Emotionen sind bei Schopenhauer ein Thema, das in seinen Ausführungen einen ausgesprochen hohen Stellenwert einnimmt. In seiner Art, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, geht er allerdings noch einen Schritt weiter. Anstatt dass er nämlich eine detaillierte Theorie der Emotion vorlegt, spricht er emotional: Emotionen oder schlicht Gefühle sind demzufolge nicht Gegenstand, sondern vielmehr Charakteristikum seiner eigenen Abhandlungen. Bei aller wissenschaftlichen Genauigkeit findet sich selten ein Philosoph, dessen Schreibstil derart emotional aufgeladen wie bei ihm. Besonders auffällig ist dies, wenn er über das Leiden und das Elend in der Welt spricht, die bekanntlich im Zentrum seiner Philosophie stehen.
Die Tatsache, einerseits sehr emotional zu schreiben, dabei aber auf tatsächliche Definitionen von Emotionen weitestgehend zu verzichten, führt für den Wissenschaftler zu einer Schwierigkeit. Zwar lassen sich Texte von Schopenhauer leichter lesen als z.B. solche von Kant, weil sie einem auf den ersten Blick verständlicher erscheinen – diese Verständlichkeit kann aber ebenso leicht ins Gegenteil umschlagen, wenn man bedenkt, dass alltägliche Begriffe wie Verstand, Vernunft und nicht zuletzt Wille bei Schopenhauer oft völlig anders verwendet werden, als wir es gewohnt sind. Demzufolge sind uns seine Ausführungen gleichzeitig sehr nah und dabei doch fern – gerade diese vermeintliche Nähe ist es scheinbar, durch die sich Schopenhauer von seinen Lesern distanziert.
In Bezug auf das Kernstück seiner Philosophie – der Wille und dessen Verneinung als höchstes Ziel des Lebens – ergibt sich deshalb folgendes Problem: Willensverneinung ist für Schopenhauer die vollkommenste Form der Seligkeit. In so einem Zustand sind sämtliche Emotionen verschwunden, weil diese in ihrem Wesen zielgerichtet sind; derartige Ziele bzw. Bestrebungen gibt es allerdings im Zustand der völligen Verneinung des Willens nicht mehr.
Was aber bedeutet es nun, glücklich zu sein? Unserer alltäglichen Auffassung nach hat derjenige, der glücklich ist, das höchste Gut für sich erreicht – ebenso bei Schopenhauer? Wenn doch das Glücklichsein selbst auch eine Emotion darstellt, wie kann die Willensverneinung dann noch ein gänzlich emotionsloser Zustand sein? Anders gefragt: Was bedeutet es in Schopenhauers Philosophie, „wunschlos glücklich“ zu sein – ist dies überhaupt möglich, oder ist es ein Widerspruch, da es eventuell nur im Zustand des Wollens möglich ist, Glück zu empfinden?
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Kapitel I
- Grundzüge des philosophischen Weltbildes
- Kapitel II
- Schopenhauers Darstellung der Emotionen
- Kapitel III
- Zustand der Willensverneinung - Die Suche nach dem ewigen Glück?
- Kapitel IV
- Über die Abhängigkeit des Gefühls vom Willen - Kann man ,,wunschlos glücklich\" sein?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, Schopenhauers Theorie der Willensverneinung in Bezug auf die Rolle von Emotionen zu untersuchen. Dabei soll geklärt werden, ob die Willensverneinung, als höchstes Ziel des Lebens, tatsächlich einen Zustand vollkommener Glückseligkeit darstellt, der frei von allen Emotionen ist. Darüber hinaus wird die Frage geklärt, inwiefern Schopenhauers Theorie der Willensverneinung mit dem alltäglichen Verständnis von Glück und Emotionen in Einklang zu bringen ist.
- Schopenhauers Theorie der Willensverneinung
- Die Rolle von Emotionen in Schopenhauers Philosophie
- Der Zusammenhang zwischen Glück und Willensverneinung
- Die Bedeutung des Begriffs "wunschlos glücklich"
- Schopenhauers Philosophie im Kontext anderer philosophischer Theorien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung liefert eine allgemeine Einordnung der Emotionen in Schopenhauers Philosophie und stellt das zentrale Problem der Arbeit dar: die scheinbare Diskrepanz zwischen Willensverneinung und Glückseligkeit.
Kapitel I analysiert die Grundzüge von Schopenhauers philosophisches Weltbild. Dabei wird der Fokus auf die zentralen Begriffe wie Wille, Vorstellung, Verstand, Vernunft und Leiden gelegt.
Kapitel II beleuchtet Schopenhauers Darstellung der Emotionen und untersucht die Beziehung zwischen Emotionen und dem Willen.
Kapitel III befasst sich mit dem Zustand der Willensverneinung und untersucht die Frage, ob dieser Zustand tatsächlich ein Zustand der Glückseligkeit ist, der frei von allen Emotionen ist.
Schlüsselwörter
Schopenhauer, Willensverneinung, Emotionen, Glückseligkeit, Leiden, Welt als Wille und Vorstellung, Vorstellung, Verstand, Vernunft, Gefühl, Wunschlos glücklich.
- Arbeit zitieren
- Uta Schmidt (Autor:in), 2007, Emotionen jenseits des Willens - ein Widerspruch?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160417