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Frauenbeziehungen vor dem Hintergrund der Mutter-Tochter-Beziehung

Title: Frauenbeziehungen vor dem Hintergrund der Mutter-Tochter-Beziehung

Diploma Thesis , 1990 , 66 Pages , Grade: 2,5

Autor:in: Claudia Heufers-Darkwa (Author)

Psychology - Social Psychology
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Summary Excerpt Details

Beziehungen sind das, was uns durchs Leben trägt. Lebensläufe als Beschreibungen einer Mutter-Tochter-Beziehung enthalten auch Material zur Identitätsfindung in der Analyse von Machtverhältnissen und dem Kampf um Anerkennung und Vollständigkeit. Von Helene Deutsch über Nancy Friday und Sheila Mac Leod und weiteren Frauen werden in dem Text unterschiedliche Mutter-Tochter-Beziehungen anhand biographischer Aussagen dargestellt. Magersucht wird in diesem Zusammenhang als Prozess einer Identitätssuche gesehen. Eine Möglichkeit der Lösung des Konflikts und damit der Identitätsfindung besteht in der Möglichkeit, die Mutter-Tochter-Beziehung zeitlich einzuordnen, neben das Bild einer ewigen Jugend eine Imagination des tatsächlichen Verfalls und des fortwährenden Wandels von Töchtern zu Müttern zu stellen. Eine weitere Möglichkeit ist die Relativierung der Person der Mutter durch andere weibliche Personen, die ebenso zur Identitätsfindung beitragen.

Excerpt

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Vorwort

1. Die Darstellung der Mutter-Tochter-Beziehung in der Psychoanalyse

2. Die anderen Göttinnen - Von der Bedeutung der Frauen außerhalb der Mutter-Tochter-Beziehung

3. Was hat mir meine Mutter mit auf den Weg gegeben (was hat sie mir nicht mitgegeben) und was haben mir andere Frauen mit auf den Weg gegeben

4. Magersucht- Ein Kampf um Identität und Macht? Ein Kampf um den Status einer erwachsenen Frau

5. Das Märchen "Der süße Brei" - Beschreibung eines Statuswechsels zwischen Mutter und Tochter

6. Das unbewusste Programm - Vom Erlernen der Frauen-rolle durch das Vorbild der Mutter bis zur Macht-losigkeit gegenüber dem Zauberspruch einer "bösen Fee"

7. Frauenbeziehungen - die Beziehung zu Frauen – die Beziehung zu einer Frau - die Beziehung einer Frau zu sich selbst

8. Schlusswort

Literaturverzeichnis


Vorwort

 

Ein Jahr habe ich gebraucht , um mich zu diesem Thema

durchzuringen. Schon im letzten Jahr habe ich aufgeregt

Literatur zusammengesucht zu dem Thema

Frauenfreundschaften-Mütter-Töchter und konnte keinen

Weg finden, das Thema eigenständig zu bearbeiten.

Verzweifelt bin ich herumgeirrt von einem Thema zum

anderen :Magersucht, Depression, Selbstmord, Väter,

soziale Ungleichheit zwischen Mann und Frau .

Und immer wieder war dieses Thema " Frauenbeziehungen"

in meinem Kopf, ohne dass ich einen Weg sah, Fragen

zu stellen und Antworten zu suchen.

Nun, endlich kann ich anfangen, mich mit diesem Thema

Auseinanderzusetzen.

Bedanken möchte ich mich bei meinen Freundinnen, die

mir ihre Schwierigkeiten mitgeteilt haben in ihren

Frauenbeziehungen und in der Beziehung zu mir.

Bedanken möchte ich mich auch bei meiner Tochter,

an deren Leben ich Tag für Tag teilnehme, und die

mir mit ihrer Beharrlichkeit die Augen öffnen kann.

Bedanken möchte ich mich bei all den anderen Frauen,

die mich unterstützt und an mich geglaubt haben.

Bedanken möchte ich mich bei meinem Mann Kofi Darkwa,

der mich beeindruckt durch sein inniges in seinen

Männerbeziehungen leben.

Frauenbeziehungen - das Wort oder besser, der Begriff

schließt in sich ein die Begriffe Frauenfreundschaften

und Frauen -feindschaften, Macht und Konkurrenz.

