Traditionsmarken der ehemaligen DDR


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Transformationsprozesse seit dem 2. Weltkrieg
2.1 Reparationen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)
2.2 Ubernahme des sowjetischen Modells
2.3 Die Zeit der Kombinate
2.4 Von der Plan- zur Marktwirtschaft
2.5 Konsequenzen fur die einheimischen Betriebe

3. Fallbeispiel Carl Zeiss in Jena
3.1 Die Folgen des 2. Weltkrieges
3.2 Umgestaltung des Kombinates Carl Zeiss
3.3 Der Gang an die Borse

4. Fallbeispiel A. Lange & Sohne
4.1 Grundung mit einem Staatsdarlehen
4.2 Zerstorung, Zerschlagung und Wiederaufbau
4.3 Der Fall der Mauer

5. Weitere Beispiele
5.1 Rotkappchen Sekt
5.2 Rostfein Kaffee

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Entwicklung jedes Unternehmens ist eng mit den gesellschaftlichen Prozessen verbunden und vollzieht sich innerhalb eines gewissen ordnungspolitischen Rahmens. Dieser ist die Grundbedingung fur die wirtschaftliche Aktivitat jeder wirtschaftlichen Einheit. Ostdeutsche Traditionsunternehmen blicken auf ein 20. Jahrhundert zuruck, indem sie gleich zweimal von politischen Situationen und Entscheidungen stark beeinflusst und in ihrem Weg bestimmt wurden.

Das erste pragnante Datum war der Zeitraum direkt nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Ostdeutschland wurde zur Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) erklart und musste fortan Reparationsleistungen an die Sowjetunion abtreten. Zudem wurden punktuell ostdeutsche Betriebe demontiert und in Eigentum der UdSSR uberfuhrt. Die Teilung Deutschlands bewirkte schlie&lich, dass das Gebiet der SBZ von ihren traditionellen Verbindungen zum Westen weitestgehend isoliert wurde.

Es folgte die Umstellung auf das sowjetische Planungsmodell der Zentralverwaltungswirtschaft, einer wirtschaftlichen Organisationsform, die beinhaltete, dass dem Staat die Verfugungsgewalt an den Produktionsmitteln zuteil wurde. Dies fuhrte letztlich dazu, dass der Staat uber die Produktion „wachte" und wirtschaftliche Planzahlen vorgab.

Am 01. Juli 1990 war es dann erneut soweit: Die Deutsche Demokratische Republik (DDR), und damit naturlich auch ihre Wirtschaftsbetriebe, ubernahm durch eine Wirtschafts-, Wahrungs- und Sozialunion das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Wieder waren die Unternehmen einem Transformationsprozess ausgesetzt, den sie zu bewaltigen hatten. Die Schwachen der Planwirtschaft wurden nun deutlich sichtbar und die Betriebe dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb „schockartig" ausgesetzt.

Wie ostdeutsche Traditionsunternehmen nun mit diesen Phasen ihrer Entwicklung zurechtkamen und welche Folgen und Veranderungen sich daraus fur sie ergaben, soll in dieser Arbeit, nach einem zunachst allgemeingultigem Kapitel, exemplarisch an einigen ausgewahlten Beispielen dargestellt werden.

2. Transformationsprozesse seit dem 2. Weltkrieg

Auf Befehl der Sowjetischen Militaradministration (SMAD)[1] vom 30. Oktober 1945 wurde all jenes Eigentum auf dem Gebiet der SBZ beschlagnahmt, das u.a. dem deutschen Staat und seinen zentralen ortlichen Behorden, sowie den vom Sowjetischen Militarkommando verbotenen und aufgelosten Gesellschaften und Vereinigungen und den Regierungen und Staatsangehorigen jener Lander gehorten, die auf der Seite Deutschlands am Krieg beteiligt waren. Diesen Befehlen folgte ein Jahr spater die Anordnung[2], dass ein teil der beschlagnahmten Betriebe und Vermogensgegenstande den Provinzial-Selbstverwaltungen zur Verfugung gestellt werden sollen.

