtsschutz (BGR 192), Heidelberg, 2001 Einsatz von Schutzhandschuhen (BGR 195), Heidelberg, 2004 Benutzung von Hautschutz (BGR 197), Heidelberg, 2001 Benutzung von Fuß- und Beinschutz (BGR 191), Heidelberg, 2001 UVV - Grundsätze der Prävention (BGV A1), Heidelberg, 2004 Arbeitsstättenverordnung, Heidelberg, 2004 Gefahrstoffverordnung, Heidelberg, 2004

Chemikaliengesetz - Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen, Heidelberg, 2003 Merget, R./Baur, X.

Lungenfibrosen in der Gummiindustrie, 21.06.2001, http://www.bgfa.ruhr-uni- bochum.de/publik/info0399/gummi.php, gelesen am 02.01.2006

Möslein, Gabriela

Prostatakrebs (Prostatatkarzinom), 01.03.2001, http://www.uni- duesseldorf.de/krebs2/krebsarten14.html, gelesen am 03.01.2006

Münzberger, E.

Modularer Lehrbrief „Einführung in die Arbeitsmedizin“, Abschnitt: Exposition gegenüber nichttoxischen Stäuben, 21.02.2005, http://arbmed.med.uni- rostock.de/lehrbrief/staub.htm, gelesen am 03.01.2006

Raulf-Heimsoth, M.

Die exogen-allergische Alveolitis - ein aktuelles Thema, 04.12.2003, http://www.bgfa.ruhr-uni-bochum.de/publik/info0303/eaa.php, gelesen am 03.01.2006

Schunk, Werner

Originalien, Arbeitshygiene und Arbeitsschutz, Zur Gefährdung der Werktätigen in der Gummiindustrie durch chemische Einsatzstoffe, in: Zeitschrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete, 1979, Heft 4, 273

Die Gefährdung von Arbeitern in der Gummiindustrie durch chemische Einsatzstoffe, in: Gummi, Asbest, Kunststoffe 37, 1984, Heft 2, 58

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Gummi zählt zu den unentbehrlichsten Produkten in der Wirtschaft. Der Grundstoff des Gummis ist Kautschuk[1]. Einige hunderte, vorwiegend in tropischen Klimazonen wachsende Pflanzen erzeugen einen milchigen Saft, der als Latex bezeichnet wird. Natürlich werden nicht alle kau­tschukerzeugenden Pflanzen industriell genutzt, da entweder die Aus­beute zu gering oder der Kautschukgehalt des Latex zu niedrig ist, oder weil der Kautschuk zu viele Harzbestandteile als Verunreinigung ent- hält.[2] Da sich Naturkautschuk erschöpft und nicht so schnell von der Na­tur nachgeliefert werden kann und die Produktion damit begrenzt, muss­ten zu Beginn des 20. Jahrhunderts[3] neue Quellen für die sich rasch entwickelnde Industrie gefunden werden. Der synthetische Kautschuk bot die Möglichkeit. Dennoch ist Naturkautschuk (NR) gefragt. Die drei größten NR-Produzenten sind Thailand, Indonesien und Malaysia mit insgesamt 72,9% der Weltproduktion.[4] Die Gummiindustrie stellt in vie­len Ländern ein Kriterium der industriellen Entwicklung dar.

In den 422 Betrieben (Anhang 1) der Gummiindustrie, die der BG Che­mie angehören, werden z.B. Reifen einschließlich runderneuerten Rei­fen, Schläuche, Profile und Halbzeuge, Transportbänder, technische Gummiartikel, Gebrauchsartikel, Spielwaren, gummierte Gewebe, Schwimmkörper, Schlauchboote, Gummi-Metallartikel und Kabel herge­stellt. Diese sind in der Gefahrtarifstelle 12, Gefahrklasse 3,1 des Ge­fahrtarifs aus dem Jahre 2001 der BG Chemie zusammengefasst. Im Jahr 2004 wurden 58 467 Vollarbeiter (Anhang 1, 2) in dem Gewerbe­zweig gemeldet.[5]

Trotz der sich immer weiter entwickelnden Technologie und der extrem hohen Sicherheitsvorkehrungen können dennoch Arbeits- Unfälle und BKen nicht ausgeschlossen werden. Wo speziell noch immer Gefahren in der Gummiindustrie zu sehen sind, soll in den folgenden Ausführungen erläutert werden.

