Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
0 Einleitung
1 Überblick
1.1 Die Zweite (west-)deutsche Frauenbewegung in Deutschland
1.2 Thea Dorns neue F-Klasse. Eine Zusammenfassung
2 Kritische Würdigung
2.1 Feminismus – Nein, danke?
2.2 Emanzipation nur durch Karriere?
2.3 Keine für alle und alle für sich?
3 Fazit
Literaturverzeichnis
0 Einleitung
Sieht man sich in der deutschen Medienlandschaft um, kann man den Diskussionen über einen neuen Feminismus nicht entgehen. Viele Frauen möchten sich Gehör verschaffen und rufen diesen neuen Feminismus aus, der in seiner Erscheinungsform sehr variabel ist. Man liest zum Beispiel über eine deutschtürkische Doktorandin und Rapperin, die sich selbst Lady Bitch Ray nennt und „als Gesamtkunstwerk wahrgenommen werden [will], das um jeden Preis in den Kampf für die weibliche Emanzipation eintritt.“1. Sie möchte „die noch immer ‚als Opfer erzogenen‘ Frauen aus der Tyrannei des Patriarchats ins gelobte Land der vaginalen Selbstbestimmung [...] führen“2. Dafür hat sie 10 Gebote ihres eigens ernannten Vagina Styles aufgestellt, unter deren Anleitung sich Frauen emanzipieren können. Das Gebot Nummer 5 lautet zum Beispiel „Wenn du Geld verdienst, sei dir nicht zu geizig für Kosmetika, Klamotten und Highheels, das ist ne clevere Anlage. Dein Körper ist dein Kapital, Baby! Was kostet die Welt“3.
Eine andere Frau, die in diesem Jahr die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen hat, ist Charlotte Roche mit ihrem Roman Feuchtgebiete. In ihrem Roman, der gleichzeitig ob seiner vulgären Sprache verrissen und dennoch auf Platz 1 der Spiegel-Bestseller liste kletterte, spricht die Hauptprotagonistin locker und selbstbewusst über ihr Sexualverhalten und ihre Körperausscheidungen. Auf die Frage, warum Mädchen ein verkrampftes Verhältnis zu ihren Exkrementen hätten, antwortet Roche: „Ich bezweifle immer mehr, dass diese ganzen Sachen, mit denen Frauen Probleme haben, von den Männern kommen, wie das der Feminismus gerne behauptet. Entweder sie machen sich die Probleme selber oder sie werden dazu von ihren Müttern erzogen.“4
Man spricht über Pop-Feminismus, Lipstick-Feminismus, Wellness-Feminismus, Feminismus 2.0 und Bücher, die für einen neuen Feminismus eintreten überschwemmen den Markt. Allen gemeinsam ist die kritische Haltung dem alten Feminismus gegenüber.
In den Fokus meiner Arbeit stelle ich das von Thea Dorn geschriebene Buch Die neue F-Klasse. Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird, welches sich in den Kanon des selbst ernannten neuen Feminismus einreiht.
Im Kapitel 1.1 gebe ich zunächst einen kleinen Überblick über die Neue Frauenbewegung in Westdeutschland, die in den späten 60er Jahren ihren Ausgangspunkt hat. In dieser Zeit entstand auch der Radikalfeminismus, von dem sich heute die meisten Vertreterinnen des so genannten neuen
Feminismus abgrenzen.
Im darauf folgenden Kapitel gebe ich eine kurze Zusammenfassung von Thea Dorns Buch, um mich dann im Kapitel 2 kritisch mit dessen Inhalt auseinanderzusetzen. Im Fokus dieser kritischen Würdigung stehen dabei folgende Fragen: Thea Dorn distanziert sich in ihrem Buch vom alten Feminismus. Dabei fällt jedoch auf, dass ihre Forderungen eindeutig feministisch sind. Doch kann man Dorns Anleitung zur Emanzipation als feministisch betrachten? Inwieweit ist es problematisch, dass Dorn ihr Buch ausschließlich an Frauen mit dem Wunsch nach Führungspositionen adressiert? Liegt in der fehlenden Solidarität für andere Frauen bereits das Scheitern dieses neuen Feminismus?