2.1 Reparationen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)

Die Regierung der Sowjetunion meldete nach Ende des Krieges Reparationsforderungen in Hohe von ca. 10 Milliarden Dollar[3] an das unterlegene Deutschland an. Im Marz 1946 wurde von den vier Siegermachten[4] ein Plan verabschiedet, der besagte, dass die Industriekapazitaten Deutschlands auf etwa 50 Prozent des Jahres 1938 reduziert werden mussten, wovon die Eisen- und Stahlindustrie, die chemische Industrie und der Werkzeugmaschinenbau am starksten betroffen waren. Die Sowjetunion verwandelte insgesamt 213 ostdeutsche GroB- und Mittelbetriebe in sowjetisches Eigentum, welche bis 1952/53 als „sowjetische Aktiengesellschaften" (SAG) gefuhrt wurden. Diese dienten zu „Entnahmen aus der laufenden Produktion", welche zu immense Hohen der Reparation[5] gefuhrt haben sollen.

2.2 Ubernahme des sowjetischen Modells

Im Zuge der Grundung der DDR war die Entscheidung daruber gefallen, welches Wirtschaftssystem eingefuhrt werden soll.

Es war jenes Wirtschaftsmodell, welches die Sowjetunion auf ihrem Gebiet in den drei&iger Jahren installiert hat und auf der Basis zweier Eigentumsformen, staatlich und genossenschaftlich, mit einer zentralisierten Planung und der staatlichen Verfugungsgewalt an den Produktionsmitteln funktionierte5[6]. Die Wirtschaft wurde fortan entsprechend den Vorstellungen der fuhrenden Partiefunktionaren des Staates und der tragenden Partei (SED)[7] geordnet. Oberstes Planungsorgan war dabei der Ministerrat der DDR, der die Leitung der gesamten Volkswirtschaft und die Erfullung der Hauptaufgabe (Befriedigung der Bedurfnisse der Allgemeinheit)[8] zu verantworten hatte. Die Betriebe mussten vor ihren ursprunglichen Firmennamen das Kurzel „VEB" (Volkseigener Betrieb) setzen, wovon die wichtigsten der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) unterstellt wurden. Die DWK fuhrte Betriebe mit gleichartigem oder produktionsahnlichen Profil zu Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB)[9] zusammen, um fur die Ministerien die Planung zu vereinfachen. Gewirtschaftet wurde fortan nach Planvorgaben, die mit Naturalkennziffern (Mengenplanung) angegeben wurden und auf Funfjahres- und Volkswirtschaftsplanen basierten.

2.3 Die Zeit der Kombinate

Im Jahre 1966 wurde dann damit begonnen, Kombinate zu bilden, die jeweils aus mehreren Betrieben bestanden, die formal und okonomisch selbstandig waren und noch ihren eigenen Namen trugen[10]. Zuvor wurde man auf Missstande im okonomischen System aufmerksam, die man durch eine hohere Konzentration der gesellschaftlichen Produktion auszugleichen und zu beheben versuchte. Das Ziel war die Steigerung der Leistungsfahigkeit der DDR-Wirtschaft[11]. Den Kombinaten wurden Aufgaben der VVB's ubertragen und sollten der staatlichen Planung behilflich sein. 1970 bestanden bereits 48 Kombinate, die den jeweiligen Industrieministerien unterstellt waren. Am 30.06.1990 wurden insgesamt 150 Kombinate gezahlt, die durchschnittlich je 16 Betriebe stark waren und durchschnittlich 17.945 Mitarbeiter hatten und 12 Ministerien unterstellt waren[12].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Aufteilung der ostdeutschen Wirtschaft war 1986 weitestgehend abgeschlossen und somit wurden die Kombinate auf dem 11. Parteitag der SED 1986 zum „Ruckgrat der sozialistischen Planwirtschaft" erklart.

2.4 Von der Plan- zur Marktwirtschaft

Am 01.06.1990 ubernahm die DDR durch eine Wirtschafts-, Wahrungs- und Sozialunion das politische und wirtschaftliche System der Bundesrepublik Deutaschland und setzte seine Betriebe so „schockartig" dem freien Wettbewerb einer Marktwirtschaft und damit Veranderungen ihrer wirtschaftlichen Umgebung aus. Praktisch uber Nacht wurden aber auch die Schwachen des ehemaligen planwirtschaftlichen Systems der DDR offengelegt.

2.5 Konsequenzen fur die einheimischen Betriebe

Die Planwirtschaft hinterlieB eine monozentrierte regionale und sektorale Wirtschaftsstruktur, die sich schon kurz nach der Wiedervereinigung als mehrheitlich nicht wettbewerbsfahig erwies. Mit der volligen Offnung der Grenzen, der plotzlichen Liberalisierung der Markte und der Einfuhrung einer neuen Wahrung, wurden die ostdeutschen Unternehmen einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt, dem sie ganz offensichtlich nicht gewachsen waren.