2 Verfahren der Herstellung und Bearbeitung von Gummierzeugnissen

Die Ausgangsstoffe für die Gummiherstellung sind NR, synthetischer Kautschuk und Füllstoffe. Zur Einstellung der unterschiedlichen Eigen­schaften sind Zuschlagstoffe erforderlich. Heute werden einige hundert in reiner Form oder als Zubereitung verwendet.

Für die Herstellung von Gummimischungen ist es notwendig, die Einsatzstoffe in flüssiger (z.B. Weichmacheröle), pastöser, fester schütt- und rieselfähiger Form (pulverförmig, schuppenförmig, grob- und fein­körnig granuliert [z.B. Pulverkautschuke und Füllstoffe]) sowie in fester kompakter Form (Kautschukballen) zu verwenden.

Die Anlieferung der Stoffe erfolgt mit Tank-, Silo-, Container- oder Last­fahrzeugen. Nach der Anlieferung werden die Kautschukballen für die weitere Verarbeitung in Kautschukspaltern, Kreismessermaschinen oder Schneidmühlen zerkleinert. Anschließend erfolgt das exakte Abwiegen der Stoffe. Neben geschlossenen vollautomatischen Anlagen mit staub­freier Abfüllung in entsprechende Behälter oder Foliensäcke ist die offe­ne Einzelverwiegung der Einsatzstoffe noch immer gebräuchlich. Beim offenen Abwiegen staubender Stoffe wird durch wirksame Absaugungen an der Austrittsstelle das Einatmen der Stäube verhindert. Nach dem Abwiegen kann die großtechnische Herstellung der Gummimischungen erfolgen. Hierzu dienen Innenmischer. Die abgewogenen Mischungsbe­standteile werden über ein Förderband oder von Hand in den Füll­schacht eingegeben. Die Einfüllöffnung ist durch eine Einfüllklappe ver­schlossen, um Staub- oder Rauchaustritt zu verhindern. Das Herstellen, das Vorwärmen und das Weiterverarbeiten von Gummimischungen ge­schieht auf Walzwerken mit einer Oberflächentemperatur von ca. 55°C.

Nachdem die Gummimischung in den Walzen weiterverarbeitet wurde, gelangt es in die Kalander. Diese werden zum exakten Herstellen von Platten und zum Gummieren technischer Gewebe verwendet. Auch hier handelt es sich um Walzen mit einer durchschnittlichen Oberflächen­temperatur von 55°C.

Mit dem nachfolgenden Extruder werden z.B. Stränge, Schläuche, Profi­le und flache Bahnen hergestellt. Die Extruder mit ihrer hohen Oberflä­chentemperatur über ca. 55°C und den bewegten Teilen, wie der sich drehenden Schnecke, werden überwiegend mit Granulat oder Streifen über Trichter beschickt. Die langen flachen Bahnen werden nun in den Schneid- und Trennmaschinen geteilt. Allerdings sind die Gummiartikel noch immer plastisch. Um sie in den elastischen Zustand zu bringen, müssen sie vulkanisiert werden, d.h. einer kombinierten Druck- und Wärmebehandlung unterzogen werden. Hierbei können sich giftige Dämpfe entwickeln. Nach der Vulkanisation werden die Gummi- oder Gewebebahnen auf Wickelmaschinen auf- oder abgewickelt. Um ein Verkleben der einzelnen Gummibahnen zu verhindern, werden zwischen jede Lage z.B. Leinen oder Kunststofffolien eingebracht. Hierbei kann es zu elektrostatischen Entladungen kommen. Eine weitere Form der Vul­kanisation ist das Spritzpress- und Pressverfahren, bei dem gleichzeitig die Formgebung erfolgt.

