Heterogenität - Ansätze zur schulischen Betreuung, Förderung und Integration von Kindern und Jugendlichen

Die Ganztagsschule als Möglichkeit zum besseren Lernen


Hausarbeit, 2008

51 Seiten, Note: 1,0

MA Sebastian Müller (Autor:in)


Leseprobe

Inhalt

Einleitung

1 Heterogenität an Deutschen Schulen
1.1 Schule und Gesellschaft im Wechselspiel
1.3 Das Deutsche Schulsystem- Vielfalt und Relevanz für die 8 schulische Bildung

2 Die Ganztagsschule als Ansatz für Integration und 11 gleichzeitige Förderung aller Schüler
2.1 Theoretische Vorbetrachtungen
2.1.1 Begriffliche Einordnung
2.1.2 Begründungen für die Ganztagsschule- Vorteile
2.1.3 Begründungen gegen die Ganztagsschule- Nachteile
2.2 Was leisten Ganztagsschulen?- Strukturelemente und 22 Tagesablauf
2.3 Ganztagsschule aus Sicht der Schüler
2.4 Situation in Deutschland

Zusammenfassung/Resümee

Anhang

Bildquellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema: „Heterogenität- Ansätze zur schulischen Betreuung, Förderung und Integration von Kindern und Jugendlichen -besser Lernen durch die Ganztagsschule!?“.

Im Interesse der Arbeit liegt es, den Leser in das Thema der Heterogenität in Schule und Unterricht einzuführen, um dann zu untersuchen wie wichtig eine Umgestaltung des deutschen Schulwesens in Bezug auf den Unterricht ist. Es soll an Beispielen aus dem Ganztagsschulbetrieb gezeigt werden wie Betreuung, Förderung und Integration besser vereinbart werden können und welche Möglichkeiten die Ganztagsschule dabei bieten kann.

Das Thema Heterogenität hat nicht erst seit PISA Eingang in die schulpädagogische und bildungspolitische Diskussion gefunden. Forderungen nach einem produktiven Umgang mit Vielfalt stehen derzeit im Mittelpunkt zahlreicher schulpädagogischer Veröffentlichungen. Oftmals hört man Schlagworte wie individuelle Förderung, neue Lernkultur, Flexibilisierung und Chancengleichheit. Die Verschiedenheit von Schülerinnen und Schülern wird dabei häufig als unterrichtspraktisches Problem betrachtet, auf das die Lehrer mit einem breiteren Methodenrepertoire reagieren müssten.

Mit diesem komplexen Problem wird sich die Arbeit beschäftigen. Sie soll zeigen wie wichtig die Schule (Ganztagsschule) als Lernwelt für die Kinder und Jugendlichen ist um in der späteren Gesellschaft zu bestehen. Lernende und Lehrende aller Schulstufen erleben alltäglich wie sehr Kinder und Jugendliche sich unterscheiden. Das Schulsystem muss mit dieser Vielfalt umgehen können und sie zum Vorteil der Schüler ausbauen. Leider ist dies noch der Ausnahmefall an deutschen Schulen. Homogenität, daher Einheitlichkeit von Schülern und dessen Lerngeschwindigkeit, werden als unabdingbare Voraussetzung angesehen und Heterogenität hingegen als Lernhindernis und Belastung.

Die Unterschiedlichkeit muss jedoch als wesentliches Konstrukt pädagogischer Praxis angesehen werden. Die Politik stellt daher neue Ansprüche an die Schule. Es wird ein produktiver Umgang mit Heterogenität, die Weiterentwicklung von Unterricht und Maßnahmen zu einer individuellen Förderung und zugleich Erneuerung der Schulstruktur gefordert.

Die Arbeit versucht zu klären inwieweit die geforderten Maßnahmen überhaupt erforderlich sind und will untersuchen ob die Ganztagsschule hier einen Lösungsansatz bieten kann und wodurch dies sichergestellt wird. Oftmals hört man dass die Ganztagsschule die Schule der Zukunft ist und zu einer Verbesserung der Leistungen und zur Chancengleichheit führen kann. Aber ist das auch richtig? Ich werde dieser Frage nachgehen. Dabei möchte ich auch die Sichtweise der Schüler mit einbeziehen.

Abschluss der Arbeit soll dann eine kleine Darstellung der aktuellen Entwicklungen in Deutschland sein. Ich will hier die Entwicklung des ganztägigen Schulsystems zeigen und über die zukünftigen Ziele der Bundesregierung aufklären.

