Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung
2.1 Das gegenwärtige System der Finanzierung
2.1.1 Struktur des Finanzierungssystems
2.1.2 Einnahmen- und Ausgabenentwicklung seit
2.2 Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Finanzierung
2.3 Kritische Würdigung des aktuellen Finanzierungssystems
3 Vorschläge zur Reformierung der sozialen Pflegeversicherung
3.1 Ansprüche an den Reformvorschlag
3.2 Die Bürgerversicherung
3.2.1 Charakterisierung des Reformvorschlages
3.2.2 Abschließende Beurteilung des Vorschlages
3.3 Reformvorschlag des Kronberger Kreises
3.3.1 Charakterisierung des Vorschlages
3.3.2 Abschließende Beurteilung des Vorschlages
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der sozialen Pflegeversicherung
Abbildung 2: Überschüsse der sozialen Pflegeversicherung
Abbildung 3: Prognose des Altenquotienten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die Pflegeversicherung wurde zum 1. Januar 1995 als fünfte Säule der Sozialver- sicherung eingeführt, um die bis dahin für die Pflege verantwortliche Sozialhilfe finanziell zu entlasten. Seitdem sind nun 14 Jahre vergangen und es bleibt die Frage zu stellen, wie es um die Pflegeversicherung im Jahr 2009 steht.
„Ob es besser wird, wenn es anders wird, weiß ich nicht. Dass es anders werden muss, wenn es besser werden soll, ist gewiss.“1
Dieses Zitat von Georg Christoph Lichtenberg verdeutlicht die aktuelle Situation der Pflegeversicherung. Durch das steigende Defizit, das die Pflegeversicherung zu verzeichnen hat, werden die Rufe nach einer Reformierung des aktuellen Fi- nanzierungssystems immer lauter. Im Folgenden soll untersucht werden, wie es zu den Defiziten überhaupt gekommen ist und welche Reformvorschläge eine Alter- native zu dem bisherigen System sein könnten. Hierzu wird ausgehend von der Darstellung der Grundzüge des Finanzierungssystems der sozialen Pflegeversiche- rung und den damit verbundenen Problemen in Kapitel 2, in Kapitel 3 auf verschiedene Reformvorschläge näher eingegangen. Den Abschluss bildet ein Fa- zit der dargestellten Sachverhalte.
2 Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung
Die gesetzliche Pflegeversicherung gliedert sich in die soziale Pflegeversicherung (SPV) und in die private Pflegeversicherung. Beide Versicherungen sind als Pflichtversicherungen konzipiert.2 Für die Versicherungspflicht gilt der Grundsatz „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“3, d.h. wer Mitglied in der gesetz- lichen Krankenversicherung ist, ist nach § 20 Sozialgesetzbuch (SGB) XI in der SPV versicherungspflichtig. Für freiwillig gesetzlich Versicherte besteht die Mög- lichkeit, sich befreien zu lassen, wenn sie eine private Pflegeversicherung nachweisen können. Für die Mitglieder einer privaten Krankenversicherung be- steht die gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung.
90% der deutschen Bevölkerung sind in der SPV versichert.4 Mit Ausnahme der Beitragssatzerhebung entspricht die private Pflegversicherung im Wesentlichen den Prinzipien der SPV. Daher wird im Folgenden ausschließlich auf die SPV eingegangen.
2.1 Das gegenwärtige System der Finanzierung
2.1.1 Struktur des Finanzierungssystems
Das gegenwärtige System der Finanzierung der SPV gestaltet sich analog zur ge- setzlichen Krankenversicherung als Umlageverfahren. Das heißt, dass die benötigten Finanzmittel für die Leistungen einer Periode aus den Pflegeversiche- rungsbeiträgen der laufenden Periode aufgebracht werden.5 Der Beitragssatz zur SPV wird paritätisch finanziert. Damit ist gemeint, dass der Beitragssatz je zur Hälfte von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern aufgebracht wird. An die Pflegekassen abgeführt wird der Beitrag vom Arbeitgeber.
