Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Maria Montessori als spirituelle Persönlichkeit
3. Zur Biographie Maria Montessoris
4. Maria Montessoris Sicht der Kinder
5. Pädagogischer Ansatz Montessoris
5.1. Ein Vormittag im Integrativen-Montessori-Kindergarten im Freiburger Stadtteil Wiehre – Ein Bericht
6. Schlussworte
7. Bibliographie
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der bedeutenden Pädagogin Maria Montessori. Besonderes Augenmerk ist auf ihre Biographie gerichtet, denn vor allem ihre akademische Laufbahn und ihre schnelle Berühmtheit sind für die damalige Zeit ungewöhnlich. Weitere Bedeutung liegt in Maria Montessoris Sicht des Kindes und die darauf aufbauende Pädagogik. Ein Erfahrungsbericht aus einem Montessori-Kindergarten soll die praktische Umsetzung ihrer Methoden veranschaulichen, die bis zum heutigen Tag in vielen Einrichtungen, zumindest in Ansätzen, anzutreffen sind.
2. Maria Montessori als spirituelle Persönlichkeit
Maria Montessori verstand sich als katholische Christin. Sie praktizierte ihre Religion nicht durch den Gang in die Kirche oder ständiges Beten. Sie war ein gläubiger Mensch, der gleichzeitig sehr weltoffen war. Sie wehrte sich gegen eine Instrumentalisierung des Glaubens und ermutigte die Menschen sich zu einem aktiven Glaubensleben zu öffnen. Die Religion zu leben und nicht zu dogmatisieren, denn Religion würde zum Wesen des Menschen gehören und sei notwendig zur Entwicklung des Menschen. Besonders das Kind sei als ein Geschöpf Gottes zu achten, weshalb sich auch ihre Pädagogik an alle Kinder allen Glaubens und aller Rassen adressierte. „Wir dürfen nicht nur das Kind sehen, sondern Gott in ihm. Wir müssen die Gesetze der Schöpfung in ihm achten: Wir dürfen nicht denken, wir könnten das Kind machen; wenn wir das tun, verderben wir das göttliche Werk … Das Geheimnis der Erziehung ist, das Göttliche im Menschen zu erkennen und zu beobachten, d.h., das Göttliche im Menschen zu kennen, zu lieben und ihm zu dienen; zu helfen und mitzuarbeiten von der Position des Geschöpfes und nicht der des Schöpfers. Wir haben das göttliche Wesen zu fördern, aber nicht uns an seine Stelle zu setzen …“[1] Maria Montessori wurde als Ärztin durch die naturwissenschaftliche Schule medizinischer Ausbildung geprägt, zugleich vertrat sie als Pädagogin eine Sicht vom Kind, die sie teilweise mit Bildern und Gleichnissen der Bibel beschreibt. Sie selbst verfolgte ihre pädagogische Arbeit mit einem spirituellen Bewusstsein, das teilweise an Mystik grenzt. Ihr Denken, ihr Empfinden und ihr Handeln waren darauf ausgerichtet. Sie lebte aus einem bestimmten Geist heraus, der aus ihrer Daseinsdeutung und Sinnerklärung erwachsen ist. Dieses bewusste Leben bezog alle elementaren Bereiche des Menschseins ein, den Körper und die Emotionen, den Geist und die Seele. Es war bestimmt von der Verantwortung für den Menschen selber und für die Welt um einen Menschen herum. Dies hat Maria Montessori ihr Leben lang praktiziert. Sie hatte eine Mission in der Welt zu erfüllen. Diesen Auftrag hat sie schon in jungen Jahren vernommen und war die Hälfte der Zeit ihres Lebens in vielen Ländern der Welt missionarisch unterwegs. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer eigentümlichen Spannung in Montessori zwischen Wissenschaftlerin und Mystikerin, zwischen Vernunft und Intuition. Ihr Sohn Mario Montessori fasst diese mit folgenden Worten zusammen:
