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Die Weltenwandlerin

Titel: Die Weltenwandlerin

Kein Eintrag , 2025 , 515 Seiten

Autor:in: Natalie Stachetzki (Autor:in)

Belletristik
Leseprobe & Details   Blick ins Buch
Zusammenfassung Leseprobe Details

Die Weltenwandlerin – Zwischen den Sternen und der Wahrheit

Kassandra ist die Einzige ihrer Art – eine Weltenwandlerin, begabt mit der besonderen Fähigkeit, durch die Weiten des Universums zu reisen. Doch während frühere Wandlerinnen bahnbrechende Entdeckungen machten, kehrt Kassandra stets mit leeren Händen zurück. Ihre Missionen enden in Nebel und Vergessen, ihre Erinnerungen zerrinnen wie Sand zwischen den Fingern.

Die Welt, geplagt von einer drohenden Energiekrise, setzt ihre ganze Hoffnung auf sie. Unter dem wachsenden Druck der allmächtigen Zentrale und der mysteriösen Professorin Apollonia muss Kassandra sich entscheiden: Wie weit ist sie bereit zu gehen, um ihrer Bestimmung gerecht zu werden?

Ein fesselnder Roman über Pflicht und Freiheit, über das Ich im Angesicht der Sterne – und über die Frage, ob der größte Sprung der Menschheit ein Opfer wert ist.

Leseprobe

Teil I

Teil II

Teil III


Teil I

 

Langsam kehrte mein Bewusstsein zurück. Die ersten Geräusche drangen wellenartig an meine Ohren. Ich lag im weichen Gras und die sanften Sonnenstrahlen des frühen Abends kitzelten meine Haut. Der Himmel leuchtete in warmen Orange- und Rosatönen, die Ankunft der Dämmerung kündigte sich an. Ich mochte diese Zeit. Es war der sanfte Übergang des Tages in die Nacht, wenn das Licht langsam verblasste und sich alles in eine Palette von Farben verwandelte. Die Schwingungen um mich herum wurden ruhiger und geheimnisvoller. Schatten verlängerten sich, Konturen wurden weicher und der Melos der Natur änderte sich. Unmittelbar in meiner Nähe hörte ich es. Ein Zirpen. Ein schneller, rhythmischer Ton, der gleichmäßig durch die Atmosphäre knisterte. Es beruhigte mich, wie ein fernes Murmeln, dass nicht aufdringlich war. Die Melodie summte endlos, ein kleines verlässliches Echo im abendlichen Feld. Ich versuchte das Rauschen zu filtern, konzentrierte mich auf diese eine Harmonie. Ja, es war eindeutig das Zirpen eines Insekts, einer gewöhnlichen Feldgrille, die irgendwo in der Nähe ihr abendliches Lied anstimmte.

Flatternd öffnete ich meine Augenlider, doch das helle Licht blendete mich. So wie jedes Mal atmete ich mehrere Male tief ein und wieder aus, bemüht mich in den natürlichen Fluss von Bewegung und Ruhe einzufinden. Mein Brustkorb hob sich leicht, der Bauch weitete sich, während mein Körper mit neuer Energie versorgt wurde. Ein Moment der Öffnung und des Empfanges gegenüber der Welt um mich herum. Ich blieb noch einige Minuten liegen, genoss die Kulisse und das Gefühl, endlich wieder festen Boden unter mir zu haben. Doch der Gedanke an die Reise ließ mich nicht los, auch wenn die Details nur schemenhaft in meinem Gedächtnis schwebten. Ich war also wieder zu Hause.

Mein Blick wanderte zurück zum rötlich leuchtenden Himmel. Es war Sommer. Ich konnte es riechen, den süßen, beinahe betörenden Duft frisch gemähten Grases, gemischt mit dem erdigen Aroma der Wiese unter mir. Jeder Atemzug schien das Gefühl von Freiheit und Weite in mir zu verstärken. Ich spürte, wie die Stängel sich weich ihren Weg durch meine Finger bahnten, jeder einzelne Halm ein kleiner Gruß des Erdbodens. Vorsichtig setzte ich mich auf. Ja, ich war wieder auf der Erde. Es war immer derselbe Ort, an dem ich auf dieser Welt landete. Meine Großmutter erklärte mir einst, dass man immer dort erwachte, wo das Herz zu Hause sei. Beide wussten wir nicht mit Bestimmtheit, ob dies der wahre Grund dafür war, jedoch erkannte ich nun eindeutig meinen kleinen, unperfekten Garten.

Er war nicht sonderlich groß, er war nicht so gepflegt, beschnitten und vermessen, wie es bei anderen Leuten gewöhnlich der Fall war. Die Büsche wucherten, das Gras stand an einigen Stellen zu hoch, obwohl ich es erst frisch gemäht hatte, und überall summte und krabbelte es. Es störte mich nicht. Im Gegenteil, es fühlte sich lebendig an - echt. Doch für die anderen war das unverständlich. Sie sahen in ihm etwas Unhygienisches, einen Zufluchtsort für Insekten und anderes unerwünschtes Getier, wie sie es nannten.

Ihre Gärten waren sauber, fast steril. Steingärten, akkurat angelegt, ohne ein einziges Blatt, das vom Wind verweht werden konnte. Einige hatten sogar künstliche Pflanzen, einfache Attrappen, die keine Aufmerksamkeit verlangten – pflegeleichter, ohne Anspruch auf Licht, Wasser und Fürsorge. Eine simple Dekoration, die keinem tieferen Sinn folgte, beliebig und ohne echte Bedeutung. Sie wurden aufgestellt, um vergessen zu werden, ein Beiwerk, das keinen Zyklus erlebte, kein Wachsen oder Vergehen kannte. Ganz im Gegenteil zur Lebendigkeit der Natur, die sich ständig neu formte, waren sie eine statische Präsenz, eine Kopie ohne Kraft.

Doch hier war ich in meinem eigenen kleinen Eden. Jeden Morgen küsste mich das Morgenrot wach und wenn die Nacht hereinbrach, legte sich der Sternenhimmel schützend über mich und bewachte mich in meinem geborgenen Schlaf. Das Gras in leichten Wellen des Windes flüsterte mir die schönsten Geschichten zu und mein Seelenheil schien sich unmerklich mit diesem atmenden Organismus zu verweben. Die simple Schönheit meines Paradieses wurde von einem Frieden durchflossen, der jede Oberfläche sanft berührte, jedes Blatt und Tautropfen in strahlende Klarheit tauchte. Alles wirkte wie das sorgfältig komponierte Werk einer weisen Hand, in dem jedes Wesen und jedes Element seine Rolle spielte und zur Gesamtheit beitrug.

 

Schließlich erhob ich mich langsam, strich mir ein paar Halme von der Kleidung und ging in Richtung meiner Wohnung. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und die kühle Luft im Inneren empfing mich wie ein alter Freund. Ohne groß nachzudenken, gab ich dem Hausassistenten den Befehl: „Heißes Wasser, bitte.“ Sofort setzte sich ein Gerät in Bewegung, fuhr aus der glatten Küchenzeile hervor und begann sich selbstständig mit Wasser zu füllen. Ein leises Zischen verkündete, dass es zu kochen begann. Währenddessen durchstöberte ich die Schränke auf der Suche nach meinem Lieblingstee. Meine Großmutter pflegte immer zu sagen: „Tee bringt die Wärme zurück in den Körper.“ Und sie hatte recht, wie sie so oft recht hatte. Ich war nicht lange weg gewesen, kaum ein paar Stunden vielleicht. Aber das war irrelevant, die Zeit schien sowieso immer anders zu fließen, wenn ich auf Reisen war. Als der Wasserkocher leise piepte, goss ich den Inhalt über die Teeblätter, die sich sofort entfalteten und ihr Aroma verströmten. Ich hielt meine Hände um die Tasse und spürte, wie die Wärme langsam durch meine Finger in meinen Körper wanderte und mich erdete. Schluck für Schluck trank ich in kleinen Zügen, bemerkte, wie mir mollig zumute wurde, denn trotz der sommerlichen Temperatur dieses wunderschönen Abends, saß die Kälte meiner kürzlichen Abwesenheit noch in mir.

