Der Vampir in Literatur und Geschichte


Seminararbeit, 2003

23 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Zielsetzung

2 Definition, Etymologie und Geschichte des Vampirs

3 Die fiktive Vampirliteratur des neunzehnten Jahrhunderts

4 Psychoanalytische Interpretationsansätze
4.1 Das „Vampirprinzip“
4.2 Die Motive:
4.2.1 Religion, Blut
4.2.2 Unersättlichkeit
4.2.3 Unsterblichkeit
4.2.4 Sexualität

5 Ergebnisse hinsichtlich der Wirkung des Vampirs innerhalb der Literatur

6 Fazit und Ausblick

7 Literaturverzeichnis

„The world is a vampire,

sent to drain secret destroyers,

hold you up to the flames […]

now I’m naked,

nothing but an animal […].

Billy Corgan: „Bullet with butterfly wings“

1 Zielsetzung

Der Schauerroman (frz. roman noir, engl. Gothic novel), eine unheimliche und oft als trivial charakterisierte literarische Erscheinung der Frühromantik, griff als eines seiner wichtigsten Motive den Vampir aus dem Volksglauben auf. Die Vampirromane erfuhren eine weite Verbreitung. Das Genre, welches sich durch seine gruseligen Schauplätze (alte Schlösser, Friedhöfe, verwahrloste Einzelbauten etc.) und unheimlichen Requisiten (Waffen, Kerzen, ausgestopfte Tiere etc.) auszeichnet und übersinnliche Phänomene thematisiert, ist seitdem durch eine beeindruckende Zahl an Neuinterpretationen in weitere künstlerische Unternehmen, wie Theater und Kino, bis in die Gegenwart bereichert worden bzw. verarmt dort, wo sich die Handlung auf die Schreckensszenen beschränkt.[1]

Im Mittelpunkt der Beobachtung steht die Frage, was diese Figur des Vampirs für die Literatur so interessant macht.

Dazu soll die Gestalt zuerst als irrationales Phänomen eines abergläubischen Denkens beleuchtet werden. Die Arbeit folgt somit der chronologischen Reihenfolge, indem sie die Wurzeln des Aberglaubens freilegt und sich mit historischen Dokumenten über den Vampirismus beschäftigt. Anschließend soll das spätere Aufgreifen der Figur in der Literatur unter Berücksichtigung ihrer, mit der Zeit gesteigerten Funktionalität analysiert werden. Ausführlich soll jene Wiederentdeckung des Mythos in den Gothic novels, welche scheinbar in Abkehr zum aufklärerischen Geist des ausgehenden 18. Jahrhunderts erfolgte, beschrieben werden. Der Erfolgsroman Dracula (1897) von Bram Stoker soll exemplarisch für die Gattung der Vampirromane herangeführt und das Bild anhand weiterer entscheidender Werke ergänzt werden.

Es gilt bei genauerer Betrachtung, die Berührungspunkte zwischen dem literarischen Interesse an irrationalen Phänomenen in der Literatur und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit solchen psychischen Erscheinungen zu kennzeichnen. Die Strömungen verlaufen parallel, als sie im neunzehnten Jahrhundert verstärkt in das Blickfeld der Forscher traten und mit Freuds Traumdeutung (1900) und Stokers Dracula ihren Höhepunkt feiern.

Es existiert kaum deutsche Literatur zu dem scheinbar wenig anständigen und unwürdigen Thema des Vampirismus.[2] Die folgenden Seiten sollen deshalb zum Ziel haben, die Rezeption der Vampirliteratur nicht als abgeschlossene Aufgabe zu betrachten, und seine Hauptfigur nicht zur Witzfigur zu reduzieren.

2 Definition, Etymologie und Geschichte des Vampirs

Der Vampir ist in der Volkskunde die Bezeichnung eines wiederkehrenden Toten, welcher im Grab keine Ruhe findet und bei Nacht den Menschen das Blut aussaugt.[3] Der Vampir ist bereits seit der Antike ein weit verbreiteter Mythos. Der babylonische Edimmu, die griechischen Lamien und die römischen Lemuren, sind die berühmtesten Vorgänger des späteren Vampirs. Der Balkan war der Raum, in dem die meisten dieser Phantasiewesen aufeinandertrafen und jeder mit seinem eigenen Gepräge das Übermonster versah, dessen Eigenarten seitdem in die Figur des Vampirs übergegangen sind.[4] Borrmann fasst grob fünf Erscheinungen zusammen die laut Volkskundler den Vampir ergeben. Darunter fallen die Widergänger, in der Nacht aktive Geister, blutsaugende Wesen und Hexen. Als einen weiteren Einfluss nennt er Werwolfartige Wesen, genannt Ghoule.

