Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch und das Verständnis von Sprache


Hausarbeit, 2003

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Die totale Verwaltung und ihre Auswirkungen in der Sprache
2.1. Die "total verwaltete Gesellschaft"
2.2. Die Instrumente der sozialen Kontrolle
2.3. Mediensprache als eindimensionale Sprache
2.4. Die funktionalisierte Sprache
2.5. Versöhnung der Gegensätze
2.6. Die personalisierte Sprache

3. Sprachstil und Kontrolle
3.1. Abkürzungen
3.2. Der Stil der eindimensionalen Sprache
3.3. Sprache und geschichtliche Dimension
3.4. Sprache und Dialektik von Begriffen
3.5. Sprache und Kontrolle

4. Fazit

LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

„Der eindimensionale Mensch repräsentiert den Versuch, die radikal herrschaftskritische Perspektive auf die amerikanische Nachkriegsgesellschaft anzuwenden.“[1]

Der deutsch-amerikanische Philosoph Herbert Marcuse bringt in seinem 1964 veröffentlichten Buch „Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft“ ein kritisches Verständnis von Sprache zum Ausdruck, das Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sein soll. Er ruft hierin zur Verwerfung der anonymen Repressionsmechanismen der Gesellschaft auf und liefert damit einen wichtigen Anstoß für die amerikanische Studentenbewegung.

Der zentrale Begriff, um den sich das Buch dreht, ist die "Eindimensionalität". Wie der Wortlaut schon sagt, gibt es nur eine Dimension. In der Natur kommt aber nichts eindimensionales vor. Dies impliziert, dass der Eindimensionalität eine Dimension fehlt – welche diese fehlende Dimension sein könnte, darauf wird später noch genauer eingegangen werden. Zugleich kann Eindimensionalität aber auch die Einschränkung auf eine vorgegebene Realität bedeuten, ein Punkt, der ebenfalls im Zusammenhang mit Marcuses Werk sehr wichtig ist.

Obgleich Marcuse auch auf andere wichtige Aspekte einer eindimensionalen Gesellschaft eingeht, soll sich diese Arbeit v.a. mit der Sprache beschäftigen, da diese wichtiger Bestandteil und Voraussetzung allen gesellschaftlichen Lebens ist. Folglich wird an dieser Stelle in erster Linie Bezug genommen auf das Kapitel „Die Sprache der totalen Verwaltung“. Allerdings setzt dies ein Verständnis der eindimensionalen Gesellschaft, die Herbert Marcuse darstellt, voraus. Deshalb soll zunächst versucht werden, diese darzustellen.

In der Folge werden dann die wichtigsten sprachlichen Mittel der Manipulation herausgegriffen werden.

Im Abschluss soll versucht werden, die Tendenzen, die Marcuse anführt, auf heutige Verhältnisse zu übertragen bzw. der Frage nachgegangen werden, inwieweit "Der Eindimensionale Mensch" aktuell geblieben ist.

2. Die totale Verwaltung und ihre Auswirkungen in der Sprache

2.1. Die "total verwaltete Gesellschaft"

Marcuse beschäftigt sich eingehend mit der "Sprache der totalen Verwaltung"[2]. Dies setzt aber zunächst voraus, dass wir in einer 'total verwalteten' Gesellschaft leben. Diese Gesellschaft, die Marcuse die "fortgeschrittene Industriegesellschaft"[3] nennt, soll im Folgenden zunächst einmal dargestellt werden. Die zwei Hauptthesen Marcuses, mit denen im "Eindimensionalen Menschen" argumentiert wird, sind:

" 1. dass die fortgeschrittene Industriegesellschaft imstande ist, eine qualitative Änderung für die absehbare Zukunft zu unterbinden;
2. dass Kräfte und Tendenzen vorhanden sind, die diese Eindämmung durchbrechen und die Gesellschaft sprengen können."[4]

Zunächst soll untersucht werden, warum und mit welchen Mitteln nach Marcuses Meinung die Industriegesellschaft eine qualitative Änderung verhindern will. Für den Leser stellt sich zunächst einmal die Frage, was unter "qualitativer Änderung" überhaupt zu verstehen ist. Schon der Wortlaut deutet darauf hin, dass damit die Möglichkeit eines besseren Lebensstils für alle Mitglieder der Gesellschaft gemeint ist. Marcuse weist immer wieder auf die mögliche "vollständige Automation"[5] hin, die dazu führen könnte, dass kein Mensch mehr "entfremdete(n) Arbeit"[6] verrichten müsste. Dies wird als Verbesserung der Lebensqualität betrachtet.

Nach Brunkhorst und Koch beschleunigt sich

"das Tempo sozialen Wandels [...] täglich, alles ist änderbar, nichts, was nicht wählbar geworden wäre; aber am status quo der Gesellschaft ändert sich nichts, starr liegt die Richtung des Fortschritts fest."[7]

Der soziale Wandel soll eben gerade deshalb verhindert werden, weil dieser die gegebenen Herrschaftsstrukturen in Frage stellen oder sogar umstürzen könnte. Um einen derartigen Wandel zu verhindern, bedient sich die Gesellschaft bestimmter Mittel, Marcuse nennt sie die "Formen sozialer Kontrolle"[8].

2.2. Die Instrumente der sozialen Kontrolle

Eines dieser Kontrollinstrumente ist die "Manipulation von Bedürfnissen"[9].