Ich ging zur Haustür und öffnete den Briefkasten. Leer, wie erwartet. Ich war nicht lange fort gewesen. Ein weiteres Detail, das sich in die Belanglosigkeit des Alltags fügte. Zurück in der Wohnung suchte ich mein Handy, dass ich von der Zentrale zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Ich bemühte mich es immer an der gleichen Stelle zu platzieren, denn wenn ich eines hasste, so war es die Suche nach verschwundenen Gegenständen. So fand ich es wie üblich auf dem kleinen, weißen Regal im Eingangsbereich meiner Wohnung. Daneben ordentlich aufgereiht mein Wohnungsschlüssel, mein Autoschlüssel, mein Geldbeutel.

Ich wählte die Nummer der Zentrale und nach nur einem kurzen Moment meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Wie geht es dir, K18?“ Die Stimme war kalt und mechanisch. Es war Tamara. Schlank, brünett, immer makellos gekleidet – die oberste Aufseherin in der Zentrale, die direkt der Vorsitzenden unterstand. Für sie war ich nichts weiter als K18, eine Nummer, ein Protokolleintrag in ihrem endlosen Register.

„Alles in Ordnung“, antwortete ich mit unterdrückter Gereiztheit. Aber nenn mich nicht so, du weißt genau, dass ich das nicht ausstehen kann!

„Gab es besondere Vorkommnisse auf der Reise?“ Ihre Frage klang routiniert, als wäre es nur ein weiteres Kästchen, das sie abhaken musste. Ich überlegte kurz, aber die Wahrheit war, dass ich mich kaum an die Reise erinnern konnte. Alles schien so fern, wie ein Traum, der sich beim Erwachen verflüchtigt. Ein Kaleidoskop aus Farben.

„Nein.“

„Dann weiterhin einen schönen Abend. Ich beende das Gespräch.“ Ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, brach die Leitung ab.

„Die Frau macht mich fertig!“, murmelte ich vor mich hin.

Ich legte das Handy auf das Regal und seufzte tief. Meine Meldung würde nur ein Einzeiler werden. Keine besonderen Vorkommnisse. Das war alles, was es zu sagen gab. Was es immer zu sagen gab. Die Details waren zu vage, zu unwirklich, um mehr daraus zu machen. Ein Gähnen überkam mich und als ich auf die Uhr schaute, stellte ich fest, dass es bereits kurz vor Mitternacht war. Zeit, ins Bett zu gehen. Morgen würde ein langer Tag in der Zentrale auf mich warten und die Erinnerung an die Reise würde sich endgültig in die Nebel der Vergangenheit auflösen. Ich stellte die leere Teetasse in die Spüle, schaltete das Licht mithilfe der Sprachsteuerung aus und ging ins Schlafzimmer. Kaum hatte ich die Matratze erreicht, umfing mich die Dunkelheit und ich glitt in einen traumlosen Schlaf. Morgen würde ein neuer Tag beginnen, aber heute...heute war nur noch Schweigen.

 

*

 

Der Berufsverkehr hatte sich mittlerweile gelegt und so traf ich am frühen Vormittag in der Zentrale ein. Jedes Mal, wenn ich auf den turmähnlichen Bau zuging, hielt ich einen Moment inne, beeindruckt von seiner schieren Präsenz. Er ragte bis in den Himmel auf, ein Monolith aus Glas, der im Sonnenlicht glänzte und doch nichts von den Geheimnissen dahinter preisgab. Von außen wirkte er makellos und undurchdringlich, ein Symbol der Macht. Innen verbarg er einen Hochsicherheitstrakt und jeder, der hineinwollte, musste eine strenge Prozedur durchlaufen. Der Fingerabdruck-Scan war nur der erste Schritt, gefolgt von einem Körperscan und schließlich einem Iris-Check, der sicherstellte, dass niemand etwas Unerlaubtes mit sich führte, der sich einer falschen Identität bediente. Die Sicherheitsmaßnahmen waren notwendig, das wusste ich, aber sie hinterließen jedes Mal ein beklemmendes Gefühl in mir, als ob ich nicht mehr ich selbst war, sondern nur ein weiterer kontrollierter Körper in einer langen Reihe von Überprüfungen.

Als ich schließlich die Rezeption erreichte, empfing mich Jennifer mit einem Lächeln. Wir kannten uns schon seit Jahren und es war immer eine kleine Erleichterung, ein bekanntes Gesicht zu sehen, das mir das Gefühl gab, trotz allem noch ein Mensch und keine Nummer zu sein.

„Guten Morgen“, sagte sie freundlich und ich konnte den Hauch von Vertrautheit in ihrer Stimme spüren. „Wie war die Reise?“

„Kurz“, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, erinnere ich mich kaum daran. Es war nur ein schneller Trip. Ich wünschte nur, ich müsste nicht jedes Mal zum Vollprogramm erscheinen.“ Jennifer nickte verständnisvoll.

 

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte sie und lächelte sanft, während sie meine Daten in das System eingab.

„Ich melde dich gleich bei der Gesundheitsvorsorge an.“

Ein weiterer Punkt auf der endlosen Liste von Prozeduren. Es ärgerte mich, dass selbst bei diesen flüchtigen Reisen alles bis ins kleinste Detail überprüft und dokumentiert werden musste. Es fühlte sich an, als ob mir immer mehr meiner Freiheit genommen wurde, Stück für Stück, bis nichts mehr übrig war als die Routine, die immer gleiche Abfolge von Schritten, die meinen Tag bestimmten.

„Danke, Jennifer“, sagte ich schließlich, während sie mir eine Bestätigung über den Bildschirm schickte. „Ich hoffe, es dauert nicht allzu lange.“

„Das hoffe ich auch“, antwortete sie und zwinkerte mir zu. „Aber du weißt, wie es hier läuft. Geduld ist die oberste Tugend.“

Ich nickte und lächelte schwach zurück, bevor ich mich von der Rezeption entfernte. Der Tag hatte gerade erst begonnen und doch zog er sich bereits als wäre ich seit Stunden hier. Ein weiterer Tag in der Zentrale, ein weiterer Schritt in einem endlosen Zyklus. Aber es gab keine andere Wahl – das war das Leben, das ich gewählt hatte oder vielleicht das, das für mich gewählt worden war.

Die Gesundheitsvorsorge war eine Art Krankenstation, nur in schick. So wie alles in diesem Gebäude, das vor Eleganz und Noblesse förmlich strotzte. Es war modern, ein Hightech-Paradies, ausgestattet mit dem Besten vom Besten. Alles glänzte, alles funktionierte präzise, wie eine perfekt eingespielte Maschine. Doch inmitten dieser Hochglanzumgebung war ich lediglich ein Zahnrädchen, das routiniert durch den Kontrollprozess gedreht wurde. Ein Team aus medizinischem Personal kümmerte sich um mich, professionell und effizient. Sie nahmen mir Blut ab, kontrollierten meine Vitalwerte und schickten mich in den CT-Scanner. Das Gerät summte leise, während ich reglos darin lag und die sterile Decke anstarrte. Doch der Höhepunkt der Prozedur war der Krake – ein sperriges Gerät zur Messung meiner Gehirnströme. Die Kappen mit Elektroden fühlten sich kühl und unangenehm auf meiner Kopfhaut an und während die Maschine ihre Arbeit tat, drifteten meine Gedanken ab, verloren sich in der Monotonie des Moments. Nach einer gefühlten Ewigkeit war es schließlich vorbei. Ein Arzt, der ebenso makellos und fachmännisch wirkte wie seine Umgebung, bescheinigte mir mit einem freundlichen Lächeln beste Gesundheit.

