Chancen zur Enthospitalisierung und De-Institutionalisierung für Menschen mit geistigen Behinderungen?

Entflechtung der psychiatrischen Landeskrankenhäuser und deren Folgen für die Behindertenhilfe im Land Sachsen-Anhalt


Doktorarbeit / Dissertation, 2010

515 Seiten, Note: summa cum laude


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Gegenstand und theoretischer Rahmen
I.1 Forschungsmethoden und Betrachtungsansätze
I.1.1 Personale Ebene
I.1.2 Forschungsebene
I.2 Klärung von Begrifflichkeiten und relevanten Paradigmen
I.2.1 Enthospitalisierung, Entflechtung, Entpsychiatrisierung, De-Institutionalisierung
I.2.2 Empowerment und Normalisierungsprinzipien versus Totale Institution
I.3 Subsidiaritätsprinzip und Föderalismus – Auswirkungen auf die Behindertenhilfe
I.4 Strukturelle Gewalt – Faktoren in der Behindertenhilfe
I.5 Menschen mit geistigen Behinderungen
I.5.1 Ausgangsdefinition
I.5.2 Menschen mit geistigen Behinderungen in Abhängigkeit von Begrifflichkeiten,Diagnosen und kategorialen Einstufungen
I.5.3 Einstufungsverfahren geistig behinderter Menschen in Sachsen-Anhalt:
I.6 Historischer Hintergrund
I.6.1 Institutionalisierung und Psychiatrisierung von Menschen mit Behinderungen im historischen Wandel, in der DDR und der BRD
I.6.2 Exkurs über die gesellschaftspolitischen Epochen der DDR
I.6.3 Der geistig behinderte Mensch in der DDR und in der BRD
I.6.3.1 Die Versorgung von geistig behinderten Menschen in der DDR
I.6.3.2 Übertragungsprozess des westdeutschen Sozialversicherungssystems
I.6.3.3 Sozialrechtliche Absicherung von Menschen mit geistigen Behinderungen in der DDR und der BRD und Konsequenzen der Vereinigung der beiden deutschen Staaten für die Behindertenhilfe
I.6.3.4 Das Gesundheitswesen der DDR in seiner Relevanz für Menschen mit geistigen Behinderungen
I.6.3.5 Die Rolle der Diakonie in der Behindertenhilfe der DDR
I.6.3.6 Betrachtung von „Geistiger Behinderung“ in Gesellschaft und Wissenschaft in der BRD und der DDR unter dem Aspekt der Bildung
I.6.3.6.1 Wissenschaft, Bildung, Förderung
I.6.3.6.2 Arbeit für Menschen mit geistigen Behinderungen
I.6.3.7 Unterbringung von Menschen mit geistigen Behinderungen
I.6.3.7.1 Unterbringung von Menschen mit geistigen Behinderungen in der BRD
I. 6.3.7.2 Einleitung von Enthospitalisierungsprozessen in Westdeutschland
I.6.3.7.3 Die Lebensumstände in stationären Einrichtungen der DDR
I.7 Empfehlungen der Psychiatrie-Enquête und weitere staatliche Leitgedanken zur „Enthospitalisierung“
I.7.1 Psychiatrie-Enquête 1975
I.7.1.1 Kommissionsverfahren und Entstehung der Psychiatrie-Enquête
I.7.1.2 Zum Inhalt und Empfehlungen der „Psychiatrie-Enquête“
I.7.1.3 Zur Umsetzung der Psychiatrie-Enquête
I.7.2 Empfehlungen der Expertenkommission und Stellungnahme der Bundesregierung 1990
I.7.3 Bericht (und Empfehlungen) der Bundesregierung über die Lage der Behinderten und die Entwicklung der Rehabilitation von 1994
I.7.4 Psychiatrieplan, 1992 und Leitlinien der Behindertenhilfe in Sachsen-Anhalt von 1995
1.8 Zusammenfassung Kapitel I im ausblickenden Zusammenhang mit den Kapiteln II und III