1 Heterogenität an Deutschen Schulen

1.1 Schule und Gesellschaft im Wechselspiel

Das Deutsche Bildungssystem ist ein vierstufiges Bildungssystem bestehend aus dem Primarbereich (Grundschule) dem Sekundarbereich I (Gymnasium, Gesamtschule, Regelschule, Hauptschule) dem Sekundarbereich II (Gymnasiale Oberstufe, Fachgymnasium, Schulberufssystem, Duales System der Berufsausbildung, Übergangssystem) und dem tertiären Bereich in welchen alle Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien, Fachoberschulen und Abendschulen fallen. Danach erfolgt der Bereich der Weiterbildung, was auch dem tertiären Bereich untergeordnet wird und der Bereich der Erwachsenenbildung welcher den quartiären Bereich ausmacht, der aber nicht im Bildungssystem integriert ist aber dennoch besteht.

Jeder Deutsche Staatsangehörige durchwandert dieses System, wobei die Schulpflicht mit dem Sekundarbereich I und einem Alter von 16 Jahren beendet ist. Alle weiteren Bereiche beruhen auf Freiwilligkeit, bzw. dienen der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Der gesamte Bildungsprozess besteht daher aus der Grundbildung (Primarbereich und Sekundarbereich I) welche allen Schülern gleichermaßen zugänglich gemacht wird, dem Sekundarbereich 2, der schon zwischen Abiturienten und angehenden Arbeitern (Azubis) unterscheidet und dem tertiären Bereich in welchem die ehemaligen Abiturienten das Studium aufnehmen und die ehemaligen Azubis entweder einer Arbeit nachgehen oder sich einem zusätzlichen Abschluss widmen wollen. Ab diesem Bereich erfolgt für alle Menschen die Weiterbildung auf betrieblicher oder privater Ebene (quartiärer Bereich).

Fassen wir zusammen: Die Bildung eines jungen Menschen beginnt sehr früh, mit bereits 6 Jahren gehen Kinder in die Grundschule und endet im Prinzip nie. Das Bildungssystem ist deswegen auch lebensbegleitend in seinen 4 Stufen. (vgl. Döbert et al., 2006: S. 20)

Dieses Bildungssystem ist Grundlage für das Schulwesen in jedem der 16 Bundesländer und steht seit Ende der 1990er Jahre in einem tiefen Wandel der aber noch nicht vollkommen durchgedrungen ist. Die Autoren des Buches „Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland“ sprechen davon, dass die bisherigen Strukturen und Traditionen ihre Selbstverständlichkeit verlieren und Veränderungen plötzlich ohne Vorhersehbarkeit eintreten können und werden (vgl. Baumert, 2005, S. 20). Ein solcher Prozess ist auch der bessere schulische Umgang mit Vielfalt (Heterogenität).

Heterogenität ist Voraussetzung für jegliche Existenz. Auf der Grundlage von Unterschiedlichkeit sollte auch unser Bildungssystem aufgebaut sein. Kein Mensch ist mit einem anderen Menschen identisch. Man hat andere kognitive Lernvoraussetzungen, unterschiedliche sprachliche Kompetenzen, soziale Kompetenzen, Interessen und Neigungen, sowie physische und gesundheitliche Voraussetzungen. All diese „inneren“ Unterschiede müssen sich in der Schule und damit im Unterricht vereinen lassen ohne sich gegenseitig zu behindern. Der Weg für eine offene Schule ist schon lange geebnet. Jedoch wird an den meisten Schulen eine Abschottung gegen diese Heterogenität unternommen. Homogenität wird als Voraussetzung für gutes und effektives Lernen gesehen (vgl. Krüger-Potratz, 2005). Was ist aber Heterogenität eigentlich?

Der Begriff Heterogenität hat Konjunktur und wird seit einiger Zeit immer häufiger gebraucht (vgl. Boller et al., 2007, S. 22). Heterogenität stammt von dem altgriechischen Adjektiv heterogènes. Es ist zusammengesetzt aus dem Wort Heteros = verschieden und dem Wort gennào = erzeugen, schaffen. Heterogenität meint daher das Schaffen und Hervorrufen einer Unterschiedlichkeit verschiedener Elemente zueinander, daher einer Uneinheitlichkeit. Oftmals wird der Begriff auch mit den Wörtern: Differenz, Diversität, Exklusion, Verschiedenheit und Ungleichheit beschrieben. Dabei stammt die begriffliche Verwendung nicht nur aus der Schulpädagogik, sondern findet überall im Alltag seine Anwendung.