Verantwortlich dafur waren u.a. folgende Punkte:

- Uberbesatz an Arbeitskraften, geringe Produktivitat und ein Mangel an innovativen Produkten
- einseitige Exportstrukturen in die Lander des ehemaligen RGW-Raumes[13] (plotzliches Wegbrechen der etablierten Absatzmarkte)
- Entwicklungsdefizite in der technischen Infrastruktur
- ineffizienter Faktoreinsatz
- veraltete Produktionsanlagen und
- dem Wettbewerb nicht gewachsene Produktsortimente und -qualitaten
- Kapitalmangel der Betriebe und zogerndes Investitionsverhalten der westdeutschen Industrie
- Unklare Eigentumsverhaltnisse, wodurch Standortansiedlungen verzogert wurden

Die wirtschaftliche Situation in den Jahren 1990/91 sah recht niederschmetternd aus. Durch die Liquidation mehrerer Unternehmen stieg die Zahl der Erwerbslosen stark an. Von ehemals 9,5 Millionen Erwerbstatigen in Ostdeutschland waren im zweiten Halbjahr 1990 nur noch lediglich 8,2 Millionen tatig. 12 Monate spater waren es sogar nur noch 5,5 Millionen, wovon sich sogar eine Million in Kurzarbeit befanden[14]. Die qualifizierten Arbeitskrafte wanderten zunehmend in den westdeutschen Arbeitsmarkt ab, womit die ostdeutschen Standorte weiter geschwacht wurden. Zusatzlich wurden niedrigere Steuereinnahmen erwartet, die damit die dringend erforderlichen Investitionen in die Verbesserung der Infrastruktur behinderte. Rechtzeitige Impulse fur den Arbeitsmarkt wurden somit verpasst.

AuBerdem verschlechterte sich die Stimmung in der breiten Bevolkerung. Demonstrationen gegen BetriebsschlieBungen wiesen auf durch eine weiter ansteigende Massenarbeitslosigkeit zu sozialen Krisen und Konflikten kommen konnte. Es wurde bald deutlich, dass ein einfacher marktwirtschaftlicher Ordnungsrahmen mit der Wirtschafts-, Wahrungs- und Sozialunion, sowie dem Einigungsvertrag fur eine erfolgreiche Transformation nicht auszureichen schien. Die offentliche Meinung vertrat immer mehr die Notwendigkeit einer Anschubfinanzierung bestehender Unternehmen, auch wenn sie in den kommenden Jahren hohe Verluste erwirtschaften wurden, um den allzu starken Abbau von Arbeitsplatzen zu verhindern. Doch nicht Politiker entscheiden in der Regel, ob Unternehmen uberlebensfahig sind, sondern die Guter- und Kapitalmarkte.[15]

3. Fallbeispiel Carl Zeiss in Jena

Am 17. November im Jahre 1846 grundet Carl Zeiss, gelernter Mechaniker, seine optische Werkstatt in Jena, in der zunachst Linsen und einfache Lupen-Mikroskope gefertigt werden. In den folgenden Jahren gelingt es ihm, sein Unternehmen zu etablieren und die Aufmerksamkeit, auch in anderen Gebieten Deutschlands zu erlangen.

Im Wintersemester 1863/64 bot der Universitatsprofessor Ernst Abbe eine Vorlesung uber die „Theorie der wichtigsten physikalischen Messinstrumente" an, fur die er Demonstrationsgerate benotigte, die er bei Carl Zeiss anfertigen liefc. Da sich die beiden Manner uber eine sinnvolle Zusammenarbeit, Abbe benotigte immer mehr Instrumente und Werkstatten, einig waren, trat Ernst Abbe kurzerhand in die Firma Carl Zeiss' ein. Nach dem Tod von Carl Zeiss (1888) ubernahm Ernst Abbe das Unternehmen und wandelte es in eine Stiftung um, die sich abseits der Fuhrung der Stiftungsbetriebe auch um soziale, kulturelle und wissenschaftliche Aufgaben kummerte. Zuvor fusionierte die Firma mit dem Jenaer Glaswerk Schott (1881/82), wodurch es moglich wurde, die Produktion des fur Carl Zeiss wichtigen Rohmaterials, das optische Glas, in raumlichen und personlichen Zusammenhang mit dem Zeisswerk zu bringen.