 

Ein Teil meiner eigenen Geschichte

 

Beobachtungen meiner Mutter-Tochter oder Tochter-

Mutter-Beziehung

 

Heute morgen habe ich mir über folgendes Phänomen

Gedanken gemacht. Ich habe es zuerst gar nicht richtig

zur Kenntnis genommen, ich wollte es nicht wahrhaben,

Geschweige denn, dass ich darin einen tieferen Sinn

gesehen hätte.

In letzter Zeit hatte ich mich mit der Theorie des

Penisneids auseinandergesetzt. Denn Neid gibt es ja

unter Frauen, ja er ist doch ziemlich verbreitet und

aus intensiven Frauenbeziehungen gar nicht wegzudenken.

Der Penisneid als Grundlage der Konkurrenz unter

uns Frauen?

Nein, die Theorie vom Penisneid hat uns den Blick

verstellt für andere Ursachen von Neid.

Eine Antwort der Frauen auf die Theorie des Penisneids war,

den Gebärneid des Mannes heraus zustellen.

Mag ja sein, aber was ist denn nun mit den Frauen?

Wir Frauen sind neidisch.

Das mit dem Penis, das ist wohl mehr die Sache der

Männer und kleinen Jungen, warum sollten die Frauen

neidisch sein?

Letztendlich profitieren die Frauen doch von ihm

und brauchen ihn nicht ständig mit sich herumzuschleppen.

Und der Gebärneid der Männer?

Da haben die Frauen doch nichts mit zu tun, das kann

doch nicht ihr Neid sein, Oder?

Und doch, schaue ich mir meine Tochter an, dann ist

es auch der Neid der Frauen, wenn nicht noch mehr als

der der Männer.

 

Zuerst dachte ich, ich hätte sie einfach nicht richtig

verstanden, oder es sei eine kindliche Verwechslung

von Tatsachen.

Aber sie wiederholt es so oft und beharrlich, das

ich es letztendlich doch zur Kenntnis nehmen muss.

Meine Tochter behauptet, sie bekommt ein Baby, und

wenn sie eine Schwester oder einen Bruder bekommt,

dann bekommt sie das Baby. Alle Aufklärungsversuche

nutzen da nichts, sie rückt nicht davon ab, wenn einer

ein Baby bekommt, dann ist sie das.

Sie ist fünf Jahre alt, und sowie sie jetzt meine

Monatsbinden mopst und ihrer Puppe umbindet,

so klebte sie sich als Drei-jährige meine Binden in den

Schlüpfer, bevor sie auf den Spielplatz ging.

Und nicht nur das,als ich meiner Freundin das erzählte,

schmunzelte sie und meinte, ihre Tochter wäre kaum

davon abzuhalten, ihre Tampons auszuprobieren.

Das könnte ja auch einfach so eine Episode sein,wie

Kinder eben alles ausprobieren und alles wissen wollen

Aber wenn meine Tochter es nur einfach wissen wollte,

ich meine die Tatsachen von Geburt und Geschlecht,

bestände doch keine Notwendigkeit,weiterhin so

hartnäckig darauf zu bestehen, dass sie das Baby bekommt ,

das ihre Schwester ist,und nicht ich.

"Mama, warum blutest du?....Ich will auch bluten. "

Dazu ist anzumerken, dass die Tatsache des Blutens

für Kinder eine ungeheure Sensation darstellt.

Und was mopst sich meine Tochter von mir?

Ab und zu ein Stück Papier zum Malen, meine Kugelschreiber,

meinen Federhalter, meine Zirkel, meine Streichhölzer,

meine Schlüssel und ständig meine Binden, die

von ihrer Substanz her eigentlich doch recht langweilig sind.

 

So ist es, zumindest hat sie die Möglichkeit, sie sich

anzueignen, was mir als Kind gar nicht in den Sinn

kommen konnte ,da ich noch nicht einmal von ihrer

Existenz etwas wusste.

Wenn ich sie ernst nehme und mich in meine Tochter

hineinversetze , empfinde ich wirkliche Trauer über

die Beschränktheit und Unvollkommenheit ihres jetzigen

Zustandes.

Bis jetzt hatte ich das nie so deutlich gesehen.

Ich habe ein echtes Bedürfnis, ihr da eine Brücke

zu bauen.

