Wie ist es aber zu einer solch starken Veränderung gekommen? Wieso nimmt die sportliche
Leistungsfähigkeit der Schüler immer weiter ab? Dies hat mindestens zwei Ursachen.
Zum einen hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten das Lebensumfeld der Schüler/
Kinder extrem verändert. Die intakten Bewegungswelten der Kinder, wie z.B. Bolzplätze,
Wälder, Wiesen und Abenteuerplätze, wurden immer weiter durch den Prozess
der Verstädterung verdrängt. Der zunehmende Straßenverkehr drängt die Kinder immer
weiter in die eigenen vier Wände zurück. Gleichzeitig werden viele Kinder immer mehr
von einem Ort zum anderen mit dem Auto gefahren z.B. vom Elternhaus zur Schule im
gleichen Ort. Dies hat, wie es KATZENBOGNER (2004:13) trefflich nennt, eine „Verhäuslichung“
und eine „Verinselung“ der Lebenswelten zur Folge. Es erfolgt eine „Verplanung“
und „mediale Überlastung“ der Freizeit. Eine musikalische Früherziehung, stundenlanger
Fernsehkonsum (bis zu 30 Stunden pro Woche), Computerspiele und nicht
zuletzt der steigende Leistungsdruck in der Schule durch neue Lehrpläne stehlen den
Kindern immer mehr Freizeit. Den Kindern wird das Sammeln von aktiven Primärerfahrungen
erschwert oder gar verhindert, indem viele Bereiche ihrer Lebenswelt nur
noch nach vorgeschriebenen Regeln erlebt werden dürfen.
Die Folgen dieser Veränderung sind vielfältig. Bei vielen Kindern sind muskuläre Dysbalancen,
koordinative und konditionelle Defizite sowie Konzentrationsstörungen festzustellen,
was sich negativ auf die Schule und nicht zuletzt auch auf den Schulsport
auswirkt. Somit müssen Bewegungsaufgaben schnell und einfach zu bewältigen sein,
dürfen keine Verpflichtung (längeres Üben) nach sich ziehen und dürfen nicht als körperliche
Belastungen empfunden werden (KATZENBOGNER 2004:14).
Als zweite Ursache für diesen Rückschritt sehe ich die Lehrplansituation, die im Gegensatz
zur Lebenswelt der Schüler steht. Statt auf reduzierte, individuellere Inhalte zu setzen,
wurde im Zuge der G8-Reform nur der zeitliche Rahmen gekürzt, immer mehr in
kürzerer Zeit. So stehen für den achten Jahrgang im Bereich der Leichtathletik nur
zwölf Unterrichtsstunden zur Verfügung um mit den Schülern das Bewegungsfeld
„Laufen, Springen, Werfen“ durchzuführen (HKM 2005:60). Dies bedeutet, dass theoretisch
für jeden Themenbereich nur vier Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen.