„Alles in Ordnung“, sagte er und ich war bereit, endlich zu gehen, als plötzlich Tamara um die Ecke bog.

Sie war elegant wie immer, im schwarzen Hosenanzug und mit hochgesteckter Frisur, die kaum ein Haar aus der Reihe tanzen ließ. Ihre Präsenz war unübersehbar und sofort fühlte ich, wie meine Muskeln sich unwillkürlich anspannten.

„Man erwartet dich zum Gespräch mit der Zentralvorsitzenden“, sagte sie ohne Umschweife, ihre Stimme kühl und geschäftsmäßig. Überrascht blickte ich sie an.

„Aber...ich habe doch nichts Besonderes zu berichten“, erwiderte ich und erinnerte sie daran, was ich ihr bereits am Tag zuvor am Telefon gesagt hatte. Doch Tamara ließ sich davon nicht beirren.

„Das mag sein“, sagte sie nur, „aber sie hat dich dennoch eingeladen.“  Mit diesen Worten war das Thema für sie erledigt. Bevor ich mich weiter in meinem Gedankenstrudel verstricken konnte, fand ich mich schon am Schreibtisch von Frau Professorin Apollonia wieder.

Der Raum, in dem sie residierte, war genauso beeindruckend wie sie selbst – imposant, doch bis ins Detail durchdacht. Apollonia war wirklich eine beeindruckende Erscheinung. Ihre Ausstrahlung war nicht nur das Ergebnis ihres auffälligen Äußeren, sondern ein Flair, der sie umgab, als würde sie nicht nur in einem Raum sein, sondern sich mit ihm vereinen und ihn dominieren. Ihr silbergraues Haar, das in sanften Wellen herabfiel, schien fast zu leuchten und betonte die Ebenmäßigkeit ihres Gesichts, das die Zeit nur flüchtig berührt hatte. Die nahezu makellose Haut und der klare Ausdruck, frei von Alterslinien, hatten etwas Magisches, als hätte sie das Geheimnis ewiger Jugend entschlüsselt. Das überraschte mich. Verglichen mit meinen 25-jährigen Gesichtszügen, wirkte eher sie wie die Jüngere von uns beiden.

Der smaragdgrüne Hosenanzug, den sie trug, war mehr als nur ein Kleidungsstück – er schien ein Teil von ihr zu sein, der ihre majestätische Aura nur noch verstärkte. Die satte Farbe kontrastierte auf faszinierende Weise mit ihrem Haar und ließ sie zugleich elegant und unnahbar wirken. Ihre Augen, in einem tiefen Bernstein, hatten eine durchdringende Schärfe. Wenn sie mich musterte, schien ihr Blick weit über das Offensichtliche hinauszugehen, als könne sie in das Innerste meiner Gedanken vordringen - als wüsste sie Dinge über mich, die selbst mir noch verborgen waren. Diese Mischung aus souveräner Weisheit und unübertroffener Autorität ließ in mir ein Gefühl aufkommen, das mich gleichermaßen in Ehrfurcht versetzte und unruhig machte. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen oder tun sollte und der Raum schien stiller und schwerer zu werden, während sie auf meine Reaktion wartete.

„K18“, begann sie schließlich, ihre Stimme ruhig, aber von einem Charakter durchdrungen, der keine Widersprüche duldete. „Berichte mir von deiner Reise.“

„Nun...sie war kurz“, sagte ich, den Blick auf ihre Augen gerichtet. „Ehrlich gesagt, erinnere ich mich kaum an Details. Es gab keine besonderen Vorkommnisse.“

“Aha.” Ihre Augen verengten sich leicht, als würde sie etwas Tieferes in meiner Antwort suchen. Dann lehnte sie sich zurück und betrachtete mich einen Moment schweigend. Ich wusste nicht, was sie dachte, doch es war klar, dass sie weit mehr von mir erwartete, als ich zu geben imstande war.

„Manchmal“, sagte sie schließlich sanft, aber eindringlich, „ist das, woran wir uns nicht erinnern, weitaus wichtiger als das, was uns bewusst ist.“  Ihre Worte hingen einen Moment in der Luft.

„Wie es scheint, hast du dich auf diese Kurzreisen spezialisiert?“ Die Frage kam scharf und präzise und für einen Augenblick vergaß ich, was ich gerade noch gedacht hatte.

„Sie wissen, dass ich die Dauer nicht beeinflussen kann und...begann ich vorsichtig, doch sie ließ mich den Satz nicht beenden.

„Ach nein?“ Ihre Stimme war jetzt eisig und als sie sich über ihren Schreibtisch lehnte, die Hände wie zum Gebet verschränkt, schien das Büro plötzlich kleiner zu werden. Ihre Augen fixierten mich, durchdrangen mich, als ob sie jede noch so kleine Regung in meinem Inneren wahrnehmen könnte.

„Ich denke, wir haben bereits herausfinden können, dass du dich bewusst und konzentriert auf deine Expeditionen vorbereiten kannst. Wie viele Jahre predige ich dir dies nun schon?“, fuhr sie fort. Ihre Stimme blieb ruhig, aber in jeder Silbe lag eine unterschwellige Drohung, die mich in Alarm­bereitschaft versetzte.

„Ich habe nur das Gefühl, dass du dies nicht möchtest, meine liebe Kassandra.“

Ihr Blick ließ mich erzittern und das Gewicht ihrer Worte lastete schwer auf meinen Schultern.

Sie nannte mich bei meinem vollen Namen und das war nie ein gutes Zeichen. Es war, als ob sie damit meine Bedeutung unterstreichen wollte – oder vielleicht eher meine Verantwortung, eine Verantwortung, die ich nicht länger ignorieren konnte.

„Du weißt, dass ich dich ungern an deine Pflicht, an deine Aufgabe, ja gar an deine Bestimmung für diese Erde und die Menschen, die darauf leben, erinnern möchte“, sagte sie, ihre Sprechweise jetzt weicher, aber nicht weniger eindringlich.

„Ich möchte dich auch nicht daran erinnern, dass du durch die Zentrale finanziell sowie mental und gesundheitlich gestützt und umsorgt wirst. Du musst dich um nichts kümmern außer um das Reisen.“ Ich schluckte und mein Herz schlug schneller. Ihre Worte drängten mich in eine Ecke, aus der es kein Entkommen gab. Sie hatte recht und das wusste ich. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass ich keine Kontrolle über meine Fähigkeiten hatte.  Ich war wie eine Rakete, die man in den Kosmos schoss, die bereits über den Wolken abstürzte und nur einen Ascheregen hinterließ.

„Die Erkenntnisse um die Welten, die da draußen existieren, sind solch eine wissenschaftliche Bereicherung für die gesamte Menschheit. Was wären wir Menschen auf der Erde, ohne deine erstaunliche Gabe, in ferne Galaxien reisen zu können? Du, als einzige Weltenwandlerin.“

Ihre Worte waren schmeichelnd, aber sie trugen die Last von Erwartungen, die ich noch nie gut ertragen konnte.

„Meiner Meinung nach ist eine adäquate Vorbereitung deiner Expeditionen ein kleiner Tribut, den du für dein unbeschwertes Leben zahlst. Findest du nicht auch?“

Ich blickte auf meine Hände, die in meinem Schoß ruhten. Sie zitterten leicht und ich ballte sie zu Fäusten, um das Flirren zu verbergen.

Was konnte ich sagen?

Sie hatte recht, das wusste ich. Aber das Wissen änderte nichts an den Zweifeln, die mich plagten, an der wachsenden Furcht vor jeder neuen Reise, vor jedem Scheitern. Jeder Aufbruch bedeutete, dass ich mich wieder einem Unbekannten stellen musste, etwas, das mich jedes Mal ein Stück weiter von mir selbst entfernte und an das ich mich zu allem Übel nie erinnern konnte.

