Leseprobe
Das Theorie-Praxis-Problem der Pädagogik
In jedem Bereich wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens stellt sich die Frage nach einem angemessenen Verhältnis von Theorie und Praxis. Auch und gerade in der pädagogisch orientierten Arbeit stehen die handelnden Personen stets vor dem Problem, einerseits praktisches Handeln mit einem angemessenen theoretischen Hintergrund zu vereinen und andererseits die Vielzahl theoretischer Überlegungen in eine wirkungsvolle und produktive Praxis umzusetzen.
Die Pädagogik als Disziplin ist naturgemäß unterschiedlich zu verstehen.
Einerseits ist sie von Grund auf ein praktisches Handlungsfeld, da in jeder Familie, in jedem Erziehungsprozess pädagogische Handlungen durchgeführt und Maßnahmen ergriffen werden. Alle Gesellschaften regenerieren sich mit Hilfe pädagogischer Leistungen und vermitteln von Generation zu Generation die Eigenschaften, Fähigkeiten und Werte, die zum Fortbestehen der jeweiligen Gruppe von Menschen notwendig scheinen. Dieses pädagogische Handeln verläuft direkt von Mensch zu Mensch und beruht auf Entwicklungen, die ihren Ursprung bereits in frühen menschlichen Lebensformen haben. Solch eine derart praktische Herangehensweise an die Pädagogik geht aus der dem Menschen gegebenen Eigenschaft hervor, seinen Nachwuchs in das Leben einzuführen und erzieherische Arbeit zu leisten.
Eine weitere, aus dieser praktischen Variante des pädagogischen Denkens hervorgehende Herangehensweise ist die der Pädagogik als Berufsfeld. Durch die Übernahme pädagogischer Aufgaben durch Lehrberufe und die Verlagerung insbesondere der Bildungsarbeit weg von der Familie und hin zu externen Bildungsinstitutionen kommt dem professionellen Berufsfeld des Pädagogen eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Diese praxisorientierte, jedoch ebenso theoretischen Einflüssen ausgesetzte Sicht auf Pädagogik bildet im Prinzip das Bindeglied zwischen reiner Praxis und Theorie.
Die dritte, nun gänzlich theoretisch geprägte Seite der Pädagogik ist vor allem der Wissenschaft zuzuordnen. Zwar bewegt sich diese mehr oder weniger nah am praktischen erzieherischen und bildenden Arbeiten, kann jedoch mit der reinen Praxis nur selten in Einklang gebracht werden. Die erziehungswissenschaftlichen Überlegungen und Entwicklungen beschäftigen sich zwar grundlegend mit Elementen, die in der Praxis ihren Ursprung haben, weisen jedoch keinesfalls immer einen Zusammenhang mit der tatsächlichen, ursprünglichen oder beruflichen pädagogischen Praxis auf.
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