Dies führt dann zu dem unrühmlichen Dreiklang „Vermitteln, Üben und Bewerten in
drei Unterrichtsstunden“.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Eröffnung des pädagogischen Problems
- 3. Theoretische Eckpfeiler der Leichtathletikvermittlung
- 3.1 Aspekte des Lehrplans
- 3.2 Wissenschaftliche Vermittlungsaspekte – Die Leistungsstruktur
- 3.3 Motorische Entwicklung der Schüler
- 3.4 Die Floptechnik
- 3.5 Erstes Zwischenfazit
- 4. Lerngruppe und Lernausganglage
- 4.1 Beschreibung der Lerngruppe
- 4.2 Bestimmung der Lernausgangslage
- 4.3 Rahmenbedingungen
- 5. Umsetzung der Theorie in die Praxis
- 5.1 Didaktische Begründung der Unterrichtsreihe
- 5.2 Methodische Überlegungen zur Unterrichtsreihe
- 5.3 Lernziele der Unterrichtsreihe
- 5.4 Beispielstunden
- 5.4.1 Erste Beispielstunde (Stunde 3)
- 5.4.1.1 Didaktische Analyse
- 5.4.1.2 Methodische Analyse
- 5.4.1.3 Lernziele
- 5.4.2 Zweite Beispielstunde (Stunde 7+8)
- 5.4.2.1 Didaktische Analyse
- 5.4.2.2 Methodische Analyse
- 5.4.2.3 Lernziele
- 5.4.2.4 Diagnostisches Instrument
- 5.4.1 Erste Beispielstunde (Stunde 3)
- 5.5 Beobachtung zweier Schüler
- 5.5.1 Patrick-Philipp
- 5.5.2 Julia
- 6. Evaluation
- 6.1 Ergebnisse Posttest
- 6.2 Eine Möglichkeit der Bewertung
- 6.3 Schülerbefragung
- 6.4 Selbstreflexion
- 6.5 Zweites Zwischenfazit
- 7. Ausblick auf G8
- 8. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Herausforderungen der Leichtathletikvermittlung in der Schule unter den aktuellen Rahmenbedingungen des Lehrplans. Die Zielsetzung liegt darin, aufzuzeigen, warum die Ausbildung der Leichtathletik in der Schule grundlegend geändert werden sollte und wie eine individuelle Förderung und Bewertung in einem begrenzten Zeitrahmen möglich ist. Die Arbeit konzentriert sich auf das Beispiel des Hochsprungs in einer 8. Klasse.
- Gegenüberstellung der Lehrplanvorgaben und der Anforderungen der Trainingswissenschaft
- Analyse der Auswirkungen des Lehrplans auf die Schülermotivation und -leistung
- Entwicklung einer Unterrichtsreihe zum Hochsprung mit dem Fokus auf individuelle Förderung und Bewertung
- Evaluation der Unterrichtsreihe und Übertragung der Erkenntnisse auf das G8-System
- Bedeutung von Bewegungserfahrungen in der heutigen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die das Problem der sinkenden sportlichen Leistungsfähigkeit von Schülern thematisiert. Es werden verschiedene Ursachen, wie die Veränderung des Lebensumfeldes und die Lehrplansituation, analysiert. Das zweite Kapitel fokussiert auf das pädagogische Problem, das sich aus der Diskrepanz zwischen Lehrplan und Trainingswissenschaft ergibt.
Kapitel 3 befasst sich mit den theoretischen Grundlagen der Leichtathletikvermittlung. Dabei werden die Vorgaben des Lehrplans, die Leistungsstruktur und die motorische Entwicklung der Schüler betrachtet. Die Floptechnik als spezifische Disziplin des Hochsprungs wird ebenfalls analysiert. Im vierten Kapitel wird die Lerngruppe vorgestellt und deren Lernausgangslage sowie die Rahmenbedingungen der Unterrichtsreihe beschrieben.
Kapitel 5 widmet sich der Umsetzung der theoretischen Überlegungen in die Praxis. Die didaktische Begründung und die methodischen Überlegungen der Unterrichtsreihe werden erläutert, und es werden exemplarisch zwei Beispielstunden vorgestellt. Die Evaluation der Unterrichtsreihe, die Ergebnisse des Posttests, eine Möglichkeit der Bewertung und die Schülerbefragung, sind die Themen von Kapitel 6. Abschließend gibt es einen Ausblick auf die Anwendung der Erkenntnisse auf das G8-System.
Schlüsselwörter
Leichtathletik, Hochsprung, Lehrplan, Trainingswissenschaft, motorische Entwicklung, individuelle Förderung, Bewertung, Unterrichtsreihe, Evaluation, G8-System.
- Arbeit zitieren
- Jens Ender (Autor:in), 2009, Vermitteln, Üben und Bewerten in drei Stunden? Warum die Ausbildung der Leichtathletik in der Schule grundlegend geändert werden sollte , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160612