1 Überblick
Möchte man einen Überblick über die Frauenbewegungen in Deutschland geben, müsste man natürlich sowohl die erste, als auch die zweite Frauenbewegung thematisieren und zusätzlich dazu die Frauenbewegung in der DDR. Dies wäre ein sehr umfangreiches Unterfangen. Da sich die Kritik der AkteurInnen des neuen Feminismus immer auf den Feminismus der Zweiten (west-)deutschen Frauenbewegung bezieht, werde ich in dieser Arbeit nur einen Überblick über diese Zweite Welle geben. Diese war in ihrer Organisation und Theorienbildung sehr komplex, deshalb erlaube ich mir, nur einige Schwerpunkte zu setzen, die aber niemals den ganzen Umfang dieser Bewegung wiedergeben können.
1.1 Die Zweite (west-)deutsche Frauenbewegung in Deutschland
Die Zweite Frauenbewegung ging in den späten 60er Jahren aus der Studentenbewegung hervor, die sich vor allen Dingen für Demokratie, mehr Selbstbestimmtheit und gegen die bürgerliche Spießigkeit einsetzte.5
Im Sozialistischen Deutschen Studentenbund6 waren sowohl Männer und Frauen vertreten. Im Laufe des Jahres 1968 kam es zu Auseinandersetzung zwischen den beiden Geschlechtern, „denn die Studentinnen begannen plötzlich zu merken, dass ihre männlichen Kommilitonen zwar nach außen antiautoritäre Verhaltensmuster forderten, sich aber im Innenbereich – und somit den Studentinnen und Ehefrauen bzw. Partnerinnen gegenüber – recht autoritär verhielten“7. Die Studentinnen erkannten, dass sich gesellschaftliche Hierarchiemuster in ihrer Vereinigung widerspiegelten: die Männer waren die Wortführer, sie beteiligten sich an Demonstrationen - sprich: sich übernahmen den aktiven Part innerhalb des SDS und wiesen den Frauen Arbeiten
wie Kaffee kochen, Kinderbetreuung oder das Abtippen von Flugblättern zu. Die Bewusstwerdung der Frauen über diesen Zustand führte zur Bildung von eigenen Gruppen. Als erstes gründeten 7 SDS-Frauen 1968 in Westberlin den Aktionsrat zur Befreiung der Frau. Viele Studentinnen folgten in anderen Städten ihrem Beispiel und riefen zum Frauenwiderstand auf. 8
In dessen Zuge entstanden Weiberräte und Frauen-Diskussions-Zirkel. Aber erst durch eine
„spontane Tomatenwurfaktion“9 auf einen der führenden männlichen Köpfe der SDS auf der 23. SDS-Delegierten-Konferenz im September 1968, die im Fernsehen übertragen wurde, wurde der entstehenden Bewegung die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit zuteil. Diese Aktion gilt heute als Beginn der Neuen deutschen Frauenbewegung.10
In den Jahren 1968/69 kam es zu einem sprunghaften Anstieg bei der Bildung von Frauengruppen, auch durch nicht-universitäre Frauen. Voraussetzung dafür war die Thematisierung von Problemen, die viele Frauen betrafen. Solche Schnittstellen waren zum Beispiel der Wunsch von Müttern nach solidarischen Kinderbetreuungsformen und neuen Erziehungsinhalten, in dessen Zuge die so genannte Kinderladen-Bewegung mit selbstverwalteten anti-autoritären Kinderläden entstand.11
Als eine der gravierendsten Schnittstellen unter Frauen entpuppte sich der § 218 des Strafgesetzbuches. Durch kreative Protestaktionen und einer breiten Kampagne gegen den frauendiskriminierenden Paragraphen, „die von sämtlichen Frauengruppen der Neuen Frauenbewegung und Frauen aus nahezu allen Parteien (abgesehen von CDU/CSU) sowie aus den Gewerkschaften getragen wurde“12 kam es am 26. April 1974 zur Einführung einer Fristenregelung, die das Bundesverfassungsgericht jedoch 1975 als verfassungswidrig erklärte. Ein Jahr später trat dann doch die Indikationslösung in Kraft.13 Frauen aus verschiedenen sozialen Milieus, mit verschiedenen Bildungshintergründen und verschiedenen politischen
„Grundtendenzen“14 hatten sich also zusammengetan und mit ihrem „feministischen Gedankengut“15 ein Gesetz reformiert.
