Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sozialisationsbegriff und Väterforschung
2.1 Historisch-gesellschaftliche Ausgangslage des 18. - 20. Jahrhunderts
3. Väter und Einflussfaktoren die heute auf sie wirken
3.1 Väter zwischen Erwerbstätigkeit und Familie
4. Vater-Kind-Beziehungen und ihre Bedeutung
4.1 Das Geschlecht des Kindes
5. Das Fehlen der Vaterfigur
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Familie ist die primäre Sozialisationsinstanz für Kinder, die ihnen weiteren Werdegang maßgeblich beeinflusst. Sie ist die erste Gruppe, der ein Individuum angehört und sie prägt sowohl die physische, kognitive, emotionale, psychische aber auch die soziale Entwicklung des Kindes. In den ersten Jahren werden so die Grundstrukturen der Persönlichkeit festgelegt (vgl. Textor 1991). Die Rolle des Vaters bei der Entwicklung des Kindes wurde früher oft als nebensächlich behandelt, doch seit den 1980er Jahren ist die Vaterforschung auch in diesem Bereich intensiviert worden. Die Annahme in der Bindungstheorie ist, dass beide Elternteile Bezugspersonen für das Kind darstellen, die es beeinflussen.
Wie im Anfangszitat erkennbar, wende ich mich in meiner Hausarbeit der Frage zu, welchen Anteil der Vater zur Entwicklung und Erziehung des Kindes beiträgt und welche Einflüsse dabei auf ihn selbst wirken und ihn evtl. behindern können. Einleitend erfolgt ein kurzer Abriss über die historische Darstellung von Vaterschaft in den letzten drei Jahrhunderten. Im zweiten und dritten Punkt beleuchte ich die Vergangenheit und den Ist-Zustand der Vater-Kind-Beziehung. Danach wende ich mich im vierten Teil den neuesten Untersuchungsergebnissen der Vater-Kind-Forschung und ihrer Bedeutung für die Vater-Kind-Beziehung zu. Abschließend werde ich darstellen, wie die Abwesenheit des Vaters bzw. eine Trennung der Eltern auf die Kinder wirkt.
2. Sozialisationsbegriff und Väterforschung
Im Allgemeinen wird Sozialisation als ein Prozess der Vergesellschaftung verstanden. Wie wird ein Individuum in eine soziale Gruppe eingegliedert oder wie es sich zu einem gesellschaftlich handlungsfähigem Subjekt bildet? Dieser Prozess setzt unmittelbar nach der Geburt ein und wird von nun an durch die soziale und materielle Umwelt, und den dort befindlichen Interaktionspartnern, während der Kindheits- und Jugendphase geprägt. Wie von einigen Autoren auf diese Phase des Lebens beschränkt, führt meiner Meinung nach auch jedes weitere Kennenlernen einer neuen sozialen Gruppe und die damit verbundenen Werte, Überzeugungen und Verhaltensstandards zur weiteren Prägung des sozialen Selbst. Der Sozialisationsprozess dauert somit das ganze Leben an und erlangt erneut eine wichtige Bedeutung, wenn es um den beruflichen Werdegang und die damit zusammenhängenden sozialen Gefüge geht (vgl. Fuchs-Heinritz 1995: 615).
Bezogen auf mein Thema der Hausarbeit, möchte ich mich jedoch auf die Phase bis zur Jugendphase beschränken, da eine komplexe Betrachtung der gesamten Sozialisation eines Individuums in Bezug auf die Einflüsse einer Vaterfigur den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde.