„Ja, Frau Professorin“, sagte ich schließlich, meine Stimme leise, aber klar. „Ich werde mich besser vorbereiten.“ Ihre Augen blitzten kurz auf und ein schwaches, kaum merkliches Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Das hoffe ich, Kassandra“, sagte sie mit einer Spur von Zufriedenheit. „Denn du weißt, dass das, was du tust, von unschätzbarem Wert ist. Nicht nur für die Wissenschaft, sondern für die gesamte Menschheit.“ Ich nickte stumm und spürte, wie die Schwere der Verantwortung sich noch fester um mein Herz legte. Ihre Worte hallten in meinem Kopf nach, wie ein unerbittliches Echo, das mir keine Ruhe ließ. Ja, tatsächlich. Es war nicht sonderlich aufwendig, sich auf die Reisen vorzubereiten und doch hatte ich mich in letzter Zeit davor gedrückt.

Aber warum?

Ich lebte ein sorgenfreies Leben auf Kosten der Zentrale. Wohnung, Auto, Telekommunikation, ein erhebliches Einkommen – alles wurde mir bereitgestellt, im Austausch gegen die Ware, die nur ich liefern konnte.

Ich war die einzige Weltenwandlerin dieser Zeit, K18. Die 18. Frau, die diese einzigartige Veranlagung besaß, sich durch die Galaxien fortzubewegen zu können. Es war eine Gabe, die ausschließlich Frauen vorbehalten war. In den letzten Jahrhunderten waren es immer nur Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, die diese Fähigkeit entwickelt hatten, wahllos suchte sie sich ihren Wirt durch die Zeit.  Zuletzt war es meine Großmutter gewesen. Als ich noch ein Kind war, hatte sie mir vieles beigebracht, vieles, dass ich ohne sie niemals verstanden hätte. Ich war dankbar, dass sie lange genug gelebt hatte, um mir einige ihrer Erfahrungen mit dieser Berufung weiterzugeben, ohne dass wir beide damals erahnen konnten, dass ich die nächste Wandlerin sein würde.

Doch es war eine einsame Eigenschaft, eine, die mich und den Rest der Welt voneinander trennte. Auch wenn meine Großmutter und ich Weltenwandlerinnen waren, hätten wir niemals gleichzeitig wandeln können. Meine Reisen hatten erst begonnen, als ihre schon lange endeten. Das Ingenium konnte nur für eine von uns zur gleichen Zeit existieren. Die Zentrale forschte seit Anbeginn der Zeit an diesem Phänomen, doch der Durchbruch blieb bis heute aus. Was man wusste, war lediglich, dass unsere DNA sich um ein kleines Protein von der der anderen Menschen unterschied. Vor Jahrhunderten vermutete man, dass die zunehmende radioaktive Strahlung durch die exorbitante Produktion von Energie durch Atomkraftwerke und deren Abfälle auf der Erde eine Genmutation bei einer der Frauen verursachte. Diese wurde von der Regierung K1 getauft.

Wie bei allen Weltenwandlerinnen begann auch ihre erste Expedition an ihrem 18. Geburtstag. Sie erwachte auf einem völlig unbekannten Planeten, irgendwo in den unendlichen Weiten des Kosmos. Tagelang durchstreifte sie graue, endlose Ebenen, verzweifelt auf der Suche nach Rettung. Hoffnungslos und ausgelaugt, öffnete sie eines Tages nach einem tiefen Schlaf die Augen und fand sich in ihrem eigenen Bett auf der Erde wieder. Die als damals von ihrem Lebensgefährten vermisst gemeldete Frau bekam prompt Besuch der zuständigen Polizei, die eine Erklärung für ihr plötzliches Verschwinden einforderte und diese samt der dazugehörigen Person erst einmal an die nächste Psychiatrie vermittelte. Erst nach K1 zweiter Reise wurde die Regierung hellhörig, denn das Verschwinden einer Person aus der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Einrichtung ging in der ganzen Welt durch die Medien und als sich die Entflohene dann einige Zeit später mit einem blauen Gesteinsbrocken in der Größe einer Pflaume in ihrer Hand wieder bei den Sicherheitsbehörden zurück meldete, um einen Beweis für ihre Geschichte vorzulegen, wurde alles zu einer gewaltigen Sensation und zu einer nicht endenden Anreihung von Ereignissen, die die Menschheit und den Lauf der Erde für immer verändern sollte.

Der Gesteinsbrocken, der von Wissenschaftlern und Koryphäen ihrer Zeit untersucht wurde, stellte sich als ein Material heraus, das erstaunliche Mengen an Energie lieferte. K1, nun als Heldin gefeiert, in einer Zeit, in der Energie ein solch kostbares und aufwendig produziertes Mangelobjekt darstellte, reiste weiter, brachte immer mehr Funde zurück, die die Welt veränderten. Die Regierung gründete die Zentrale, um diese Materialien zu erforschen und das Phänomen des Weltenwandelns zu untersuchen. Jahrzehnte später starb sie, aber sie hinterließ eine neue, durch ihre Entdeckungen bereicherte Welt. Nach ihr kamen weitere Wandlerinnen und schließlich war ich an der Reihe, K18. Meine Reise begann ebenfalls an meinem 18. Geburtstag, doch im Gegensatz zu meinen Vorgängerinnen blieben meine Erinnerungen oft verschwommen. Es waren nur Bruchstücke, Fragmente von Farben, Lichtern und Formen, die ich mitbrachte, aber nichts Greifbares, das der Zentrale helfen könnte, geschweige denn der gesamten Menschheit. Dieser Umstand besorgte sie, besonders Professorin Apollonia, die mich seit Jahren immer wieder auf die Wichtigkeit dieser Aufgabe hinwies.

„Kassandra!“ Ihre Stimme holte mich aus meinen Gedanken zurück in die Realität.

„Entschuldigen Sie, Frau Professorin...“, stammelte ich, während ich mich wieder kerzengerade auf den ledernen Besucherstuhl setzte. Sie musterte mich streng und ich fühlte mich, wie ein ertapptes Kind, dass sich nicht auf den Unterricht fokussierte.

„Wenn du dich so auf deine Reisen konzentrieren würdest, wie du in deinen Tagträumen hängst, wäre die Welt ein besserer Ort. Ein noch besserer Ort!“  Ihre Stimme hatte einen scharfen Unterton, der mir einen Schauer über den Rücken jagte.

„Geh nun. Wir haben alles besprochen. Ich wünsche dir eine angenehme und ausdauernde nächste Reise.“

Für einen Moment sah sie mich noch eindringlich an, dann wandte sie sich wieder ihrer Schreibarbeit zu. Ich nutzte die Gelegenheit, um schnellen Schrittes ihr Büro zu verlassen. Das Gebäude lag still und geordnet hinter mir, doch in mir tobte ein Sturm. Ich wusste, dass ich mich besser vorbereiten musste. Nicht nur für die Zentrale, sondern auch für mich selbst. Denn das nächste Mal würde vielleicht anders sein, vielleicht würde es mir die Klarheit bringen, die ich so dringend brauchte. Vielleicht würde ich endlich verstehen, was es bedeutete, eine Weltenwandlerin zu sein.

 

*

 

In der Zeit nach meinem Gespräch mit Professorin Apollonia tauchte ich als Meisterin der Prokrastination wieder in den Alltag ein. Ich erlaubte mir, die Routine des Lebens in vollen Zügen zu genießen, als würde ich versuchen, jede Sekunde bewusst auszukosten. Ich schlief lange und ausgiebig, wachte erst auf, wenn die Sonne bereits hoch am Himmel stand und ging gemütlich einkaufen. Der Sommer lag über der Stadt wie ein warmes, goldenes Tuch und ich genoss es, die Hitze auf meiner Haut zu spüren, wenn ich durch die Straßen schlenderte. Ich ließ mir Zeit bei allem, bewegte mich in einem gemächlichen Tempo, als gönne ich mir eine Pause von der Welt und den Pflichten, die mir auferlegt wurden.