Das war jedoch nur der Anfang. Wie bereits oben erwähnt bildeten sich in Westdeutschland viele Frauengruppen. Man traf sich in so genannten Selbsterfahrungsgruppen, in denen man sich z.B.
über die Erfahrungen als Mütter oder Frauen austauschte und auch Sexualität offen diskutierte. Es wurde feministische Literatur gelesen und interpretiert und auf sich selbst und den privaten Raum bezogen. Das Private ist politisch wurde zu einem wichtigen Leitsatz der Frauenbewegung. Gewalt wurde als „wesentlicher Bestandteil des Systems der patriarchalen Herrschaft über Frauen“16 gesehen. Es wurden von Frauen Frauenberatungsstellen, Frauennotrufe und autonome Frauenhäuser eingerichtet. „Die Frauen-gegen-Männer-Gewalt-Projekt-Gruppen der 70er bildeten die Basis für eine bis in die 90er wirkende feministische Anti-Gewalt-Arbeit“17, der sich in den 80ern auch Gewerkschafts- und Parteifrauen anschlossen und im öffentlichkeitswirksamen Kampf gegen Sexismus und Männergewalt mitwirkten. Im Jahr 1996 kam es zur Verabschiedung eines Gesetzes gegen Gewalt in der Ehe.18
Frauenbuchläden, Frauenkneipen, Frauenverlage, feministische Zeitschriften wie z.B. Emma und Frauenbildungshäuser hatten in den 70ern Hochkonjunktur und „die so genannte Frauenfrage erfuhr eine zunehmende Kommerzialisierung“19.
Gleichzeitig begann sich die feministische Bewegung auf den wissenschaftlichen Raum auszuweiten. In Berlin fand 1976 die erste „Sommeruniversität“ statt, in der für jede interessierte Frau Vorträge und Diskussionen über frauenspezifische Themen stattfanden. Auch die Frauenforschung und die daraus hervorgegangene Frauen- und Geschlechterforschung haben ihre Wurzeln in der Neuen Frauenbewegung.20
Heute gibt es eine „Frauenpolitik, die Frauenministerinnen, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsreferate auf kommunaler, landes- und bundespolitischer Ebene in den entsprechenden Gremien verankert hat; und es hat sich partiell eine frauenfreundlichere Gesetzgebung durchgesetzt (z. B. im Hinblick auf die Vergewaltigung in der Ehe). [...] Und die Ziele der Frauenbewegung, egal ob die Forderung nach sexueller Selbstbestimmung, nach dem Recht auf sichere Empfängnisverhütung und Abtreibung, nach gleichem Recht auf Bildung und gleichen Chancen in der Erwerbsarbeit oder nach einer Ächtung und Verfolgung sexueller Gewalt, sind heute weitgehend anerkannt, ja gehören zum Standardrepertoire liberaler politischer Rhetorik“21.
Vieles wurde durch die Neue Frauenbewegung geschaffen, Wege geebnet. Und doch liegt vieles noch im Argen. Auch heute sind Frauen „wirtschaftlich weiterhin wesentlich schlechter gestellt als Männer – und zwar mit Löhnen und Gehältern, die durchschnittlich neunundzwanzig Prozent niedriger liegen als die ihrer männlichen Kollegen; [...] Frauen machen seltener Karriere; gerade am Erreichen von Top-Positionen hindert sie nicht zuletzt die ‚Glass Ceiling‘; [...] durch ihren
‚Ausfall‘ aufgrund von Schwangerschaft, Mutterschaft und maximal dreijährigen Erziehungsurlaub [...] werden [Frauen] dadurch im herrschenden Karrieremodell, das die permanente Anwesenheit und Verfügbarkeit am Arbeitsplatz voraussetzt, massiv benachteiligt“22.
Genau diesem Thema nimmt sich Thea Dorn in ihrem Buch Die neue F-Klasse an und gibt Frauen eine Anleitung, wie sie die Karriereleiter empor klettern können.