Nächstes Mal,wenn sie mir wieder sagt, sie will auch

bluten, werde ich ihr sagen, wenn sie eines Tages auch

blutet, werden wir ein Fest feiern, so wie ihren Geburtstag.

Wer sich die kindliche Freude auf die Geburtstage

vergegenwärtigen kann, kann sich sicher auch Vorstellen,

dass diese Vorfreude auf das Ereignis ihrer ersten

Menstruation eine Brücke schlagen kann zwischen dem

Empfinden ihrer jetzigen Unvollständigkeit bezogen

auf das Frau-sein und dem Empfinden meiner Vollständigkeit

als Frau von 33 Jahren.

Ich denke an die Versuche von Feministinnen,

die Sensation der Menstruation aufzuwerten: Eine Zeit des

Zurückziehens auf sich selbst, eine Rück- oder

Besinnung auf den Körper, eine Zeit der Veränderung,

selten wird sie beschrieben als eine Zeit mit der

Erinnerung an die eigene Vergänglichkeit.

Ich kann mich nicht erinnern, den Ansatz gefunden zu

haben, die Tatsache des Einsetzens der Menstruation

aus dem Grund zu feiern, um der Tochter, beziehungsweise

unseren Töchtern in Sinne der nachfolgenden Generation

die Situation der momentanen Unzulänglichkeit zu

erleichtern und ihnen das Bewusstsein zu geben, sie

sind unsere Zukunft.

 

Bevor ich in den nächsten Kapiteln die psychologischen

Komponenten der Mutter-Tochter-Beziehung erörtere,

möchte ich an das Ende dieses Kapitels eine Betrachtung

der gesellschaftlichen Situation der Frau stellen.

 

Selbst der Satz " Die Zukunft ist weiblich" bezieht

sich in der Vorstellung von Frauen eher auf die eigene

Zukunft als auf die Zukunft der Töchter.

Was beschränkt uns Frauen so, dass wir unser Denken

so beschränken?

Warum hat mir meine Mutter die Vorfreude auf den

Beginn der Menstruation vorenthalten?

Welches Bewusstsein hat meine Mutter mir von meiner.

Zukunft vermittelt?

Ja, meine Zukunft, das wäre gewesen,verheiratet ,Kinder

großziehen nach dem Vorbild meiner Mutter.

Interessant ist, dass die Anerkennung und positive

Besetzung von Menstruation und Gebärfähigkeit der

Tochter direkt damit zu tun hat ,inwieweit ich mir

als Frau und Mutter Möglichkeiten der Bestätigung

außerhalb dieser biologischen Tatsachen aufgebaut

habe.

Beziehe ich auch Anerkennung durch meinen Beruf, durch

das Tragen gesellschaftlicher Verantwortung, kann

die sexuelle Potenz anderer Frauen, (ob von Töchtern

oder von jüngeren Frauen),mich nicht in dem Maße

bedrohen, als wenn ich die einzige Anerkennung über

die Funktion als Ehefrau und Mutter beziehe.

Die Aufwertung der Menstruation als wirkliche

Sensation im Leben ein er Frau hat also nichts mit dem

Verweilen auf einer biologistischen Ebene zu tun,

sondern steht in direktem Zusammenhang mit der

Gesellschaftlichen Rolle der Frau, mit der Bereitschaft,

 

bewusste Verantwortung für gesellschaftliche und

politische Entscheidungen zu übernehmen.

In dem Maße, wie ich Anerkennung von Funktionen

beziehe, die weitgehend unabhängig sind von meiner

biologischen, vergänglichen Ausstattung, bin ich auch

bereit, anderen Anerkennung zu geben, insbesondere

anderen Frauen meine Anerkennung ihrer sexuellen

Potenz zu zeigen.

1. Die Darstellung der Mutter-Tochter-Beziehung in der Psychoanalyse

 

a) S. Freuds Darstellung der frühen Mutter-Tochter-Beziehung ( Die psychische Ausgestaltung des Sexuallebens beim Mädchen )

 

In seinem Kapitel "Über die weibliche Sexualität

bringt S. Freud unter anderem seine Unsicherheit

hinsichtlich des Erkennens und Deutens weiblicher

Entwicklungszusammenhänge zum Ausdruck:

“Die Einsicht in die präödipale Vorzeit des Mädchens

wirkt als Überraschung, ähnlich wie auf anderem Gebiet

die Aufdeckung der minoisch-mykenischen Kultur hinter

der griechischen.