Von dem Zeitpunkt der Einführung der Pflegeversicherung am 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 betrug der Beitragssatz 1% der beitragspflichtigen Einnahmen, ab dem 1. Juli 1996 stieg der Beitragssatz auf 1,7% an.6 In § 70 SGB XI ist die Beitragssatzstabilität geregelt. Hiernach müssen die Pflegekassen sicherstellen, dass die Ausgaben der von den Leistungserbringern erbrachten Leistungen die Beitragseinnahmen nicht übersteigen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Beitragssatz erhöht wird. In § 55 Abs. 1, 2. Halbsatz SGB XI wird festgelegt, dass der Beitragssatz per Gesetz bestimmt wird. Diese Situation trat im Juli 2008 auf, als im Rahmen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) der Beitragssatz um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95% des Bruttoarbeitsentgelts erhöht wurde.
Der Beitragssatz wird bis zur jährlich neu festzulegenden Beitragsbemessungs- grenze erhoben. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt im Jahr 2009 bei 3.675 Euro. Zur Finanzierung der Arbeitgeberbeiträge wurde der Buß- und Bettag als Feiertag abgeschafft.7 Eine Ausnahme bildet hierbei Sachsen, weshalb die Arbeitnehmer von den 1,95% statt der Hälfte (wie in den anderen Bundesländern) 1,475% tra- gen. Familienangehörige sind beitragsfrei mitversichert, wenn ein Anspruch auf Familienversicherung besteht.8 Rentner tragen gemäß § 59 Abs. 1 SGB XI seit 1. April 2004 den vollen Beitragssatz alleine. Mit dem Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinder- Berücksichtigungsgesetz) vom 1. Januar 2005 wurde festgelegt, dass kinderlose Erwerbstätige ab 23 einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25% an die Pflegekas- sen entrichten müssen. Dieser Beitrag wird von den Arbeitnehmern alleine getragen. Ausgenommen von dieser Regelung sind Mitglieder, die vor dem 01.01.1940 geboren sind, Bezieher von Arbeitslosengeld II sowie Wehr- und Er- satzdienstleistende.
Der bundeseinheitliche Beitragssatz wird durch die Einbeziehung aller Pflegekas- sen in einen monatlichen Liquiditätsausgleich und einen ergänzenden Jahresausgleich ermöglicht.9 § 66 Abs. 1 SGB XI verlangt, dass die Leistungs- aufwendungen sowie die Verwaltungskosten der SPV von allen Pflegekassen nach dem Verhältnis ihrer Beitragseinnahmen gemeinsam getragen werden. Das Bundesversicherungsamt führt in Abstimmung mit dem Spitzenverband Bund den Ausgabenausgleich durch.
Die Leistungen der SPV sind budgetiert. Das bedeutet, dass die Höhe und Struktur der Leistungen der Höhe der Beitragseinnahmen angepasst werden.10 Somit wur- den die Leistungen nicht entsprechend der Preisniveauentwicklung angepasst. Durch die Budgetierung konnte der Beitragssatz bis 2008 konstant bei 1,7% be- lassen werden, obwohl die Fallzahlen seit der Einführung der SPV ein deutliches Wachstum zu verzeichnen haben.11 Durch die Pflegereform im Jahr 2008 wurden die finanziellen Leistungen der SPV erstmals angehoben. Das Pflege- Weiterentwicklungsgesetz (PfWG ) von 2008 sieht außerdem in § 30 PfWG eine Dynamisierung der Leistungen ab 2015 vor und zwar in dem Sinne, dass alle drei Jahre von der Bundesregierung geprüft wird, ob eine Notwendigkeit zur Anpas- sung der Pflegeleistungen besteht.