1.2 Thea Dorns neue F-Klasse. Eine Zusammenfassung.
Thea Dorn, die „im festen Glauben daran [aufwuchs], dass der Tag 24 Stunden hat, die Erde eine Kugel [...] und der Feminismus überflüssiger als Fäustlinge im Hochsommer [ist]“23, wirbt in ihrem Buch für einen neuen Feminismus. Nach den Geschehnissen des 11. September 2001 beschäftigte sie sich das erste Mal mit der „Ignoranz, mit der der Westen die staatlich geförderte Frauenverachtung in den muslimischen Ländern bis heute toleriert“24. Dieser Blick über den Tellerrand führte zum Blick zurück auf den Teller und somit auf Deutschland und die Situation zwischen den Geschlechtern. Das Lesen des Gender-Datenreport aus dem Jahr 2005 öffnete ihr die Augen darüber, dass die Gleichstellung in Deutschland noch lange nicht erreicht ist. Sie beleuchtet kurz die Lage auf dem Arbeitsmarkt, geht auf die letzten Bundeswahlkampf 2005 ein und thematisiert auch die Demographie-Debatte in dessen Zuge auch wieder die alten Geschlechterrollen diskutiert wurden.
Laut Dorn muss „in Sachen Emanzipation [...] das Rad nicht neu erfunden werden. Worauf es [...] ankommt, ist, dieses Rad zu entrosten und wieder in Schwung zu bringen“25. Da Dorn „eine akademische Grundlagenstudie in Sachen Geschlechterverhältnis gelangweilt hätte“26 beschloss sie, verschiedene Frauen in Führungspositionen zu interviewen, um herauszufinden „wie [diese] Frauen denken“27.
[...]
1 http://www.europolitan.de/Kommentar_der_Woche/PORNO-RAPPER/304,25,0,0.html (Stand Oktober 2008)
2 Ebd.
3 http://profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewProfile&friendID=72669273 (Stand Oktober 2008)
4 Baum, Antonia/Koch, Christoph: Geruchsprobe. In: Neon 03/08, S. 147.
5 Vgl. Hochgeschurz, Marianne: Zwischen Autonomie und Integration. Die neue (west-)deutschte Frauenbewegung. In: Hervé, Florence (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln, 1998, S. 156.
6 Im Folgenden SDS genannt.
7 Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Hannover 1997, S. 54.
8 Vgl. Ebd.
9 Hochgeschurz, Marianne: Zwischen Autonomie und Integration. Die neue (west-)deutschte Frauenbewegung. In: Hervé, Florence (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln, 1998, S. 157.
10 Vgl. Hochgeschurz, Marianne: Zwischen Autonomie und Integration. Die neue (west-)deutschte Frauenbewegung. In: Hervé, Florence (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln, 1998, S. 157.
11 Vgl. Ebd., S. 158.
12 Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Hannover 1997, S. 62.
13 Vgl. Ebd
14 Linnhoff, Ursula: Die Neue Frauenbewegung. USA - Europa seit 1968. Köln 1974, S. 38.
15 Weingarten, Susanne/Wellersdorf, Marianne: Die widerspenstigen Töchter. Für eine neue Frauenbewegung . Köln 1999, S. 11.
16 Vgl. Hochgeschurz, Marianne: Zwischen Autonomie und Integration. Die neue (west-)deutschte Frauenbewegung. In: Hervé, Florence (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln, 1998, S. 167.
17 Hochgeschurz, Marianne: Zwischen Autonomie und Integration. Die neue (west-)deutschte Frauenbewegung. In: Hervé, Florence (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln, 1998, S. 168.
18 Vgl. Ebd., S. 161-168.
19 Ebd., S. 171.
20 Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Hannover 1997, S. 66-68.
21 Weingarten, Susanne/Wellersdorf, Marianne: Die widerspenstigen Töchter. Für eine neue Frauenbewegung . Köln 1999, S. 11.
22 Weingarten, Susanne/Wellersdorf, Marianne: Die widerspenstigen Töchter. Für eine neue Frauenbewegung. Köln 1999, S. 13-14.
23 Dorn, Thea: Die neue F-Klasse. Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird. München 2006, S. 9.
24 Ebd., S. 25-24.
25 Ebd., S. 35.
26 Ebd., S. 36.
27 Ebd.