Ein Roman über das Verstummen der Liebe, die Kälte der Jahre – und den Mut, sich selbst wiederzufinden.
Maria ist verheiratet – und einsam. Sie blickt zurück: auf das Mädchen, das sie war, auf die Frau, die sie geworden ist – und auf das Leben, das sie nicht mehr führen will. Die Gespräche sind verstummt. Der Mann trinkt. Maria macht sich auf den Weg. Sie ging nicht, weil sie wusste, wohin. Sie ging, weil sie wusste, dass sie nicht bleiben konnte. Marias Rückzug, Isolation, erste Gedanken an Flucht aus der Ehe. Sie beginnt, sich selbst zu verlieren, aber sie kämpft gegen die Einsamkeit. Ein Roman über vier Jahreszeiten – und ein Leben, das neu beginnt, wenn alles verloren scheint.
F. Ludin
Aufbruch nach dem Frost
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Text: © 2025 Copyright by F. Ludin
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Jedes Leben hat sein Maß
an Leid. Manchmal
bewirkt eben dieses unser Erwachen.
Siddharta Gautama (Buddha)
Advent
Sie brauchte Bruno, brauchte ihn wie eine Maschine das Öl – nicht aus Liebe. Sie brauchte ihn, solange sie jung war. Dann – das wusste sie – würde das Feuer in ihr erlöschen.
Maria stand auf. Er bewunderte ihre langen, gewellten, schwarzen Haare. Ihre Brüste waren straff. Bruno stand auf, zog sich an und ging auf die Toilette. Sein Urinstrahl schoss über die Schüssel hinaus und verschmutzte den Boden. Er grinste still vor sich hin – ein rebellischer Akt gegen eine Welt, die ihn längst vergessen hatte. Für einen Moment dachte er zurück an seine Kindheit. Mit Genuss pinkelte er an jeden Strauch, jede Hauswand – und bewunderte im Stillen, wie die gelben Bächlein an der Wand hinunterrannen und am Boden kleine Lachen bildeten. Mit seinen Kameraden pisste er um die Wette. Seine Mutter schrie immer, er solle den Boden nicht vollpinkeln, sonst müsse er ihn reinigen, denn sie würde es nicht tun. Sie war eine strenge Frau gewesen und hatte viel arbeiten müssen – und sie wollte viel arbeiten. Sein Vater hatte immer einen enormen Durst.
Bruno sehnte sich wieder nach Bier und Schnaps. Die Sucht kam auch bei ihm – langsam, schleichend, aber unaufhaltsam.
„Bist du heute Abend daheim?“ hörte er Maria fragen.
Heute hatte er zum ersten Mal Mühe gehabt mit ihr. Sein Verlangen nach Bier wuchs mit jedem Tag. Er musste trinken. Trinken – das war eine himmlische Angelegenheit.
Wenn er genug getrunken hatte, versank die Realität. All seine Wünsche, all seine Sehnsüchte, die er vor langer Zeit begraben hatte, kamen dann hoch.
Wie sehr liebte er dieses Gefühl: alles kurz und klein zu schlagen, zu brüllen, seine ganze Wut in die Welt hinauszuschreien.
Maria spürte, dass Bruno sich verändert hatte. Jede Woche verwandelte er sich mehr. Sein Blick wurde glasiger, sein Griff fester, sein Schweigen länger. Maria fragte sich, wann der Moment kam, in dem sie ihn nicht mehr erkannte. Es machte ihr Angst. Den Alkoholgeruch ertrug sie kaum noch. Bruno roch wie ein ungezähmtes Tier – scharf, nach Alkohol, nach schwindender Selbstkontrolle.
Sie erinnerte sich an den letzten Winter …
Der Schnee lag gefroren über dem Land, eine starre weiße Decke, die das Dorf gefangen hielt - hingeworfene Häuser und Bauernhöfe mitten in einer verschneiten Waldlandschaft.
Maria starrte durch die Frostblumen auf der Fensterscheibe hinaus zum Haus des Nachbarn. Sie hatten sich langsam angenähert - zuerst nur Blicke, dann heimliche Gespräche, später Berührungen. Ein Monat war vergangen seitdem, bevor die Kälte kam und das Dorf unter der Last des Schnees erstickte.
Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. In der Wärme seiner Umarmung hatte sie ihre Familie vergessen Der Nachbar war ein starker Mann. Jedes Mal, wenn sie bei ihm war, war sie wie von Sinnen. Sie wusste, dass sie ihn brauchte. Und er brauchte sie. Die Welt wurde bedeutungslos - die Küche, die schmutzige Wäsche und Bruno mit seinen leeren Augen und der Gier nach Alkohol.
Heute würde sie ihn wiedersehen.
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- F. Ludin (Author), 2025, Aufbruch nach dem Frost, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1606405