In den darauffolgenden Streichmaschinen werden die Stoffe (Gewebe) mit Gummilösung beschichtet. Die Gewebe laufen dabei durch engge­stellte Auftragsrakelvorrichtungen, wobei ein dünner Lösungsfilm auf das Gewebe gestrichen wird. Nach mehreren Durchläufen entsteht die vor­gesehene Beschichtungsstärke. Zur Streichmaschine gehört ein der Ra­kelvorrichtung nachgeschalteter Trocknungsteil, in dem durch Wärme­einwirkung ein Teil des Lösemittels verdampft. Die Umluft kann durch Lösemittel-Rückgewinnungsanlagen gereinigt werden.

Einigen Formteilen können durch den Prozess Grate anhaften. Diese Formteile werden z.B. in Trommeln gefüllt und mit flüssigem Stickstoff abgekühlt. Beim Drehen der Trommel brechen die Grate leicht ab.

Reste der Kautschukmischungen und Trennmittel setzen sich nach län­gerem Gebrauch in den Formen ab und verschlechtern somit die Quali­tät der Formteile. Diese Verunreinigungen lassen sich mit Reinigungsmi­schungen, Strahlmitteln, oder Chemikalien (wie Laugen und Lösungsmit­teln) unter Verwendung von Ultraschall entfernen. Da darunter jedoch die Qualität der Formen leidet, wird dies nur in größeren Zeitabständen vollzogen.[6] (Anhang 3, 4)

3 Betriebsgefahren und Schutzmaßnahmen

In der Gummiindustrie existieren zahlreiche Möglichkeiten der Weiter­verarbeitung des Rohgummis mit ebenso vielfachen Betriebsgefahren in diesem Gewerbezweig. Wegen der Eigentümlichkeit des von allen Be­trieben verarbeitenden Rohstoffes sind die Gefahren häufig gleiche oder ähnliche, obwohl die Endprodukte voneinander differieren. Sie lassen sich ordnen nach mechanischen Unfallgefahren, Gefahren durch Feuer oder Explosion und Gesundheitsgefahren.

3.1. mechanische Unfallgefahren

Bei den mechanischen Unfallgefahren müssen in der Gruppe der Spezi­almaschinen der Gummiindustrie an erster Stelle die Walzwerke ge­nannt werden. Sie gehören nicht zu den Maschinen, deren Gefahrenstel­len sich durch Schutzvorrichtungen verkleiden lassen. Sie sind in allen Gummifabriken auch die am häufigsten gebrauchten Maschinen.

Die gesamte Vorbereitung des Kautschuks, vom Waschprozess ange­fangen über das Kneten und Zusetzten der Füllstoffe bis zur Fertigmi­schung, erfolgt auf Walzwerken. In ihrer Gefährlichkeit sind alle gleich und nur in der Ausbildung oder Geschwindigkeit der Walzen verschie­den. Da sich aber der Gummi, insbesondere wenn er durch Füllstoffe sehr stark gestreckt ist, auf Kalandern nur im warmen Zustand verarbei- ten lässt, muss diese Verarbeitung stets ein Vorwärmen auf einem ge­heizten Walzwerk vorausgehen.

Wie schon erwähnt, ist wegen der Eigenart der Arbeit an diesen Maschi­nen eine Abdeckung der Gefahrstelle, nämlich des Walzmundes, nicht möglich. Die Gefahr, mit der Hand zwischen die Walzen zu gelangen, ist am häufigsten beim Bearbeiten der nahezu fertigen Mischungen gege­ben. Das Fell kann sich z.B. beim Ausscheiden um die Hand des Arbei­ters wickeln, sodass diese mit in den Walzmund gezogen wird. Aber auch durch Abgleiten mit dem Messer, bei ungeschicktem Ausschnei­den, beim Versuch, Fremdkörper zu entfernen oder beim Haltsuchen infolge Ausgleitens vor der Walze können sich Unfälle ereignen. Falls die Walzen nicht zum sofortigen Stillstand kommen, sind solche Verlet­zungen fast immer sehr schwer und führen meist zur Verstümmlung oder gar zum Verlust der Hand oder des Arms. Zur Verhütung dieser Gefahr wird vor den Walzen eine Brüstung montiert, die dem Körper ei­nen Stützpunkt bietet und den Arbeiter in einem solchen Abstand hält, dass die gefährlichen Stellen bei ordnungsmäßiger Arbeitsweise mit dem Körper nicht erreicht werden können. In Kniehöhe ist eine Trittstan­ge angebracht, um die Walzen sofort zum Stehen zu bringen. Eine Reiß­leine ist über den Walzen zu sehen. Wenn man nicht mehr die Möglich­keit hatte, die Trittstange zu betätigen, so kann man immer noch durch Betätigung der Reißleine die Maschine zum Stehen bringen. Sie müssen aus jeder Position und sogar mit jedem Körperteil zu erreichen sein und schon bei leichten Bewegungen sofort reagieren.