An einem besonders schönen Nachmittag lag ich am Ufer eines ruhigen Badesees. Die Sonne und brannte auf die Wasseroberfläche, die in funkelnden Reflexen zurückstrahlte. Um mich herum herrschte angenehme Stille. Nur wenige Menschen hatten den Weg hierher gefunden - die meisten zogen es vor, in den großen, perfekt gereinigten Schwimmhallen ihre Bahnen zu ziehen. Das hier war nicht für jeden – die Natur war unberechenbar, das Wasser vielleicht nicht so klar und die Umgebung nicht so kontrolliert. Ich dagegen liebte diesen Ort.

Mit dem Tablet in der Hand war ich tief in eine andere Welt versunken, die sich vor meinen Augen holografisch entfaltete. Die dreidimensionalen Projektionen schwebten leicht über dem Gerät und zogen mich immer tiefer in die Geschichte hinein. Der Text, die Bilder – sie wirkten lebendig, fast greifbar, als könnte ich die Figuren in der Luft anfassen. Ich stellte mir vor, wie es wohl gewesen sein musste, als Menschen noch aus echtem Papier lasen. Ich erinnerte mich vage an den Geschichtsunterricht, in dem wir über diese alten Zeiten gesprochen hatten. Bücher, die man anfassen konnte, deren Seiten man selbst umblätterte. Wahrscheinlich würde der Wind sanft durch die Seiten streichen, sie leise rascheln lassen, wenn man draußen las. Vielleicht hatte das etwas Magisches an sich – dieses Geräusch, dieses Gefühl. Die Haptik des Papiers zwischen den Fingern musste eine ganz eigene Erfahrung gewesen sein. Ich schmunzelte bei dem Gedanken und konzentrierte mich wieder auf das Hologramm vor mir, als mein Handy klingelte. Es war Hektor, mein älterer Bruder.

„Hey, wie geht’s dir?“ Seine tiefe, vertraute Stimme drang durch den Lautsprecher.

„Gut. Ich genieße den Sommer“, antwortete ich und ließ mit einer Geste die Darstellungen auf meinem Tablet verschwinden, um mich besser auf das Gespräch konzentrieren zu können.

„Schön zu hören. Wir müssen uns bald mal wieder treffen. Es ist schon viel zu lange her.“ Hektor klang wie immer bestimmt, als wäre ein Treffen nicht nur ein Vorschlag, sondern eine Notwendigkeit.

Ein paar Tage später saßen wir in meinem Garten, umgeben von blühenden Sträuchern und dem Duft von frischem Gras und nippten an einem kühlen Getränk. Die Sonne begann gerade, sich hinter den Bäumen zu verstecken und der Himmel färbte sich in sanften Orangetönen. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen die Welt still zu stehen schien und ich fühlte mich, als wäre alles genau so, wie es sein sollte.

„Also, was treibst du so?“ Hektor lehnte sich zurück und nahm einen Schluck aus seinem Glas.

„Nicht viel. Ich lasse es ruhig angehen“, antwortete ich und lächelte, während ich in die Ferne starrte.

„Klingt entspannt. Ich beneide dich fast“, sagte er mit einem schiefen Grinsen. „Bei mir ist es wie immer hektisch. Aber du weißt ja, wie es ist.“

Hektor war in vielerlei Hinsicht mein Gegenpol. Er war zuverlässig, entschlossen und wusste genau, was er wollte und welchen Weg er gehen musste. Pflichterfüllung war sein Lebensinhalt, er ging in ihr auf und zog seine Zufriedenheit daraus. Er war durch und durch Soldat, hatte einen Eid geschworen, die Menschheit zu beschützen und sie gegebenenfalls mit seinem Leben zu verteidigen. Ich hingegen war oft wankelmütig und hatte eine lose Beziehung zur Pflicht. Für mich war das Leben nicht in festen Bahnen verankert, sondern ein Fluss, der sich ständig veränderte, mal ruhig, mal stürmisch, aber immer unvorhersehbar.

Äußerlich spiegelte sich seine Haltung in seinem Erscheinungsbild wider. Hektor war, das konnte ich auch als seine Schwester nicht leugnen, ein attraktiver Mann. Seine kurzen, militärisch geschnittenen braunen Haare unterstrichen die Strenge, die in ihm lag. Die markanten, stets gepflegten Gesichtszüge vermittelten Disziplin und Zielstrebigkeit, Eigenschaften, die ihn prägten. Doch es waren seine Augen, die besonders auffielen - ein leuchtendes Grün, das eine ruhige, aber durchdringende Klarheit ausstrahlte. Sie schienen jeden Raum aufmerksam zu erfassen und spiegelten die Wachsamkeit wider, mit der er die Welt um sich herum betrachtete. Wie auch in diesem Augenblick.

„Ich verstehe nicht, wie du das alles so locker nehmen kannst“, sagte er plötzlich, sein Blick ernst. „Du hast so viel Potenzial, Kassandra. Aber manchmal habe ich das Gefühl, du verschwendest es.“ Seine Worte trafen mich, obwohl ich es mir nicht anmerken ließ. Ich wusste, dass er es gut meinte, dass er sich Sorgen um mich machte, aber es erinnerte mich auch an das, was Professorin Apollonia gesagt hatte. Dass ich mich mehr auf meine Aufgabe konzentrieren solle. Doch im Gegensatz zu meinem Bruder fühlte ich mich oft gefangen in meiner Rolle und der daraus resultierenden Bestimmung, unsicher, ob es wirklich das war, was ich wollte.

„Vielleicht“, sagte ich schließlich und zuckte mit den Schultern. „bin ich einfach anders.“

„Ja, das bist du“, stimmte er zu und legte seine Hand auf meine. „Aber das bedeutet nicht, dass du es dir einfach machen solltest.“

Er ließ das Gespräch langsam in eine Richtung gleiten, die mir unangenehm war. Ich spürte, wie seine Besorgnis in der Luft lag, wie ein dunkler Schatten, der sich über den sonnigen Nachmittag legte. Seine Stimme nahm einen ernsteren Ton an, als er das Thema meiner Reisen ansprach.

„Kassandra, wir müssen darüber reden“, begann er, seine Augen fest auf mein Gesicht gerichtet. „Es ist nicht nur deine Sache, weißt du? Die Welt beobachtet dich. Die Zentrale, die Regierung, die Menschen da draußen. Sie alle zählen auf dich.“

Ich schluckte schwer und vermied es seinem Blick zu begegnen. Es war nicht das erste Mal, dass jemand mir sagte, wie wichtig meine Expeditionen waren, wie sehr alles von meinen Errungenschaften abhing. Aber aus Hektors Mund klang es noch schwerer, noch drängender.

„Ich weiß, Hektor“, antwortete ich leise. „Aber es ist nicht so einfach. Du denkst, ich könnte es einfach so beschließen und dann wäre es so?“

„Nein, natürlich nicht“, entgegnete er schnell. „Aber es kann doch nicht sein, dass du die einzige Weltenwandlerin bist, die nichts von Bedeutung zurückbringt. Das ist doch nicht...normal! Es muss doch einen Weg geben, dass du dich besser konzentrieren kannst, dass du mehr aus diesen Reisen mitbringst. Du bist unsere Hoffnung, verstehst du das nicht?“

Die Verantwortung, die ich trug, lag schwer auf meinen Schultern und seine Worte verstärkten dieses Gewicht nur noch mehr. Er hatte recht, das wusste ich, so wie Professorin Apollonia recht hatte, so wie einfach alle recht hatten, aber das machte es nicht einfacher.