2.1.2 Einnahmen- und Ausgabenentwicklung seit 1995
Da die Leistungen der SPV stufenweise eingeführt wurden, d.h. dass für die am- bulante Pflege seit dem 1. April 1995 und für die stationäre Pflege seit dem 1. Juli 1996 Leistungen gewährt wurden, konnte die SPV in den ersten beiden Jahren ih- res Bestehens einen Finanzüberschuss in Höhe von 4,62 Mrd. Euro, die sogenannte Demografiereserve verzeichnen.12 Abbildung 1 kann man entnehmen, dass die Entwicklung der Beitragseinnahmen seit 1997 bis auf zwei Ausnahmen in ihrer Höhe nahezu konstant geblieben ist. Diese Ausnahmen sind in den Jahren 2005 durch das Kinder-Berücksichtigungsgesetz und im Jahr 2006 durch den vor- gezogenen Abgabetermin für die Sozialbeiträge zustande gekommen.13 Das Ausgabenvolumen hat in der gleichen Zeitspanne allerdings deutlich zugenom- men - von 15,14 Mrd. Euro im Jahr 1997 auf 18,34 Mrd. Euro im Jahr 2007. Damit sind die Ausgaben um jährlich nominal 2 Prozent gewachsen. Für den dar- gestellten Ausgabenanstieg ist einzig die Zunahme und die veränderte Zusammensetzung der Zahl der Bezieher ambulanter und stationärer Leistungen verantwortlich, da die SPV bis 2008 keiner Dynamisierung unterworfen wurde.14
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der sozialen Pflegeversicherung 15
Die Demografiereserve ist aufgrund der steigenden Ausgaben von 4,62 Mrd. Euro in den Jahren 1995 und 1996 auf 3,21 Mrd. Euro im Jahr 2007 gesunken. Damit liegt sie zwar noch über der nach §§ 63 und 64 SGB XI vorgeschriebenen Finanz- reserve in Höhe von 1,5 Monatsausgaben, es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die Reserve nicht mehr erfüllt werden kann. Für das in Abbildung 2 dargestellte Finanzierungsdefizit zeichnet sich vor allem die Einnahmenschwäche verantwort- lich. Das durchschnittliche jährliche Einnahmenwachstum der SPV lag zwischen 1997 und 2007 nämlich bei lediglich nominal 0,8% jährlich und damit unterhalb der Inflationsrate von 1,3% und unterhalb des Ausgabenwachstums von nominal 2% pro Jahr.16 Als Gründe für die Einnahmenschwäche lassen sich nach Rothgang zum einen sozialrechtliche Veränderungen nennen. Hierunter fallen unter anderem die Kürzung der Beitragszahlung der Bundesanstalt für Arbeit für Arbeitslosenhil- febezieher im Jahr 2000, die im Altersvermögensgesetz von 2000 erweiterten Möglichkeiten zur Gehaltsumwandlung, was eine Verringerung der beitrags- pflichtigen Einkommen zur Folge hat sowie Mini- und Midijobs, die zu Einnahmenverlusten in der SPV führen. Zum anderen zeichnet sich die strukturel- le Einnahmenschwäche verantwortlich. Diese bewirkt, dass die Bemessungs- grundlage der SPV langsamer wächst als das Bruttoinlandsprodukt. Als Gründe hierfür lassen sich die sinkende Lohnquote, der Abbau der sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigungsverhältnisse sowie die niedrigen Lohn, Gehalts- und Rentensteigerungen nennen.17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Überschüsse der sozialen Pflegeversicherung 18
[...]
1 Lichtenberg (2008), S. 510.
2 Vgl. Mager (1999), S. 210.
3 Mager (1999), S. 210.
4 Vgl. Simon (2008), S. 313.
5 Vgl. Mager (1999), S. 235.
6 Vgl. Klein (2000), S. 16.
7 Vgl. Widmaier (2005), S. 2.
8 Vgl. Schulte/ Schröder (2006), S. 113.
9 Vgl. Breyer et al. (2004), S. 97.
10 Vgl. Mager (1999), S. 236.
11 Vgl. Breyer et al. (2004), S. 100.
12 Vgl. Häcker/ Raffelhüschen (2008), S. 9.
13 Vgl. Häcker/ Raffelhüschen (2008), S. 9.
14 Vgl. Häcker/ Raffelhüschen (2008), S. 10.
15 Eigene Darstellung auf Basis der Daten des Bundesministeriums für Gesundheit (2008).
16 Vgl. Rothgang (2007), S. 2.
17 Vgl. Rothgang (2007), S. 2-3.
18 Eigene Darstellung auf Basis der Daten des Bundesministeriums für Gesundheit (2008).