In der pädagogischen Diskussion wird der Begriff der Heterogenität im Hinblick auf die Schüler in einer Lerngruppe verwendet, daher heterogene Lerngruppen (vgl. Krüger-Potratz, 2005). Er beschreibt die Unterschiedlichkeit der Schüler hinsichtlich verschiedener Merkmale. Diskutiert werden vor allem die Heterogenität hinsichtlich der schulischen Leistungen bzw. der Begabungen, hinsichtlich des Alters, des Geschlechts sowie die kulturelle Heterogenität in einer Lerngruppe, daher der nationalen Abstammung. Hier ist wichtig festzuhalten, dass diese Heterogenität nur für den Beobachter sichtbar ist. Denn sie wird nicht durch objektive Eigenschaften charakterisiert, sie wird hergestellt durch einen Vergleich mit Hilfe einer Bezugsgröße, einem Maßstab. Während die Person türkischer Abstammung für den Deutschen ein Ausländer darstellt, so ist dieser für einen weiteren Türken ein „Landsmann“ und kein Fremder (Ausländer). Damit ist auch klar, dass Heterogenität immer zeitlich begrenzt gültig ist und von der Betrachtungsposition abhängig ist. Was hat der Begriff nun aber mit d]er Schule, speziell mit dem deutschen Schulsystem zu tun? „Sehr viel“ würde jeder Bildungsforscher entgegnen. Studien haben gezeigt, dass das deutsche Schulsystem noch immer von der Idealvorstellung einer homogenen (gleiche Merkmale (Alter, Lerngeschwindigkeit etc.)) Gruppe, die ohne störende Einflüsse von innen und außen im Lernen vorwärts kommen soll, bestimmt wird (vgl. Boller, 2007, S. 12). Dadurch dominiert im Umgang mit Heterogenität nach wie vor die Strategie der Homogenisierung. Durch diesen diskutierbaren Ansatz entstehen Strukturprobleme wie zum Beispiel die frühe Auslese, ungleiche Förderung und Benachteiligung bestimmter Gruppen.

Im Hinblick auf diese strukturellen Probleme ergeben sich automatisch Nachteile für die Zukunft der Schüler. Schule übernimmt als sekundäre Sozialisationsinstanz die Hauptaufgabe der gesellschaftlichen Funktion. Die Schule ist der Ort, an dem Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Kulturen und mit unterschiedlichen geistigen und ebenso körperlichen Voraussetzungen aufeinander treffen. Sie lernen dort neue Menschen kennen, Andere, Gleiche und auch Fremde. Es können sich Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede herausstellen. Die Schule soll Lernende im Wesentlichen dazu befähigen mit Wissensbeständen kritisch umgehen zu können, und zugleich als Türöffner für die spätere heterogene (pluralistische) Gesellschaft dienen. Sie soll auf die spätere Gesellschaft vorbereitend wirken. Die klassische Erziehungswissenschaft unterscheidet diese vereinfachte Denkweise in mehrere Teilprozesse. Die Schule soll die Schüler qualifizieren, für den späteren Arbeitsmarkt vorbereiten, sie soll gleichzeitig selektieren und dies nach Leistung, weiterhin ist es ein Ziel die Kinder und Jugendlichen in die spätere Gesellschaft zu integrieren und als letzter Punkt kommt die Personalisierung der Schüler hinzu, daher jeder Schüler soll zu einem eigenen Individuum geformt werden und sich gemäß seiner Anlagen optimal entwickeln. (vgl. Marotzki et al. , 2005, S. 39 - 41)

Nun kann man sich unter diesen stark vereinfachten verwissenschaftlichen Begriffen (qualifizieren, selektieren, integrieren) nicht so viel vorstellen, ein Auszug aus dem Thüringer Schulgesetz soll daher mehr Einsicht bringen, wie diese Funktionen von der Schule umgesetzt werden können und sollen: „Wesentliche Ziele der Schule sind die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen, die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Vorbereitung auf das Berufsleben, die Befähigung zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zur Mitgestaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie zum bewussten, selbstbestimmten und kritischen Umgang mit Medien, die Erziehung zur Aufgeschlossenheit für Kultur und Wissenschaft sowie die Achtung vor den religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer. Die Schüler lernen, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten. Dabei werden die Schüler darauf vorbereitet, Aufgaben in Familie, Gesellschaft und Staat zu übernehmen und dazu angehalten, sich im Geiste des Humanismus und der christlichen Nächstenliebe für die Mitmenschen einzusetzen. Die Schule fördert den Entwicklungsprozess der Schüler zur Ausbildung ihrer Individualität, zu Selbstvertrauen und eigenverantwortlichem Handeln. Sie bietet Raum zur Entfaltung von Begabungen sowie für den Ausgleich von Bildungsbenachteiligungen.“ (Thüringer Schulgesetz § 2, Gemeinsamer Auftrag für die Thüringer Schulen)