II. Enthospitalisierungsprozess in Sachsen-Anhalt
II.0 Die ersten ministeriellen subjektiven Eindrücke und Ansatzsäußerungen
II.1 Die für die Entflechtungs- und Enthospitalisierungsprozesse verantwortlichen Instanzen und Entscheidungskompetenzen
II.1.1 Das Ministerium für Gesundheit und Soziales und seine nachgeordneten Behörden
II.1.1.1 Akteure unter besonderen Aufbaubedingungen
II.1.1.2 Enthospitalisierungsauftrag, administrative Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen
II.1.1.3 Landesamt und Ämter für Versorgung und Soziales, Sozialämter
II.1.2 Die für die Entflechtung und Enthospitalisierung wesentlichen politischen Organe und Gremien
II.1.2.1 Landtag
II.1.2.2 Petitionsausschuss
II.1.2.3 Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales / Sozialausschuss des Landtags
II.1.3 Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung
II.1.4 Träger der Freien Wohlfahrtspflege
II.2 Programmatische Aussagen der Landesregierung zur psychiatrischen Versorgung im Land Sachsen-Anhalt unter besonderer Berücksichtigung des „Enthospitalisierungsauftrages“
II.2.1 1992: Programm und Bericht der Landesregierung zur psychiatrischen Versorgung im Land Sachsen-Anhalt
II.2.1.1 Planungsäußerungen der Abteilung „Soziales“ Anfang der 1990er Jahre
II.2.2 Leitlinien zur Entflechtung / Enthospitalisierung der Landeskrankenhäuser Haldensleben, Uchtspringe und Jerichow von 1995
II.2.3 Prozessgestaltungsplanungen
II.3.1 Besetzung von Leitungsstellen in den vorläufigen Heimbereichen
II.4. Wissenschaftliche Begleitung
II.4.1 Der Auftrag der wissenschaftlichen Begleitung
II.4.2 Die von ISIS verwandte Definitionsgrundlage und herangezogenen Ansätze zur „Enthospitalisierung“
II.4.3 Das Leistungsspektrum der wissenschaftlichen Begleitung durch ISIS
II.4.3.1 Liste der „Analyse deutscher Enthospitalisierungsprozesse“
II.4.3.2 BewohnerInnen-Erhebung
II.4.3.3 MitarbeiterInnenbefragung:
II.4.4 Empfehlungen der wissenschaftlichen Begleitung durch ISIS
II.4.4.1 Enthospitalisierungsplan nach ISIS
II.4.4.2 Abschließende Faziterklärung durch ISIS (1998):
II.4.5 Einschätzung der Auswirkungen der wissenschaftlichen Begleitung
II.5 Ausgangssituation und Bestandsaufnahme in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern Sachsen-Anhalts 1990 - 1992
II.5.1 Grundlagendaten zur Entflechtung und Enthospitalisierung im Land Sachsen-Anhalt
II.5.2 Zur Anfangssituation in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern Bernburg, Haldensleben, Jerichow und Uchtspringe
II.5.2.1 Selektion als erster Schritt zur Entflechtung und „Enthospitalisierung“
II.6 Entflechtungsprocedere in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern in den Jahren 1991-1995
II.6.1 Die Landeskrankenhäuser – ein Kurzüberblick
II.6.1.1 LKH Uchtspringe
II.6.1.2 LKH Bernburg
II.6.1.3 LKH Haldensleben
II.6.1.4 LKH Jerichow
II.6.2 Die Landeskrankenhäuser zu Beginn der Entflechtungsprozesse
II.6.2.1 Liegenschaften und Gebäudebestand
II.6.2.2 Bettenanzahl und -verteilung
II.6.3 Entflechtungsbedingungen und Konsequenzen für die Zugehörigen der vorläufigen Heimbereiche
II.6.3.1 Personalsituation
II.6.3.2 Planlose Umverlegungen von Langzeitpatientinnen und Personalkonsequenzen
II.6.4 Übertragungsprozess der psychiatrischen Landeskrankenhäuser an Träger der Freien Wohlfahrtspflege
II.6.4.1 Verhandlungen Ministerium – Liga der Freien Wohlfahrtsverbände
II.6.4.1.1 Verhandlungsspezifika der einzelnen Landeskrankenhäuser
II.6.4.2 Verhandlungskomplex: Personal und Trägerwechsel
II.7 Entwicklungen der Behindertenhilfe außerhalb der Landeskrankenhäuser in Sachsen-Anhalt
II.7.1 Schloß Hoym
II.7.1.1 Entstehungsgeschichte und Trägerschaften
II.7.1.2 Schloß Hoym im Nationalsozialismus und in der DDR
II.7.1.3 Entflechtungs- und Enthospitalisierungsprozesse im Schloß Hoym
II.7.1.3.1 Konzeptionelle Leitsätze
II.7.1.3.2 Praktische Umsetzungsprozesse
II.7.1.3.3 Personalentwicklung
II.7.1.3.4 Platzabbau
II.7.1.3.5 Entwicklungen auf dem Stammgelände
II.7.1.3.6 Institutionelle Entwicklungen
II.7.1.3.7 Resümee zu den Entwicklungen „Schloss Hoym“
II.7. Neinstedter Anstalten
II.7.2.1 Geschichtlicher Hintergrund
II.7.2.2 Die Neinstedter Anstalten nach der Wende
II.7.2.3 Resümee zu den Entwicklungen der Neinstedter Anstalten
II.7. 3 Entwicklungen weiterer Einrichtungen der Behindertenhilfe in Sachsen-Anhalt
II.7.3.1 Stationäre Unterbringung versus Betreutes Wohnen
II.8 Kosten-Nutzen
II.8.1 Finanzielle Förderung von Enthospitalisierungsmaßnahmen
II.8.2 Regelfinanzierung – Novellierung des § 93 Abs.6 BSHG
II.8.3 Der Rahmenvertrag gem. § 93d Abs.2 BSHG – Sachsen-Anhalt
II.9 Entflechtungs- und Enthospitalisierungsprozesse in den ehemaligen psychiatrischen Landeskrankenhäusern Sachsen-Anhalts 1997 - 2006
II.9.1 Datenerhebung der BewohnerInnen in den vorläufigen Heimbereichen an den psychiatrischen Krankenhäusern 1997
II.9.2 Das Personal in den Heimbereichen der psychiatrischen Landeskrankenhäuser und in „Schloß Hoym“
II.9.2.1 Personalentwicklungsmaßnahmen
II.9.2.1.1 Hospitationsprogramm
II.9.2.1.2 Weitere Fort-, Weiter- und Ausbildungsangebote
II.10 Entwicklungen der Heimbereiche an den ehemaligen psychiatrischenLandeskrankenhäusern Jerichow und Haldensleben nach der Überleitung aus der Landesträgerschaft an Freie Träger
II.10.1 Das psychiatrische Krankenhaus in Jerichow nach Übernahme durch die AWO Krankenhausbetriebsgesellschaft gGmbH Magdeburg
II.10.2 Das psychiatrische Krankenhaus in Haldensleben nach der Übernahme durch das Dortmunder Christliche Sozialwerk GmbH und seine Nachfolger
II.11 Kurzresümee