In ihrem philosophischen Ausblick ist es die Aufgabe des Menschen, das Werk der Schöpfung auf Erden kollektiv fortzusetzen, mit Hilfe seiner Intelligenz die unbegrenzten latenten Möglichkeiten der Hervorbringungen von Welt zu entdecken und sie in neuen Formen manifest zu machen. Auf eben diese Weise bringt der Mensch auch seine kulturelle Umgebung hervor. Diese Auffassung des Menschen schließt seine potentielle Größe als Schöpfer ebenso ein wie seine Geringfügigkeit und seine Beschränktheiten in Beziehung zu Gott und seiner Schöpfung. Diese tief verwurzelte Überzeugung vom Geschick des Menschen, die auf ihrem Glauben an Gott und den Menschen beruhte, verlieh Maria Montessori die moralische Ausdauer, ihre Ziele im Leben so hartnäckig zu verfolgen. Sie war auch die Grundlage der Demut und des Respekts, mit dem sie sich der Welt und ihren Mitmenschen im Verlauf ihres ganzen Lebens begegnete.[2]
3. Zur Biographie Maria Montessoris
Maria Montessori wird am 31. August 1870 als einziges Kind des Finanzbeamten Alessandro Montessori und seiner Frau Renilde, geb. Stoppani, in dem kleinen Ort Chiaravalle in der Nähe von Ancona in Italien geboren. Sie stirbt am 6. Mai 1952 in Noordwijk-an-Zee in den Niederlanden. Sie ist die erste Frau, die in Italien ein akademisches Studium durchsetzt, welches sie mit einer Promotion in Medizin abschließt. Sie nimmt bereits während ihrer beruflichen Laufbahn, aber auch später als Professorin für Anthropologie und Hygiene in Rom, aktiv an der Frauenemanzipationsbewegung teil. Als Assistentin der psychiatrischen Klinik und Lehrbeauftragte der Universität in Rom widmet sie sich der Erziehung schwachsinniger Kinder und erzielt mit dem Einsatz von didaktischem Material verblüffende Erfolge. Später wendet sie sich pädagogischen und psychologischen Studien zu, um ähnliche Lehrmethoden für die Ausbildung gesunder Kinder experimentell zu entwickeln und die Bildung und Erziehung auf neue Grundlagen zu stellen. Sie promoviert zum Dr. phil. und gründet bald danach in einem der ärmlichen Viertel Roms 1907 die Kinderhäuser, in denen vorschulpflichtige Kinder nach ihren Ideen erzogen werden.
Maria Montessoris Kindheit verläuft ohne jegliche Auffälligkeiten, ohne ausgesprochene Vorlieben oder Talente. Sie fällt weder in positiver noch in negativer Hinsicht auf. Als Kind träumt sie davon Schauspielerin zu werden. Sie hat als Kind eine gewisse und für ihr Alter ungewohnte Härte, vor allem ihren Mitschülern gegenüber. Und sie strotzt nur so vor Selbstbewusstsein, wobei sie sehr egoistische Züge annehmen kann. Ihr muss schon relativ früh bewusst gewesen sein, dass sie in ihrem Leben eine besondere Mission in der Welt zu erfüllen hat. Als Maria mit zehn Jahren sehr hohes Fieber hat – so wird erzählt - und ihre Mutter äußerst beunruhigt ist, sie diese zuversichtlich mit den Worten: „Hab keine Angst, Mama. Ich kann jetzt nicht sterben, denn ich habe noch so viel zu tun.“[3] beruhigt. Maria soll als Kind bereits erste Erfahrungen im sozialen Bereich gemacht haben. Sie muss für arme Familien stricken und ein behindertes Kind der Nachbarschaft bei Spaziergängen begleiten. Ihre Mutter bemüht sich die Tochter zu möglichst viel Selbstdisziplin zu erziehen. Die Haushälterin der Montessoris stellt die charakterlichen Züge der kleinen Maria und deren Entwicklung wie folgt dar: „Das Mädchen, das durch diese Geschichten hindurchschimmert, ist selbstsicher, willensstark, ein wenig selbstgefällig. Maria hat jenes Pflichtgefühl, das manchmal zur Intoleranz gegenüber anderen führt. Kurzum, sie war die geborene Sozialreformerin und gewiß eine auffallende Einzelgängerin dort und damals.“[4]