Wenn der Arbeiter die Felle auf den Walzen schneidet, um sie wieder in die Walzwerke zu geben, muss er dafür ein sehr scharfes Messer be­nutzen. Wenn das Gummi zäh ist, kann es leicht dazu kommen, dass er mit dem Messer abrutscht und sich in den Arm schneidet. Sicherheits­messer haben sich nicht bewährt, da sie einen hohen Druck beim Schneiden fordern, was noch gefährlicher für das Abrutschen wäre. Aus diesem Grund trägt er eine Plexiglasplatte am Unterarm, um Stichverlet­zungen vorzubeugen. Damit die scharfen Messer nicht sorglos am Ar­beitsplatz liegen, werden sie an einer Art Magnettafel angebracht.

Wenn Kleinteile vulkanisiert werden, müssen zwei Platten aufeinander­gepresst werden, die sehr heiß sind. Beim Entfernen der oberen Platte kommt es oft zu Verbrennungen. Die Arbeiter sind angehalten, stets T- Shirts mit Ärmeln zu tragen, doch gerade im Sommer entsteht in der Ar­beitshalle eine enorme Wärme, sodass viele in ärmellosen Hemden oder mit freiem Oberkörper arbeiten. Obwohl die Schutzhandschuhe einen Schaft bis zum Oberarm haben, passieren gerade dort noch Verbren­nungen. Die obere Platte kann von dem viel zu kleinen Arbeitstisch leicht herunter- und dem Arbeiter am Fuß verletzen. Aus diesem Grund tragen alle Mitarbeiter Arbeitssicherheitsschuhe. Bei der Reinigung der Formen durch Druckluft können Kleinteile das Auge treffen. Mittlerweile gibt es schon Maschinen, die die Formteile automatisch zusammenpressen und durch eine Glasscheibe und eine zusätzliche Lichtschranke abgesichert sind. Diese kosten allerdings ca. 200 000 €, was sich die meisten Klein- und Mittelbetriebe nicht leisten können. Bei der Reinigung der Formen durch Druckluft können Kleinteile ins Auge fliegen.

Die fertigen Gummikleinteile müssen noch entgratet werden. Dies kann zum einen durch flüssigen Stickstoff geschehen, wobei die Maschine komplett geschlossen ist, zum anderen durch Abbürsten. Beim Abbür­sten können Kleinteile ins Auge kommen. Mittlerweile sind die Bürsten von hinten abgeklebt. Eine Absaugungsanlage befindet sich direkt über der Bürste, sodass herumfliegende Kleinteile vermieden werden.

Durch die technische Entwicklung der Maschinen und die oftmals lang­jährige Erfahrung der Mitarbeiter, so die Meinung der SiFas bei durchge­führten Besichtigungen, konnten die Unfallzahlen drastisch reduziert werden. (Anhang 3, 5, 6)

3.2. Brand- und Explosionsgefahren

Obwohl Gummi, wie auch sein Hauptrohstoff, der NR oder künstliche Kautschuk, gut brennbar und, einmal in Brand geraten, schwer zu lö­schen ist, kann von einer Brandgefahr in Gummifabriken nicht allgemein gesprochen werden. Bei Vorliegen geeigneter Bedingungen kann aller­dings sogar Explosionsgefahr eintreten.