III Entflechtungs- und Enthospitalisierungsprozesse am ehemaligen psychiatrischen Landeskrankenhaus Uchtspringe
III.1 Geschichte des Landeskrankenhauses Uchtspringe 1874-1990
III.1.1 Von der Gründung bis zur Zeit des Nationalsozialismus 1894 – 1933
III.1.2 Das Landeskrankenhaus Uchtspringe von 1933 bis 1949 und die interne Bewertung in der Zeit danach
III.1.2.1 „Euthanasie“ im Landeskrankenhaus Uchtspringe
III.1.3 Das Landeskrankenhaus Uchtspringe in der Zeit der DDR 1949 – 1990
III.2 Das Landeskrankenhaus Uchtspringe nach der Wende
III.2.1 Organisation und Zuständigkeiten 1991 – 1997
III.2.2 Gebäudeverteilung auf dem Krankenhausgelände Uchtspringe
III.2.2.2 Baulicher Zustand der Heimstationshäuser
III.3 Das Diakonische Werk als potentieller Träger des vorläufigen Heimbereiches am psychiatrischen Landeskrankenhaus Uchtspringe
III.4 Der Umstrukturierungs- und Überleitungsprozess Phase I: 1993 bis 1996
III.4.1 Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit der Diakonie
III.4.1.1 Pädagogische Leitung - Enthospitalisierungsbeauftragte
III.4.2 Erster Öffentlicher Protest der Uchtspringer Mitarbeiterschaft
III.4.3 Aus der Not erwachsene Tugend: Erste Enthospitalisierungsmaßnahme durch Entstehung der ersten Wohngruppen im Heimbereich am Landeskrankenhaus Uchtspringe
III.4.4 Weitergehende Protestaktionen und ihre Konsequenzen
III.5 Übergangsphase 1996 – 1997
III.5.1 Projektgruppe Uchtspringe
III.5.2 „Kommissarische Übergangsphase“ im Heimbereich Uchtspringe
III.5.2.1 Zeitplanung aufgrund grober statistischer Bewohnerdaten im Juli 1996
III.5.3 Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern
III. 5.3.1 Kinder und Jugendliche ziehen in eine WG der Caritas in Letzlingen
III.5.3.2 Erwachsene ziehen in ein Wohnheim der Caritas nach Gardelegen
III.5.3.3 Erste Erwachsene ziehen ins Schloss Vinzelberg der Stiftung Uhlebüll
III.5.3.4 Kritikäußerungen zur Trägerauswahl
III.5.4 Die erste Außenwohngruppe in Jävenitz
III.6 Der Umstrukturierungsprozess Teil II: 1997 – 2006
III.6.1 Rechtsformänderung – Gründung der SALUS
III.6.1 Reaktionen auf die Rechtsformänderung
III.7 Bewohner- und Unterbringungsstruktur des Heimbereiches am LKH Uchtspring zu Beginn der Überleitung an die SALUS gGmbH
III.8 Entwicklungen des SALUS-Heimverbundes in der Nachfolge des „vorläufigen Heimbereiches am Landeskrankenhaus Uchtspringe“
III.8.1 Bildung weiterer Wohngruppen, Außenwohngruppen und eines dezentralen Wohnheimes sowie Erweiterung des Leistungsspektrums
III.8.2 Selbstbestimmung – Mitbestimmung der HeimbewohnerInnen
III.8.3 Personalentwicklung im SALUS-Heimverbund
III.9 Reflektiver Erfahrungsaustausch 10 Jahre nach dem Auszug aus Uchtspringe
III.9.1 Frauen der ersten Uchtspringer WG im Intensiv betreuten Wohnen in Gardelegen
III.9.2 Ehemalige Uchtspringer BewohnerInnen im Wohnheim Vinzelberg, Caritaswohnheim
„Friedrich Lorenz“, Beetzendorf und Chausseehaus Hassel
III.9.2.1 Wohnheim Vinzelberg
III.9.2.2 Caritaswohnheim „Friedrich Lorenz“, Beetzendorf
III.9.2.3 Chausseehaus Hassel
III.9.2.4 MitarbeiterInnen-Berichte über die BewohnerInnenentwicklungen nach dem gemeinsamen Wechsel in Heime anderer Träger
III.9.3 Wie MitarbeiterInnen ihren eigenen Arbeitsplatzwechsel im Rahmen der des Heimbereiches Uchtspringe erlebt haben und bewerten
III.9.4 Wie langjährige Uchtspringer MitarbeiterInnen die Entwicklungen des SALUS-Heimverbundes bewerten
III.9.5 Außenwohngruppe Jävenitz - Ergebnisse einer Begleituntersuchung durch ISIS
III.10 Zusammenfassende Bewertung des 15 jährigen Entflechtungsprozesse „Heimbereich am psychiatrischen Krankenhaus Uchtspringe“

