Diese Examensarbeit beleuchtet die Paradoxie zwischen individueller Schuldzuschreibung und systemischer Diskriminierung im Bildungssystem, exemplarisch dargestellt am Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass auffälliges Verhalten häufig als individuelles Defizit diagnostiziert wird, während systembedingte Ursachen, wie institutionelle Strukturen, Schulnormen oder soziale Ungleichheit, aus dem Blick geraten.
Die theoretische Rahmung erfolgt durch zentrale Konzepte von Niklas Luhmann (Systemtheorie) und Pierre Bourdieu (Kapital- und Habitus-Theorie). Die Arbeit zeigt, wie pädagogisches Handeln und schulische Förderpraxis in einem Spannungsfeld zwischen individueller Verantwortung und struktureller Reproduktion von Ungleichheit stehen.
Sie richtet sich an Förderschullehrkräfte, Regelschullehrkräfte, Studierende und bildungspolitisch Interessierte, die das Bildungssystem nicht nur als pädagogischen, sondern als gesellschaftlichen Ort kritisch reflektieren wollen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Systemtheorie und Gesellschaft nach Luhmann
- 2.1 Systemtheorie und operativer Konstruktivismus
- 2.2 Operationen und die Differenz von System und Umwelt
- 2.3 Systemische Differenzierung und die Dekonstruktion des Menschen als Einheit
- 2.4 Operative Offenheit von Systemen – Strukturelle Kopplung und Interpenetration
- 2.5 Die Bedeutung des Phänomens der Beobachtung für das Differenzkriterium
- 2.6 Reduktion der Komplexität
- 2.7 Zur Funktion und Codierung des Bildungssystems
- 3. Kapital- und Habitustheorie nach Bourdieu
- 3.1 Ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital
- 3.2 Habitus, Distinktion und soziale Milieus
- 3.3 Sozialer Raum, soziales Feld und die relative Kraft
- 3.4 Die Verflechtung von Sozialisation und Kapitalsortenausstattung
- 4. Das (Sonder-)Schulwesen im Kontext system-, kapital- und habitustheoretischer Betrachtungsweisen
- 4.1 Zum Verhältnis von Bildung, Ökonomie und Gesellschaft
- 4.2 Determinanten des gesellschaftlichen (Bildungs-)Erfolgs
- 4.2.1 Die Bedeutung objektivierter Kapitalressourcen für Bildungsleistungen
- 4.2.2 Die Bedeutung inkorporierter Kapitalressourcen für Bildungsleistungen
- 4.2.3 Kapitalressourcen von FörderschülerInnen (im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung)
- 4.3 Zum Zusammenhang von marginalisierter Kapitalsortenausstattung und institutionalisierter Benachteiligung
- 4.3.1 Zur systemischen Maximierung des Einflusses der inkorporierten und objektivierten Kapitalressourcen im deutschen Bildungswesen
- 4.3.2 Die Wirkung sozioökonomischer und kultureller Differenzen zwischen System und Umwelt im Hinblick auf Milieuspezifität
- 5. Die Paradoxie individualisierter Schuld und systemischer Diskriminierung
- 5.1 Gesellschaftliche Inklusion und Exklusion durch das Erziehungs- und Bildungssystem
- 5.1.1 Exklusion und Inklusion im Kontext der funktionalen gesellschaftlichen Differenzierung
- 5.1.2 Exklusion von verhaltensauffälligen SchülerInnen
- 5.2 Normalität und Abweichung im Kontext bildungspraktischer Maßstäbe
- 5.2.1 Institutionalisierung von Normen, Differenzkategorien und Systemantworten
- 5.2.2 Pädagogische Beobachtung und subjektzentrierte Problemverortung
- 5.2.3 Systemisch subtile Klassifizierung und Stigmatisierung von FörderschülerInnen (im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung)
- 5.3 Bildungs- und Berufskarrieren von diagnostizierten FörderschülerInnen (mit dem Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung) im systemischen Spannungsfeld
- 5.1 Gesellschaftliche Inklusion und Exklusion durch das Erziehungs- und Bildungssystem
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Paradoxie individualisierter Schuld und systemischer Diskriminierung im deutschen Bildungssystem, insbesondere im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung. Ziel ist es, die Chancengerechtigkeit im Kontext von normabweichendem Verhalten zu analysieren und die Rolle systemischer Faktoren bei der Stigmatisierung und Exklusion von betroffenen Schülern zu beleuchten.
