Warum liest sich jede Kritik zum Film „Morte a Venezia“ (zu deutsch: „Tod in Venedig“) von Luchino Visconti (1906-1976) aus dem Jahre 1971, sei sie zeitgenössisch oder auch aus der Fernsehzeitung der letzten Woche, so glatt und voll Euphorie und hungrig auf diese „großartige Verfilmung von Thomas Manns 1912 erschienener Novelle“1 machend? Warum steht am Beginn fast jeder Besprechung des Films, dass er „noch heute zu den Musterbeispielen einer gelungenen Literaturverfilmung“2 zählt? Es liegt wohl an der Art, wie Luchino Visconti es virtuos versteht, die spezielle Erzählperspektive aus der literarischen Form der Novelle herauszulösen und in das Medium Film zu transportieren. Das ist zuvor und auch danach nur sehr wenigen gelungen, die es sich vornahmen, einen Roman, eine Novelle, eine Kurzgeschichte oder eine andere literarische Form zu verfilmen.
Die vorliegende Arbeit wird sich mit der Frage beschäftigen, auf welche Art und Weise Visconti in seinem Film „erzählt“. Dazu unterscheide ich zwei Grundstrukturen: Zum einen die visuelle, also die bildliche Ebene, zum anderen die äußerst ausschlaggebende audiovisuelle Ebene, die ich auch noch vertiefen werde. Beide Parameter greifen im Film so geschickt ineinander, dass der Zuschauer dabei kaum bemerkt, wie jedes dieser beiden Elemente für sich die Geschichte vorantreibt. Es bleibt also zu erörtern, wie sowohl Bild als auch Ton im Film allgemein, aber natürlich auch speziell in dieser Verfilmung funktionieren und wie sie sich zu einem Ganzen ergänzen.
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1 Lexikon des internationalen Films 2001. 48.000 Filme mit Kurzkritiken. Systhema (CD-ROM für Windows 95/98/ NT 4.0/ MacOS ab 8.1).
2 Peter Zander: Thomas Mann im Kino. Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2005. S. 92
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Grundproblematik der Transportierung von Literatur in das Medium Film
- Erzählerische Mittel in den Medien
- Novelle - Der auktoriale oder personale Erzähler
- Film - Die Kamera
- „Morte a Venezia“ vs. “Der Tod in Venedig” – Original und Umsetzung
- Das Original - „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann
- Die Umsetzung – „Morte a Venezia“ von Luchino Visconti
- Die Vision
- Die Audiovision und der Intertext
- Viscontis Film als Referenz zur Verfilmung von Literatur – Rezeption und Wirkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse von Luchino Viscontis Film „Morte a Venezia“ und untersucht, wie er die Erzählperspektive aus der literarischen Form der Novelle „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann in das Medium Film überträgt. Die Arbeit fokussiert sich dabei auf die visuelle und audiovisuelle Ebene, die sich im Film geschickt miteinander verbinden, um die Geschichte voranzutreiben.
- Die Herausforderungen der Transportierung eines literarischen Stoffes ins Medium Film
- Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten narrativer Mittel in Novelle und Film
- Die Analyse der visuellen und audiovisuellen Ebene in Viscontis Film „Morte a Venezia“
- Die Frage nach der Eigenständigkeit von Viscontis Verfilmung und ihrer Wirkung als Referenz für Literaturverfilmungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Rezeption von Viscontis Film „Morte a Venezia“ und stellt die Grundproblematik der Transportierung von Literatur ins Medium Film dar. Das zweite Kapitel geht auf die Herausforderungen dieser Transportierung ein, indem es den Vergleich zwischen Buch und Film, die Orientierung am Original und die intermedialen Problematiken beleuchtet.
Das dritte Kapitel widmet sich den narrativen Mitteln in Novelle und Film und untersucht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem auktorialen/personalen Erzähler in der Novelle und der Kamera als Erzähler im Film. Das vierte Kapitel analysiert Viscontis Film „Morte a Venezia“ im Detail und vergleicht ihn mit der literarischen Vorlage „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann.
Es werden Differenzen und Gleichheiten zwischen Original und Verfilmung aufgezeigt, die Vision und Audiovision des Films untersucht und die Bedeutung der Intertextualität für Viscontis Werk erörtert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit thematisiert die Verfilmung von Literatur, insbesondere die filmische Umsetzung von Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“ durch Luchino Visconti. Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Intermedialität, visuelle und audiovisuelle Ebene, Erzählperspektive, Rezeption, Literaturverfilmung, Originalität, Eigenständigkeit, Thomas Mann, Luchino Visconti, „Der Tod in Venedig“, „Morte a Venezia“, Vision, Audiovision, Intertextualität.
- Arbeit zitieren
- Paul Spittler (Autor:in), 2009, Das Narrative im Visuellen und Audiovisuellen in Luchino Viscontis „Morte a Venezia”, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160180