IV. Bewertende Analyse und Resümee
IV.1 Betrachtungsschwerpunkte
IV.2 Handlungsdruck und Übertragung des westdeutschen Systems auf die neuen Bundesländer
IV.3 Zum Vorwurf der westdeutschen Kolonialisierung
IV.4 Auswirkungen der „Wende“ auf das Personal in den Landeskrankenhäusern
IV.5 Verwaltungsstrukturen und Kompetenzen
IV.6 Föderalismus, Subsidiaritätsprinzip und die Rolle der Träger der Freien Wohlfahrtsverbände
IV.7 Resumee und Ausblick

V. Literatur- und Quellenangaben

Verwendete Literatur

Quellen-Dokumente / Protokolle

Anhang
ANHANG I.a (zu 1.4) Mitschrift der mdr-Sendung über A. Müller / Psychopharmaka, Uchtspringe-Vinzelberg12/1999
ANHANG II.a (zu II.1.2) Übersicht über die Titel gegenstandsrelevanter Landtagsdrucksachen von 1991 bis 2006
ANHANG II.b (zu II. 6.1) Protokolle der ersten Planungs-Einzelgespräche mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege im Jahr 1993:
ANHANG IIc
ANHANG IId (zu II.4.1) Finanzielle Förderung von Enthospitalisierungsmaßnahmen
ANHANG II.e (zu II.7.4.2) Leistungstypen - Rahmenvertrag
ANHANG II.f & f2: Volksstimme zur Überleitung von Landeskrankenhäusern
ANHANG II.3: zum LKH Haldensleben: Volksstimme 14.11.1994
ANHANG III.a (zu III.4.1.1): Massnahme gegen „Wilde Verlegungen“, Heimbereich Uchtspringe, August 1995
ANHANG III.b.1 (zu III.3.3): Brief: Diakonisches Werk an den Petitionsausschuß des Landtages Sachsen-Anhalt November 1995
ANHANG III.b.2 (zu III.3.3): Brief: Leiter des Wilhelmshofes an den Personalrat des LKH Uchtspringe vom 9. Dezember 1995
ANHANG III.b.3 (zu III.3.3): Brief: Personalrat LKH Uchtspringe an Ministerin Kuppe vom 12. Juni 1996
ANHANG III.b.4 (zu III.3.3): Volksstimme: „Land erläßt Leitlinien“ 12/1995
ANHANG III.b.5 (zu III.3.3): Volksstimme, 7./12./1995
ANHANG III.b.6 (zu III.3.3): Volksstimme: 6./12./1995

Vorwort

Es war mir ein Anliegen, meine dreizehnjährigen Erfahrungen im Aufbau der Behindertenhilfe in dem 1991 neu gegründeten Bundesland Sachsen-Anhalt zu dokumentieren und zu reflektieren. Von 1995 an hatte ich die Chance, an den Prozessen in verschiedenen Feldern mitzuwirken: vor Ort im Landeskrankenhaus Ucht­springe als „pädagogische Leiterin“ und in der Administration als Referen­tin im Sozialministerium Magde­burg mit der Hauptaufgabe der Erstellung und Umsetzung von Lan­desleitlinien zur Entflechtung der psychia­trischen Landeskrankenhäuser und der Entwicklung von Enthospitalisierungsmaßnahmen für die dort „fehl­untergebrachten LangzeitpatientInnen“ sowie der Erarbeitung einer damit zusammenhängenden Landespla­nung für die Versorgung von Menschen mit geistigen Behinderungen. Danach „wechselte ich die Seite“: Ich übernahm die Aufgabe des Aufbaus einer neuerrichteten Wohn- und Förderstätte für Menschen mit geistigen Behinderungen im Süden Sachsen-Anhalts. Es handelte sich von der Größe und der Lage her um eine den allgemeinen Para­digmen und den Landesleitlinien widersprechende „Planungssünde“. Die besondere Her­ausforderung sah ich darin, in einer von Traditionen unbelasteten Einrichtung so lange wie möglich und möglichst viele der von Goffman beschriebenen Merkmale einer Totalen Institution zu verhindern. Viele der Voraussetzungen waren günstig – doch letztlich war auch dieses Modell Teil des Gesamt­systems, dessen Aufbau ich mit all seinen Einflussfaktoren im folgenden beschreibe.

Mit dieser Arbeit möchte ich einen Beitrag zur Dokumentation der Sozialgeschichte eines neuen Bundeslan­des vorlegen, in deren Mittelpunkt ehemalige DDR-BürgerInnen mit geistigen Behinde­rungen und das sie pflegende und betreuende Personal in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern stehen, die sich in einer Umbruchphase befanden. Es handelte sich um eine Epoche des Wandels des DDR-Gesellschaftssystems zu dem der BRD - und in dem Rahmen um die Einführung westdeutscher Sozialhilfestrukturen, die eigentlich mit den seit den 1960er Jahren propagierten Paradigmen der Behindertenhilfe verknüpft werden sollten. In­dividuelle und strukturelle Entpsychiatrisierungs-, De-Institutionalisierungs- und Enthospitalisierungsmaß­nahmen sollten zur Verwirklichung der damals formulierten Ziele „Normalisierung“ der Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen und deren „Integration“ in die Gesellschaft beitragen.