„Ich weiß, dass es eine große Bürde ist“, fuhr er fort, als er mein Schweigen bemerkte. „Aber es ist auch ein Geschenk, Kassandra. Ein Geschenk, das dir gegeben wurde, um die Welt zu verbessern.“

Plötzlich zog er ein kleines Päckchen aus seiner Tasche und legte es vor mich auf den Tisch. Es war in grauen Synthetikstoff gewickelt, klein und unscheinbar, doch es wirkte wie ein Fremdkörper zwischen unseren Getränken und dem friedlichen Grün des Gartens.

„Das ist für dich“, sagte er mit leiser Stimme. „Ich habe beim Militär davon gehört. Es verstärkt die Konzentration von Soldaten im Krieg. Vielleicht...könnte es dir helfen, dich besser vorzubereiten.“

Verwirrt und alarmiert nahm ich das Päckchen in die Hand. Es war leicht, aber hart und als ich es schüttelte, spürte ich, wie eine pulverartige Substanz darin raschelte. Ich starrte es an, bevor ich meinen Blick langsam zu Hektor hob, Entsetzen in meinen Augen. Mir war klar, dass es eine Art Droge war und so geheimnistuerisch wie mein Bruder sich verhielt, konnte sie niemals auf legalem Weg besorgt worden sein.

„Hektor...“, begann ich und meine Stimme zitterte. „Ich nehme das auf keinen Fall. Ich glaube, du spinnst!“

Er zuckte mit den Schultern und sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht ganz deuten konnte – irgendwo zwischen Resignation und Sorge.

„Ich will dir doch nur helfen, Kassandra“, sagte er ruhig. „Ich werde dich zu nichts zwingen, das weißt du. Aber ich bin dein großer Bruder und ich mache mir Sorgen um dich. Um uns alle.“

Ich legte das verdächtige Mitbringsel zurück auf den Tisch und schob es mit einem entschlossenen Stoß von mir weg. Als hätte ich plötzlich Angst, es zu berühren, als könnte allein der Kontakt mit ihm mich in etwas hineinziehen, das ich nicht wollte, das ich ablehnte.

„Es tut mir leid, Hektor“, sagte ich leise, aber bestimmt. „Aber das ist nicht der Weg. Ich werde das nicht nehmen.“

Er nickte langsam, sichtlich enttäuscht, aber er respektierte meine Entscheidung.

„Wie du meinst. Aber wenn du deine Meinung änderst, du weißt, wo du mich findest.“

Das Gespräch ebbte ab und wir sprachen noch ein wenig über andere Dinge, belanglose Themen, die wir benutzten, um die Spannung zu überdecken, die sich aufgebaut hatte.

Wir redeten über den Sommer, über seine Arbeit als Pilot beim Militär und über die kleinen Details des Lebens, die uns doch irgendwie miteinander verbanden. Obwohl wir so unterschiedlich waren, verstand ich Hektors Beweggründe. Vielleicht war es auch diese Gegensätzlichkeit, die uns näherbrachte. Er sah in mir etwas, das ich selbst nicht sehen konnte oder wollte. Auch wenn ich es nicht immer zugab, tat es gut, das zu wissen. Doch das Bild des grauen Päckchens, das zwischen uns auf dem Tisch lag, blieb in meinem Kopf haften.

Als mein Bruder schließlich ging, war ich erleichtert, aber auch schwer bedrückt. Seine Worte hallten in mir nach, lange nachdem er fort war. Spät in der Nacht lag ich in meinem Bett und die Gedanken wollten sich nicht einstellen.

Warum konnte ich nicht reisen?

Tränen brannten in meinen Augen und liefen dann langsam und schwer über meine Wangen. Es war, als würde jede einzelne von ihnen ein Stück meiner Selbstzweifel mit sich tragen, ein kleines Fragment meiner Angst und Enttäuschung. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, warum ich so anders war, warum ich es nicht schaffte, wie die 17 Frauen vor mir zu wandeln und etwas von Bedeutung zurückzubringen. Die Last dieser Erwartungen, der Druck, etwas Großartiges leisten zu müssen, lag schwer auf mir. Es war, als ob ich in einer Rolle gefangen war, die ich nicht erfüllen konnte und dieser Gedanke schnürte mir die Kehle zu.

Die Verzweiflung in mir wuchs, während ich versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen, aber sie strömten weiter, unaufhaltsam und unerbittlich. Warum konnte ich nicht einfach so sein wie sie? Warum konnte ich nicht das tun, was von mir erwartet wurde?

Die Bedenken drehten sich immer schneller in meinem Kopf, bis ich das Gefühl hatte, sie würden mich überwältigen. Jeder Atemzug fiel mir schwerer, als drücke das Gewicht meiner Sorgen meine Brust zusammen. Ich fühlte mich verloren, gefangen in einem Strudel aus Versagen und Unzulänglichkeit. Die unsichtbaren Stimmen, die mir sagten, dass ich nicht gut genug war, wurden lauter, drängten sich in den Vordergrund und ließen keinen Raum für irgendetwas anderes. Während ich weiter weinte, spürte ich, wie die Dunkelheit um mich herum dichter wurde, als würde sie mich in einem unsichtbaren Netz einfangen wollen, aus dem es kein Entkommen gab.

„Reiß dich zusammen, Kassandra!“, durchbrach ich meinen Schmerz. Ich schwang die Beine aus dem Bett und kam zum Sitzen. Mein Fenster hatte ich in dieser milden Sommernacht geöffnet, ein leichter Windhauch fuhr durch meine weißen, bodenlangen Vorhänge. Ich stand auf und stellte mich davor. Die klare Nachtluft strich sanft über mein Gesicht und ich atmete tief ein, ließ die kühle Nachtluft meine aufgewühlten Gedanken beruhigen. Der Anblick des sternenklaren Himmels hatte etwas Beruhigendes, etwas, das mich daran erinnerte, wie groß das Universum und wie klein meine Sorgen im Vergleich dazu waren. Mit geschlossenen Augen ließ ich die frische Brise auf mich wirken, spürte, wie sie meine Verzweiflung mit sich nahm. Der Moment fühlte sich wie eine sanfte Umarmung der Natur an, als wollten die Sterne selbst mir Kraft und Zuversicht schenken.

Als ich sie wieder öffnete, schienen die Sterne heller als zuvor zu strahlen, funkelten wie unzählige kleine Diamanten am Firmament. Ein Funken Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht war es die Angst, die mich bisher zurückgehalten hatte. Die Furcht vor dem Unbekannten, vor dem Scheitern, vor der Enttäuschung. Doch von hier aus sahen die leuchtenden Punkte über mir nicht bedrohlich aus, sondern einladend, als würden sie mich zu sich rufen. Ferne Planeten, unentdeckte Galaxien – es gab so viel zu sehen, so viel zu erleben. Vielleicht hatte ich den Mut irgendwo in mir, vielleicht musste ich ihn nur finden.

Eine Sternschnuppe zog wie aus dem Nichts einen leuchtenden Bogen über das Nachtgewölbe, verschwand schnell wieder in der Dunkelheit, aber für einen Moment schien die Welt stillzustehen – als hätte der Himmel selbst auf meinen leisen Wunsch reagiert.

„Bitte, lass mich wenigstens eine Reise schaffen, bitte nimm mir meine Angst“, hatte ich geflüstert, fast wie ein Gebet, das in den Weiten des Universums verloren gehen sollte. Aber in diesem Augenblick fühlte es sich nicht verloren an. Irgendetwas tief in mir regte sich, eine kleine Flamme, die bisher nur flackernd existiert hatte, begann stärker zu brennen. Die Hoffnung, die ich schon fast aufgegeben hatte, kehrte langsam zurück.