Einer der grofcen Verdienste von Carl Zeiss besteht darin, dass er fur ein dauerndes Zusammenspiel von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischer Perfektion auf dem Gebiet des Baus von Mikroskopen sorgte.

3.1 Die Folgen des 2. Weltkrieges

Unter den bereits in der Einleitung erwahnten Befehl Nr. 124 der SMAD fielen auch die Firmen Carl Zeiss und Schott in Jena, die durch die Bombardements der Alliierten schwer beschadigt wurden. 274 Wissenschaftler, Ingenieure und Werkmeister samt ihrer Familien, sowie Maschinen im Wert von etwa 200 Millionen Mark wurden in die Sowjetunion deportiert. Zuvor bereits wurden bei der Befreiung des Werkes durch die Amerikaner 125 Mitarbeiter von Zeiss und Schott, sowie 200 Universitatsangestellte und ihre Familien (insgesamt 1.300 Personen) auf Befehl der [16]

Amerikaner ins wurttembergische Heidenheim gebracht, wo ebenfalls eine Firma Carl Zeiss gegrundet wurde. „We take the brain"17[17] war damals in Jena ein geflugelter Satz in Anlehnung an Aussagen amerikanischer Offiziere.

Ubrig blieben den „Zeissianern" etwa sechs Prozent ihres ursprunglichen Maschinenparks, rund 30.000 m2 Fabrikraum und 5.048 Mitarbeiter fur den Wiederaufbau im Jahre 1947.

Am 01. Juli 1948 wurde das Werk dann in Volkseigentum uberfuhrt und die Carl- Zeiss-Stiftung beim Amtsgericht geloscht. Der Wiederaufbau gelang trotz aller Umstande in einem bemerkenswerten Tempo und Erfolg. Ende 1949 belegte das Werk wieder 122.000 m2 Flache mit einen Bestand von 5.829 Maschinen[18] und 10.430 Mitarbeitern. Auf der Leipziger Fruhjahrsmesse konnten bereits wieder die ersten neuen Gerate vorgestellt und 1949 mehr als 80 Erzeugnisse produziert werden. So entwickelte sich der VEB Carl Zeiss Jena zu einem der Vorzeigebetriebe der DDR und bis Mitte der 50er Jahre waren seine Produkte bereits in 88 Landern exportiert worden. Im Zuge der wirtschaftlichen Neustrukturierung wurde dem Betrieb ab dem Jahr 1965 die VVB-Funktion mit der Aufgabe eines AuBenhandelsunternehmens ubertragen und in ein Industriekombinat umgewandelt. Auf dem Hohepunkt des Kombinates waren in ihm 25 Betriebe mit Standorten in der ganzen DDR mit rund 69.000 Beschaftigten konzentriert worden. Mehr als 1.000 Produkte unterschiedlichster Bereiche wurden in ihm hergestellt.

3.2 Umgestaltung des Kombinates Carl Zeiss

Am 01. Juli 1990 wurde das Kombinat Carl Zeiss in Jena von der Treuhandanstalt ubernommen, woraus durch die Aufteilung des groBen Unternehmens schlieBlich 12 eigenstandige Firmen[19] hervorgingen. Aus dem Stammbetrieb wurde die Jenoptik Carl Zeiss GmbH als Rechtsnachfolger gebildet, die aus 13 Betrieben und mehr als 30.000 Beschaftigten bestand. Nach monatelangem rechtlichen Gezerre mit der Tochtergesellschaft in Oberkochen - Heidenheim und den Bundeslandern Thuringen und Baden-Wurttemberg wurde der Firmenname in Jenoptik GmbH Jena umgeschrieben und am 01. Juli 1991 in Dr. Lothar Spath20[20] ein