Im folgenden werden Faktoren beschrieben, die diesen Landesprozess – und den am Landeskrankenhaus Uchtspringe im besonderen - beeinflusst und welche Auswirkungen diese auf die betroffenen Menschen ha­ben. Dabei war es unerlässlich, dem reichhaltigen Dokumentationsmaterial einen Einblick in die Behinder­tenhilfe der DDR sowie die der Betrachtung zugrunde liegenden sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse und Ansätze voranzustellen.

Trotz mehrjähriger intensiver Recherchen und des großen Umfanges dieser Arbeit handelt es sich doch nur um einen Ausschnitt eines Prozesses, der zudem auf die ersten 15 Jahre des Landes Sachsen-Anhalt be­schränkt ist.

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine „Basisarbeit“, als Anreiz zur Vertiefung einzelner und zur Hinzufü­gung weiterer Aspekte dieses komplexen Gegenstandes und zur Erweiterung des soziologischen und (behin­derten-) pädagogischen sowie des sozialpolitischen Kenntnisstandes.

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Wolfgang Jantzen. Ohne ihn wäre diese Arbeit ver­mutlich nicht begonnen worden. Hat er schon meine Tätigkeit in Sachsen-Anhalt mit großem Interesse ver­folgt, mir mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Kenntnissen aus seiner Gast-Professur an der Universität Leipzig zu DDR-Zeiten und seinen praktischen Erfahrun­gen mit dem Komplex von De-Institutionalisierungsbemühungen reflektiv zur Seite gestanden, so war er es, der mich ermutigt hat, meine vielfältigen Einblicke in die verschiedenen Felder der sozi­alpolitischen Prozesse in Sachsen-Anhalt zu doku­mentieren. Darüber hinaus war er mein empathi­scher Mentor, der mich auch in Krisenzeiten unterstützt und immer wieder motiviert hat, diese Ar­beit zum Abschluss zu bringen.

Der bemerkenswerte inhaltliche und hartnäckige politische Einsatz des Psychiatrieausschusses für die Men­schen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt tat auch mir während meiner Ministeriumstä­tigkeit im Sinne ei­ner „moralisch-solidarischen“ Unterstützung gut. Seine unermüdlich kritischen Berichte fanden leider in der Landespolitik nicht die wünschenswerte Berücksichtigung; doch sie waren für die hier vorgelegte Prozessauf­arbeitung eine wertvolle Quelle und erfahren dadurch eine angemessene Würdigung. Ganz beson­ders danke ich der Geschäftsführerin des Ausschusses Frau Dr. Gudrun Fiss für ihre Unterstützung und ihre Zeit, die sie mir beim Zusammenstellen des Daten­materials geschenkt hat. Sie war für mich mit ihren lang­jährigen Erfahrungen ein „historisches Le­xikon“ und scheute keine Mühe, mich bei meinen Recherchen zu unterstützen.

Danken möchte ich auch Frau Ministerin a.D. Dr. Gerlinde Kuppe für das Vertrauen, das sie mir als Referen­tin von 1995 bis 1998 bezüglich der Enthospitalisierungsanliegen entgegen gebracht hat, vor allem aber auch für ihren Einsatz für die Behindertenhilfe in der damaligen Zeit. Gern blicke ich auf die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen Adrian Maerevoet und Ernst-Rudolf Ollinger zu­rück, die mich in die „Geheimnisse von Ministeriumsstrukturen“ eingeweiht haben und auch meiner Kollegin Adelheid Rotte gilt mein Dank, die als zuständige Sachbearbeiterin geduldig meine Akten­berge sortiert und in die entsprechende Systematik ge­bracht hat.

Unvergessen bleibt Frau Angela Gille, die Personalratsvorsitzende am Landeskrankenhaus Ucht­springe, mit ihrem Engagement für ihre KollegInnen und die LangzeitpatientInnen. Sie war bei Be­ginn meiner Tätigkeit dort eine wichtige Brückenbauerin; ohne ihre Unterstützung wäre es 1995 nicht zur Gründung der ersten Wohngruppe und somit zum Beginn praktisch erfahrbarer Enthospi­talisierungsmaßnahmen gekommen. In dem gemeinsamen Prozess habe ich wertvolle Erfahrungen sammeln dürfen. So gilt auch mein Dank für das mir entgegengebrachte Vertrauen der Uchtspringer WG-Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen, die – äußerli­che und innerliche Widerstände und Ängste überwindend - als erste den „Sprung ins kalte Wasser“ gewagt haben.

Diesen Frauen widme ich diese Arbeit.

Brigitte McManama, Hamburg im August 2010

Anstatt sich erst mit Hilfe ideologischer Begriffe

ein versöhnliches Bild der sozialen Wirklichkeit zurechtzustilisieren

und sich dann mit den Verhältnissen, wie sie sind, getröstet abzufinden,

muß Wissenschaft die Härte dessen, was ist, zum Bewusstsein erheben.

- Theodor W. Adorno 1979 -

I. Gegenstand und theoretischer Rahmen

Hauptgegenstand der Arbeit ist die Betrachtung der ersten 15 Jahre Behindertenhilfe in dem 1990 gegründe­ten neuen Bundesland Sachsen-Anhalt, mit geschichtlichem Bedeutungsfokus auf die unterschiedlichen sozi­alpolitischen Entwicklungen in der DDR und der BRD vor der Vereinigung und auf die damit einhergehen­den Paradigmenwechsel im Zusammenhang mit dem Prozess der Umsetzung des sogenannten „Enthospitali­sierungsauftrages“ bei der Entflechtung der psychiatrischen Landeskrankenhäuser, mit dem Schwerpunkt der Auswirkungen für Menschen mit geistigen Behinderungen.