Die Ansätze in der Väterforschung erstrecken sich mittlerweile von pädagogischen, psychologischen und soziologischen bis zu populärwissenschaftlichen Ansätzen. Im Gegensatz zur Rolle der Mutter blieb die familiäre Rolle des Vaters lange Zeit aus familiensoziologischen und -psychologischen Studien ausgeklammert und es wurde primär die weibliche Seite des Geschlechterverhältnisses in den Blick genommen. Erst in den letzten drei Jahrzehnten konnte sich die Väterforschung als fester Bestandteil der interdisziplinären Familienforschung etablieren.1 Das Augenmerk der Forschung lag dabei hauptsächlich auf dem Einfluss den Väter auf die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder haben, denn es kann heutzutage nicht mehr bestritten werden, dass Väter eine große und wichtige Rolle in der Bedeutung für ihre Kinder haben können, gerade wenn sie anwesende oder präsente Väter sind (vgl. Fthenakis 1999).
Nach Seiffge-Krenke (2001) liegt die, in die Tiefe gehende Vaterforschung an dem Vater- und Mutterbild, welches sich gesellschaftlich gerade in dem Zeitraum zu verändern begann. Auch die andersartige Beziehung zum Vater, im Gegensatz zur Mutter ab den ersten Lebenstagen wird von Seiffge-Krenke aufgegriffen. Dies zeigt sich auch in der stärkeren Stimulation von Säuglingen durch den Vater (ders.: 54). In den letzten Jahren wendet sich die Forschung neuen Fragen zu, vor allem die gegenseitige Einflussnahme von den Eltern auf das Kind, aber auch vom Kind auf die Eltern stehen nun im Mittelpunkt, Selbstsozialisation im Zuge der Interaktion miteinander (Matzner 2004: 13f).
2.1 Historisch-gesellschaftliche Ausgangslage des 18. - 20. Jahrhunderts
In historischen und kulturtheoretischen Texten zu Gesellschaft und Staat - etwa von Aristoteles und Freud - steht der Vater überhöht für Ordnung, Gesetz, Außenwelt und Staat. In der Antike beispielsweise wurden Kinder mehr als Sache denn als Person betrachtet. Nutzen sie nicht der Familie und dem Statt, konnten sie auf diverse Möglichkeiten beseitigt werden (vgl. Spillmann 1980).
In der germanischen Zeit konnten Neugeborene rechtsgültig getötet und vor allem Töchter ausgesetzt werden. In allen zurückliegenden Epochen wurden Kinder als Sache betrachtet und schwer gezüchtigt und misshandelt (Arnold 1980: 79ff.).
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts verloren die Hausväter dann mehr und mehr an Sonderstellung im Familiengebilde. In der westlichen Welt entwickelt sich der Vater in diesem Jahrhundert zur Autoritätsperson innerhalb der häuslichen Produktionsgemeinschaft Familie, die keine Trennung zwischen Heim und Arbeitsplatz kennt. „Noch heute drohen Mütter mit dem Vater wenn sie ihren Kindern etwas verbieten, sie zurechtweisen wollen“ (Böhnisch 2004: 137). Dies sind Muster aus der patriarchalen Zeit der Industrialisierungsgesellschaft, in der der Vater eine unangetastete Autoritätsfigur darstellte. Doch mit der steigenden Verantwortung außerhalb des Hauses waren sie geradezu auf die „Gefährtenschaft“ und „Komplementarität“ ihrer Frauen angewiesen. Diese Schwächung seiner Position im Haus, steht im Zusammenhang mit der französischen und amerikanischen Revolution, der ständig wachsenden Etablierung des Staates und seiner Erziehungsinstitutionen und den wandelnden Vorstellungen über die Ehe. Die neuen Wirtschaftsformen forderten eine Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit, der Hausvater wurde zum alleinigen außerhäuslichen Ernährer der Familie. Dazu Fthenakis: „Im deutschen Sprachraum vollzog sich der strukturelle und definitorische Wandel des Familienkonzeptes erst gegen 1800“ (ders. 1988: 12). Kinder waren Namensträger, Arbeitskräfte und eine Art Alterssicherung ihrer Eltern. Es wurde wenig mit ihnen gesprochen und gespielt, hinzu kam mangelnde Hygiene. „Erst mit der Renaissance, mit dem Beginn der Neuzeit, begann sich jener tiefgreifende Wandel zu vollziehen, der zu einem >privaten< Familiengefühl führte und damit auch die Grundlage für eine engere Beziehung zwischen Eltern und Kindern legte“ (Spillmann 1980: 32).