Marcuse geht davon aus, dass Bedürfnisse historisch sind, d.h. sie sind im sozialgeschichtlichem Kontext auch veränderbar[10]. Dies kann zum Einen durch sozialen Strukturwandel geschehen – beispielsweise ist "Sattwerden" in unserer heutigen Gesellschaft kein Bedürfnis mehr, da die wenigsten noch hungern müssen.

Ebenso "[...] besteht das Bedürfnis nach Freiheit als vitales Bedürfnis, jedenfalls in einem großen Teil der gleichgeschalteten Bevölkerung in den entwickelten Ländern des Kapitalismus, nicht oder nicht mehr."[11], wie Marcuse in einem Vortrag an der Freien Universität Berlin 1967 verdeutlichte.

Stattdessen existieren andere Bedürfnisse wie etwa das Bedürfnis nach einem gewissen Lebensstandard. Hier greift die andere Möglichkeit, unter der Bedürfnisse sich wandeln können: durch Manipulation durch die Herrschenden. So können Bedürfnisse auch "gemacht" werden – respektive heute v.a. durch die Industrie und die Werbung.

Demnach lassen sich falsche und wahre Bedürfnisse unterscheiden.[12] Die falschen Bedürfnisse sind von oben auferlegte Bedürfnisse, von Marcuse auch "repressive"[13] Bedürfnisse genannt, wie etwa das Bedürfnis nach "Produktion und Konsumtion von unnützen Dingen"[14]. Obgleich die Menschen sich durchaus mit diesen Bedürfnissen identifizieren, bleiben sie dennoch Mittel der Unterdrückung, da sie die repressive Gesellschaft in den Individuen reproduzieren[15].

Nun sollte man davon ausgehen, dass der Mensch selbst in der Lage sein sollte, zwischen falschen und wahren Bedürfnissen zu unterscheiden.

Marcuse wirft hier ein, dass dies gerade nicht der Fall sei, da das Individuum ein manipuliertes und geschultes Wesen sei.[16] Dies ist auf den Einfluss der Massenmedien zurückzuführen, die auch schon vor dem Beginn der Massenproduktion von Radio und Fernsehen "langjährig präparierte Empfänger"[17] waren. Dies kann auf zwei verschiedenen Ebenen verstanden werden.

Zum Einen kann man diese Aussage auf den zeitlichen Kontext beziehen. Zum Zeitpunkt, an dem der "Eindimensionale Mensch" geschrieben wurde, stand die Massenverbreitung insbesondere des Fernsehens allenfalls erst am Anfang. Jedoch sind gerade im Rückblick auf die Kriegszeit die Auswirkungen einer gut funktionierenden Manipulation im Rahmen von Propaganda zu sehen, die über Radio (man denke etwa an den "Volksempfänger"), Kino, Plakate und Zeitungen verbreitet wurde.

Zum Anderen wird diese "Schulung" zum Konsumenten auch in der Individualentwicklung eines jeden Kindes deutlich. Von klein auf lernt das Kind das Konsumverhalten der Eltern kennen und nachzuahmen, ja selbst, wenn diese sich bemühen sollten, sich eher konsumkritisch zu verhalten, wird es doch durch Freunde, den Kindergarten, das Fernsehen und dergleichen auf die Rolle des mustergültigen Konsumenten eingestimmt.

Durch diese Mechanismen ist die Umsetzung gesellschaftlicher Bedürfnisse in individuelle so wirksam geworden, dass es schwierig ist, überhaupt Unterschiede auszumachen.[18] Wo etwa soll man den Punkt ansetzen, an dem ein Fernsehprogramm vom harmlosen Informations- und Unterhaltungsmedium zum Manipulierungs- und Schulungsinstrument umschlägt? Wenn man sich die 'Tagesschau' ansieht, vergisst man leicht, dass man auch hier schon einer Art Manipulation unterliegt, da man nur ausgewählte Nachrichten zu sehen bekommt.

Von der Gesellschaft werden gerade die Bedürfnisse unterdrückt, die nach Freiheit verlangen.[19] So wird es geradezu unmöglich, sich auf die Befriedigung der "wahren" Bedürfnisse zu beschränken.

[...]


[1] Dubiel, Helmut: Demokratie und Kapitalismus bei Herbert Marcuse. In: Kritik und Utopie im Werk von Herbert Marcuse (hrsg. vom Institut für Sozialforschung). Frankfurt am Main 1992. S. 61 - 73

[2] Marcuse, S. 104

[3] ders., S. 17

[4] ebd.

[5] vgl. Marcuse, z.B. S. 36

[6] Marcuse, Herbert: Das Ende der Utopie. S. 37

[7] Brunkhorst, Hauke / Koch, Gertrud: Herbert Marcuse zur Einführung. Hamburg 1990. S. 87

[8] Marcuse, S. 29

[9] Marcuse, S. 23

[10] vgl. Marcuse, S. 24

[11] Marcuse, Herbert: Das Ende der Utopie. Berlin 1967. S. 15

[12] Marcuse, S. 25

[13] ebd.

[14] ders. S.27

[15] vgl. Das Ende der Utopie. S. 15

[16] vgl. Marcuse, S. 26

[17] ders. S. 28

[18] vgl. Marcuse, S. 28

[19] vgl. ders. S. 27

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch und das Verständnis von Sprache
Hochschule
Universität Lüneburg  (Kulturwissenschaft)
Veranstaltung
Sprache in der Massenkultur
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V16050
ISBN (eBook)
9783638210027
Dateigröße
594 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herbert, Marcuse, Mensch, Verständnis, Sprache, Massenkultur
Arbeit zitieren
Jan Schüttler (Autor:in), 2003, Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch und das Verständnis von Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16050

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