*

Die Sternschnuppe war ein Zeichen, so deutete ich es für mich. Ich hatte die Kraft in mir, vielleicht war es nicht die Furcht, die mich kontrollierte, sondern der Wagemut, den ich erst entdecken musste. Ich blieb noch eine Weile am Fenster stehen, spürte den Wind auf meiner Haut, während ich dieses Gefühl festhielt und mich entschied, es nicht mehr loszulassen. Meine Gedanken drifteten plötzlich zu dem kleinen, grauen Päckchen, dass Hektor mir zugeschoben hatte. Ich hatte es in die Untiefen meiner Kommode verbannt, weiterhin entsetzt, dass mein eigener Bruder mir eine Substanz anbot, von der ich nicht mal wusste, was sie war und was sie bewirkte. Ich ging zu dem Möbelstück und entdeckte es verloren zwischen unzähligen durcheinander gewürfelten Socken. Das Päckchen in der Hand haltend starrte ich es an, als könnte ich dadurch die Antworten finden, die mir so sehr fehlten. Der graue Stoff fühlte sich rau und fremd an, eine stumme Erinnerung an besorgte Worte.

Was hast du zu verlieren?

Diese Frage hallte in meinem Kopf wider, so klar und unbarmherzig, dass ich sie nicht einfach ignorieren konnte. Der Inhalt war leicht, fast gewichtslos. Ich spürte, wie es leicht kratzte, als ich es in meinen Händen drehte. Ein Teil von mir wollte es sofort wieder in die Schublade zurückwerfen, tief vergraben, wo es hingehörte. Doch etwas anderes, ein Fragment, das so verzweifelt nach einer Lösung suchte, hielt es fest.

Was, wenn es mir tatsächlich helfen könnte? Was, wenn es genau das war, was ich brauchte, um endlich eine erfolgreiche Reise zu unternehmen, um die Bürde der letzten Jahre von meinen Schultern zu nehmen?

Ich atmete tief ein und aus, spürte die frische Luft, die durch das geöffnete Fenster hereindrang, und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

Langsam, fast mechanisch, begann ich, es zu entfalten, neugierig und ängstlich zugleich. Ein kleines durchsichtiges Glasgefäß lag darin und enthüllte das schneeweiße Pulver, das mich im schwachen Licht meines Zimmers fast blendete. Es war so unscheinbar und doch versprach es so viel. Zögernd beugte ich mich vor und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Die Entscheidung lag bei mir, egal, wie sehr ich die Verantwortung dafür ablehnen wollte. Der Zeigefinger meiner anderen Hand wanderte fast automatisch in Richtung des Pulvers, so dass ein wenig davon an meiner Fingerspitze kleben blieb. Vorsichtig brachte ich es an meine Nase, roch daran, doch der Geruch war neutral. Ich führte meinen Finger an den Mund und kostete mit der Zungenspitze die schneeweiße Substanz. Sie war weder bitter noch süß, sie schmeckte einfach nach nichts.

Für einen Moment fragte ich mich, ob es überhaupt irgendeine Wirkung haben könnte, ob es nur ein Placebo war, ein Trick meines Bruders, um mich zu motivieren oder zu beruhigen. Doch als der Gedanke kaum in meinem Kopf Form annahm, begann sich alles um mich herum zu verändern. Ein Schwindel überkam mich plötzlich, wie eine Welle, die mich von den Füßen reißen wollte. Mein Zimmer begann sich langsam zu drehen, erst sanft, dann schneller, als wäre ich in einem Karussell gefangen, das außer Kontrolle geraten war. Blitze schossen mir durch den Kopf, grelle Lichtstrahlen, die meinen Verstand durchzuckten und mich jede klare Überlegung verlieren ließen. Ich faste instinktiv nach der Kommode, um mich festzuhalten, die Welt um mich herum entglitt mir, nichts mehr schien greifbar. Mein Körper stolperte und taumelte durch den Gang, während ich panisch versuchte, das Badezimmer zu erreichen. Jeder Schritt war schwammig, als watete ich durch dichten Nebel, der meine Realität verzerrte. Endlich verstand der Hausassitent im Badezimmer meinen Befehl und das grelle Licht brachte mir für einen Moment eine Art von Klarheit. Ich stürzte mich ans Waschbecken, drehte das kalte Wasser auf und spritzte es mir hektisch ins Gesicht. Immer wieder, bis die Blitze in meinem Kopf allmählich verebbten und das Gewitter, das mein Inneres zerrissen hatte, sich zurückzog.

Erschöpft und atemlos sank ich auf den gekachelten Boden des Badezimmers, das kalte Material unter mir war das Einzige, was mich daran erinnerte, dass ich noch hier war, dass ich in Sicherheit war.

Was hatte Hektor mir nur gegeben? Welches Teufelszeug hatte ich in meinem Körper aufgenommen?

Mit letzter Kraft schleppte ich mich zurück ins Schlafzimmer, meine Beine zitterten bei jedem Schritt. Kaum hatte ich das Bett erreicht, ließ ich mich darauf fallen, unfähig, noch weiterzudenken. Die Müdigkeit übermannte mich und meine Glieder waren schwer wie Blei. Mein Kopf fühlte sich benommen an, als würde ein Dunst mein Denken umhüllen. Das Letzte, was ich wahrnahm, bevor mich der Schlaf endgültig mitnahm, war das schwache Flackern der Sterne, die durch mein halb geöffnetes Fenster hereinschienen.

 

*

 

Am nächsten Morgen erwachte ich, doch es war kein erholsamer Schlaf gewesen und so fühlte ich mich ermattet. Ich kochte mir einen Kaffee, schaltete das Radio ein und lauschte den belanglosen Nachrichten des Morgens. Der Geschmack meines Getränks war bitterer als gewöhnlich. Der Nachrichtensprecher erwähnte Demonstranten, die sich vor der Zentrale versammelt hatten und nach neuer Energie verlangten, die nunmehr, nach der letzten Reise meiner Großmutter, nach etlichen Jahrzehnten und ohne Nachschub, bald aufgebraucht sein würde. Die drohende Knappheit verdüsterte die Stimmung in der Stadt. Die Unruhen vor der Zentrale, die angespannte Situation wegen der fehlenden Energie – all das hing untrennbar mit mir zusammen wie ein unsichtbarer Draht, der alle Ereignisse festhielt. Mit einem weiteren Sprachbefehl schaltete ich das Radio wieder aus. Während der Kaffee in meiner Tasse dampfte, starrte ich aus dem Fenster und versuchte die Kontrolle über meine Gedanken zu bewahren. Der Himmel war klar und die Sonne schien warm auf die Straßen. Die Welt schien so normal, so unberührt von den inneren Kämpfen, die mich ständig heimsuchten. Doch die Realität der Nachrichten und die Proteste, waren nicht von der Hand zu weisen. Die Vorstellung, dass ich durch meine Inaktivität tatsächlich eine Krise verschärfen könnte, machte mich zunehmend unruhig.

Ich dachte an Hektor und das Pulver. Die Nacht war mir als düsteres Labyrinth in Erinnerung geblieben. Dennoch hatte sich etwas verändert, ein unsichtbarer Schalter war umgelegt worden. Es war Zeit die nächsten Schritte zu planen. Die Zentrale, die Leute da draußen, mein persönliches Versagen – alles drängte auf eine Lösung. Vielleicht musste ich die Situation ernsthaft angehen und herausfinden, was ich tun konnte, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich war eine Weltenwandlerin. Die einzige. Nur ich konnte einen Ausweg finden. Eine neue Entschlossenheit durchflutete meinen Körper. Ich stellte die Tasse ab und ging zügigen Schrittes in mein Schlafzimmer, wo das offene Glasgefäß lieblos auf dem Boden lag, der Inhalt halb verstreut. Die Nachrichten über die Krise blieben bestehen, doch nun war ich bereit, meine eigene Reise anzutreten, mich den Herausforderungen zu stellen und einen Weg zu finden, der über das hinausging, was bisher erreicht worden war.