- Systemische Perspektiven auf Inklusion und Exklusion im Bildungssystem
- Der Einfluss von Kapital- und Habitustheorien auf die Bildungserfolge von Schülern
- Die Rolle von Diagnosen und Stigmatisierungsprozessen
- Analyse der Reproduktion sozialer Ungleichheit im Bildungssystem
- Zusammenhang zwischen milieuspezifischen Determinanten und systemischen Einflussgrößen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Umgang mit Schülern, denen normabweichendes Verhalten attestiert wird, insbesondere im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung. Der Fokus liegt auf der Analyse des Verhältnisses von milieuspezifischen Determinanten und systemischen Ausschlussmechanismen, sowie der Reproduktion von gesellschaftlicher Teilhabeungleichheit. Es wird die systemtheoretische Fundierung nach Luhmann und die kapital- und habitustheoretische Argumentationslinie Bourdieus als theoretische Grundlage für die weitere Untersuchung skizziert.
2. Systemtheorie und Gesellschaft nach Luhmann: Dieses Kapitel etabliert die systemtheoretische Grundlage der Arbeit, basierend auf Luhmanns Werk. Es erläutert zentrale Konzepte wie operativen Konstruktivismus, die Differenz von System und Umwelt, systemische Differenzierung, strukturelle Kopplung, Beobachtung und Komplexitätsreduktion. Die Anwendung dieser Konzepte auf das Bildungssystem wird vorbereitet, indem die Funktionsweise und Codierung des Bildungssystems im Kontext der systemtheoretischen Perspektive analysiert werden. Der Fokus liegt auf dem Verständnis der Interaktionen und der Beobachtbarkeit innerhalb des Systems.
3. Kapital- und Habitustheorie nach Bourdieu: Dieses Kapitel stellt die kapital- und habitustheoretischen Ansätze Bourdieus vor, einschließlich der Konzepte ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital, Habitus, Distinktion, soziale Milieus und sozialer Raum. Es wird detailliert die Verknüpfung von Sozialisation und Kapitalsortenausstattung erklärt und die Relevanz dieser Konzepte für die Analyse der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem herausgearbeitet. Das Kapitel legt den Grundstein für das Verständnis der sozioökonomischen und kulturellen Einflussfaktoren auf Bildungserfolg.
4. Das (Sonder-)Schulwesen im Kontext system-, kapital- und habitustheoretischer Betrachtungsweisen: Dieses Kapitel verbindet die systemtheoretischen und bourdieuschen Konzepte mit der Analyse des deutschen (Sonder-)Schulwesens. Es untersucht das Verhältnis von Bildung, Ökonomie und Gesellschaft und analysiert die Bedeutung objektivierter und inkorporierter Kapitalressourcen für Bildungsleistungen. Der Schwerpunkt liegt auf den Auswirkungen von Kapital- und Habitusunterschieden zwischen System und Umwelt, besonders im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung, auf die Chancenverteilung im Bildungssystem.
5. Die Paradoxie individualisierter Schuld und systemischer Diskriminierung: Dieses Kapitel analysiert den Prozess der Individualisierung von Normabweichungen im Kontext des Bildungssystems. Es untersucht die systemische Exklusion und Stigmatisierung von Schülern im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung und beleuchtet den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion, Normalität und Abweichung sowie den Auswirkungen von Pädagogischer Beobachtung und differenzkategorischer Pädagogik auf die Bildungs- und Berufskarrieren der betroffenen Schüler.
Schlüsselwörter
Systemtheorie, Luhmann, Kapitaltheorie, Habitustheorie, Bourdieu, Bildungssystem, Förderschule, emotional-soziale Entwicklung, Inklusion, Exklusion, Stigmatisierung, soziale Ungleichheit, Chancengerechtigkeit, Kapitalressourcen, Milieus, Normalität, Abweichung, pädagogische Beobachtung.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Text "Inhaltsverzeichnis, Zielsetzung und Themenschwerpunkte"?
