Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Einordnung des Begriffs Offentlichkeit
2.1 Idealtypus der Burgerlichen Offentlichkeit
3. Strukturwandel der Offentlichkeit
3.1 Politischer Funktionswandel
4. Revision im Vorwort 1990
5. Sozialer Wandel
6. Zusammenfassung
Einleitung
Im Folgenden soil das Thema Sozialer Wandel nach Habermas diskutiert werden, am Beispiel des Werkes „Strukturwandel der Offentlichkeit“. Es wird Hauptsachlich des Werkes „Strukturwandel der Offentlichkeit“ von Jurgen Habermas zu Grunde gelegt. Es wird die Auflage von 1990 verwendet, bei der Habermas ein neues Vorwort hinzugefugt hat. Aufgrund der groBen Fulle von Sekundarliteratur von Befurwortern und Gegnern des Werkes „Strukturwandel der Offentlichkeit“ wird diese nicht mitbetrachtet.
Die Arbeit gliedert sich in 5 Teile. Nach dem Vorwort wird in Punkt 2 auf den Begriff der Offentlichkeit eingegangen. Der Begriff wird wie bei Habermas historisch hergeleitet. In Punkt 2.1 wird der Idealtypus der burgerlichen Offentlichkeit vorgestellt. Strukturwandel der Offentlichkeit nach Habermas wird in Punkt 3 der Arbeit erlautert, im Anschluss wird in Punkt 4 auf die Revisionen im Vorwort der Auflage von 1990 eingegangen. Es wird nur auf die Revisionen eingegangen, die fur die Fragestellung der Arbeit Bedeutung haben. Im letzten Teil der Arbeit wird sozialer Wandel definiert und es wird am Beispiel der Einfuhrung des Mindestlohnes im Pflegebereich sozialer Wandel mit der Theorie „Strukturwandel der Offentlichkeit“ erklart.
AuBer Acht gelassen wird die negative Einschatzung von Habermas, dass es eine Aufhebung der burgerlichen Offentlichkeit gibt. Vielmehr werden die Vorbemerkungen aus dem Vorwort von 1990 zugrunde gelegt, indem Habermas seine pessimistischen Schlussfolgerungen zum Teil neu bewertet.
Zum besseren Verstandnis einige Daten zur Biographie Habermas: Jurgen Habermas wurde am 18.06.1929 geboren. Im Jahr 1961 habilitierte Habermas mit der Schrift „Strukturwandel der Offentlichkeit“. In den Jahren 1964 - 1971 hatte er eine Professur fur Philosophie und Soziologie an der Universitat Frankfurt/Main inne, bevor er 1971 - 1983 Direktor des Max-Planck-Instituts war. In den Jahren 1983 - 1994 kehrte er als Professor fur Philosophie nach Frankfurt/Main mit dem Schwerpunkt Sozial- und Geschichtsphilosophie zuruck.
2. Einordnung des Begriffs Offentlichkeit.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Offentlichkeit oft verwendet, Beispiele hierfur sind: Offentlichkeitsarbeit, offentliche Veranstaltung, Personen des offentlichen Lebens und vieles mehr. Die Aufzahlung erhebt keinen Anspruch auf Vollstandigkeit, verdeutlicht aber, dass der Begriff Offentlichkeit im umgangssprachlichen Gebrauch mehrere Bedeutungen haben kann: Zum einen steht er fur eine Gruppe von Menschen, die ein Ereignis als Schauplatz ansehen. Zum andern steht Offentlichkeit fur eine Menschengruppe, die bestimmte kulturelle Werte und Normen teilen.
Auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch gibt es verschiedene Deutungen des Begriffs der Offentlichkeit. Von Neidhardt (1994; S. 7) wird Offentlichkeit als „offenes Kommunikationsforum fur alle, die etwas sagen oder das, was andere sagen, horen wollen“ beschrieben. Elisabeth Noelle-Neumann (1996, S. 217) beschreibt Offentlichkeit als eine Zusammensetzung wertgeladener Meinungen, die eine starke Macht haben. Diese Macht ist so groB, dass sie die Medienberichterstattung pragt. Auch der Medienberichterstattung wird eine gewisse Macht zugesagt, denn auch die Berichterstattung pragt die offentliche Meinung. Diese Beispiele zeigen, dass Offentlichkeit im umgangssprachlichen Gebrauch eine andere Bedeutung aufweist, als im wissenschaftlichen Kontext. Auch im soziologischen Sprachgebrauch gibt es keine einheitliche Definition von Offentlichkeit. Habermas(1990; S. 54) definiert Offentlichkeit als eine jedem zugangliche Sphare.