Vorstandsvorsitzender gefunden. Nach einer sehr nuchternen (und ernuchternden) Analyse der Unternehmenslage bezifferte das neue Management die Verbindlichkeiten[21] auf 992 Millionen DM. Demgegenuber wurden dem Unternehmen Mittel in Hohe von 1,721 Milliarden[22] zur Verfugung gestellt. Die Kosten der Umstrukturierung wurden auf 3,6 Milliarden DM[23] beziffert, wovon u.a. 1 Milliarde DM zur Tilgung der Altkredite, 800 Millionen DM fur die Sozialplane und weitere 500 Millionen DM fur die Sanierung bis 1995 verwand werden sollten. In Jena beherrschte das Kombinat Carl Zeiss Jena die wirtschaftliche Produktionsstruktur der gesamten Region Jena, wodurch auch die meisten Beschaftigten dort angestellt waren. Ware das gesamte Kombinat in Konkurs gegangen, waren wohl enorme soziale Spannungen zu erwarten gewesen. Die Absprache mit der Treuhandanstalt verpflichtete die Jenoptik zur Sicherung von 10.200 der vorhandenen 26.000 Beschaftigten. Die ubrigen Mitarbeiter wurden mit einer Abfindung von etwa 5.000,- DM entlassen.

Die finanzielle Lage des Unternehmens blieb zunachst kritisch. Es wurden monatlich rund 40 Millionen DM Verluste „erwirtschaftet". Lothar Spath au&erte damals: „Entweder wir schaffen den Durchbruch mit einem Gewaltakt in drei Jahren oder die Stadt wird ein einziges Altersheim, weil die jungen Fachleute weggelaufen sind."[24]

Am 26. Juni 2001[25] blickte Lothar Spath noch mal zuruck auf die Situation von vor zehn Jahren: „Wir ubernahmen...rund 20 Fabrikareale in Jena, Falkenstein, Saalfeld, Eisfeld sowie uber 20 Auslandsniederlassungen von Cuba bis Kopenhagen uber London und Paris bis Moskau, Warschau und Prag, fur die wir keine Vertriebsaufgaben, weil keine Produkte mehr hatten. Und wir ubernahmen einerseits Auftragsbestande aus der fruheren Sowjetunion im Wert von 600 Millionen DM, die sich innerhalb von zwei Jahren auflosten, und andererseits Verpflichtungen und Gewahrleistungsanspruche in uns unbekannter Hohe aus den weltweiten Hinterlassenschaften des Kombinates."

3.3 Der Gang an die Borse

Die Sanierung des Betriebes ging in einem schnellen Tempo voran. Man trennte sich von diversen Unternehmen, die zuvor noch im Kombinat vereint waren. Fur das Jahr 1992 wurde erstmals wieder von Investitionen in Hohe von immerhin 100 Millionen DM gesprochen, obwohl das Geschaftsjahr 1991 mit 600 Millionen Verlust abgeschlossen wurde.

Doch schon ein paar Jahre spater gelingt es dem Unternehmen in die Gewinnzone zu steuern. Jenoptik firmiert im Jahre 1996 als Aktiengesellschaft und kann es sich 1997 sogar leisten, 400.000,- DM an seine Mitarbeiter aus Ertragsverbesserungen auszuzahlen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Plattner, M., S. 126

Am 16. Juni 1998 geht die Jenoptik AG an die Frankfurter Wertpapierborse mit einem Emissionspreis von 34,- DM und wird in den M-Dax[26] aufgenommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im abgelaufenen Geschaftsjahr 2001 wurde ein Uberschuss vom 88,3 Millionen Euro[27] (2000: 86,6 Mio. €) erzielt und man schloss mit dem besten Ergebnis in der Konzerngeschichte ab. Zu den Hauptgeschaftsfeldern zahlen jetzt neben dem Kerngeschaft der Clean Systems Technologies (industrieller Anlagenbau) noch Photonics Technologies (Elektro-Optik) und Asset Management (Venture Capital).

4. Fallbeispiel A. Lange & Sohne

Ein ahnlich traditionsreiches Unternehmen aus dem ostdeutschen Raum ist die Uhrenmanufaktur Lange in Glashutte/Sachsen.

4.1 Grundung mit einem Staatsdarlehen

Am 07. Dezember des Jahres 1845 grundet Ferdinand Adolph Lange, ehemaliger Lehrling des beruhmten Uhrmachers Johann Christian Friedrich Gutkaes, eine sachsische Feinuhrmacherei. Dabei hilft ihm als Starthilfe ein ruckzahl bares Staatsdarlehen des Koniglich-Sachsischem Ministerium des Inneren in Dresden von insgesamt 7.820 Talern.

Lange stellt in der Folgezeit Taschen- und Kalendariumsuhren her und 1868 wird sein Sohn Richard Mitinhaber. Seitdem hei&t die Firma A. Lange & Sohne.