Der Entflechtungs- und Enthospitalisierungsauftrag

Die Lebens-/Versorgungssituation der Menschen mit geistigen Behinderungen und die der chronisch psy­chisch Kranken ähnelte 1990 in Sachsen-Anhalt in ihren menschenunwürdigen Verhältnissen denen der BRD zu der Zeit als die Psychiatrie-Enquête (1973-1975) erarbeitet wurde: In Großanstalten und Landeskranken­häusern, sowie in anderen so genannten „Mischeinrichtungen“ in marodem baulichen Zustand, waren akut psychisch Kranke, chronisch psychisch Kranke, geistig behinderte Menschen mit sehr unterschiedlichen Be­hinderungsarten und -graden, Suchtkranke und altersdemente Menschen untergebracht, zusammengefasst in Großgruppen, in Massenschlafsälen, vorwiegend ohne Beschäftigung / Förderung oder als Hilfskräfte ohne Vergütung eingesetzt, viele von ihnen hochgradig sediert, andere – bzw. zum Teil die gleichen Personen – hinter verschlossenen Türen oder gar fixiert.

Anders aber als zu Beginn der Psychiatriereformen in Westdeutschland dreißig Jahre zuvor bestand bei der Neustrukturierung der Behindertenversorgung und insbesondere bezüglich der Enthospitalisierungsaufga­ben in den neuen Bundesländern die Chance auf langjährige sozialwissenschaftliche Erkenntnisse aus Theorie und Praxis sowie auf sozialpolitische Empfehlungen zurückgreifen zu können.

Der Frage, inwieweit dies geschehen ist, soll im folgenden nachgegangen werden.

Der Auftrag zur „Entflechtung“ mit dem inhaltlichen Ziel der „Enthospitalisierung“ leitet sich ab von der „Psychiatrie-Enquête“, die 1975 in der BRD von einer durch den deutschen Bundestag beauftragten Exper­ten-Kommission als Empfehlung zur Psychiatriereform erarbeitet wurde und von da an einen wesentlichen, teilweise verpflichtenden Leitfaden für behinderten-/sozial-/gesundheitspolitische Gesetze und Maßnahmen darstellte und bis heute, mit notwendigen Ergänzungen, sozialpolitische Gültigkeit hat.

Artikel 1,(1) des von der DDR und der BRD geschlossenen Einigungsvertrages vom 31. August 1990 de­klariert den „Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland“ am 3. Ok­tober 1990 und beschreibt im folgenden die Anwendung des bundesdeutschen Rechtes für die fünf „Beitritts­länder“. Diese Überleitung implizierte u.a. das bundesdeutsche Sozialrecht. In diesem Zusammenhang wird auch die Übertragung der Empfehlungen durch die Psychiatrie-Enquête gesehen. Sie gilt – neben bundesge­setzlichen Vorgaben (z.B. GG, BGB, BSHG – abgelöst durch die Sozialgesetzbücher (SGB) XII und IX) - als Leitfaden für die davon abgeleiteten „Enthospitalisierungsprozesse“, die in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesländer fällt. Sie werden in der Regel von den Landesministerien für Gesundheit und Sozia­les verantwortet.

Die Umsetzung dieser gesetzlichen Regelungen in Sachsen-Anhalt wird innerhalb des Gegenstand-Kontextes kritisch beleuchtet.

Gründung des neuen Landes Sachsen-Anhalt 1990

Das Land Sachsen-Anhalt wurde 1990 aus den ehemaligen Bezirken Halle und Magdeburg zu einem deut­schen Bundesland deklariert (Gesetz über die Einführung von Ländern in der DDR). Es handelt sich also um ein neu konstituiertes föderalistisches Land, das 40 Jahre lang zu einem zentralistisch organisierten Staat ge­hörte, der - fußend auf einer kommunistischen Staatsphilosophie mit sozialistischen Gesellschaftsstrukturen und einer Planwirtschaftlichen Ordnung - politisch wie ökonomisch in extremem Maße abhängig von der so­wjetischen Besatzungsmacht und Teil des von ihr dominierten Ostblocks war. Innerhalb dieser rigiden Ein­bindung spielte die DDR im Jahrzehnte dauernden „Kalten Krieg“ zwischen den immer mehr aufrüstenden Ost- und Westblöcken eine wesentliche Rolle. Ziel war es – in Konkurrenz zur kapitalistischen BRD – ein sozialistisches Deutschland als Gegenmodell aufzubauen. Die staatliche zielgerichtete Lenkung war doktri­när und wirkte in alle Lebensbereiche der BürgerInnen. Wenngleich viele von ihnen sich des Einflusses und den Reizen des „kapitalistischen Westens“ nicht erwehren wollten oder konnten, so fand doch unter den in der DDR verbliebenen Menschen über die Persönlichkeits- und Gemeinschaftsprägende Sozialisation durch soziale Einbindungen in verschiedene Kollektive von der Krippe über Kindergarten, Schule, FDJ, Ausbil­dung oder Studium, Arbeit, Gewerkschaft, Partei… bis hin zu Rentneraktivitäten bei der Volkssolidarität - ein nationaler Identifizierungsprozess statt, einschließlich der Internalisierung von Normen und Werten und vor allem von Kommunikationsstrukturen.