Wie viele leicht oxydierbare Stoffe neigt auch Gummi in genügend klei­ner Teilchengröße, also bei großer Oberfläche, zur Selbsterwärmung durch Oberflächenoxydation, die sich bis zur Entzündung steigern kann. Günstige Bedingungen für solche Selbsterwärmung bzw. -entzündung ist gegeben, wenn der beim Bearbeiten anfallende Staub sich in dicke­ren Schichten ablagern kann. Dies ist mitunter auch in Absaugungsanla­gen der Fall. Besitzt Weichgummistaub schon die Fähigkeit zur Selbst­entzündung, so ist der wegen seiner Härte und Sprödigkeit um ein Viel­faches feinere Hartgummistaub natürlich noch viel leichter entzündlich. Nicht zuletzt liegt die Entflammbarkeit am Schwefelgehalt des Gummis, der je nach Härte des Gummis, in unterschiedlicher Konzentration auf­tritt.

Für eine Explosion sind Zündquellen notwendig. Diese können u.a. Flammen, heiße Oberflächen, mechanische oder elektrische Funken, statische Elektrizität, Kompressionswärme, chemische Reaktion oder ein Blitz sein.

Mittlerweile sind die technischen Einrichtungen fast alle geschlossen, sodass eine erhöhte Staubbelastung vermieden wird. Die Mischungen werden ebenfalls elektrisch isoliert und antistatisch überleitend bearbei­tet. Primär werden die Zündungsquellen als Hauptursache in den Hallen vermieden. (Anhang 5, 7)

3.3 Gesundheitsgefahren

In der Gummiindustrie werden eine Vielzahl von Chemikalien (Anhang 8) als Mischbestanteile eingesetzt. Die technologischen Abläufe (z.B. Vul­kanisation) führen hierbei zu Veränderungen der eingesetzten Stoffe. Die Folge ist eine komplexe Stoffbelastung am Arbeitsplatz. Durch die Verarbeitungsbedingungen können die Stoffe im gasförmigen sowie im festen Aggregatszustand auftreten. Zusätzlich belastend wirken die ho­hen Temperaturen, die hohe Luftfeuchtigkeit und Lärm.[7]

Von den bedeutensten substantiellen Emissionsbereichen[8] hat die Staubentwicklung in der Gummiindustrie stets eine Rolle gespielt. Um die Arbeiter vor den toxischen Wirkungen der meisten Stoffe zu schüt­zen, gibt es gesetzliche Regelungen. Auf der Basis der neusten wissen­schaftlichen Erkenntnisse u.a. von zahlreichen verwendeten Industrie­chemikalien wurden maximale Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werte) festgelegt. Darunter versteht man die Konzentration eines Stoffes, der bei Einwirkung auf einen gesunden erwachsenen Menschen ab täglich acht Stunden und ab 45 Stunden in der Woche die Gesundheit beein­trächtigt bzw. zu Belästigungen führt. Die Konzentrationen dürfen nicht überschritten werden.

Die zur Gummiherstellung erforderlichen vielfältigen pulverförmigen Zu­schlagstoffe, wie Kautschukchemikalien, Füllstoffe, Pudermittel u.a. sind bei ihrer Verarbeitung staubrelevant. Hier sind insbesondere die extrem feinteiligen Ruße und Kieselsäurefüllstoffe sowie Talkum zu nennen.

Die Zuschlagstoffe werden abgewogen, was zum Teil noch auf offenen Waagen geschieht und auf Walzwerken oder Innenmischern in den Kau­tschuk eingemischt. Dies war gewöhnlich mit einer starken Staubent­wicklung verbunden. Heute werden bei Arbeiten im Innenmischer Kau­tschuk und Zusatzstoffe (Ruß, Kreide, Öle) von oben in die Mischanla­gen praktisch staubfrei eingeführt. Die meisten Füllstoffe werden in Con­tainern angeliefert, die an den Innenmischer angeschlossen werden und dieser dann automatisch die Einwagung der z.B. Farbstoffe übernimmt. Die Einwagung der anderen Zusatzstoffe erfolgt zwar noch per Hand, aber die nun granulat-, beölt pulverförmigen oder nur noch selten pulver­förmigen Stoffe werden in einer halbrunden Form gewogen, die sich dann in einer Tüte ergießt. Wenn sie dem Innenmischer per Hand zuge­führt werden, so ist an der Öffnung eine Absaugungsanlage angebracht, die den entstehenden Staub absaugt.