Die Uhren Langes bringen es in Zukunft zu weltweitem Ruhm und mehreren Auszeichnungen und Preisen.

4.2 Zerstorung, Zerschlagung und Wiederaufbau

Am 08. Mai 1945, dem letzten Tag des Zweiten Weltkrieges, treffen russische Sprengkorper die Hauptproduktionsgebaude der Firma A. Lange & Sohne. Der Zerstorung aus der Luft folgt sogleich die Plunderung der noch brauchbaren Restbestande.

Wie im Falle von Carl Zeiss in Jena greift auch bei Lange der Befehl Nr. 124 und der Betrieb wird am 20. April 1948 enteignet. Walter Lange, Enkel von Adolph Lange und Inhaber der Firma, erhalt eine Arbeitsverpflichtung fur den Uranbergbau und entgeht dieser nur durch die Flucht in den Westen. Nach der Enteignung entsteht zunachst der VEB A. Lange & Sohne, aus dem 1951 die Glashutter Uhrenbetriebe (UEB) hervorgehen, die aus insgesamt sieben ortsansassigen Uhrenfirmen bestehen.

[...]


[1] Die Befehle Nr. 124 und 126 der obersten Besatzungsbehorde der SBZ von 1945 - 49

[2] Befehl Nr. 97 der SMAD vom 29. Marz 1946

[3] Preisbasis von 1933

[4] Vereinigte Staaten von Amerika, Grobbritannien, Frankreich, Sowjetunion

[5] Ca. 15% des realen Sozialproduktes (geschatzter Wert)

[6] Vgl. Hornich, S.: Das gebrochene Ruckgrat. In: Die Wirtschaft (Hrsg,): Kombinate - Was aus ihnen geworden ist. Berlin - Munchen, S. 10

[7] Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

[8] Vgl. Buttner, S.: Die Wettbewerbssituation in der feinmechanischen und optischen Industrie. Bayreuth 1993, S. 69

[9] VVB's waren Verwaltungsbehorden zwischen Betrieben und Ministerien

[10] Ein Kombinat besab u.a. eigene Forschungsinstitute, Bauabteilungen, Produktionsstatten und Absatzunternehmen, um einen geschlossenen Reproduktionsprozess durchfuhren zu konnen

[11] Vgl. Hornich, S., S. 11

[12] Vgl. Icks, A.: Der Transformationsprozess in der ehemaligen DDR 1989 - 1991. Bonn 1995, S. 189 f.

[13] RGW (Rat der Gegenseitigen Wirtschaftshilfe)

[14] Vgl. Icks, A.: S. 190 f.

[15] Vgl. Icks, A., S. 192 f.

[16] Vgl. Buttner, S., S. 16 ff.

[17] Vgl. Hermann, A.: Nur der Name war geblieben. Stuttgart 1991, S. 15

[18] Etwa 30% vom Stand 1944

[19] Wie z.B. die Rathenauer Optischen Werke, Pentacon Dresden oder das Jenaer Glaswerk

[20] Ehem. Ministerprasident von Baden-Wurttemberg

[21] Altkredite gegenuber diversen Kreditinstituten

[22] Durch die Treuhandanstalt und dem Land Thuringen

[23] Die Treuhand ubernahm 2,74 Milliarden DM und das Land Thuringen 860 Millionen DM

[24] Vgl. Bohn, W.: Das erste High-Tech-Valley der Geschichte. In: Die Wirtschaft (Hrsg.). Kombinate - Was aus ihnen geworden ist, S. 178

[25] Aus der Rede zum Festakt anlasslich des 10-jahrigen Jubilaums der Jenoptik AG am 26. Juni 2001

[26] In den M-Dax werden die bis zu 110 grobten deutschen Werte, gemessen an der Marktkapitalisierung (aktueller Kurs x Anzahl Aktien) und dem Borsenumsatz, aufgenommen

[27] Bei einem Umsatz von 1,57 Milliarden Euro (2000: 1,39 Mrd. Euro)

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Traditionsmarken der ehemaligen DDR
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Geographie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V15920
ISBN (eBook)
9783638209076
Dateigröße
982 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Traditionsmarken
Arbeit zitieren
Markus Langguth (Autor:in), 2002, Traditionsmarken der ehemaligen DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15920

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