Bei der Zusammenlegung der beiden deutschen Staaten wurden die gewohnten staatlichen Regularien au­ßer Kraft gesetzt und die westdeutschen in rasantem Tempo eingeführt. Auf staatlicher Ebene erfolgte die „Aufbauhilfe Ost“ durch westdeutsche Beamte und mehr oder weniger qualifizierte Fachkräfte. Es fand eine Art von neokolonialem Prozess statt, der die Frage aufwerfen lässt, inwieweit die „neuen Mächte“ mit ihren Gesetzen tatsächlich die BürgerInnen erreichen und an der Entwicklung einer neuen Identität partizipieren ließen.

Bezüglich des Paradigmenwechsels in der Behindertenhilfe und der praktischen Umsetzung der Enthospi­talisierungsauflagen waren die DDR-historischen soziokulturellen Faktoren zu berücksichtigen.

Der Frage, inwieweit dieses geschehen ist, soll im folgenden nachgegangen werden.

Hierzu scheint es unerlässlich, die themenrelevanten Entwicklungen der DDR-Geschichte im Sinne der Re­historisierung vor Betrachtung der Enthospitalisierungsprozesse darzustellen. Dieses geschieht im ersten Teil der Arbeit.

Da am Anfang der Gründung eines Landes nicht nur die gesetzlichen Weichen gestellt, sondern auch die (so­zial-)politischen Grundsatzentscheidungen gefällt werden, erfolgt an dieser Stelle eine Kurzdarstellung rele­vanter Daten:

Die erste Regierung des Landes Sachsen-Anhalt wurde von einer CDU- (39%) und FDP- (13,5%) Koaliti­on gestellt. Die SPD hatte bei den ersten Wahlen 26%, die PDS 12% und Bündnis 90/die Grünen 5,3% erhal­ten. Am 28.10.1990 konstituierte sich der Landtag mit 99 Mitgliedern. In der ersten Legislaturperiode wech­selten sich, vorwiegend aufgrund von Gehaltsaffären, drei Ministerpräsidenten der CDU ab: 1990 – 1991: G.Gies, 1991 -1993: W.Münch und 1993 -1994: C.Bergner. Sozialminister waren von 1991 bis 1993 der aus dem Saarland stammende Sozialarbeiter Schreiber und bis 1994 der aus Sachsen-Anhalt stammende Gynä­kologie-Professorund heutige Ministerpräsident Böhmer, beide CDU.

Am 16.07.1992 erhielt das Land eine Verfassung, die „neben einem umfangreichen Grundrechtskatalog auch soziale Grundrechte (z.B. Recht auf Wohnung und Arbeit) und einige Staatszielbestimmungen“[1] bein­halteten, und als erstes Bundesland wurde – später - ein Antidiskriminierungsgesetz beschlossen, in dem be­hinderte Menschen explizit genannt werden.

Der erste gegenstandsrelevante Beschluss des Landtages nahm eine Bearbeitungszeit von ca. einem Jahr in Anspruch und wurde zweieinhalb Jahre nach Gründung des Landes gefasst:

- Am 15.05.1991 stellte die (oppositionelle) SPD-Fraktion des am 28.10.1990 gegründeten Landtages des Landes Sachsen-Anhalt (LSA) den Antrag, die Landesregierung möge „bis Ende Sept. 1991 eine Konzepti­on zur kurz-, mittel- u. langfristigen Entwicklung der ambulanten und stationären Psychiatrie in LSA ent­sprechend den Festlegungen der Psychiatrie-Enquête-Kommission des Bundestages von 1975 und den Empfehlungen der Expertenkommission der Bundesregierung von November 1988 sowie der diesbezügli­chen Stellungnahme der Bundesregierung vom Oktober 1990 dem Landtag vorlegen“[2]

- Am 10.04.1992 fasste der Landtag den Beschluss: „Die Regierung ist beauftragt, bis zum 30.06.1992 einen Psychiatrieplan LSA vorzulegen.“[3]
- Im Juli 1992 übergab die Regierung den Landtagsfraktionen ihren ersten „Psychiatrieplan“, der sich im we­sentlichen Punkten auf die Empfehlungen der Psychiatrie-Enquête bezog.
- Der landesspezifische Auftrag wurde im November 1995 von der SPD-Ministerin Gerlinde Kuppe in den bis heute als einzige Grundlage festgeschriebenen „Leitlinien zur Entflechtung und Enthospitalisierung“ er­lassen.

Die Überprüfung, inwieweit die darauf folgende Praxis einer Umsetzung dieser Vorlagen und der darin ent­haltenden Paradigmen gefolgt ist, ist ein wichtiger Gegenstand dieser Arbeit.