Alles auf dem Gebiet dieser ersten Mutterbindung

erschien mir so schwer zu erlassen , so altersgrau,

schattenhaft, kaum wiederbelebbar, als ob es einer

besonders unerbittlichen Verdrängung erlegen wäre.

Vielleicht kam der Eindruck aber davon, dass die Frauen

in der Analyse bei mir an der nämlichen Vaterbindung

festhalten konnten, zu der sie sich aus der in Rede

stehenden Vorzeit geflüchtet hatten.

Es scheint wirklich, dass weibliche Analytike, wie

Jeanne Lempl-de Groot und Helene Deutsch, diese Tat-

bestände leichter und deutlicher wahrnehmen konnten,

weil bei ihren Gewährspersonen die Übertragung auf

einen geeigneten Mutterersatz zu Hilfe kam. Ich habe

es auch nicht dahin gebracht, einen Fall vollkommen

zu durchschauen, beschränke mich daher auf die Mit-

teilung der allgemeinsten Ergebnisse und führe nur

wenige Proben aus meinen neuen Einsichten an.“

( S. Freud - Gesammelte Werke Band 14 Seite 519)

Allerdings erkennt er auch :

"Es wäre unnötig gewesen, diese Arbeit zu veröffent-

lichen, wenn nicht auf einem so schwer zugänglichen

Gebiet jeder Bericht über eigene Erfahrungen und

persönliche Auffassungen wertvoll sein könnte.“

ebenda Seite 534)

 

Während ich Freud an dieser Stelle zustimme,teile

ich nicht seine Meinung über das Entstehen der Eifer-

sucht beim kleinen Mädchen.

Freuds Auffassung ist:

"Vom Ödipus-Komplex war bisher nicht die Rede, er

hatte auch soweit keine Rolle gespielt. Nun aber gleitet

die Libido des Mädchens - man kann nur sagen: längs

der vorgezeichneten symbolischen Gleichung Penis =Kind

- in eine neue Position. Es gibt den Wunsch nach einem

Penis auf, um den Wunsch nach einem Kindes an die Stelle

zu setzen, und nimmt in dieser Absicht den Vater zum

Liebesobjekt. Die Mutter wird zum Objekt der Eifer-

sucht, aus dem Mädchen ist ein kleines Weib geworden."

( ebenda Seite 27 - 28)

Möglich, dass die Tochter auch eifersüchtig auf die

Mutter ist, weil sie das Liebessubjekt/Objekt des

Vaters ist, aber wie ich schon eingangs erwähnte, ist

der Umweg über den "Penisneid" und die Gleichung

Penis-Kind unnötig und überflüssig und verstellt den

Blick auf die tatsächliche Dynamik der Tochter-Mutter-

Beziehung, in der so wichtige Gefühle wie Neid und

Eifersucht auch ohne den Blick auf die väterliche

Figur bestehen.

Dennoch bietet Freud dem Leser Einblicke in die

möglichen Hintergründe von Neid und Eifersucht zwischen

Mutter und Tochter in folgender Beobachtung:

"In der phallischen Phase kommen endlich auch inten-

sive aktive Wunschregungen gegen die Mutter zustande.

Die Sexualbetätigung gipfelt in der Masturbation

an der Klitoris, . ..aber ob es das Kind zur Vorstellung

eines Sexualziels bringt und welches dies Ziel ist,

ist aus meiner Erfahrung nicht zu erraten. Erst wenn

 

alle Interessen des Kindes durch die Ankunft eines

Geschwisterchens einen neuen Antrieb erhalten haben,

lässt sich ein solches Ziel klar erkennen. Das kleine

Mädchen will der Mutter dies neue Kind gemacht haben,

ganz so wie der Knabe, und auch seine Reaktion auf

dies Ereignis und sein Benehmen gegen das Kind ist

dasselbe. Das klingt ja absurd genug, aber vielleicht

nur darum, weil es uns so ungewohnt klingt.“

(ebenda Seite 532)

Schade, dass S. Freud diese Erfahrungen nicht weiter

ausgeführt hat, ebensowenig wie er erwähnt hat, in

welchem konkreten Zusammenhang er diese Beobachtung

gemacht hat.