Dieses Zitat soll nur verdeutlichen wie einzelne Funktionen im Schulgesetz niedergeschrieben werden können. Dabei kann man nicht genau zwischen den direkten schulischen Aufgaben unterscheiden, ebenso wird die Umsetzung der aufgelisteten Ziele nicht erläutert. Die geisteswissenschaftliche Erziehungswissenschaft geht hier noch einen Schritt weiter, die Schule soll nicht Qualifikationen vermitteln, sondern die Schüler in allen Bereichen bilden (vgl. Zedler et al., 2002, S. 104). Dies ist natürlich sehr vereinfacht, zeigt aber die Kerngedanken von schulischer Bildung und Erziehung. Jeder Schüler soll Erfahrungen in allen Lebensbereichen sammeln und möglichst realitätsnah zur Gesellschaft schulisch aufwachsen. Durch die frühe Selektion, durch das mehrstufige Schulsystem, kann dies aber nicht in dem Maße erfolgen wie es eigentlich bedarf.

Mit dem ersten Kapitell möchte ich zeigen wie wichtig die Schule für die Schüler und deren spätere Zukunft ist. Jede komplexe Gesellschaft ist Teil des Pluralismus welcher zwischen sozialer, kultureller, geschlechts-, alters-, interessen- und leistungsbezogener Heterogenität unterscheidet. (vgl. Boller, 2007, S. 13) Wir leben in einer Zeit, in der wir täglich mit Vielfalt und Heterogenität konfrontiert werden, dabei sollte uns der Umgang mit Vielfalt nicht schwer fallen, jedoch stellt Heterogenität immer noch ein Problem für die Gesellschaft dar. „Heterogenität als Erfahrung des Fremden und Anderen schafft Reizsituationen und Desorientierung“ (Keck et al., 2004, S. 21.)

Das Fremde ist nun mal ein fester Bestandteil in unserem Alltag und dieses Fremde erzeugt durch sprachliche, religiöse, geistige, körperliche und kulturelle Unterschiede, ruft Probleme hervor, denn diese irritieren die eigenen Gewohnheiten. Die Unterschiede zwischen dem Fremden und Eigenem lösen Unsicherheit und Angst aus. Doch der Umgang mit Verschiedenheit und anderen Kulturen ist unumgänglich, besonders in Schulklassen. Weiterhin habe ich erklärt was man unter Heterogenität versteht und was der Begriff mit Schule und Lernen zu tun hat. Die Schule als Ort des Zusammenkommens von unterschiedlichen (heterogenen) Schülern soll primär auf die spätere Gesellschaft vorbereiten. Die schulischen Ziele sind genau festgelegt, aber es wird nicht definiert wie die Umsetzung erfolgen soll. Es wurde gezeigt, dass Schule und Gesellschaft im Wechselspiel zueinander stehen. Die Schüler werden nach 8 bis 13 Jahren des Schulbesuches in eine zum Teil völlig „fremde“ Welt geworfen. Das Schulsystem müsste Vielfalt fördern, doch sie wird abgebaut und unterdrückt sowie ignoriert. Die Schüler sind nicht im Umgang mit Verschiedenheit geübt.

Ich habe damit gezeigt, welche allgemeinen Probleme im Schulsystem vorherrschen und möchte im nächsten Abschnitt genauer darauf eingehen.

Ausblick

Es soll geklärt werden warum Vielfalt so wichtig für das Schulsystem ist und man sie ausbauen, nutzen und akzeptieren müsste.

