Italo Calvinos 1979 erschienener Roman Wenn ein Reisender in einer Winternacht erzählt auf außergewöhnliche Weise die Geschichte seiner eigenen Lektüre: Der Leser begegnet in Calvinos Roman einem Abbild seiner selbst und es tut sich vor seinen Augen eine Geschichte auf, die gewissermaßen auch seine eigene sein könnte. Calvino entwirft in seinem Werk ein komplexes Spiel mit Fiktionen, das die Grenzen zwischen realer und phantastischer Welt zu verwischen scheint.
In vorliegender Arbeit soll daher zunächst das Spannungsverhältnis zwischen Fiktion und Realität untersucht werden. Dabei wird versucht, den empirischen vom fiktionsimmanenten Leser abzutrennen und die Positionen der einzelnen Lesertypen im Roman genauer zu beleuchten. Um die Fiktion von der Realität trennen zu können, ist es ebenso notwendig, die im Roman auftretenden Autoren voneinander zu distanzieren. Abschließend ist es wichtig, das Verhältnis von Autor, Text und Leser unter Berücksichtigung der verschiedenen Kommunikationsebenen zu analysieren. So wird der Grundstein gelegt für die darauf folgende Betrachtung der Fiktionsmechanismen, die unter anderen durch die Verwendung verschiedener Fiktionsebenen transparent gemacht werden.
In einem Roman, der seine eigene Lektüre thematisiert und so bewusst mit dem Leser spielt, werden Fiktionen unweigerlich transparent. Da Calvino dem Leser offensichtlich die Fiktionsmechanismen seines Romans aufzeigen will, müssen gerade die Mittel, derer er sich zur Erreichung seines Ziels bedient, von besonderem Interesse sein. Daher sollen neben den einzelnen Fiktionsebenen des Romans auch Calvinos transparente Erzählstrategien untersucht werden. Außerdem wird die besondere Erzähltechnik der mise en abyme, die bei den Fiktionsmechanismen in WRW eine enorm große Rolle spielt, analysiert.
Im Folgenden soll schließlich geklärt werden, inwieweit Calvino sich in seinem Werk auf bestimmte Literaturtheorien bezieht und diese in der Fiktion von WRW versteckt darstellt. Aus der Thematisierung von Lektüre und der sich daraus ergebenden Primärstellung des Lesers treten vor allem zwei theoretische Ansätze hervor: Zum einen die Theorien zur Entmachtung des Autors von Tel Quel, Nouveau Roman sowie Roland Barthes, und zum anderen Wolfgang Isers Lektürekonzept „Der Akt des Lesens“. Dabei werde ich mich allerdings auf die augenscheinlichsten Theorieansätze beschränken, da eine zu detailreiche Analyse den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fiktion vs. Realität
- Der empirische und der fiktionale Leser
- Vom empirischen zum fiktionalen Autor
- Das Verhältnis von Autor, Text und Leser
- Transparente Fiktionsmechanismen
- Fiktionsebenen
- Das Transparentwerden von Erzählstrategien
- Der Kunstgriff der mise en abyme
- Die Fiktionalisierung von Literaturtheorie
- Theorien zur Entmachtung des Autors - Nouveau Roman, Tel Quel und Roland Barthes, „Der Tod des Autors“
- Lektüretheorien - Wolfgang Isers „Der Akt des Lesens“
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Italo Calvinos Roman „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“, indem sie das Spannungsverhältnis zwischen Fiktion und Realität untersucht und die Rolle des Lesers innerhalb der komplexen fiktionalen Strukturen beleuchtet. Dabei werden die unterschiedlichen Lesertypen im Roman und deren Interaktion mit den Autorenfiguren betrachtet.
- Die Unterscheidung zwischen dem empirischen und dem fiktionalen Leser
- Die Analyse von Calvinos transparenten Fiktionsmechanismen und Erzählstrategien
- Die Rolle der mise en abyme im Roman
- Die Beziehung zwischen Fiktion und Literaturtheorie, insbesondere die Ansätze von Tel Quel, Nouveau Roman und Wolfgang Iser
- Die Bedeutung des Lesers und dessen aktive Rolle in der Gestaltung der Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Roman „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“ und seine Thematik vor. Sie beschreibt die Besonderheit des Romans, der die Geschichte seiner eigenen Lektüre erzählt, und kündigt die Schwerpunkte der Arbeit an, die sich auf das Spannungsverhältnis zwischen Fiktion und Realität, die Rolle des Lesers und die transparenten Fiktionsmechanismen fokussieren.
Fiktion vs. Realität
Der empirische und der fiktionale Leser
Dieses Kapitel analysiert die verschiedenen Lesertypen, die im Roman vorkommen. Es stellt den Unterschied zwischen dem empirischen Leser, der außerhalb der fiktionalen Welt steht, und dem fiktionalen Leser dar, der aktiv an der Geschichte teilnimmt. Der fiktionale Leser wird als Protagonist der Geschichte dargestellt, während der empirische Leser zum Beobachter wird.
Vom empirischen zum fiktionalen Autor
Dieses Kapitel beleuchtet die Rolle des Autors im Roman. Der Autor tritt in verschiedenen Formen auf, sowohl als realer Autor Italo Calvino als auch als fiktive Autoren innerhalb der Geschichte. Die Analyse fokussiert auf die Interaktion zwischen den Autoren und den verschiedenen Lesertypen.
Transparente Fiktionsmechanismen
Fiktionsebenen
Dieses Kapitel untersucht die Verwendung unterschiedlicher Fiktionsebenen im Roman und ihre Funktion. Es beschreibt, wie Calvino den Leser durch verschiedene narrative Strategien in die Fiktion einbezieht und ihm Einblicke in die Funktionsweise des Romans gewährt.
Das Transparentwerden von Erzählstrategien
Dieses Kapitel analysiert die transparenten Erzählstrategien Calvinos, die den Leser aktiv in die Konstruktion der Geschichte einbeziehen. Es beschreibt, wie der Roman den Leser zum Teilhaber des kreativen Prozesses macht.
Die Fiktionalisierung von Literaturtheorie
Theorien zur Entmachtung des Autors - Nouveau Roman, Tel Quel und Roland Barthes, „Der Tod des Autors“
Dieses Kapitel beleuchtet den Bezug von Calvinos Roman auf bestimmte Literaturtheorien, insbesondere auf Theorien zur Entmachtung des Autors. Es analysiert, wie Calvino diese Theorien in die Fiktion integriert und inwiefern sie die Geschichte und die Leserrolle beeinflussen.
Schlüsselwörter
Fiktion, Realität, Leser, Autor, Fiktionsmechanismen, Erzählstrategien, Literaturtheorie, mise en abyme, metafiktion, Rezeption, Interpretation, Textualisierung.
- Arbeit zitieren
- Jessica Mohr (Autor:in), 2009, Das Spiel mit der Fiktion in Italo Calvinos "Wenn ein Reisender in einer Winternacht", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160363