Früher wurden die rohen Kautschukmischungen vor der Vulkanisation schichtweise aufeinandergelegt. Um das Aneinaderkleben zu verhin­dern, wurden sie mit Pudermittel versetzt Die Folge war erheblicher Staubanfall. Heute geschieht dies durch die Einführung von Abtauchlö­sungen. Das Puder wird, wenn überhaupt, nur noch maschinell auf die Mischungen aufgetragen.

Das Schleifen von Gummiteilen oder das Mahlen von Abfällen und Hart­gummi zu Hartgummistaub führte ebenso zu einer erhöhten Staubbela­stung. Das geschieht meist in separaten Bereichen der Fabrik. Die Schleifmaschinen sind mit Absaugungsanlagen ausgestattet, die mög­lichst nah an der Entstehungsstelle ansetzen.[9]

Vulkanisationsbeschleuniger spielen bei der Gummiherstellung eine wichtige Rolle. Einige Inhaltsstoffe entweichen beim Aushärtungspro­zess und der Lagerhaltung in die Luft, was eine Gesundheitsgefährdung des dort tätigen Personals nicht ausschließen lässt. Besonders proble­matisch ist die Freisetzung der Nitrosamine, da diese Substanzgruppe aufgrund zahlreicher Untersuchungen als hochkrebserregend eingestuft wird.[10] Fast alle aminhaltigen Stoffe wurden gegen weniger gesund­heitsgefährdende Stoffe ersetzt. Aminhaltige Stoffe besitzen jedoch Ei­genschaften, die wichtig für das Endprodukt sind und die aminärmere Stoffe folglich ebenfalls besitzen müssen. Bisher konnte noch nicht in jedem Fall ein äquivalenter Ersatz gefunden werden.

Die International Agency for Research on Cancer hat festgestellt, dass es Hinweise auf die Risikoerhöhung für Prostatakrebs für Beschäftigte der Gummiindustrie gibt.[11] Forschungen des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin ergaben, dass vor allem der berufliche Umgang mit aromatischen Aminen für Harnblasenkrebs verantwortlich ist.[12]

Gemahlenes Talkum wird als Füllstoff, aber auch als Trennmittel in der Gummiindustrie verwendet. Talkum ist ein blättchenförmiges Magnesi­umsilikat, das je nach Herkunft weitere Mineralien, insbesondere Quarz und Asbest, enthalten kann. Es ist hoch biobeständig und kann noch Jahrzehnte nach der Exposition im Lungengewebe nachgewiesen wer­den. Die hieraus folgenden Lungenfibrosen sind sehr heterogen und las­sen eine eindeutige Zuordnung zu einem Asbestose- oder Silikosetyp nicht zu.[13] In der Regel erfordert die Entwicklung eine mehr als zehnjäh­rige Expositionszeit, die aber nach Expositionsbeendigung weiter fort- schreitet.[14] Derzeitig werden laut Herrn Fröhlich von dem Mitgleidsun- ternehmen GMT nur noch rund 1 Tonne an krebserregenden Stoffen pro Jahr verwendet, vor 30 Jahren waren es noch ca. 30 Tonnen.