1.2 Das deutsche Schulsystem- Vielfalt und Relevanz fur die schulische Bildung

Wie Abschnitt 1.1 gezeigt hat, ist die Schule nach dem Kindergraten der einzige Ort, wo über viele Jahre Kinder und Jugendliche das Gemeinsame und Unterschiedliche erfahren können. Sie ist eine der längsten Sozialisationsinstanzen, sie bildet den Charakter und die Persönlichkeit aus und stellt einem jungem Menschen Wissen zur Verfügung. Diese Chance muss genutzt werden! Dazu brauchen wir ein Schulwesen, dass die wirkliche Interaktion aller Kinder und Jugendlichen, gleich welcher Lernfähigkeit und Herkunft, welchen Glaubens und Geschlechts, welcher körperlichen und geistigen Kraft und Gesundheit ermöglicht. Im schulischen Kontext könnten diese Differenzen wie folgt aussehen:

- Die Schüler weisen unterschiedliche Sprachkompetenzen und schriftliche Ausdruckfähigkeit auf.
- Interessen sind verschieden ausgeprägt, dass betrifft Lernen, Lesen, Konzentration und Ausdauer.
- Das Lernen fällt unterschiedlich leicht, Lernstrategien und Art des Lernens differenzieren.
- Der Umgang mit schulischen Anforderungen unterscheidet sich, einige stören öfter, andere seltener.
- Sozialverhalten und Kommunikation mit den Mitschülern ist unterschiedlich, die eigenen Interessen mit den anderen abzustimmen gelingt unterschiedlich gut, dies kann bis zur gewalttätigen Auseinandersetzung führen.
- Die Kinder unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Aktivität und Passivität.
- Auch das Selbstbewusstsein ist verschieden, Aufgaben werden mit Zutrauen oder mit Ängstlichkeit erledigt.
- Die Ansprüche und Erwartungen sind unterschiedlich hoch gesteckt. Damit ist auch die Zielverfolgung verbunden.
- Und zum Abschluss ist auch die Akzeptanz von Schule und Unterricht, sowie die Motivation ein ausschlaggebender Grund für Vielfalt der Schüler.

(vgl. Bargel, 2003, S. 3)

Die plurale Gesellschaft ist daher kein getrennte- Weg- System, sondern eine Schule für Alle. Das vielgliedrige Schulsystem selektiert diesbezüglich viel zu stark und auch zu schnell. So kann es passieren, dass ausländische- oder körperlich- geistig- behinderte Kinder, die nicht in der Geschwindigkeit des Bildungsplanes mitkommen, ausselektiert werden. Sie können dadurch nur einen unteren Abschluss erlangen und sind damit auch in soziale Schichten eingeordnet. Das soll bedeuten, dass deutsche Bildungssystem ist nicht für Heterogenität geschaffen. Es fördert die Homogenität. Leistungen sind ganz genau festgelegt. Wer diese nicht erbringen kann wird vom System „rausgeworfen“ (vgl. Leiprecht, 2005).

Damit verfestigt die Schule die gesellschaftliche Ungleichheit aufgrund der bestehenden Homogenisierung. Maßnahmen zur Herstellung von Homogenität sind das dreigliedrige Schulsystem nach der gemeinsamen Grundschule (sowie Förder- oder Sonderschulen für geistig oder körperlich behinderte Kinder), die Trennung nach dem Alter der Schüler, das Sitzen bleiben, bedingt durch die Notengebung, aber auch das Überspringen einer Klasse sowie die Durchlässigkeit nach oben und unten innerhalb des Schulsystems. Die Weitergabe der Schüler nach unten (z.B. vom Gymnasium zur Realschule oder zur Hauptschule) findet wesentlich häufiger statt als der umgekehrte Weg. Diese Maßnahmen werden mit Argumenten vor allem aus drei Richtungen kritisiert: Erstens wird die Erreichbarkeit von Homogenität bezweifelt: So seien z.B. die Schulempfehlungen nach der Grundschule wenig zuverlässig. Zudem gebe es zu viele Merkmale, die für das schulische Lernen relevant seien. Zweitens wird die Zweckmäßigkeit homogener Lerngruppen bestritten: Heterogene Gruppen würden stattdessen besondere Gelegenheiten zum sozialen Lernen bieten. Auch sei es möglich, dass erfahrenere Schüler andere anleiten. Drittens werden Nebeneffekte der Homogenisierung kritisiert: Die frühe Aufgliederung in Schultypen führe zu Ungleichheit im Hinblick auf Bildungschancen. Die Kritik insbesondere am dreigliedrigen Schulsystem bekam neuen Auftrieb durch die PISA-, und TIMSS-Studien. Diese Studien untersuchen den allgemeinen Bildungsstand von 9. Klässlern länderübergreifend. Deutschland hat bei diesen weniger gut abgeschlossen, was sich auf die Homogenität, erzeugt durch das Bildungssystem, in den Klassen zurückführen lässt. (vgl. Keck et al., 2004).