Die Eltern von Maria Montessori hatten völlig unterschiedliche Lebenseinstellungen. Während der Vater eher der kleinbürgerlichen Schicht zuzuordnen ist und deutlich konservativen Zügen beiwohnt, ist die Mutter hoch gebildet und vertritt liberale Ansichten. Sie stammt aus einer Gutsbesitzerfamilie und ist die Nichte des hervorragenden Naturwissenschaftlers Antonio Stoppani. Dagegen war der Vater von Alessandro Montessori nur ein einfacher Angestellter in einer Tabakhandlung in Bologna. Nach der Grundschule besucht Maria Montessori eine naturwissenschaftlich-technische Sekundarschule. Der Abschluss berechtigt zum Hochschulstudium. Die Entscheidung ein Mädchen auf eine technische Schule zu schicken, war für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich. Maria spielt mit dem Gedanken Ingenieurin zu werden. Die Eltern bevorzugen den Lehrerberuf als Ausbildungsziel, doch die Mutter stellt sich schließlich auf Marias Seite und sieht für Maria „Möglichkeiten, die sie selbst nicht verwirklichen konnte, und wollte auf jeden Fall für Maria eine hochqualifizierte Ausbildung und spätere Berufstätigkeit, nicht lediglich die obligat erscheinende Verheiratung.“[5] Der Vater dagegen kann diesen Ausbildungsweg mit seiner konservativen Weltsicht nicht vereinbaren. Es kommt folglich zu einer Auseinandersetzung zwischen den Eltern und der berühmten Friedensszene, in der Maria einen Stuhl zwischen die Eltern stellt und auf diesen steigt, um den Streit zu schlichten. Gegen Ende ihrer Schulzeit ändert Maria Montessori ihr Berufsziel. Sie will nun Ärztin werden und Medizin studieren. Dieser Änderung des Berufsziels liegt anscheinend ein mystisches Erlebnis zugrunde. So berichtet eine der Haushälterinnen:
Sie kann selbst nicht erklären, wie es zustande kam. Es geschah in einem einzigen Augenblick. Sie ging auf der Straße, als sie einer Frau mit einem Baby begegnete, das einen langen, schmalen, roten Papierstreifen in der Hand hielt. Ich habe Dr. Montessori mehrmals diese kleine Straßenszene beschreiben hören, ebenso den Entschluß, der ihr dabei in den Sinn kam. In solchen Momenten trat ein langer, tiefer Blick in ihre Augen, als suche sie nach Dingen, die weit über Worte hinausgingen. Dann pflegte sie zu sagen: <Warum?> und mit einer kleinen ausdrucksvollen Handbewegung anzudeuten, daß seltsame Dinge in uns geschehen, die uns zu einem Ziel führen, das wir nicht kennen.[6]
[...]
[1] Raapke, Hans-Dietrich. Montessori heute. Eine moderne Pädagogik für Familie, Kindergarten und Schule. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2001, S. 39.
[2] Montessori, M. Mario. Erziehung zum Menschen. Montessori-Pädagogik heute. München: Kindler Verlag, 1977, S. 21.
[3] Schwegman, Marjan. Maria Montessori. 1870 – 1952. Kind ihrer Zeit, Frau von Welt. Darmstadt: Primus Verlag, 2000, S. 20.
[4] Heiland, Helmut. Maria Montessori. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1991, S. 13.
[5] Heiland, Helmut. Maria Montessori. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1991, S. 15.
[6] Heiland, Helmut. Maria Montessori. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1991, S. 17.