Der Text ist eine umfassende Sprachvorschau, die ein Inhaltsverzeichnis, Zielsetzungen und Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter enthält. Es handelt sich um eine Analyse des deutschen Bildungssystems, insbesondere des Förderschwerpunkts emotional-soziale Entwicklung, unter Berücksichtigung systemtheoretischer und kapital- und habitustheoretischer Ansätze.
Was sind die Hauptthemen, die in diesem Text behandelt werden?
Die Hauptthemen sind die Paradoxie individualisierter Schuld und systemischer Diskriminierung, Chancengerechtigkeit im Bildungssystem, der Einfluss von Kapital und Habitus auf Bildungserfolge, die Rolle von Diagnosen und Stigmatisierungsprozessen, die Reproduktion sozialer Ungleichheit und der Zusammenhang zwischen milieuspezifischen Determinanten und systemischen Einflussgrößen.
Was ist das Ziel dieser Arbeit?
Ziel der Arbeit ist es, die Chancengerechtigkeit im Kontext von normabweichendem Verhalten im deutschen Bildungssystem zu analysieren und die Rolle systemischer Faktoren bei der Stigmatisierung und Exklusion von betroffenen Schülern, insbesondere im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung, zu beleuchten.
Welche theoretischen Grundlagen werden in dieser Arbeit verwendet?
Die theoretischen Grundlagen sind die Systemtheorie nach Niklas Luhmann und die Kapital- und Habitustheorie nach Pierre Bourdieu.
Welche Konzepte der Systemtheorie nach Luhmann werden behandelt?
Es werden zentrale Konzepte wie operativer Konstruktivismus, die Differenz von System und Umwelt, systemische Differenzierung, strukturelle Kopplung, Beobachtung und Komplexitätsreduktion erläutert.
Welche Konzepte der Kapital- und Habitustheorie nach Bourdieu werden behandelt?
Es werden die Konzepte ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital, Habitus, Distinktion, soziale Milieus und sozialer Raum vorgestellt und deren Verknüpfung mit Sozialisation und Kapitalsortenausstattung erklärt.
Wie wird das (Sonder-)Schulwesen im Kontext dieser Theorien analysiert?
Das (Sonder-)Schulwesen wird im Hinblick auf das Verhältnis von Bildung, Ökonomie und Gesellschaft analysiert. Die Bedeutung objektivierter und inkorporierter Kapitalressourcen für Bildungsleistungen wird untersucht, wobei der Fokus auf den Auswirkungen von Kapital- und Habitusunterschieden zwischen System und Umwelt auf die Chancenverteilung liegt.
Was sind die Schlüsselwörter, die in diesem Text verwendet werden?
Die Schlüsselwörter sind: Systemtheorie, Luhmann, Kapitaltheorie, Habitustheorie, Bourdieu, Bildungssystem, Förderschule, emotional-soziale Entwicklung, Inklusion, Exklusion, Stigmatisierung, soziale Ungleichheit, Chancengerechtigkeit, Kapitalressourcen, Milieus, Normalität, Abweichung, pädagogische Beobachtung.
Was wird im Kapitel über die Paradoxie individualisierter Schuld und systemischer Diskriminierung analysiert?
In diesem Kapitel wird der Prozess der Individualisierung von Normabweichungen im Kontext des Bildungssystems untersucht. Es werden die systemische Exklusion und Stigmatisierung von Schülern im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung sowie der Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion, Normalität und Abweichung analysiert.
Was ist das Hauptziel des Kapitels über das (Sonder-)Schulwesen?
Das Hauptziel dieses Kapitels ist es, die Auswirkungen von Kapital- und Habitusunterschieden zwischen System und Umwelt, insbesondere im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung, auf die Chancenverteilung im Bildungssystem zu analysieren.
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- Anonym (Author), 2021, Systemische Perspektiven im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1602147