Neuere Studien stellen fest:

- Die Lerngruppen an deutschen Sekundarstufen sind im internationalen Vergleich sehr homogen hinsichtlich kognitiver Merkmale. Dennoch ist die Streuung z. B. der Lesekompetenz so hoch, dass schwache Gymnasialschüler etwa den Stand des Durchschnitt an Hauptschulen erreichen und starke Hauptschüler etwa den Stand des durchschnittlichen Gymnasiasten.
- Lernschwache oder lernbehinderte Schüler verschlechtern die Leistungsentwicklung stärkerer Schüler in derselben Lerngruppe nicht.
- Die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten fällt bei lernschwachen Schülern positiver aus, wenn sie in leistungsheterogenen Lerngruppen sind.
- Homogene Lerngruppen von Schülern mit Lern- und Erziehungsproblemen verschlechtert deren Lernchancen erheblich. (vgl. Keck et al., 2004)

Fazit:

Trotz dieser klaren Fakten wird bis heute kaum an die optimale Umsetzung von Heterogenität an Deutschen Schulen geglaubt. Vielfalt führt eher zur Ausgrenzung als zur gleichberechtigten Wahrnehmung. Daher wird diese Vielfalt auch gekonnt vermieden. Die Lehrer gehen dabei immer auf ihre eigenen Schulerfahrungen ein. Sie glauben, es müsse was an dem Argument sein, Schule in Homogenität sei besser. Aber man kann wohl kaum den Lehrern die Schuld geben. Das gesamte Schul- und Bildungssystem sollte dringend überholt werden. Durch Notengebung, Viergliedrigkeit, Versetzungen und strengem Lehrplan sind die Lehrer förmlich dazu gezwungen einen solchen Unterricht zu halten. Zeitlich haben sie nicht die Möglichkeit auf Unterschiedlichkeit einzugehen. Hauptansatzpunkt ist der Lehrplan. Je mehr Wissen einem Schüler eingetrichtert werde, desto mehr würde er auch wissen und anwenden können. Dabei ist schon sehr lange bekannt, dass diese Form des Trichterlernens einfach nicht funktioniert. Man lernt viel mehr durch Versuch und Irrtum und dem praktischem Bezug als durch bloßes Anhören und Aufschreiben. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich auch in naher Zukunft nichts daran ändern wird. Praktisch alle deutschen Bundesländer verfolgen weiterhin die Politik der Homogenisierung. Leistung gibt an wie ich meine Zukunft beschreiten werde. Die Selektion erfolgt sehr früh- die Zukunft kann damit schnell verbaut sein (vgl. Krüger-Potratz, 2005). Die Fiktion, man müsse Heterogenität reduzieren und Homogenität annähern, fordert daher sehr viele Opfer.

Die Schule ist als Bildungseinrichtung Teil der Gesellschaft und hat als solche gesellschaftliche Funktionen zu übernehmen. Dies ist zentral für einen veränderten Umgang mit Heterogenität. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich unsere Gesellschaft verändert. Wir leben nun in einer Industriegesellschaft und einem Nationalstaat und in diesen ist die Heterogenitätswahrnehmung Grundlage für alle Prozesse. Das Schulsystem als Teil dieser, ist damit dazu verpflichtet sich auf Neuerungen einzulassen und sich dementsprechend anzupassen. „Die Schule als Container, der sich von seiner Umwelt abschottet, hat in dieser neuen Vorstellung von Lernen keinen Platz mehr.“

(Lernen von hier nach Dort, Bildungswerk für Schülervertretungsarbeit in Deutschland e.V., 2007, S. 11)

Kurze Zusammenfassung:

Die ersten zwei Punkte der Arbeit sollten deutlich machen wie wichtig ein Umdenken im Bereich der Schulbildung (Primarbereich und Sekundarstufe 1) ist. Ich wollte begründen warum Schule und Heterogenität einen starken Zusammenhang darstellen und durch ein neues Denken verknüpft werden müssen. Dies sollte Grundlage für den Hauptteil meiner Arbeit werden, die Untersuchung inwieweit die Ganztagsschule eine Integration und Förderung aller Schüler gewährleisten kann.