Seiner Beschreibung zufolge will das Mädchen der

Mutter das neue Kind gemacht haben. Möglicherweise,

in einem anderen Zusammenhang, zu einem anderen Zeit-

punkt, hätte auch er die Erfahrung gemacht, dass das

Mädchen vor der Geburt eines Geschwister meint, sie

gebäre das Kind und nicht die Mutter, so ungewohnt

das klingen mag.

Das sind Spekulationen.

Allerdings beinhaltet die Aussage, dass das Mädchen

der Mutter das Kind gemacht haben will, den Gedanken,

dass das Mädchen als aktives, konkurrenzfähiges Wesen

sich im Rahmen der von S. Freud angeführten Beobachtung

nur mit dem Vater beziehungsweise dem Mann identi-

fizieren konnte.

Dies kann ein Hinweis sein auf die Identifikations-

möglichkeiten für Mädchen zur Zeit Freuds (in Mittel-

europa) oder lässt die Vermutung aufkommen, daß die

Mutter/Frau als Identifikationsmodell kaum bewusst

wahrgenommen wurde; auf der anderen Seite gäbe es die

Möglichkeit, dass das Äußern von Konkurrenz seitens

des Mädchens gegenüber der Mutter so tabuisiert war,

dass das Mädchen den Umweg über den Vater wählte.

 

Oder, was naheliegend wäre, das Mädchen hat den Wunsch,

sie gebäre das Kind, nur der Mutter gegenüber geäußert

und Freud hatte einfach nicht Teil an dieser Kommu-

nikation.

Wie schon erwähnt, sind dies Vermutungen; aber bedeutet

die Tatsache, dass S. Freud den Wunsch der Tochter gegen-

über der Mutter, sie gebäre das Kind, nicht erwähnt

hat, dass diese Interaktion tat sächlich nicht stattgefunden hat?

 

b) Die Darstellung der Mutter-Tochter-Beziehung bei Christiane 0livier - Der Versuch, die Macht der Mutter zu brechen mit Hilfe des ödipalen Modells

 

Ob es sich um Autorinnen wie Edith Jacobson, Karen

Horney, Melanie Klein oder anderer handelt, die in

der Tradition Freud'scher Psychoanalyse stehen, die

Darstellung und Aufarbeitung der Mutter-Tochter-Be-

ziehung an sich spielt in der Regel eher eine unter-

geordnete Rolle, wenn sie überhaupt ausdrücklich er-

wähnt wird.

Entsprechend dem Freud'schen Konzept, das die Wichtig-

keit des Ödipus-Komplexes betont , steht die Beschäf-

tigung mit der Vater-Tochter oder Mutter-Sohn-Beziehung

im Vordergrund.

Auch Christiane 0livier orientiert sich sehr stark

am ödipalen Modell.

Allerdings gibt sie eine sehr anschauliche Darstellung

ihrer Tochter-Mutter-Beziehung und tiefe Einsichten

in die Dynamik der Mutter-Tochter-Beziehung aus der

Sicht der Tochter .

Deshalb ist es mir wichtig, mich in diesem Kapitel

mit ihren Gedanken zu beschäftigen, ganz besonders

mit ihren Kindheitserinnerungen.

 

Christiane Olivier schreibt :

"Kindheitserinnerung

Und ich lache, wenn ich an das Fieber denke , das mich

ergriff, sobald meine Eltern das Haus verlassen hatten...

Es war das Plündern, oder eher nein, die systematische

Untersuchung der Schublade "ihrer" Kommode,

beileibe nicht irgendeiner. ..,die (Schublade),die mich inter-

essierte, war die zweite, diejenige, in der "sie" ihre

persönliche Wäsche aufbewahrte. Angesichts ihrer Büs-

tenhalter, Schlüpfer, Monatsgürtel überließ ich mich

allen möglichen Phantasien...

Was das kleine Mädchen sucht, wenn man ihm nichts

in Bezug auf sein Geschlecht gesagt hat, ist der Unter-

schied zwischen ihm und seiner Mutter, wobei es nicht

weiß, woran es diesen Unterschied festmachen soll,

aber es glaubt, daß er sich sicher im Körperlichen

findet.