Der Begriff Offentlichkeit wird das erstmalig im 18. Jahrhundert in Deutschland verwendet. Seither gibt es eine Unterscheidung von Offentlichkeit und Privatheit. Im 18. Jahrhundert treten die ersten Presseerzeugnisse auf, welche dazu beitragen, dass der Diskurs der Bildung von eine breite Menschenmenge erfasst werden kann. So kommt laut Habermas(1990; S. 83) eine erste Bildung offentlicher Meinung zu Stande. Zusammenfassend haben folgende Punkte in dieser Zeit zur Bildung einer Offentlichkeit die sich Ihrer selbst bewusst ist beigetragen: Es kommt zur Bildung von Nationalstaaten, der fruhe Kapitalismus und Merkantilismus setzt ein. Immer mehr Themen die den Kapitalismus, den Merkantilismus und den Nationalstatt betreffen, werden zu offentlichen Themen (Habermas, 1990, S. 75ff).
2.1 Idealtypus der burgerlichen Offentlichkeit
Wie oben ausgefuhrt, beschreibt Habermas, dass sich Offentlichkeit im 18. Jahrhundert herausbildet und eine Unterscheidung zwischen Privatheit und der Offentlichkeit einsetzt. Eine erste Stufe der Entwicklung der Offentlichkeit findet in der Privatheit der Familie statt. Hier wird uber Themen, die fur die Familie wichtig sind gesprochen. Diese Gesprache sind noch unpolitisch, doch eine Ubung fur die spatere Entwicklung der politischen Offentlichkeit (Habermas,1990, S. 90). Die zweite Stufe der Entwicklung einer Offentlichkeit findet in den Stadten statt. Die Burger treffen sich in Kaffeehausern, Salons oder Tischgesellschaften und sprechen uber Literatur und spater auch uber Politik. Durch die Verbalisierung der Themen kam immer haufiger Kritik an dem bestehenden System auf. Die ersten Versammlungen standen nur den Menschen offen, die Lesen konnten. Spater weiteten sich die Themen der Salons, Kaffeehauser und Tischgesellschaften aus, nun ging es auch um den Kapitalismus. Die Gesellschaften entwickelten sich, wie Ihre Themen weiter. Charakteristisch fur die Versammlungen war, dass sie nun fur jeden, egal welchen sozialen Stand derjenige innehatte, offen standen. Dies war aber nicht die einzige Veranderung, wahrend der Versammlung waren sich alle ebenburtig, es zahlte nur das Argument, welches die meiste Uberzeugungskraft hatte. Ein weiteres Charaktaristika der Versammlungen war, dass sie fur jeden Interessierten jederzeit offen waren. Es konnten sich also keine festen Strukturen ergeben: Mit jedem Eintritt eines neuen Besuchers, kam auch eine weitere Meinung zu den Versammlungen, die die ganzen bisherigen Strukturen verandern konnte. Aus den beschriebenen Kreisen entstehen erste Zeitungen und Zeitschriften die Aufklarungsarbeit leisten und auch Kritik an den bestehenden Verhaltnissen verbreiten (Habermas,1990, S. 93ff). Die Versammlungen setzten sich aus Interessierten aus dem Kreis der Familie zusammen. Die Familie andert sich in dieser Zeit auch, es kommt zu einer Emanzipation der Familie. Durch diese sieht sich der Mensch als Individuum. Zeitgleich werden in den Versammlungen immer haufiger politische Themen besprochen und kritisiert. Die Teilnehmer der Versammlungen und auch die Leser der Publikationen beginnen ein politisches Bewusstsein zu entwickeln (Habermas, 1990, S. 116).
Die Entwicklung eines politischen Bewusstseins zeigt Habermas am Beispiel der Geschehnisse in England, Frankreich und Deutschland auf. Die Gegenuberstellung die Habermas vornimmt soll in dieser Arbeit nicht weiter betrachtet werden, vielmehr sollen die Gemeinsamkeiten der Entwicklung betrachtet werden. Gemeinsam ist allen drei Staaten, dass die Presse eine wichtige Rolle durch die Verbreitung von Inhalten hat. Die Verbreitung der Inhalte erfolgt auf zwei Ebenen: Zum einem wird einem interessierten Publikum Zugang gewahrt, zum anderen kann durch die Publikationen Einfluss auf die stattlichen Gewalten genommen werden. Die Publikationen dienen primar als Organ der Offentlichkeit. Des Weiteren entwickelt sich die Offentlichkeit zu einem Organisationsprinzip, dass bei den sich entwickelnden Rechtstaaten eine immer groBere Rolle einnimmt. „Die politisch fungierende Offentlichkeit erhalt den normativen Status einesOrgans der Selbstvermittlung der burgerlichen Gesellschaft“ (Habermas, 1990, 142).