Ein Ansatz für die Möglichkeit, sich auf Vielfalt einzustellen, soll der nachfolgende Abschnitt 2 bieten. Er soll als Hauptteil der Arbeit auf die, in den zwei vorangehenden Abschnitten, erläuterten Probleme im Schulsystem eingehen. Hier soll die Ganztagsschule vorgestellt werden und eine Untersuchung erfolgen, inwieweit diese besser mit Heterogenität umgeht und dadurch auf die Gesellschaft vorbereiten kann.

Dabei sollen Inhalte aufgezeigt werden, Erfahrungsberichte analysiert werden und auf Vor- und Nachteile eingegangen werden. Die zentrale Frage „[…]Förderung und Integration von Kindern und Jugendlichen -besser Lernen durch die Ganztagsschule!?“ soll daher genau untersucht und belegt werden. Kann die Ganztagsschule für eine optimale und notwendige Betreuung, Förderung und Integration von Schülern sorgen? Kann sie die Interaktion aller Schüler ermöglichen, gleich welcher Lernfähigkeit und Herkunft, welchen Glaubens und Geschlechts, welcher körperlichen und geistigen Kraft und Gesundheit?

2. Die Ganztagsschule als Ansatz fur Integration und gleichzeitige Forderung aller Schuler

2.1 Theoretische Vorbetrachtungen

2.1.1 Begriffliche Einordnung

Die Bildungs- und Erziehungsfunktionen der Schule scheinen in Zukunft wichtiger und schwieriger zugleich zu werden. Es ist noch nicht lange her, dass die Bildungspolitik das Ende der herkömmlichen Schule prophezeite. Grundlage für dieses neue Denken waren vor allem die neuen Medien, wie Internet und virtuelles Lernen am Computer. Diese Zukunftsidee wurde aber schnell verworfen als man feststellte, dass hier drin nicht die Hauptaufgabe für die Umgestaltung zur neuen Schule liegt. (vgl. Otto, 2005)

Der Kerngedanke war allerdings nicht ganz falsch, in einer neuen Gesellschaft muss es auch neue Schulen (eingeschlossen das Schulsystem) geben, die sich ständig der Realität anpassen. Verschiedene Studien wie PISA und TIMMS haben gezeigt worauf es ankommt, nicht mehr Unterricht und Lernstoff ist erforderlich, sondern eine bessere Betreuung der Schüler und Schülerinnen. Auf dieser Grundlage hat man hier Forderungen nach mehr Ganztagsangeboten im Schulbereich gestellt.

Im Allgemeinen sind in Deutschland Schulen als Halbtagsschulen ausgelegt in denen die Schüler nur am Vormittag unterrichtet werden. Jedoch hat sich dieses Bild nach und nach verändert. (vgl. Kuthe, 1991, S. 8)

Das Thema Ganztagsschule hat in den letzten Jahren in Deutschland ganz unverkennbar einen deutlichen Auftrieb erfahren. Dies lässt sich vor allem durch verstärkte Diskussionen in Politik und Öffentlichkeit: „Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn haben Ganztagsschulen in Deutschland keine Tradition“ (Ludwig, 2007, S. 1) aber auch an der, in letzter Zeit gestiegenen, Anzahl von Ganztagsangeboten feststellen (Abbildung). Die bildungspolitischen Hoffnungen werden daher verstärkt in das Projekt Ganztagsschule gesetzt. Dabei ist die Schule als ganztägige Erziehungsform nicht neu. Im 17. Jahrhundert hat bereits der Pädagoge Johann Comenius das Ganztagsschulsystem empfohlen (vgl. Ludwig, 2007) Schon im 19. Jahrhundert war in Deutschland und auch anderen Ländern eine ganztägige Organisation der Schule die Regel. Der Unterricht ging von 8 bis 12 Uhr und anschließend nach einer Mittagspause von 14 bis 16 Uhr. Danach wurde ausreichend Zeit für Hausaufgaben und Wiederholungen zur Verfügung gestellt. Die heutige Halbtagsschule (Vormittagsschule) entwickelte sich erst nach und nach (vgl. Portmann, 2004, S. 13). Und dennoch wollen Bildungsforscher und Pädagogen wieder vollständig zurück zu der „alten“ Form der Ganztagsschule um die vorherrschenden Probleme zu reduzieren. Mit „Tradition“ meinen sie damit nicht, dass die Form der Ganztagsschule neu ist, sondern ganz einfach, dass die Ganztagsschule aus dem Blickpunkt geraten ist und man diese Schul-Tradition „vergessen“ hat.