….Ich hatte nicht nur das Interesse meines Vaters

für meine Mutter beobachtet, sondern als ich etwa

sechs Jahre alt war, "überraschte" sie mich damit, daß

sie mir das Kommen einer kleinen Schwester oder eines

kleinen Bruders ankündigte. Unmöglich, deren Ursprung

zu erfahren; ich glaube, dass ich wohl seit diesem Zeit-

punkt versucht habe, das "Geheimnis" meiner Mutter

zu ergründen.

Ich glaube, dass heute keine Mutter mehr ihr Kind in

Unwissenheit halten möchte, aber die Antworten sind

ebenso unterschiedlich wie die Zugehörigkeit zu einer

Partei,...von dem Baby, das unter dem Herzen schläft

...bis zu der ziemlich erschreckenden Erklärung, daß

der Arzt den Bauch aufmacht, um das Baby zu holen,

werden alle Variationen angeboten.

Man fragt sich, warum so wenige Frauen den Mut haben,

die einfache Wahrheit zu sagen: Der einzige Grund

dafür ist die Bewahrung des "Geheimnisses",

da dieses Geheimnis offensichtlich vor der Kenntnis der Vagina

schützt und vielleicht das kleine Mädchen von der

Entdeckung der Selbstbefriedigung abhält..... um es

im Engel-Stadium zu halten." (C. 0livier Jokastes Kinder S. 80)

Obwohl Christiane 0livier in ihren Ausführungen immer

wieder Wert darauf legt, eine Gegenposition zu Freud

zu schaffen, hat sie sich an dieser Stelle nicht weit

von seinen Gedanken entfernt, denn Freud schreibt

um Beispiel:

 

"Der Groll wegen der Behinderung in der freien Betä-

tigung spielt eine große Rolle in der Ablösung von

der Mutter. Dasselbe Motiv wird auch nach der Puber-

tät wieder zur Wirkung kommen, wenn die Mutter ihre

Pflicht erkennt, die Keuschheit der Tochter zu be-

hüten.“

(S. Freud Gesammelte Werke Band 14 Seite 526)

Die Keuschheit der Tochter zu behüten!

Angenommen, dies trifft zu, weder bei Freud noch

bei Christiane Olivier taucht die Frage auf nach den

Gründen für dieses Verhalten. Zudem komme ich aus einer

Generation, in der es beinahe üblich war, dass Mütter

mit ihren Töchtern zum Frauenarzt gingen, um ihnen

die "Pille" verschreiben zu lassen.

Ich kann mich auch nicht erinnern, dass meine Mutter

mich davon abgehalten hat, mich selbst zu befriedigen,

das war wohl eher die Sache des Dorfpfarrers, dessen

größte Sorge es war, uns vor diesen unkeuschen Tat-

sachen zu bewahren.

Es erscheint mir ungenau oder zumindest unvoll-

ständig, den Grund für die "Bewahrung des Geheimnisses"

darin zu sehen, dass das Mädchen durch das Nichtwissen

von seiner Vagina davon abgehalten wird, sich selbst

zu befriedigen, wenn C. Olivier an dieser Stelle die

Klitoris gar nicht erwähnt. Schließlich war es sogar

zu Freuds Zeit eine bekannte Tatsache, dass es die

Klitoris ist, die bei der Befriedigung des Mädchens

die wichtige Rolle spielt.

Dennoch gewinnt Christiane Olivier tiefe Einblicke

in die Psyche des kleinen Mädchens.

 

“Das Drama des kleinen Mädchens ist, dass sein Körper

Wie niemandes Körper ist. Es hat weder das Geschlecht

des Vaters noch die Formen der Mutter (keine Brüste,

keine schlanke Taille, keine Hüften und Schamhaare). Nackt

sieht sich das kleine Mädchen flach und geschlitzt, den

asexuellen Puppen gleichend, die in den Geschäften verkauft werden.

 

Etwas, das "wie" ist, existiert gleichwohl beim kleinen

Mädchen, aber es ist ganz tief in seinem Schlitz

vor seinem Blick verborgen." (Das kann doch anatomisch

nicht ganz richtig sein "tief in seinem Schlitz")

"Und nie spricht jemand mit ihm darüber, über das

einzige sexuelle Organ, dass mit dem der Mutter ver-

gleichbar ist.