Gleichzeitig kam es hauptsächlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Ablösung des Hausvaters, der zu Beginn die oberste Autorität der Familie darstellte und nicht selten sogar eine sakral ähnliche Funktion inne hatte, hin zum Berufsmenschen, der nur selten anwesend war (vgl. Matzner 2004: 136ff.). „Die Eltern-Kind-Beziehung war vor allem eine Mutter-Kind-Beziehung, die zum Vater hin eine durch die Mutter vermittelte“ (Berg 1991: 102). Sigmund Freud ging davon aus, dass Kinder bis zum vierten Lebensjahr ausschließlich zu sogenannten dyadischen Konstellationen - Paarbeziehungen zu einem einzigen Menschen, der Mutter nämlich - fähig sind.
Heutzutage steht die Triade mehr im Vordergrund, der Vater bietet dabei eine weitere Perspektive der Wahrnehmung an. Klitzing, aber auch Herzog leisteten einen großen Beitrag an dem Konzept der frühen Triangulierung.2 Beide stellten fest, dass der Vater während der gesamten Sozialisation des Kindes eine Rolle bzw. mehrere Rollen spielt. Väter interessieren sich heute auch weitaus mehr für die Zeit vor der Geburt, sie nehmen an Geburtsvorbereitungskursen teil, stehen im Kreissaal neben der Frau oder beteiligen sich am Baderitual des Neugeborenen, dies gilt vor allem für die westlichen Industrienationen. Generell werden Kinder nicht mehr nur als Last oder Bürde empfunden, sondern die sind vielmehr Ausdruck nach Erfüllung einer eigenen Familie und Selbstverwirklichung auf Seiten der Frauen wie auch Männer. Die Sehnsucht nach Kindern ist gleichzeitig mit der Hoffnung auf eine intakte Partnerschaft und langfristige Beziehung geknüpf]t.
3. Väter und Einflussfaktoren die auf sie wirken
Das Engagement des Vaters am familiären Leben wird entscheidend durch den Beruf und den Umfang seiner beruflichen Tätigkeit, sowie die dadurch entstehende Belastung beeinflusst. So ist das Bild des Vaters in der Gesellschaft vornehmlich durch seine familienversorgende Berufsrolle geprägt. „Erst mit der gesetzlichen Festschreibung der gleichberechtigten Ausübung der elterlichen Gewalt (1957) sowie des gleichberechtigten Anspruchs auf das Sorgerecht (1998) gewinnt der Vater als Erzieher an Bedeutung“ (Hinze 2005).
Daneben ist auch von entscheidender Bedeutung, ob die Geburt des Kindes als willkommenes oder unerwünschtes Ereignis wahrgenommen wird. Die Haltung zum Kind und zur eigenen Vaterrolle ist im Gegensatz zur Mutter kennzeichnend für diekommende Vaterschaft.
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1 Vgl. http://www.familieundberuf.at/fileadmin/pdf/studien_literatur/BERICHTTAZIPREVE160307.pdf 4
2 Nachzulesen in von Klitzing, K. (1998): Die Bedeutung des Vaters für die frühe Entwicklung. In: Ders. Psychotherapie in der frühen Kindheit. Göttingen : Vandenhoek & Ruprecht, 119-131; Herzog, J. (1985): Preoedipal Oedipus. In: Pollok, G.H.: The oedipus Papers. Madison : Int. Universities Press, 475-491; Herzog, J. (1991): Die Muttersprache lernen. In: Jahrbuch der Psychoanalyse, 27. Stuttgart : fromann- holzboog, 29-41