Nicht nur die Bildung des Rechtstaates tragt zur Bildung einer Offentlichkeit bei, auch die Marktliberalisierung unterstutzt die Bildung einer politischen Offentlichkeit. Durch die Liberalisierung ist der Einzelne nicht mehr auf den Staat angewiesen sondern ist autonom. Diese Autonomie tragt ihrerseits zur Bildung einer politischen Offentlichkeit im Rechtsstaat bei (Habermas, 1991, S. 151 ff ). An dieser Stelle zur Verdeutlichung ein Zitat von Habermas „Durch offentliche Konkurrenz der privaten Argumente, Deliberation, soll voluntas in eine ratio uberfuhrt werden, Willkur sich zu Konsens weiterentwickeln“ (1990, S. 153). Die Ausfuhrungen zeigen, wie es nach Habermas zu einer politischen burgerlichen Offentlichkeit kommt. Der Idealtypus zeichnet sich dadurch aus, dass niemand der uber Bildung verfugt ausgegrenzt wird. Die Schicht der politischen burgerlichen Offentlichkeit ist durchlassig. Jeder der sich Bildung aneignen kann, kann in die politisch burgerliche Offentlichkeit aufgenommen werden. Habermas geht davon aus, dass die Offentlichkeit zerfallt und damit ihre politische Funktion verliert. Er unterscheidet zwei verschiedene Wandlungen der Offentlichkeit: Zum einem den Strukturwandel der Offentlichkeit selber und zum anderen den politischen Funktionswandel.
3. Strukturwandel der Offentlichkeit
Im Folgendem soll aufgezeigt werden, wie sich die Offentlichkeit und damit die Gesellschaft andert. Es kommt zu einer repolitisierten Sozialsphare, die keine Unterscheidung zwischen Offentlichkeit und Privatheit mehr kennt. Der Staat erweitert seine Einflusssphare. Ein Beispiel an dieser Stelle ist die Erweiterung der Sozialgesetzgebung. Der Staat wandelt sich also vom Ordnen zum Gestalten. Im Zuge des gestaltenden Eingreifen des Staates, kommt es zu einer Einflussnahme vom Staat auf die Privatheit der Burger. AuBer der Anderung durch den Staat kommt es auch zu einer Anderung durch den Kapitalismus. Ein GroBteil der Menschen steht in einem Abhangigkeitsverhaltnis, namlich zwischen dem Lohnarbeitern und den Kapitalisten. Damit die Lohnarbeiter ihre Interessen trotzdem vertreten konnen, zum einem gegenuber dem Staat und zum anderen gegenuber den Kapitalisten, kommt es zur Bildung von Zusammenschlussen. Solche Zusammenschlusse konnen Gewerkschaften, Verbande oder Interessenvertretungen sein. In den Interessengruppen findet keine Offentlichkeit wie in Punkt 2 beschrieben statt, es handelt sich um ein Delegationsprinzip. Durch die Bildung von GroBbetrieben wird der private Bereich immer kleiner und der offentliche Bereich immer groBer. Die Familie die fruher zur Zusammenarbeit fur ein gemeinsames Familieneinkommen im privaten Bereich gezwungen war, andert sich in ein Einverdiener-Modell. Damit wird der private Bereich immer mehr beschnitten und der offentliche Bereich durch Arbeits- und Organisationswelt immer groBer ( Habermas, 1990, S. 288 ff).
3.1 Politischer Funktionswandel
Habermas beschreibt den Funktionswandel der Politik anhand eines Beispiels: der Presse. Wie bereits oben beschreiben, waren die Zeitungen und damit die Presse Meinungstrager und das Organ, das die Meinungen verbreitet bzw. zu Diskussion gestellt haben. Diese Funktion buBen Zeitungen immer mehr ein. Es arbeiteten zunehmend selbstandige Redaktionen, die ihre Artikel frei Selektieren. Die Presse handelte vormals mit offentlicher Meinung. Mit der Zeit wurde die Presse zunehmend kommerzialisiert. Habermas beschreibt den Mechanismus der Kommerzialisierung wie folgt: Ein Unterschied der kommerzialisierten Presse zu der nicht kommerzialisierten Presse ist, dass die Redaktionen nicht mehr frei sind in der Selektion Ihrer Nachrichten sondern den Gesetzes des Marktes unterworfen sind. Die eigentliche Ware der Zeitungen wird Anzeigenraum. Die redaktionelle Arbeit der Presse umrahmt nur noch die Anzeigen. Das soll heiBen, dass die redaktionellen Beitrage in erster Linie dazu dienen Anzeigen zu verkaufen. Die Zulassung von Werbung hat aber auch noch andere Folgen.
[...]