Der Pythagoreismus spielt in der Musiktheorie des Mittelalters eine bedeutsame Rolle. In Pythagoras sah man den Begründer der 'musica scientia', der Musiktheorie als Teilgebiet des Quadriviums (neben Astronomie, Geometrie und Arithmetik) innerhalb der 'septem artes liberales'. Obwohl über die Person dieses legendären Denkers aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert kaum Gesichertes bekannt ist und von dessen eigener Hand keine Schriften überliefert sind, faszinierten seine Lehren doch über Jahrhunderte hinweg immer neue Anhänger, die sich teils in sektenähnlichen Geheimbünden zusammenschlossen.
Pythagoras wird, mehr als ein Jahrtausend nach seinem Tod, über die Rezeptions-Verstärker Platon und Boethius zu einer bis ins 16. Jahrhundert unangefochtenen Autorität in der mittelalterlichen Musiktheorie. Der pythagoreische Glaube an die Zahlenhaftigkeit der Wahrheit bestimmt im Mittelalter, befördert durch das 'ordo'-Denken und den Vorrang der 'ratio' vor den Sinnen, auch die theoretische Beschäftigung mit der Musik. Die Zahlenproportionen konsonanter Klänge, die Herleitung der Skalen ebenso wie die Erfindung des Monochords wurden Pythagoras zugeordnet.
Daraus sei zugleich ersichtlich, dass Pythagoras in dieser Arbeit nicht als authentische Person behandelt, sondern unter seinem Namen die auch im Mittelalter mit ihm assoziierten Lehren und musikologischen Inhalte erörtert werden, vor allem die pythagoreischen Intervallproportionen.
Nach einer vorsichtigen Skizze des durch die Jahrtausende undeutlichen biografischen und philosophischen Profils des griechischen Musikdenkers gibt diese Arbeit einen Einblick in den Einfluss des Pythagoreismus auf die quadriviale 'musica scientia', wobei die Konsonanzproportionen ausfürhlich dargestellt werden, die als bis heute wesentliches Erbe des pythagoreischen Denkens gelten können. Kann man doch ohne weiteres auf ihre Entdeckung den Beginn einer systematischen, exakten und rationalen Musikwissenschaft datieren. Werner Heisenberg zählte sie gar "zu den stärksten Impulsen menschlicher Wissenschaft".
Inhaltsverzeichnis
- Voraussetzungen
- Leben und Philosophie des Pythagoras
- Biographisches
- Abriss der pythagoreischen Philosophie
- Das Quadrivium
- Die pythagoreische Prägung des Quadriviums
- Die musica scientia
- Der mittelalterliche Musikbegriff
- Die Schmiedelegende
- Die Konsonanzproportionen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Einfluss des antiken Philosophen Pythagoras auf die Musiktheorie des Mittelalters. Sie beleuchtet, wie pythagoreische Konzepte und Lehren, insbesondere die Lehre von den Zahlenverhältnissen in der Musik, in der mittelalterlichen Musiktheorie rezipiert wurden. Dabei wird die Schwierigkeit aufgezeigt, die Authentizität pythagoreischer Schriften und Überlieferungen zu beurteilen, da die Quellenlage fragwürdig ist.
- Die Überlieferungslage und Authentizität pythagoreischer Schriften
- Der Einfluss der pythagoreischen Philosophie auf das Quadrivium
- Die Rolle der musica scientia im Mittelalter
- Die Bedeutung der Konsonanzproportionen in der mittelalterlichen Musiktheorie
- Die Vermittlung pythagoreischer Lehren durch Platon und Boethius
Zusammenfassung der Kapitel
- Voraussetzungen: Das Kapitel diskutiert die Problematik der Authentizität pythagoreischer Schriften und die Schwierigkeit, eine klare Definition von „Pythagoras“ im Kontext seiner Lehren zu finden. Es werden die fehlenden schriftlichen Zeugnisse von Pythagoras selbst sowie die Rolle seiner Anhängerschaft und die spätere Mythisierung seiner Person beleuchtet.
- Leben und Philosophie des Pythagoras: Dieses Kapitel bietet einen kurzen Überblick über das Leben und die Philosophie des Pythagoras. Es behandelt biographische Informationen und skizziert die wichtigsten Elemente der pythagoreischen Philosophie.
- Das Quadrivium: Dieses Kapitel untersucht die Rolle der pythagoreischen Lehre innerhalb des Quadriviums, einem System der vier Wissenschaften des Mittelalters. Es erläutert die pythagoreische Prägung des Quadriviums und beleuchtet die Bedeutung der musica scientia als Teil dieses Systems.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Pythagoras, Musiktheorie, Mittelalter, Quadrivium, musica scientia, Konsonanzproportionen, Authentizität, Überlieferung, Platon, Boethius und Zahlenverhältnisse in der Musik.
- Quote paper
- Sascha Becker (Author), 2006, Pythagoras in der Musiktheorie des Mittelalters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160290