Die Klitoris, von den Feministinnen geltend gemacht,

von den Machos verunglimpft, könnte sehr wohl eines

der ersten Glieder einer bruchfesten Kette sein,

wenn man die weibliche Sexualität aus der Dunkel-

heit hervorholen will. In der Tat spricht man zum

kleinen Mädchen nie von diesem Teil seiner Sexuali-

tät, man lehnt es ab, ihm zu sagen, was es hat, und

spricht lieber allgemein über den restlichen Genital-

apparat, der noch gar nicht in Funktion ist: Man

erzählt ihm also von dem, was es nicht hat (Fortpflan-

zung, Regel), was die Mutter aber besitzt.

Die "Mutter'" kann aus diesem Grunde kein Identifi-

kationsmodell für ihre Tochter sein, und ein Gefühl

gleichgeschlechtlicher Liebe zwischen ihnen erweist

sich als unmöglich....

Gegenüber dieser ungleichen und besser ausgestatteten

"Mutter" entwickelt das Mädchen Neid und Eifersucht,

die, im Gegensatz zu dem, was Freud glaubte, sich

nicht auf den Körper des Mannes richten, sondern

durch den niederschmetternden Vergleich mit der

Mutter-Frau entstehen (Christiane Olivier, Jokastes

Kinder S.82)

Verständlich und sinnvoll ist die Suche der Tochter/

Christiane Olivier nach einem Bindeglied (Bindeglied

ist in diesem Zusammenhang ein recht harmloses Wort,

wo es doch eigentlich darum geht, die Ohnmacht der

Tochter aufzubrechen), aber ist die Klitoris tatsäch-

lich das Bindeglied?

Christiane Olivier´s Suche nach einem Bindeglied

hat sich damit erschöpft , sie stellt allerdings noch

Fragen nach den Gründen für das Ungleichgewicht

in der Mutter-Tochter-Beziehung.

 

"Wenn es mit den Frauen soweit gekommen ist und die

Eifersucht die gleichgeschlechtliche Solidarität

verdrängt hat, dann auf jeden Fall deshalb, weil es

die "Mutter" als die Frau,die ihr zuerst begegnet,

nicht gewagt hat, am Körper ihrer Tochter anzuer-

kennen oder zu benennen, was diese mit ihr gemeinsam

hat. Hat sie sich geschämt? Hat sie Angst gehabt?“

(ebenda S.86)

Christiane Olivier stellt zwar diese Fragen und

spricht von Neid und Eifersucht, aber ehe sie sich

darauf einlässt, weiter nach Gründen und Antworten

zu suchen, wendet sie sich anderen Themen zu.

Bietet nicht gerade die Auseinandersetzung mit so

handfesten Gefühlen wie Neid und Eifersucht die

Möglichkeit einer intensiven Beziehung zwischen

Mutter und Tochter?

Liegt nicht gerade im Erleben von Macht und Ohnmacht

eine Chance zum beiderseitigen Wachsen von Mutter

und Tochter?

Es ist auffällig, wie schnell Christiane Olivier

nach ihrer intensiven, emotionalen Darstellung der

Ohnmacht der Tochter gegenüber der Macht der Mutter

(im übrigen fehlen die Begriffe Macht und Ohnmacht

in ihrer Beschreibung) den gedanklichen Schritt

zur Bestätigung der Tochter durch den Vater/Mann

macht.

Sie schreibt:

"Frauen vertrauen anderen Frauen nicht, wenn es um

ihre Anerkennung geht; sie fürchten, unter Frauen

die Rivalität wieder anzutreffen, die sie schon mit

der ersten aller Frauen erfahren haben, mit Ihrer

Mutter." (ebenda S.86)

 

Ihre Lösung des Konflikts sucht sie darin, dass die

Väter/Männer den Töchtern/Frauen Anerkennung geben,

indem sich beispielsweise Väter mehr in der Kinder-

 

erziehung engagieren und die kleinen Mädchen begeh-

renswert finden, was wie sie glaubt, in der Mutter-

Tochter-Beziehung fehlt.

 

"Wenn doch der Mann teilhätte an der psychischen

Erziehung seines Kindes, wie er teilhätte am Moment

seiner Zeugung! Sein Sohn könnte von Anfang an

eine Beziehung der Gemeinsamkeit entwickeln,...Seine

Tochter könnte sich vielleicht endlich von Anbeginn

in einem Spiegel sehen, der ihr vom anderen Geschlecht

hingehalten wird und in dem sie ihren Körper als

begehrenswert erkennen kann, "(ebenda S.221)

 

Dagegen, dass Väter sich mehr in der Kindererziehung

betätigen, dagegen habe ich nichts einzuwenden.