Bei der exogen-allergischen Alveolitis, einer allergischen Form der Lun­genfibrose, gibt es eine akute und eine chronische Verlaufsform. Bei der chronischen Verlaufsform steht die grippeähnliche Symptomatik vier bis zwölf Stunden nach Kontakt mit dem Auslöser im Vordergrund. Die chronische Form nimmt eher einen schleichenden Verlauf. Eine Blutun­tersuchung hilft oft, die Alveolitis zu erkennen und entsprechend zu be­handeln. Aber auch zahlreiche andere Stoffe der Gummiindustrie kön­nen eine reizende und allergene Wirkung haben. Selbst wenn einige nur schwach allergen oder reizend sind, so können sie doch durch häufigen oder intensiven Hautkontakt krank machen. Die Entstehung eines Kon­taktekzems wird häufig erst durch die Kombination aus beruflichen Kon­takt und individueller Krankheitsbereitschaft hervorgerufen. Meist ruft Feuchtarbeit das Ekzem hervor. Diese liegt vor, wenn die Arbeiter zwei und mehr Stunden der Arbeitszeit mit den Händen Arbeiten im feuchten Milieu ausführen oder im entsprechenden Zeitraum feuchtigkeitsdichte Handschuhe tragen. Auch häufig bzw. intensives Reinigen der Hände führt dazu. Gerade in der Gummiindustrie ist es mittlerweile an jeder Ar­beitsstation Pflicht, Handschuhe zu tragen. Unter erheblichen Tempera­turen schwitzt der Körper sehr, was das Tragen der Handschuhe oft ne­gativ beeinträchtigen kann (Anhang 6).15

[...]


[1] Indianisch: „caa-o-chu“, bedeutet „weinender Baum“

[2] vgl.Gupta / Hofmann, Handbuch der Kautschuk-Technologie, 2001, Kap. 2, S. 1

[3] vgl. Schunk, W., Originalien, Arbeitshygiene und Arbeitsschutz, Zur Gefährdung der Werktätigen in der Gummiindustrie durch chemische Einsatzstoffe aus der Zeitschrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete, Heft 4, 1979, S. 273

[4] vgl. Gupta/ Hofmann, Handbuch der Kautschuk-Technologie, 2001,Kap. 2, S. 2

[5] BG Chemie, Jahresbericht 2004, 2005, S. 68

[6] vgl. HVBG (Hrsg.), BGR 221 Arbeiten in der Gummiindustrie, 2002, S. 37, 39, 43, 47, 49, 52, 53, 54

[7] Rentel, Gmehling, Lehmann, Stoffbelastungen in der Gummiindustrie, Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz, Gefährliche Arbeitsstoffe GA 39, 1991, S. 27

[8] Emission= die bei einem technologischen Prozess anfallenden und an die Umgebung abgegeben Verunreinigungen, Abdampf, Abgas, Abluft, Abwasser, Erschütterungen, Geräusche, Stäube, Strahlungen, Wärme und ähnliche Erscheinungen.

[9] Hofmann, Vermeidung der Staubemission in der Gummiindustrie, in: Gummi Asbest, Kunststoffe 29, 1976, Heft 12, 852 - 860

[10] Schunk, Die Gefährdung von Arbeitern in der Gummiindustrie durch chemische Einsatzstoffe, in: Gummi, Asbest, Kunststoffe 37, 1984, Heft 2, 60

[11] Möslein, Prostatakrebs, 01.03.2001, http://www.uni- duesseldorf.de/krebs2/krebsarten14.html

[12] Drexler u.a., Aromatische Amine, o.J., http://www.arbeitsmedizin.uni- erlangen.de/Aromatische%20Amine Acrylamid.htm

[13] Merget / Baur, Lungenfibrosen in der Gummiindustrie, 21.06.2001, http://www.bqfa.ruhr-uni-bochum.de/publik/info0399/qummi.php

[14] Münzberger, Modularer Lehrbrief „Einführung in die Arbeitsmedizin“, Abschnitt: Ex­position gegenüber nichttoxischen Stäuben, 21.02.2005, http://arbmed.med.uni- rostock.de/lehrbrief/staub.htm

[15] HVBG (Hrsg.), 26 Prozent weniger Sturzunfälle am Arbeitsplatz durch Präventions­kampagne der Berufsgenossenschaften, 15.07.2005, http://www.hvbg.de/d/pages/presse/pbilder/pbild05/sturz.html

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Details

Titel
Unfallschwerpunkte in der Gummiindustrie
Hochschule
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg in Hennef
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
66
Katalognummer
V158928
ISBN (eBook)
9783640817825
ISBN (Buch)
9783640821259
Dateigröße
21116 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unfallschwerpunkte, gummiindustrie
Arbeit zitieren
Evelyn Barz (Autor:in), 2006, Unfallschwerpunkte in der Gummiindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158928

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