Mit einem Gefühl der Neuorientierung und des unerschütterlichen Muts griff ich nach dem Fläschchen und goss den Inhalt in meinen Mund. Die Ohnmacht kam schnell und abrupt, als die weiße Substanz seinen Weg in meinen Körper fand. Schwarz verschlang meine Sinne und für einen Moment war alles, was ich wahrnehmen konnte, ein völliges Nichts. Dann begann es sich in wirbelnde, schimmernde Formen zu verwandeln. Meine Umgebung löste sich auf und trat in eine neue Realität ein. Die Dunkelheit wurde von leuchtenden Farben, die wie Strahlen von Sonnenlicht durch eine dichte Gischt schimmerten, ersetzt. Alles fühlte sich gleichzeitig intensiv und distanziert an, als blickte ich durch einen Schleier. Die Wände schienen zu pulsieren, lebendig und veränderlich, während der Boden unter mir wie eine riesige, sich bewegende Leinwand aus Illumination und Energie war. Es war, als ob ich in eine andere Dimension eingetreten wäre, eine, die keine festen Grenzen kannte. Noch bevor mein Körper realisierte, was geschah, erfasste mein Geist sofort die Wahrheit - ich reiste. Ein gewaltiger Blitz erleuchtete den schwankenden Raum um mich herum und die Welt um mich versank in Dunkelheit.

 

*

 

Die Finsternis um mich war allumfassend, als ich das Bewusstsein zurückerlangte. Langsam und mühsam begann sich mein Verstand zu klären, als das Schwarz Platz für schemenhafte Farben machte. Ich blinzelte und versuchte, mich zu orientieren und die Schatten zu verstehen, die vor mir tanzten.

„Atme“, mahnte ich mich still und spürte die Erleichterung, als mein Körper mir gehorchte, die Luft in meine Lunge ließ und meinen Puls beruhigte. Die erste Erkenntnis war, dass ich mich nicht in meiner Wohnung befand. Ich lag auf einer weichen, moosartigen Fläche, in einer Umgebung, die sowohl vertraut als auch völlig fremd wirkte. Der Boden war mit einem dichten Teppich aus grünen Pflanzen bedeckt, die in sanften, geschwungenen Mustern wuchsen. Der Himmel über mir war von einem leuchtenden Blau, durchzogen von sanften, rosafarbenen Wolken, die sich langsam bewegten. Die Sonne, die hoch am Himmel stand, strahlte ein warmes, goldenes Licht aus und tauchte die gesamte Landschaft in ein sanftes Glühen. Daneben schwebten drei Monde am Himmel, die sich langsam in verschiedenen Bahnen bewegten. Jeder von ihnen war einzigartig. Einer war klein und silbrig, ein anderer groß und von einem sanften Grün und der dritte war eher oval und schimmerte in einem tiefen, mysteriösen Blau. Ihre Anwesenheit verlieh der Szenerie eine fast märchenhafte Qualität und die Monde wirkten wie stille Beobachter dieses unbekannten Himmels. Ich hatte es also geschafft!

Als ich mich aufsetzte, fühlte ich mich merkwürdig leicht, als wäre die Schwerkraft hier schwächer als auf der Erde. Jeder Schritt war wie ein sanftes Schweben über den Boden. Die Luft war frisch und kühl und ich atmete tief ein, um den Duft von Blumen und feuchter Erde aufzusaugen. In der Ferne erkannte ich eine ungewöhnliche Struktur, die wie ein Gebirge aus glänzenden, glatten Felsen aussah. Es schimmerte in verschiedenen Kolorierungen, als bestünde es aus Kristallen, und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Etwas daran schien eine tiefere Bedeutung zu haben, als ob es einen Hinweis auf das verbarg, was ich hier finden sollte, und so beschloss ich aufzubrechen und dieser Einladung nachzugehen.

Auf meinem Weg dorthin begegnete ich verschiedenen Tieren, die in der Landschaft umherliefen. Einige von ihnen sahen aus wie vertraute Erdenwesen, nur dass sie in leuchtenden Bemalungen und mit ungewöhnlichen Merkmalen ausgestattet waren. Andere waren völlig neu und fremdartig, mit Körpern und Bewegungen, die in keiner Weise an das gewohnte Leben auf der Erde erinnerten. Je näher ich dem Gebirge kam, desto mehr spürte ich eine Art energetische Resonanz. Die Luft schien vibrierend und elektrisch und ein Gefühl von Spannung und Aufregung durchströmte mich.

Ich entdeckte eine große Öffnung in der Felswand, die wie ein Eingangsportal wirkte. Sie war von einer geheimnisvollen, schimmernden Substanz umgeben, wie flüssiges Licht. Angezogen von dem mysteriösen Anblick trat ich durch den Eingang. Im Inneren der Höhle empfing mich eine andere Welt. Die Wände waren mit fluoreszierenden Symbolen und Schriftzeichen bedeckt, die in weichen Wellen pulsierten und ein magisches Licht ausstrahlten. Die Energie in der Höhle war intensiv, als sei sie selbst lebendig. Ein sanftes Knistern lag in der Luft und ich spürte, wie sie sich mit jedem Schritt, den ich machte, verstärkte. Ich folgte einem schmalen Tunnel, der immer weiter in die Tiefe führte. Er wurde von Kristallen gesäumt, die die Wände in verschiedenen Nuancen erleuchteten. Die Dynamik wurde stärker und intensiver, je tiefer ich in die Höhle vordrang. Schließlich erreichte ich eine größere Kammer, deren Mittelpunkt von einem strahlenden, blauen Gestein eingenommen wurde.

Der Anblick raubte mir den Atem. Es war, als ob ich auf eine Quelle unermesslicher Lebenskraft und Weisheit starrte. Die Farben des Gesteins pulsierten sanft, im Rhythmus einer unsichtbaren Melodie, die im Raum schwebte. Der ganze Ort schien sich um sich selbst zu drehen und das Licht reflektierte sich in hypnotisierenden Mustern an den Wänden. Die Intensität war so stark, dass es fast so wirkte, als sei die Höhle ein unerschöpfliches Kraftwerk, das jede Schranke der Zeit und Entfernung durchbrechen könnte. Sie war so mächtig, dass sie mich mit einer Welle von Wärme durchflutete, die durch meine Glieder und tief in meine Knochen reichte.

 

Meine Hände zitterten, als ich mich ihm näherte, und eine tiefe, ehrfurchtsvolle Ruhe breitete sich in mir aus. Als ich meine Hand vorsichtig auf die glatte, kühle Oberfläche legte, fühlte ich eine unmittelbare Verbindung, die durch meinen Körper strömte. Als spräche es mit mir über Geschichten und Geheimnisse, die ewig in ihm eingeschlossen waren. Ich konnte spüren, wie mein eigenes inneres Licht und meine Kräfte sich mit der Energie des Gesteins verschmolzen. Ich verbrachte einige Zeit in der Nähe der blauen Felsen, absorbierte ihre Vitalität und ließ mich von ihnen leiten. Es war eine Erfahrung von unvergleichlicher Tiefe und Klarheit.

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Details

Titel
Die Weltenwandlerin
Autor
Natalie Stachetzki (Autor:in)
Erscheinungsjahr
2025
Seiten
515
Katalognummer
V1597047
ISBN (eBook)
9783389137314
ISBN (Buch)
9783389137321
Sprache
Deutsch
Schlagworte
weltenwandlerin fantasy sozial abenteuer frauen sterne universum
Produktsicherheit
GRIN Publishing GmbH
Arbeit zitieren
Natalie Stachetzki (Autor:in), 2025, Die Weltenwandlerin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1597047
Blick ins Buch
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Leseprobe aus  515  Seiten
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