Aber warum sollten Väter den "unvollkommenen" Mädchen-

körper mehr begehren als die Mütter?

Wegen einer allgegenwärtigen Heterosexualität oder

wegen dem Fehlen von Neid und Eifersucht?

Etwa wegen dem Fehlen von Macht?

Der tatsächliche Spiegel für eine Frau/Frauen ist

mehr noch als für die Männer eine andere Frau, ange-

fangen bei der Mutter, die die kleine Tochter spiegelt,

während sie ihr die Brust gibt oder erste Blicke

mit ihr tauscht bis hin zu der Tochter, die als die

Fortsetzung der Vitalität und Fruchtbarkeit der

Mutter verstanden werden kann.

Denn bei allem Neid und aller Eifersucht und allen

Gefühlen von Macht und Ohnmacht ist es eine logische

Konsequenz, dass die Anerkennung/Macht, die eine Frau

einer anderen Frau verweigert, letztlich doch nur

in der Anerkennung durch eine (andere) Frau gefunden

werden kann und nicht durch einen Mann. Nur ich selber

kann mir Macht gehen/nehmen als Frau.

Obwohl diese Ahnung der Anerkennung durch eine andere

Frau in Christiane Oliviers Texten vorhanden ist,

hat sie ihren Blick doch ständig auf die Anerkennung

durch den Mann gerichtet und verpasst demzufolge

die Chance, sich mit der Dynamik von Macht und Ohnmacht

in der Mutter-Tochter-Beziehung zu beschäftigen.

 

Ihre Beschäftigung mit dem ödipalen Modell sowie

die Auseinandersetzung anderer Psychoanalytikerinnen

wie zum Beispiel Melanie Klein mit dem "Komplex

des Ödipus" oder dem "Penisneid" lassen erkennen,

welche Chancen Frauen darin sehen, diesen Themen vor-

rangig Beachtung zu schenken.

Der Untertitel dieses Buches von Christiane Olivier

"Die Psyche der Frau im Schatten der Mutter" gibt

allerdings auch Einsichten in die Versäumnisse,

die dadurch entstehen, dass der Kampf zwischen Tochter

und Mutter nicht ausgetragen wird und somit auch

keine echte Chance für die Tochter besteht, ebenbürtig

neben ihrer Mutter ihren Platz einzunehmen.

Auch wenn ich keinen Hinweis auf den Untertitel in

der französischen Originalfassung finden konnte,

denke ich, daß es kein Zufall sein kann, dass der

Untertitel dieses Buches lautet :"Die Psyche der

Frau im Schatten der Mutter."

 

c) Die Darstellung der Mutter-Tochter-Beziehung bei Helene Deutsch und die Beschreibung anderer Frauen-beziehungen vor dem Hintergrund der Mutter-Tochter-Beziehung

 

Wenn Freud meint, Helene Deutsch versteht es besser,

das Mutter-Tochter-Verhältnis ,was hindert mich daran,

Ihre Schriften zu lesen und zu verstehen?

Um es gleich am Anfang zu sagen, ich habe mich auf

die Bücher Helene Deutschs gestürzt und vor allem

aus dem Lesen ihrer Autobiographie großen Gewinn

gezogen, ganz besonders für meine Identität als Psy-

chologin.

An dieser Stelle möchte ich einmal auf meine Art und

Weise, dieses Thema "Frauenbeziehungen vor dem Hinter-

grund der Mutter-Tochter-Beziehung" zu bearbeiten,

Excerpt out of 66 pages  - scroll top

Details

Title
Frauenbeziehungen vor dem Hintergrund der Mutter-Tochter-Beziehung
College
University of Bremen
Grade
2,5
Author
Claudia Heufers-Darkwa (Author)
Publication Year
1990
Pages
66
Catalog Number
V1592082
ISBN (eBook)
9783389139820
ISBN (Book)
9783389139837
Language
German
Tags
Magersucht Mutter-Tochter-Beziehung Identitätsfindung
Product Safety
GRIN Publishing GmbH
Quote paper
Claudia Heufers-Darkwa (Author), 1990, Frauenbeziehungen vor dem Hintergrund der Mutter-Tochter-Beziehung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1592082
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