Die Länder geben sich verfassungsgemäß ein landeseigenes Psychiatriekrankengesetz – so auch in Sach­sen-Anhalt: Psych.KG - LSA. Man ist der Empfehlung gefolgt, als Kontrollorgan einen dem Landtag zuge­ordneten Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung Sachsen-Anhalt (als „Psychiatrie-Kommission“ im Sprachgebrauch bekannt) zu bilden, dessen Geschäftsstelle 1993 in Halle/Saa­le eröffnet wurde und die Entwicklungen in der psychiatrischen Versorgung der Bevölkerung verfolgt. Eh­renamtlich tätige, regional aufgeteilte interdisziplinär (jedoch mit psychiatrisch-medizinischer Dominanz) zusammengesetzte Besuchskommissionen besuchen die verschiedenen Einrichtungen und dokumentieren an­hand eines Rasters die Entwicklungen, die in einen Jahresbericht einfließen. Diese Jahresberichte werden mit den jeweils amtierenden Sozial-/ GesundheitsministerInnen reflektiert, dem am 22.04.1994 auf Antrag der oppositionellen Fraktionen der SPD und Bündnis90/ die Grünen gebildeten Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales („ Sozialausschuss “) des Landtages[4] vorgelegt und veröffentlicht und können – je nach Interes­se des Parlamentes - zu Rechenschafts-Debatten im Landtag führen, aus denen heraus weitere Empfehlun­gen oder gar Auflagen für die Regierung entstehen können.

Die seit 1994 jährlich erscheinenden Berichte des „Psychiatrieausschusses“ als auch Landtagsprotokolle enen als wesentliche Grundlage für eine Dokumentation der durch Politik, Landesverwaltung und den Trägern der Behindertenhilfe verantworteten Entwicklungsprozesse, die hier untersucht werden sollen,

mit der Hauptfrage, inwieweit und in welcher Form der Auftrag der „Enthospitalisierung“ durch die politischen Instanzen und die Träger der Behindertenhilfe wahrgenommen worden ist.

Konkretisiert werden soll dieser Prozeß an dem größten psychiatrischen Landeskrankenhaus von Sachsen-Anhalt in Uchtspringe

Der Grund zur Auswahl dieser Einrichtung liegt einerseits in der Größe und andererseits in der Trägerschaft. In Uchtspringe war das größte Landeskrankenhaus, und es ist bis heute, einschließlich des Heimbereiches für Menschen mit geistigen Behinderungen, in Landesträgerschaft. Es wurde also nicht, wie geplant, an die Dia­konie übergeben. Hierbei handelte es sich um einen außerordentlichen politischen Beschluss der damaligen Sozialministerin Kuppe, der bezüglich der besonderen Rolle der Freien Wohlfahrtsverbände eine gewisse Brisanz beinhaltete.

[...]


[1] Schubert/Klein, 2006, S.261

[2] LT-Drs. 1/427

[3] LT-Drs. 1/31/952B

[4] LT-Drs. 2/19

Ende der Leseprobe aus 515 Seiten

Details

Titel
Chancen zur Enthospitalisierung und De-Institutionalisierung für Menschen mit geistigen Behinderungen?
Untertitel
Entflechtung der psychiatrischen Landeskrankenhäuser und deren Folgen für die Behindertenhilfe im Land Sachsen-Anhalt
Hochschule
Universität Bremen
Veranstaltung
Behindertenpädagogik
Note
summa cum laude
Autor
Jahr
2010
Seiten
515
Katalognummer
V160092
ISBN (eBook)
9783640732630
ISBN (Buch)
9783640732852
Dateigröße
9878 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Prozessbeschreibung von 1991 bis 2006 mit dem Schwerpunkt Landeskrankenhaus Uchtspringe
Schlagworte
Enthospitalisierung, De-Institutionalisierung, Menschen mit geistigen Behinderungen, Psychiatriereform, Entflechtung, Totale Insitution, UN-Menschenrechtskonvention für Menschen mit Behinderungen, Subsidiaritätsprinzip, Freie Wohlfahrtspflege, DDR-Gesundheitssystem, Menschenbild in der DDR und in der BRD, geistige Behinderung in DDR und BRD, Psychiatrie-Enquete, Sozialpolitik Sachsen-Anhalt, Psychiatrie-Ausschuss Sachsen-Anhalt, Behindertenpolitik des Landes Sachsen-Anhalt, Sozialverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt, Versorgungsstrukturen von Menschen mit geistigen Behinderungen in der DDR und BRD, Versorgungsstrukturen von Menschen mit geistigen Behinderungen in Sachsen-Anhalt, Schloß Hoym, Landeskrankenhaus Uchtspringe, Landeskrankenhaus Haldensleben, Neinstedter Anstalten, Leitlinien zur Enthospitalisierung in Sachsen-Anhalt, Stiftung Uhlebüll - Wohnheim Vinzelberg, Rolle der Diakonie im Entflechtungsprozess Landeskrankenhaus Uchtspringe, Strukturelle Gewalt
Arbeit zitieren
Brigitte McManama (Autor:in), 2010, Chancen zur Enthospitalisierung und De-Institutionalisierung für Menschen mit geistigen Behinderungen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160092

Kommentare

  • Norbert Sluka am 17.12.2010

    Das ist ein super "Multi Buch" : ein Grundlagenwerk für die heutige und zukünftige Behindertenhilfe, historischer Hintergrund aus West- und Ostdeutschland (Teil I) und zukünftiger Wegweiser zur Umsetzung der Menschenrechtskonvention für Menschem mit Behinderungen (Teil IV)!
    Dazwischen in den Teilen II und III: Eine Prozessbeschreibung, die macht exemplarisch Zusammenhänge klar, die nicht nur auf Sachsen-Anhalt bezogen wichtig sind zu wissen. Das ganze in einem gut lesbaren Stil. Das sollten unbedingt alle aus Politik, Wissenschaft und Wohlfahrtspflege lesen !!

Blick ins Buch
Titel: Chancen zur Enthospitalisierung und De-Institutionalisierung für Menschen mit geistigen Behinderungen?



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