Der mit den typischen Merkmalen behaftete Wiedergänger trägt bei den Bulgaren den Namen Wukodlak, bei den Ungarn den Namen Vrykolaka . Die türkische Variante lautet Uber, die polnische Upier.[5] Die vielen verschiedenen Bezeichnungen, die an dieser Stelle nicht alle aufgezählt werden, belegen die Vielfalt an unterschiedlichen Zügen bei den phantastischen Figuren.[6]

Ein weiterer Grund weshalb es gerade auf dem Balkan zur Entstehung dieses Aberglaubens kam, könnten die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Christen und Muslimen sein, welche viele Epidemien zur Folge hatten, die eines Schuldigen bedurften.

In Deutschland entstanden die ersten Schriften von wiederkehrenden Toten um das Jahr 1337. Erste Zeugnisse über Nachzehrer, bzw. Tote, die im Grab ihre eigenen Kleider aufessen, begegnen uns 1517. Der Begriff Vampir taucht in Deutschland zum ersten Mal im Jahr 1732 in medizinischen und philosophischen Abhandlungen auf. Im selben Jahr erscheint Michael Ranffts Traktat „Von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern“, in dem der Autor auf bekannte Fälle eingeht. In der späteren Auflage von 1734 berücksichtigt er unter anderem auch die Berichte über angebliche Vampiraktivitäten im serbischen Ort Medvegia, über das auch mehrere Gutachten von Königlichen Kanzleien vorliegen.[7] Besonders viele Berichte über die vermehrte Tätigkeit von Vampiren erfolgt im 18. Jahrhundert längs der östlichen Grenze des Habsburger-Reiches, von Slawonien bis zur Bukowina. Neben dem Fall des Arnold Paole in Medvegia (1732), rief auch der Fall des Peter Plosgovitz in Kisolova (1725) großes Aufsehen hervor, weil hier erstmalig behördliche Vertreter an der Untersuchung beiteiligt waren.

Den medizinischen Ansatz einer Klärung der Vampir-Hysterie liefert David Dolphin von der Universität in British Columbia. Er führt den Glauben an Vampire auf eine erbliche Stoffwechselstörung, die Porphyrie, zurück, durch die die Produktion des roten Blutfarbstoffes gestört ist. Kennzeichen für Porphyrie-Kranke sind geschrumpfte Lippen und Gaumen, welche die Zähne stärker hervortreten lassen. Dabei haftet auf den Zähnen ein roter Belag. Weitere Merkmale sind die Lichtempfindlichkeit, bei der Nase und Ohren verkrüppeln können, sowie die Scheu gegen Knoblauch, bzw. der in ihr enthaltenen Substanz Dialkylsulfid, welche die Symptome verschlimmert. Das Leiden kann entweder durch einen ererbten Gendefekt oder eine Vergiftung durch Blei und andere Chemikalien verursacht werden.[8]

Eine weitere medizinisch-fundierte Alternative gibt Professor Christian Reiter, Gerichtsmediziner an der Universität Wien. Durch die Lektüre der Berichte über eine zwischen 1720 und 1725 grassierende Epidemie an der Grenze zu Serbien traf er auf Merkmale exhumierter Leichen, die den bereits existierenden Glauben an Vampire bei der Bevölkerung nährten, heutzutage jedoch wissenschaftlich erklärbar sind. Den guten Konservierungszustand der Leichen führt Reiter darauf zurück, dass jene nicht mit Luft in Kontakt getreten seien und somit eine Verwesung erst langsam stattgefunden habe. Für die restlichen Merkmale sollen Faulprozesse verantwortlich sein, welche die Leiche aufblähe eine rote Flüssigkeit aus der Nase treten lasse und beim Ablassen von Gasen zu dem berichteten „Leichenschmatzen“ führe.[9]

Hanush kommt schon 1859 zu einer ähnlichen Feststellung:

[…] universellement, la décomposition est la période terrible où le corps et le double sont encore mêlés l´un à l’autre, où tout n’est pas accompli, où plane une sourde menace vampirique.[10]