Auch wenn die PISA Ergebnisse hier ganz eindeutig gezeigt haben, dass Ganztagsbetreuung nicht der Grund für eine bessere Bildung ist. Zwar gibt es unter den Siegerländern durchaus einige Länder mit Ganztagsschulen, jedoch sind auch unter den Verliererländern Ganztagsbetreuungen vorhanden. Und obwohl man weiß, dass die Ursachen nicht nur auf die Schulform zurückzuführen sind, setzt man sehr viel auf die Umgestaltung des Schulsystems in Deutschland in mehr Ganztagsschulen. (vgl. Rekus, 2003, S. 1) Wie jede andere Schule ist auch die Ganztagsschule wesentlich mit der Aufgabe verpflichtet, Lernprozesse anzuregen und Bildung zu ermöglichen. Von der Einrichtung von Ganztagsschulen erwartet man nicht nur eine Leistungssteigerung des Schulsystems insgesamt, sondern auch einen familien- und sozialpolitischen Gewinn. Durch intensive Betreuung und Förderung von Kindern, die ein problematisches familiales Umfeld, geistige oder körperliche Behinderungen und Migrationshintergund haben, sieht man besondere Förderungschancen im unterrichtlichen Kontext. (vgl. Ladenthin, 2005, S. 7) Es können darüber hinaus reformpädagogische Konzepte wie neue Unterrichtsformen, Rhythmisierung, pädagogische Konzepte und Schulsozialarbeit besser verfolgt werden (vgl. Kuthe; 1991: S. 8).

Ganztägige schulische Betreuung und Förderung findet in Deutschland in zwei Organisationsformen statt: in Ganztagsschulen und Internaten und Heimen (vgl. Kuthe, 1991: S. 8). Ich möchte mich in der Arbeit aber nur auf die schulischen Formen konzentrieren. Ganztagsschule, Ganztagsangebote, Ganztagsbetreuung, ganztägige Betreuung in der Schule und ähnliche Begriffe meinen in der bildungspolitischen Diskussion stets das Gleiche, obwohl dies nicht ganz korrekt ist. Prinzipiell gibt es zwei Formen (im schulischen Kontext) zu unterscheiden: die offene Ganztagsschule (Ganztagsbetreuungsschule) und die gebundene Ganztagsschule (Tagesschule).

Unter der offenen Ganztagsschule versteht man Schule am Vormittag und Betreuung am Nachmittag. Die Schule ist von 8 bis zirka 16 Uhr geöffnet und bietet nach dem Pflichtunterricht, der Halbtagsschulen ähnelt, freie Wahlangebote und vielfältige Spiel- und Freizeitmöglichkeiten am Nachmittag an.

Die gebundene Ganztagsschule arbeitet im gleichen zeitlichen Rahmen wie die offene Ganztagsschule von 8 bis 16 Uhr. Der große Unterschied ist hier allerdings die Verteilung des Unterrichts auf den Vor- und Nachmittag. Pflichtunterricht und freie Aktivitäten wie Freizeit- und Spielmöglichkeiten werden zusammen praktiziert und erhalten damit Projektunterrichtscharakter. Das Tagesangebot ist dabei für alle Schüler Pflicht.

Zwischen diesen zwei Hauptformen der Ganztagsschule gibt es natürlich noch unzählige Zwischenformen. Die Kultusministerkonferenz hat daher 2003 den Begriff Ganztagsunterricht wie folgt definiert: „Unter Ganztagsschulen werden Schulen verstanden, bei denen im Primar- oder Sekundarbereich I:

[...]

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Heterogenität - Ansätze zur schulischen Betreuung, Förderung und Integration von Kindern und Jugendlichen
Untertitel
Die Ganztagsschule als Möglichkeit zum besseren Lernen
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
51
Katalognummer
V159706
ISBN (eBook)
9783640726738
ISBN (Buch)
9783640726707
Dateigröße
1443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heterogenität, Ansätze, Betreuung, Förderung, Integration, Kindern, Jugendlichen, Ganztagsschule, Möglichkeit, Lernen
Arbeit zitieren
MA Sebastian Müller (Autor:in), 2008, Heterogenität - Ansätze zur schulischen Betreuung, Förderung und Integration von Kindern und Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159706

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