3 Die fiktionale Vampirliteratur des neunzehnten Jahrhunderts

3.1 Die ersten Schauerromane

Den Startschuss für die Ära der Schauerromane in der Neuzeit gaben Lord Byron, dessen Leibarzt John Polidori, Mary Wollstonecraft Shelley und Percy Bysshe Shelley bei einem Treffen im Sommer 1816 in der Villa Diodati am Genfer See. Dort trennten sie sich, auf Vorschlag Byrons, mit der Verabredung, dass jeder eine Gespenstergeschichte verfassen sollte. Aus dieser Übereinkunft gingen Mary Shelleys Frankenstein, Byrons Fragment, sowie The Vampire von Polidori hervor.

[...]


[1] Besonders die Figur des Grafen Dracula erlebte eine Loslösung aus dem eigentlichen Werk in andere Kontexte und Formen der Darstellung.

[2] La bibliographie de Dracula von 1986 zählt 17 Erscheinungen in der französischen Sprache, 24 im englischsprachigen Raum (USA: 14; England: 10) und nur 4 in Deutschland. Vgl. auch Borrmann, S.7: „... hat der deutsche Buchmarkt zu diesem Thema kaum etwas zu bieten. ,Deutsche Seriosität’ mag ein Hinderungsgrund sein, sich mit einem solchen als reißerisch empfundenen Thema auseinanderzusetzen.“ Eine kaum beachtete Ausnahme stellt die Dissertation Kreuters dar. Sie versucht den Volksglauben in einer komparatistischen Studie historisch zu erfassen.

[3] Eine umfangreiche Darstellung des Vampirs nimmt Kreuter auf den Seiten 17 bis 44, unter der bescheidenen Überschrift „Vampir – Versuch einer Definition“, vor.

[4] Borrmann, S.47: „... die bis in den Balkanraum vordrangen, der als Schmelztiegel der verschiedenen Vampirvorstellungen von großer Bedeutung werden sollte.“

[5] Dass alle Typen von Wiedergängern andere Züge aufweisen, zeigt der Eintrag über den polnischen Upier in „Rzaczynskis Naturgeschichte des Königreichs Polen“ von 1721: „Ich habe vielmals von glaubwürdigen Augenzeugen gehört, daß man Menschenleichen gefunden hat, die nicht allein lange Zeit unverwest, mit beweglichen Gliedern und rot geblieben waren, sondern überdies auch Mund, Zunge und Augen bewegten, die Leichentücher, in die sie gehüllt waren, verschlangen und sogar Teile ihres Körpers frassen. Bisweilen ist auch die Kunde davon gekommen, daß eine derartige Leiche aus dem Grabe aufstand, über Kreuzwege und Häuser wandelte, sich bald dem, bald jenem zeigte, auch manche anfiel, um sie zu erwürgen. Wenn es eine Mannesleiche ist, dann heisst dieses Wesen Upier, wenn es eine Frauenleiche ist, Upierzyca, d. h. gleichsam ein gefiederter, mit Federn versehener, leichter zur Bewegung geschickter Körper.“(Sturm, S. 10f).

[6] Allein für den bulgarischen Sprachraum zählt Kreuter (S. 69) 22 Varianten des Wortes Vampir.

[7] Sturm, S. 22: „Gutachten der Königlichen Preußischen Societät derer Wissenschaften von denen Vampyren oder Blut-Aussaugern“.

[8] Bidder: „,Vampire’ leiden an einer Erbkrankheit Angst vor Knoblauch und Sonnenlicht durch Gendefekt – Epidemien schürten den Aberglauben.“

[9] Bidder: „,Vampire’ leiden an einer Erbkrankheit Angst vor Knoblauch und Sonnenlicht durch Gendefekt – Epidemien schürten den Aberglauben.“

[10] Morin, S. 158.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Der Vampir in Literatur und Geschichte
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (FB Romanistik)
Veranstaltung
Freud Euch des Lebens! (Literatur und Psychoanalyse)
Note
1-
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V16096
ISBN (eBook)
9783638210379
ISBN (Buch)
9783638682862
Dateigröße
571 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vampir, Literatur, Geschichte, Freud, Euch, Lebens, Psychoanalyse)
Arbeit zitieren
Miklós Sirokay (Autor:in), 2003, Der Vampir in Literatur und Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16096

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Vampir in Literatur und Geschichte



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden